Urteilskopf
80 I 325
52. Urteil vom 15. Dezember 1954 i.S. Brunnmatt A.-G. gegen Regierungsrat des Kantons Solothurn.
Regeste
Kantonales Steuerrecht. Willkür.
Handänderungssteuer mit progressivem Satz. Erwerb zweier an einer konkursamtlichen Steigerung einzeln versteigerter Liegenschaften durch die gleiche Person. Unzulässigkeit der Zusammenrechnung der Erwerbspreise für die Bemessung der Handänderungssteuer mangels gesetzlicher Grundlage.
A.- Nach dem solothurn. Handänderungsgebührengesetz vom 23. Februar 1919 (HGebG) ist, wenn Grundstücke auf einen neuen Eigentümer übergehen, vom wahren Wert des veräusserten Grundstücks eine Handänderungsgebühr zu bezahlen (§ 1 Abs. 1), die grundsätzlich vom Erwerber geschuldet wird (§ 3). Der Steuersatz ist progressiv und steigt von 1% bei Grundstücken im Werte bis Fr. 50'000.-- auf 2% bei Grundstücken im Werte von Fr. 200'000.-- und mehr (§ 1 Abs. 2). Einschätzungsbehörde ist der Amtschreiber als Grundbuchverwalter.
B.- Am 3. Juni 1954 wurden in Solothurn drei zur Konkursmasse des Hans de Carli gehörende Liegenschaften
BGE 80 I 325 S. 326
auf Anordnung der Konkursverwaltung öffentlich versteigert. Zwei derselben, GB Nr. 3325 mit dem Zweifamilienhaus Eschenweg 14 und GB Nr. 3326 mit dem Einfamilienhaus Eschenweg 16 wurden der Brunnmatt A.-G. zugeschlagen, die erstere für Fr. 66'500.--, die zweite für Fr. 65'400.--.Bei der Festsetzung der Handänderungsgebühr ging die Amtschreiberei der Stadt Solothurn vom "Gesamtsteigerungspreis" von Fr. 131'900.-- aus, was eine um Fr. 725.45 höhere Gebühr ergab als bei getrennter Behandlung der beiden Handänderungen.Einen Rekurs hiegegen wies der Regierungsrat des Kantons Solothurn am 27. September 1954 ab mit der Begründung: Nach der bisherigen, im Regierungsratsbeschluss vom 28. Dezember 1943 i.S. Studer bestätigten Praxis sei die Handänderungsgebühr bei mehreren einzeln veräusserten Grundstücken von der Gesamtkaufsumme zu berechnen, wenn die einzelnen Grundstückkaufverträge (denen Zwangsverwertungen gleichzustellen seien) dem gleichen Rechtsgeschäft entspringen. Vorliegend handle es sich um das gleiche Rechtsgeschäft im Sinne dieser Praxis, da die Beschwerdeführerin an einer und derselben Steigerung die beiden Grundstücke erworben habe. Dass diese beiden Grundstücke nicht den ganzen Liegenschaftsbesitz des Konkursiten ausmachten, spiele keine Rolle. Ebenso sei bedeutungslos, ob die beiden Liegenschaften rechtlich oder wirtschaftlich eine Einheit bilden, da hierauf noch nie Rücksicht genommen worden sei. Die dieser Praxis zugrunde liegenden Erwägungen mögen fiskalischer Natur sein, ständen jedoch nicht im Widerspruch zu den gesetzlichen Bestimmungen.
C.- Gegen diesen Entscheid hat die Brunnmatt A.-G. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV (Willkür) erhoben.
Zur Begründung wird geltend gemacht, dass die Zusammenrechnung der Kaufpreise verschiedener Geschäfte im HGebG nicht vorgesehen und daher mangels gesetzlicher Grundlage willkürlich sei, ferner, dass auch die Annahme,
BGE 80 I 325 S. 327
die beiden Liegenschaften seien durch das gleiche Rechtsgeschäft erworden worden, willkürlich sei.
