Urteilskopf
81 I 264
42. Urteil vom 6. Juli 1955 i.S. Gut gegen Kantone Luzern und Nidwalden.
Regeste
Doppelbesteuerung: Interkantonale Ausscheidung des Einkommens aus einem landwirtschaftlichen Betrieb mit Betriebsstätten in verschiedenen Kantonen: Kein Präzipuum zu Gunsten des Kantons der Betriebsleitung.
Aus dem Tatbestande:
Der Beschwerdeführer ist von Beruf Landwirt. Er wohnt in Dallenwil, Kanton Nidwalden, und bewirtschaftet dort mehrere landwirtschaftliche Grundstücke. Anfangs 1954 kaufte er einen weiteren Landwirtschaftsbetrieb in Rain, Kanton Luzern; diesen lässt er durch seinen ältesten Sohn, der im Anstellungsverhältnis zu ihm steht, bewirtschaften. Bei der steuerlichen Ausscheidung des Einkommens zwischen den beiden beteiligten Kantonen erhebt Nidwalden, als Kanton des Hauptsitzes, Anspruch auf einen Vorausanteil. Das Bundesgericht weist ihn ab;
in Erwägung:
4. Der Kanton Nidwalden verlangt einen Vorausanteil mit der Begründung, dass der Leiter des Gesamtbetriebes auf seinem Gebiete wohne. Zur Frage, ob bei landwirtschaftlichen Betrieben dem Kanton des Betriebssitzes ein Vorausanteil gewährt werden könne, nimmt die Entscheidung 74 I 120 ff. nicht abschliessend Stellung. Sie erklärt lediglich, ein Verteiler, der ohne Präzipuum auskomme, sei vorzuziehen, und im konkreten Falle sei ein solches deshalb nicht zuzusprechen, weil der Bedeutung des Betriebssitzes mit der Zuweisung der gesamten landwirtschaftlichen Fahrhabe an den betreffenden Kanton hinreichend Rechnung getragen werde.
Ein Vorausanteil zu Gunsten des Kantons des Betriebssitzes hat seine Berechtigung dort, wo ein Verteilungsschlüssel der Bedeutung der Betriebsleitung nicht gebührend Rechnung trägt und dadurch zu einer offensichtlich unrichtigen Gewichtsverteilung führt, so dass sich eine
BGE 81 I 264 S. 266
Korrektur aufdrängt. Das kann bei kaufmännischen oder industriellen Grossunternehmungen der Fall sein, wenn das Geschäftsergebnis einer Betriebsstätte vorwiegend auf die Geschäftsleitung am Hauptsitz zurückzuführen ist. Einen anderen Charakter als eine solche Zentralleitung weist aber die Leitung eines landwirtschaftlichen Betriebes auf. Während ein kaufmännisches oder industrielles Unternehmen mit seiner Geschäftsleitung steht und fällt, sind der Leitung eines landwirtschaftlichen Betriebes jedenfalls in der positiven Beeinflussung des Betriebsergebnisses verhältnismässig enge Grenzen gesetzt. Deshalb führt ein Verteilungsmodus, welcher der Leitung eines landwirtschaftlichen Betriebes nicht genügend Rechnung trägt, in der Regel nicht zu einer derartigen Gewichtsverschiebung, dass es einer Korrektur in der Form der Zusprechung eines Vorausanteils an den Kanton des Betriebssitzes bedürfte. Das gilt insbesondere für kleine Verhältnisse, wie sie im vorliegenden Falle gegeben sind. Zudem ist hier der Sohn des Betriebsinhabers, der den Nebenbetrieb im Kanton Luzern bewirtschaftet, ohne Zweifel nicht bloss ausführendes Organ der Betriebsleitung im Kanton Nidwalden, sondern muss ihm eine gewisse Selbständigkeit zukommen...