BGE 81 I 98
 
19. Auszug aus dem Urteil vom 4. Februar 1955 i.S. Hasler gegen SBB, Kreisdirektion III.
 
Regeste
Disziplinarbeschwerde.
2. Die Beschwerde ist binnen der 30tägigen Frist zu begründen.
 
Sachverhalt


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Mit Disziplinarentscheid vom 30. Dezember 1953, eröffnet am 31. Dezember 1953, hat die Kreisdirektion III der SBB den Kondukteur Ludwig Hasler in das provisorische Dienstverhältnis versetzt und zugleich für fünf Tage unter Entzug der Besoldung im Dienste eingestellt. Sie hat dem Gemassregelten mitgeteilt, dass er gegen die Versetzung ins Provisorium beim Bundesgericht und gegen die Einstellung im Dienst bei der Generaldirektion der SBB Beschwerde erheben könne.
Am 30. Januar 1954 hat Hasler der Post Eingaben vom 29. Januar 1954 an das Bundesgericht und an die Generaldirektion der SBB übergeben, worin er erklärt, gegen den Entscheid vom 30. Dezember 1953 Beschwerde zu führen. In weiteren Eingaben an das Bundesgericht (Schreiben vom 8. Februar 1954 und Replik) hat er seine Vorbringen ergänzt.
Auf Anfrage hat die Generaldirektion der SBB mitgeteilt, dass sie die dem Beschwerdeführer von der Kreisdirektion erteilte Rechtsmittelbelehrung für richtig halte. Der Bundesrat hat sich jedoch im Meinungsaustausch der Auffassung des Bundesgerichts angeschlossen, dass es für die Behandlung beider Beschwerden zuständig sei. Die an die Generaldirektion der SBB gerichtete Eingabe des Beschwerdeführers ist deshalb dem Bundesgericht übergeben worden.
Die Kreisdirektion III der SBB beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen.
Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein
 


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in Erwägung:
1. Nach Art. 117 Abs. 1 OG ist in Disziplinarfällen die Beschwerde an das Bundesgericht zulässig gegen Verfügungen, durch die ein Bundesbeamter während der Amtsdauer wegen Verletzung seiner Dienstpflichten entlassen oder in das provisorische Dienstverhältnis versetzt wird. Disziplinarverfügungen, in denen nicht eine dieser Massnahmen angeordnet ist, kann der gemassregelte Beamte durch Beschwerde innerhalb der Verwaltung anfechten (Art. 30 BO I, Art. 24 BO II). Das Bundesgericht ist bisher davon ausgegangen, dass Beschwerden gegen solche Disziplinarentscheide, die mit der Versetzung ins Provisorium eine andere Strafe verbinden, ausschliesslich von ihm zu behandeln sind (Urteil vom 24. September 1948 i.S. Baumann gegen Oberzolldirektion, nicht veröffentlicht). An dieser Auffassung, die auch von der Bundeszentralverwaltung in ständiger Praxis vertreten wird, ist festzuhalten. Wird die Versetzung ins Provisorium mit der einen oder andern oder mit mehreren der in Art. 31 Abs. 1 Ziff. 1-7 BtG aufgezählten leichteren Strafen verbunden, was Abs. 3 ebenda ausnahmsweise zulässt, so hat man es mit einer einheitlichen disziplinarischen Sanktion zu tun, die der Schwere nach zwischen der blossen Versetzung ins Provisorium und der disziplinarischen Entlassung steht (BGE 74 I 90ff.). Art. 117 Abs. 1 OG will aber die Beschwerde beim Bundesgericht überall dort zur Verfügung stellen, wo eine Versetzung ins Provisorium oder eine noch schwerere Strafe ausgesprochen worden ist. Das Gesetz sieht nirgends vor, dass die Disziplinarverfügung, in der die Versetzung ins Provisorium und eine andere, leichtere Strafe verbunden werden, nur zum Teil der Beschwerde beim Bundesgericht, im übrigen aber derjenigen innerhalb der Verwaltung unterliegt. Eine solche Spaltung des Rechtsweges würde allen Grundsätzen der Prozessökonomie zuwiderlaufen und wäre auch nicht sachgemäss- Sie könnte unter Umständen zur Folge haben, dass die beiden Beschwerdeinstanzen zu

