BGE 80 I 205 |
33. Auszug aus dem Urteil vom 9. April 1954 i.S. R. gegen Rekurskommission des Kantons Bern. |
Regeste |
Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland: Besteuerung des Angestellten einer schweizerischen industriellen Unternehmung, der sich für Zwecke der Unternehmung vorübergehend in Deutschland aufhält. |
Sachverhalt |
A.- Der Beschwerdeführer (geb. 1926), ist Mitglied des Verwaltungsrates und unterschriftsberechtigter Angestellter der Tonwarenfabrik R. AG, die bei ihrer Errichtung im Jahre 1948 die bisher als Einzelfirma geführte Unternehmung seines Vaters übernommen hatte. Er ist am Aktienkapital wesentlich beteiligt. Weitere Mitglieder des Verwaltungsrates sind sein Vater, zugleich Präsident, und sein ebenfalls in der Unternehmung arbeitender Bruder W. Der Beschwerdeführer ist ledig und lebt ordentlicherweise im Elternhause in E. |
Im Oktober 1951 begab er sich im Auftrage der Firma zu Studienzwecken und zur Anbahnung von Geschäftsverbindungen ins Ausland. Es handelte sich hauptsächlich darum, an der Keramischen Fachschule in Höhr-Grenzhausen (Rheinland) neue Verfahren und die dazu erforderlichen Maschinen und Rohmaterialien kennen zu lernen. Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer in Deutschland keine Arbeitsbewilligung hatte. Neben dem Besuche der Fachschule, an der er sich als Gastschüler einschreiben liess, galt sein Aufenthalt Betriebsbesichtigungen und der Fühlungnahme mit Lieferanten von Maschinen und Rohstoffen. Der Beschwerdeführer bezog in Höhr ein Zimmer und behielt es während der ganzen Dauer seiner Abwesenheit im Ausland bei. Von Höhr aus begab er sich zu den nämlichen Zwecken nach England (3 Wochen) und nach Amerika (ca. 4 Monate). Im August 1953 kehrte er von Höhr kommend in die Schweiz zurück. - Die Unternehmung hat ihm während der ganzen Zeit seine bisherigen Arbeitsvergütungen ausgerichtet. |
C.- Gegen die Wehrsteuereinschätzung für die ganze 6. Wehrsteuerperiode (1951 /1952) erhebt R. die Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, ihn nur für 9 Monate 1951 zu besteuern.
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Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei während der Dauer seiner Abwesenheit im Auslande in der Schweiz nicht steuerpflichtig. Er habe während der ganzen Zeit ein Zimmer in Höhr-Grenzhausen gemietet und sich auch während seinen Aufenthalten in England und Amerika beim zuständigen Konsulat in Deutschland nicht abgemeldet. Er habe nicht nur nahezu zwei Jahre in Deutschland gewohnt, sondern von dort aus in mühsamer Kleinarbeit Beziehungen mit der deutschen keramischen Industrie angebahnt, die schliesslich zu günstigen Abschlüssen für die Lieferung von Rohmaterialien und Maschinen und zu dauernden Geschäftsverbindungen geführt hätten. Man habe es nicht mit einer mehrmonatigen Geschäftsreise zu tun, sondern - man dürfe wohl sagen - mit einer jahrelangen Wohnsitznahme in Verbindung mit geschäftlicher Betätigung. Der Beschwerdeführer habe im Herbst 1951 die Schweiz verlassen, um im Ausland Wohnsitz zu nehmen. Sein Aufenthalt in Deutschland sei nicht befristet gewesen, habe vielmehr von der Entwicklung der Geschäftsabsichten abgehangen. Allerdings habe er vorgehabt, nach einer unbestimmten Zeit in seine Heimat zurückzukehren. Hätte sich in Deutschland die Möglichkeit geboten, den Geschäftskreis der Fabrik R. auf Deutschland auszudehnen, so hätte sich die Wohnsitznahme des Beschwerdeführers möglicherweise auf eine Mehrzahl von Jahren ausdehnen können. |
Die kantonale Rekurskommission anerkenne, dass eine Behandlung als "Studierender" im Sinne des Schlussprotokolls zum Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland, Ziff. 1 zu Art. 8, nicht zutreffe. Aber auch Ziff. 3 des Verhandlungsprotokolls vom 7. September 1940, auf die die Rekurskommission abstellen wolle, treffe nicht zu. Denn man habe es hier nicht mit einem vorübergehenden beruflichen Aufenthalt zu tun, wie er bei Monteuren, Arbeitern, Technikern einer schweizerischen Unternehmung vorkomme, die sich vorübergehend ins Ausland begeben. Der Beschwerdeführer sei beruflich nahezu zwei Jahre in Deutschland tätig gewesen und habe dort einen Wohnsitz im Sinne des Abkommens gehabt. Damit seien sowohl die Voraussetzungen für die Erfassung der Arbeitseinkünfte am Arbeitsorte selbst, wie auch diejenigen für die Besteuerung des Vermögens und der daraus fliessenden Erträgnisse erfüllt.
