BGE 81 I 266 |
43. Auszug aus dem Urteil vom 26. Oktober 1955 i.S. Diggelmann gegen Kanton Basel-Landschaft. |
Regeste |
Direkter Prozess zwischen Kantonen und Privaten (Art. 42 OG): |
2. Im Kanton Baselland tritt für den Kläger die Verzichtwirkung auf jeden Fall mit der Herausnahme des Akzessscheines nach Durchführung des Sühneverfahrens vor Friedensrichteramt ein. |
Sachverhalt |
§ 2. Vorbehalten die Ausnahmen des § 3 müssen alle Rechtsstreitigkeiten beim Friedensrichteramt anhängig gemacht werden. Aufgabe des Friedensrichters ist es, auf eine gütliche Verständigung der Parteien hinzuwirken. .....
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§ 58. Sobald die Vorladung dem Beklagten angelegt ist, verbleibt das Gericht bis zur Erledigung des Prozesses zuständig, auch wenn in der Zwischenzeit der Beklagte seinen Wohnsitz ändern sollte.
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§ 85. Hat der Kläger in Fällen, für welche die friedensrichterliche Instanz vorgeschrieben ist, innert 12 Monaten nach der friedensrichterlichen Verhandlung die Klage beim Gerichtspräsidenten noch nicht anhängig gemacht, so gilt dies als völliger Verzicht auf den bezüglichen Rechtsstreit und es hat der Gerichtspräsident eine später eingereichte Klage von Amtes wegen zurückzuweisen.
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Der Beklagte hat aber das Recht, den Kläger schon nach Ablauf eines Monats, sofern nicht vorher schriftlich auf den Anspruch verzichtet worden ist, zur Fortsetzung des Prozesses vor den zuständigen Gerichtspräsidenten laden zu lassen. Erklärt er darauf den Verzicht auf den erhobenen Anspruch, so ist die Sache damit erledigt und der Kläger trägt die Kosten.
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Im entgegengesetzten Fall wird der Prozess eingeleitet und durchgeführt, wie wenn der Kläger aus freien Stücken Klage beim Gerichtspräsidenten angehoben hätte.
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§ 87. Der Friedensrichter führt ein Geschäftsverzeichnis und ein Protokoll. Ersteres soll enthalten:
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e) den Tag und die Art und Weise der allfälligen Erledigung, z.B. ob ein Vergleich stattgefunden, ob der Akzesschein ausgestellt worden usf.
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§ 91. Erscheinen beide Parteien vor dem Friedensrichter, so findet über den vom Kläger erhobenen Anspruch mündliche Verhandlung statt. Kommt ein Vergleich zustande, so wird derselbe ausführlich zu Protokoll genommen und nach Richtigbefinden von den Parteien und dem Friedensrichter unterzeichnet. .....
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Der gehörig unterschriebene Vergleich hat die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils.
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§ 92. Kommt kein Vergleich zustande ....., so ..... stellt er dem Kläger eine Bescheinigung aus, dass der Vermittlungsversuch gescheitert sei (Akzesschein). .....
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§ 97. In allen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, für welche keine besondern Formen vorgeschrieben sind, sowie in Ehrbeleidigungsfällen findet eine Prozesseinleitung vor dem Gerichtspräsidenten und Gerichtsschreiber statt. .....
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§ 99. Die Klage wird beim Gerichtspräsidenten anhängig gemacht:
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a) für diejenigen Fälle, welche der friedensrichterlichen Verhandlung unterliegen, durch Abgabe des Akzesscheines;
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B.- Der Kläger belangt gestützt auf § 25 des basell. Gesetzes vom 25. November 1851 über die Verantwortlichkeit der Behörden und Beamten den Kanton Baselland für Schaden, der ihm aus einer strafgerichtlichen Verurteilung erwachsen sei. Er hat dem Friedensrichteramt Liestal am 31. Juli 1953 folgendes Rechtsbegehren eingereicht:
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"Der Beklagte sei schuldig und zu verurteilen, dem Kläger einen gerichtlich zu bestimmenden, Fr. 4000.-- übersteigenden Betrag als Entschädigung für die in seinem Straf- und Revisionsprozesse erlittenen Nachteile zu bezahlen, unter Kostenfolge."
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Zur mündlichen Verhandlung vor Friedensrichteramt (§ 91 ZPO), die am 31. August 1953 stattfand, erschienen beide Parteien. Ein Vergleich kam nicht zustande. Dem Kläger wurde gemäss § 92, Abs. 1 ZPO. der Friedensrichter-Akzessschein ausgestellt.
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C.- Am 31. August 1954 wurde dem Bundesgericht eine Klage gegen den Kanton Baselland eingereicht mit dem Begehren, den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger einen gerichtlich zu bestimmenden, Fr. 10'000.-- übersteigenden Betrag zu bezahlen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wird geltend gemacht, es handle sich um eine zivilrechtliche Streitigkeit zwischen einem Kanton und einem Privaten im Sinne von Art. 42 OG. Der Kläger habe vor den basellandschaftlichen Gerichten einen Sühneversuch durchgeführt. Die Klage sei nicht rechtshängig gemacht worden. |
D.- Der Kanton Baselland beantragt, auf die Klage nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen. Er anerkennt, dass es sich um eine zivilrechtliche Streitigkeit im Sinne von Art. 42 OG handle, wendet aber ein, die Klage betreffe einen bereits bei den kantonalen Gerichten anhängig gemachten Rechtsstreit und sei deshalb nicht "rechtzeitig" im Sinne von Art. 42 OG erhoben worden. Die Rechtshängigkeit trete, in den hier wesentlichen Wirkungen, im Kanton Baselland mit der Ausgabe des Akzesscheins durch den Friedensrichter ein. Da der Kläger den Akzesschein gelöst hatte, sei die Wahl des kantonalen Rechtsweges unwiderruflich geworden, weshalb die Klage nach Art. 42 OG unzulässig sei.