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Entscheidungen gelangen würden, die nicht miteinander im Einklag ständen. Die beiden Behörden könnten über die Zulässigkeit und Angemessenheit je eines Teils der in einer und derselben Disziplinarverfügung ausgesprochenen einheitlichen Sanktion unabhängig voneinander befinden; es wäre keine genügende Gewähr dafür geboten, dass sie sich bei der Entscheidung von übereinstimmenden Gesichtspunkten leiten liessen. Mit einer solchen Ordnung wäre der Anspruch des disziplinarisch gemassregelten Beamten auf Rechtsschutz nicht ausreichend gewahrt. Die sachlich richtige Lösung kann nur darin bestehen, dass eine und dieselbe Disziplinarsache auch von einer und derselben Beschwerdeinstanz neu beurteilt wird. Diese Behörde kann nach der gesetzlichen Regelung in allen Fällen, wo ein Beamter ins provisorische Dienstverhältnis versetzt oder mit einer schwereren Sanktion belegt worden ist, nur das Bundesgericht sein. Es ist daher auch ausschliesslich zuständig zur Behandlung der Beschwerde, die Hasler bei ihm und bei der Generaldirektion der SBB gegen den Disziplinarentscheid vom 30. Dezember 1953 erhoben hat.
3. Nach Art. 118 OG ist die Beschwerde an das Bundesgericht in Disziplinarfällen binnen dreissig Tagen nach der schriftlich begründeten Eröffnung der Verfügung einzureichen und soll die Anträge des Beschwerdeführers, die Begründung und die Angabe der Beweismittel enthalten. Die Eingaben vom 29. Januar 1954, die Hasler noch innert der Beschwerdefrist eingereicht hat, lassen aber m keiner Weise erkennen, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkten der Entscheid vom 30. Dezember angefochten wird; sie enthalten kein Wort der Begründung. Sie genügen daher den Anforderungen nicht, die Art. 118 OG an den Inhalt einer Disziplinarbeschwerde stellt. Eine Begründung findet sich erst in der Eingabe vom 8. Februar 1954 und in der Replik. Diese Eingaben sind aber nicht innerhalb der Beschwerdefrist eingereicht worden. Die derart nach Ablauf der - gemäss Art. 33 Abs. 1

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OG nicht erstreckbaren - Frist nachgeholte Begründung könnte nur berücksichtigt werden, wenn ein Grund zur Wiederherstellung nach Art. 35 OG vorläge. Das ist jedoch nicht der Fall; der Beschwerdeführer macht nicht geltend, dass er durch ein unverschuldetes Hindernis abgehalten worden sei, die Beschwerde innert Frist zu begründen. Mangels rechtzeitiger Begründung kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.
Art. 118 OG entspricht der Ordnung, die für die staatsrechtliche Beschwerde in Art. 89 und 90 Abs. 1 und für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Art. 107 (in Verbindung mit Art. 90 Abs. 1) OG getroffen ist. Art. 90 Abs. 1 bestimmt, dass die Beschwerdeschrift - die ebenfalls binnen einer Frist von 30 Tagen einzureichen ist (Art. 89, 107) - die Anträge des Beschwerdeführers und eine Begründung enthalten muss. Aus dieser zwingenden Regelung ergibt sich notwendig, dass auf die staatsrechtliche und die verwaltungsgerichtliche Beschwerde nicht eingetreten werden kann, wenn sie nicht innert jener Frist begründet worden sind, es wäre denn, dass ein Grund zur Wiederherstellung nach Art. 35 bestände (Urteil vom 1. April 1949 i.S. Emil Schaufelberger, nicht publiziert). Für die Disziplinarbeschwerde kann nichts anderes gelten. In Art. 118 OG kommt der Zusammenhang zwischen den Erfordernissen der Anträge und der Begründung einerseits und der Einhaltung der Beschwerdefrist anderseits noch deutlicher als in den entsprechenden Bestimmungen betreffend die staatsrechtliche und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zum Ausdruck, indem alle diese Erfordernisse im gleichen Satze aufgestellt sind. Dass der deutsche Text des Art. 118 "soll" sagt, nicht "muss" wie Art. 90 Abs. 1, ist unerheblich. In der französischen Fassung heist es an beiden Orten "doit", in der italienischen "deve". Angesichts der Übereinstimmung in den romanischen Texten ist nicht anzunehmen, dass die beiden verschiedenen Ausdrücke des deutschen eine verschiedene Bedeutung haben, "muss" im Sinne einer Verwirkungsvorschrift zu verstehen ist,