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D.- Die kantonale Rekurskommission und die eidg. Steuerverwaltung beantragen Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen
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in Erwägung: |
2. Die kantonale Rekurskommission geht mit Recht davon aus, dass der Beschwerdeführer in der Zeit, in der er für Zwecke der Tonwarenfabrik R. im Auslande war, seinen zivilrechtlichen Wohnsitz im Sinne des ZGB in E. hatte. Bis zu seiner Ausreise lebte er im Elternhause in E. E. war der Mittelpunkt seiner persönlichen und beruflichen Interessen, blieb es aber auch während seines Auslandaufenthaltes. Dieser diente Studien für Zwecke des Familienunternehmens, an dem der Beschwerdeführer persönlich beteiligt ist; er hatte seiner Natur nach rein vorübergehenden Charakter, wie denn auch von vornherein feststand, dass der Beschwerdeführer in absehbarer, wenn auch möglicherweise nicht genau festgelegter Zeit, an seinen ordentlichen Wohnort E. zurückkehren werde. Der Beschwerdeführer wollte sich gar nicht im Auslande festsetzen, sondern Kurse einer Fachschule besuchen, Betriebe der keramischen Industrie besichtigen und Geschäftsbeziehungen namentlich mit Lieferanten, anbahnen. Unter diesen Umständen kann daraus, dass er am Orte der Fachschule ein Zimmer mietete und dieses auch während seinen Reisen nach England und Amerika beibehielt, nicht auf eine Verlegung seines zivilrechtlichen Wohnsitzes geschlossen werden. Hatte aber der Beschwerdeführer während seines Auslandaufenthaltes seinen zivilrechtlichen Wohnsitz in der Schweiz, so ist er für die ganze 6. Steuerperiode wehrsteuerpflichtig, wenn einer Besteuerung nicht das Abkommen mit Deutschland für Vermeidung von Doppelbesteuerung entgegensteht. |
Da der Beschwerdeführer als lediger und im Familienunternehmen am Sitze des Geschäftsbetriebes arbeitender Sohn seine ordentliche Wohnung im Elternhause am Sitze der Familienunternehmung hat und daher regelmässig dort verweilt und während seines Aufenthaltes in Deutschland ein Zimmer gemietet hatte, welches er regelmässig bewohnte, treffen auf ihn während der Dauer seiner Abwesenheit im Ausland die Voraussetzungen konkurrierender Wohnsitze im Sinne von Art. 8, Abs. 2, Satz 1 des Abkommens zu. Für diesen Fall gilt - nach dem Abkommen - als Wohnsitzstaat derjenige, in dem sich der Mittelpunkt der persönlichen und geschäftlichen Interessen des Steuerpflichtigen befindet. Das ist hier unzweifelhaft - wie übrigens schon in Erw. 2 für das interne Recht festgestellt wurde - die Schweiz. Das Abkommen steht daher der angefochtenen Besteuerung jedenfalls insoweit nicht entgegen, als diese das Kapitalvermögen und Einkünfte daraus erfasst (Art. 6, Abs. 1). |
Für das Einkommen aus Erwerb verhält es sich nicht anders. Wenn ein unselbständig Erwerbender sich vorübergehend beruflich im andern Staate aufhält und von seinem Arbeitgeber entlöhnt wird, was hier der Fall war, so ist - wie die kantonale Rekurskommission zutreffend feststellt - das Besteuerungsrecht nach der Sonderregelung in Ziffer 3 des Verhandlungsprotokolls vom 7. September 1940 ebenfalls dem "Wohnsitzstaat" zugewiesen, also nach Art. 8, Abs. 2, Satz 1 des Abkommens dem Staate, in dem der Steuerpflichtige den Mittelpunkt seiner persönlichen und geschäftlichen Interessen hat. Der Beschwerdeführer übersieht, dass er (nach dem Abkommen) während seines Aufenthaltes im Ausland Doppelwohnsitz hatte, wobei das Besteuerungsrecht der Schweiz als dem Staate des gemäss Art. 8, Abs. 2, Satz 1 überwiegenden Wohnsitzes zukommt, der andere Staat dagegen nicht besteuern kann. Daraus erklärt sich ohne weiteres, weshalb der Beschwerdeführer in Deutschland nicht besteuert wurde, obgleich er während nahezu zwei Jahren polizeilich als Zimmermieter angemeldet war.
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