D.- Der Regierungsrat des Kantons Solothurn beantragt die Abweisung der Beschwerde. Er anerkennt, dass die beiden Grundstücke wirtschaftlich keine Einheit bilden. Dagegen handle es sich bei einer Steigerung um ein und denselben Rechtsvorgang, auch wenn mehrere Objekte versteigert würden. Diese gemeinschaftliche rechtsgeschäftliche Grundlage genüge. Die angestrebte Änderung der langjährigen unangefochtenen Praxis würde dem Kanton eine finanzielle Einbusse bringen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
2. Die Beschwerdeführerin hat an der konkursamtlichen Versteigerung dreier zur gleichen Konkursmasse gehörenden Liegenschaften auf zwei derselben am meisten geboten, worauf ihr diese zugeschlagen wurden. Für die Festsetzung der grundsätzlich auch beim Eigentumsübergang infolge Zwangsverwertung zu entrichtenden Handänderungsgebühr hat die Amtschreiberei gemäss ständiger Praxis die beiden Steigerungspreise zusammengerechnet und den Steuersatz auf Grund der Summe bestimmt. Da solche Zusammenrechnung den Steuerpflichtigen wegen des progressiven Steuersatzes stärker belastet, bedarf sie, wie jede Steuerauflage überhaupt, der gesetzlichen Grundlage. Das entspricht dem Wesen des Rechtsstaates und folgt aus dem auch in der solothurnischen Kantonsverfassung (Art. 62 Abs. 1) aufgestellten Grundsatz, dass die Bestimmungen über direkte Steuern und indirekte Abgaben "Sache der Gesetzgebung" sind, was bedeutet, dass Steuern und Abgaben nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen und nur in dem vom Gesetz festgelegten Umfange erhoben werden dürfen (Vgl.BGE 33 I 390Erw. 2; BLUMENSTEIN, Steuerrecht S. 15 und System 2. Aufl. S. 6 ff.):
Nach § 1 des solothurnischen Handänderungsgebührengesetzes
BGE 80 I 325 S. 328
ist beim Übergang von Grundstücken auf einen neuen Eigentümer eine Handänderungsgebühr vom wahren Werte des Grundstückes zu bezahlen. Dass bei gleichzeitigem Übergang mehrerer Grundstücke auf einen neuen Eigentümer allgemein oder unter gewissen Voraussetzungen die Werte der einzelnen Grundstücke zusammenzuzählen seien und die Summe derselben als Grundlage der Steuerberechnung zu gelten habe, sagt das Gesetz nicht; weder ist seinem Wortlaut zu entnehmen noch lässt sich aus dem Sinn und Zweck der Handänderungsgebühr als einer Rechtsverkehrssteuer ableiten, dass und unter welchen Voraussetzungen eine Zusammenrechnung der Erwerbspreise zulässig wäre. In gewissen Fällen mag es freilich nahe liegen, mehrere Handänderungen als eine Einheit zu behandeln und die Grundstückwerte zusammenzuzählen, so wenn ein und dasselbe Veräusserungsgeschäft verschiedene Grundstücke umfasst oder wenn auf Grund mehrerer gleichzeitiger Veräusserungsgeschäfte mehrere, eine wirtschaftliche Einheit bildende Grundstücke, wie z.B. der gesamte zu einem landwirtschaftlichen Heimwesen gehörende Liegenschaftsbesitz, auf einen neuen Eigentümer übergehen. Ob in diesen beiden Fällen die Zusammenrechnung der Grundstückwerte dem Vorwurfe der Willkür standhält, kann dahingestellt bleiben, da weder der eine noch der andere Fall vorliegt. Dass die zwei von der Beschwerdeführerin ersteigerten Liegenschaften unter sich wirtschaftlich nicht zusammenhängen, keine wirtschaftliche Einheit bilden, hat der Regierungsrat, offensichtlich mit Recht, ausdrücklich zugegeben. Seine Annahme aber, dass der Erwerb der beiden Liegenschaften durch die Beschwerdeführerin auf einer gemeinschaftlichen rechtsgeschäftlichen Grundlage beruhe, dem gleichen Rechtsgeschäft entspringe, erweist sich als schlechterdings unhaltbar. Die beiden Liegenschaften gehörten zwar zur gleichen Konkursmasse und kamen am gleichen Tage zur Versteigerung. Sie wurden jedoch nicht, wie es unter gewissen Voraussetzungen zulässig ist (vgl. Art. 108 VZG BGE 80 I 325 S. 329
undBGE 63 III 8), gesamthaft aufgerufen und zugeschlagen; vielmehr wurden sie getrennt versteigert, indem jede einzeln aufgerufen und auf das höchste Angebot hin einzeln zugeschlagen wurde. Ein sachlicher Grund, der es gestatten würde, diese getrennten Steigerungen und Zuschläge als einheitlichen Rechtsvorgang zu betrachten, ist nicht ersichtlich. Dass es sich, sowohl rechtlich wie wirtschaftlich betrachtet, um zwei getrennte, voneinander völlig unabhängige Rechtsvorgänge handelt, erhellt auch daraus, dass die Beschwerdeführerin einerseits ihre Angebote für die zuerst versteigerte Liegenschaft nicht davon abhängig machen konnte, dass ihr auch die zweite zugeschlagen werde, und anderseits, nachdem ihr die erste zugeschlagen war, die zweite nicht erhalten hätte, wenn bei deren Versteigerung ein anderer Bieter mehr als sie geboten hätte. Die Annahme eines einheitlichen Rechtsvorgangs lässt sich mit sachlichen Gründen nicht vertreten, sondern erfolgte offensichtlich aus rein fiskalischen Gründen, in Hinblick auf den im Falle der Zusammenrechnung der Steigerungspreise anwendbaren höheren Steuersatz, und muss deshalb als willkürlich bezeichnet werden. Dass sie einer langjährigen Praxis entspricht und diese Praxis bis jetzt noch nie angefochten worden ist, steht der Gutheissung der Beschwerde ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass die Änderung der Praxis für den Kanton Solothurn eine finanzielle Einbusse bedeutet. Sofern die Zusammenrechnung der Erwerbspreise in Fällen wie dem vorliegenden aus fiskalischen oder andern Gründen als angezeigt und wünschenswert erscheinen sollte, mag der solothurnische Gesetzgeber die gesetzliche Ordnung durch eine Bestimmung ergänzen, die eine solche Zusammenrechnung zulässt.Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird dahin gutgeheissen, dass der Beschluss des Regierungsrates des Kantons Solothurn vom 27. September 1954 aufgehoben wird.