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"soll" aber nicht. Dies umsoweniger, als Art. 90 Abs. 1 an die Stelle von Art. 178 Ziff. 3, 2. Satzteil aoG getreten ist, wo es "soll" hiess, und als schon diese Bestimmung von der Praxis als Verwirkungsvorschrift aufgefasst wurde (BGE 66 I 15). Einzig bei Verwaltungsgerichtsbeschwerden in Militärsteuersachen wurde für den Fall, wo in der Rechtsmittelbelehrung nicht gesagt war, dass die Beschwerde innert der 30tägigen Frist begründet werden müsse, eine Ausnahme gemacht, gestützt auf die ausdrückliche Vorschrift des Art. 2 MStV, dass im Entscheid das vorgesehene Rechtsmittel "unter Angabe der Voraussetzungen und Fristen sowie der Einreichungsinstanz" zu erwähnen ist (BGE 70 I 158). Für das Verfahren in Disziplinarsachen ist indessen als Inhalt der Rechtsmittelbelehrung nur die Angabe der Beschwerdeinstanz, der Beschwerdefrist und des Ortes vorgeschrieben, wo die Akten eingesehen werden können (Art. 29 Abs. 2 BO I, Art. 23 Abs. 2 BO II). Gewiss wurde das Verfahren vor dem Disziplinargericht von Anfang an einfach gestaltet, "so formlos, als es mit den Anforderungen eines geordneten Prozessganges vereinbar ist" (KIRCHHOFER, Disziplinarrechtspflege, ZSR n.F. 52, S. 16). Aber gerade die Mindestanforderungen in bezug auf die Beschwerde wurden in Art. 35 VDG - an dessen Stelle der im wesentlichen gleich lautende Art. 118 OG getreten ist - geordnet, und zwar in offensichtlicher Anlehnung an Art. 178 Ziff. 3 aoG. Wie beim Erlass des VDG die Frist für die staatsrechtliche, die verwaltungsgerichtliche und die Disziplinarbeschwerde an das Bundesgericht einheitlich auf 30 Tage festgesetzt wurde, so wurden auch die Anforderungen an den Inhalt der Beschwerde übereinstimmend geregelt. Daraus ergibt sich, dass sie bei der Disziplinarbeschwerde gleich wie bei der staatsrechtlichen und der verwaltungsgerichtlichen innert der Frist erfüllt werden müssen und dass Verwirkung eintritt, wenn das nicht geschieht. Die blosse Erklärung, Beschwerde zu führen, genügt nicht; dazu wäre auch keine Frist von 30 Tagen erforderlich. Da sich Hasler auf eine

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solche Erklärung beschränkt und dazu den letzten Tag der Frist abgewartet hat, hat er es sich selbst zuzuschreiben, dass der Mangel nicht mehr rechtzeitig behoben werden konnte.