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E.- Der Kläger beantragt Zurückweisung der Einrede der Verspätung. Es wird im wesentlichen ausgeführt, das Erfordernis der "Rechtzeitigkeit" in Art. 42 OG sei kein Formerfordernis, sondern es werde aus praktischen Gründen gestellt. Es solle vermieden werden, dass zwei verschiedene Sachrichter über einen identischen Anspruch gleicher Parteien gleichzeitig urteilen. Wesentlich für das Moment der Rechtzeitigkeit sei, ob sich der Sachrichter materiell mit der Prozesssache befasst habe. Dies sei aber im Zeitpunkt der Zustellung der Klage noch nicht der Fall. In diesem Zeitpunkt treffe der Richter erst prozessleitende Verfügungen. Zudem würde dem Beklagten das ihm verfassungsmässig garantierte Recht der Option nicht mehr zustehen. Solange somit in einem kantonalen Verfahren die Stellungnahme des Beklagten zum materiellen Klageanspruch nicht fixiert sei und der Beklagte die Möglichkeit der Option nach Art. 42 OG habe, müsse auch dem Kläger das Recht zugestanden werden, die Klage unter dem Vorbehalte der Einreichung beim Bundesgericht zurückzuziehen. |
Die Rechtshängigkeit könne für die Beurteilung der Rechtszeitigkeit der Anrufung des Bundesgerichts nach Art. 42 OG nicht ausschlaggebend sein. Der Bundesgesetzgeber habe in Art. 42 OG bewusst nicht auf Rechtshängigkeit abgestellt, sondern Rechtzeitigkeit verlangt. Die Ordnung könne nur dahin verstanden werden, dass die Parteien bei der eigentlichen Instruktion des Prozesses, in welcher neben normalen Vergleichsbemühungen von Amtes wegen die weitern Schritte zur Durchführung des Prozesses unternommen werden, das Verlangen nach Art. 42 OG zu stellen haben. Im Rahmen der basellandschaftlichen Prozessordnung "dürfte dies für den Kläger mit der Abgabe des Akzesscheines beim Bezirksgerichtspräsidenten und damit der dortigen Anhängigmachung der Klage, eventuell spätestens in der Prozesseinleitungsverhandlung der Fall sein, ... Vorherige Sühneverhandlungen vor Sühneinstanzen, die einzig der vergleichsweisen Erledigung zu dienen haben, werden bei der Frage rechtzeitigen Verlangens (Art. 42 OG) keine Rolle spielen können, und zwar ohne Rücksicht auf die weitere Frage, ob nach dem kantonalen Recht im Rahmen des Angehens solcher Instanzen die Rechtshängigkeit eintritt oder nicht."
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Das Bundesgericht hat die Klage von der Hand gewiesen
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in Erwägung: |
1. Mit der vorliegenden Klage wird das Bundesgericht in Anspruch genommen für eine zivilrechtliche Streitigkeit im Sinne von Art. 42 OG zwischen einem Privaten und einem Kanton. Das Bundesgericht hat die Klage zur Behandlung entgegenzunehmen, wenn die Partei, die seine Gerichtsbarkeit verlangt, dies rechtzeitig tut. Der beklagte Kanton bestreitet die Rechtzeitigkeit. Er macht geltend, der Kläger habe den Gerichtsstand beim Bundesgericht dadurch verwirkt, dass er für seinen Rechtsstreit bereits den kantonalen Prozessweg eingeschlagen habe. Der Einwand ist gerechtfertigt. |
Art. 42 OG begründet keinen ausschliesslichen Gerichtsstand. Er eröffnet vielmehr jeder Prozesspartei die Wahl, die Beurteilung des Streites durch das Bundesgericht anstelle der ordentlicher Weise zuständigen kantonalen Gerichte zu verlangen mit der Wirkung, dass sich die Gegenpartei dieser Wahl unterziehen muss. Der Bund stellt den Parteien seine Gerichtsbarkeit zur Verfügung für den Fall, dass die eine oder die andere von ihnen Bedenken haben sollte, ihren Streit vor den Gerichten des Kantons austragen zu lassen, der im Prozess als Partei beteiligt ist. Die Zuständigkeit der ordentlichen kantonalen Gerichte wird durch Art. 42 OG nicht aufgehoben. Sie entfällt nur, wenn eine Partei die Beurteilung des Streites durch das Bundesgericht verlangt.
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Die Praxis ist von jeher davon ausgegangen, dass die Partei, die, sei es durch ausdrückliche Erklärung, sei es durch konkludentes Verhalten, die kantonale Gerichtsbarkeit in Anspruch genommen oder sich ihr unterzogen hat, auf den in Art. 42 OG vorgesehenen, wahlweise zur Verfügung stehenden Gerichtsstand beim Bundesgericht verzichtet. Das Wahlrecht muss "rechtzeitig" ausgeübt werden (BGE 35 I S. 714, Erw. 3 am Ende). In Art. 42 OG (Fassung 1943) ist diese Praxis kodifiziert worden.
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In einem allerdings weit zurückliegenden Entscheide (BGE 21 S. 409) ist für den Kläger im Hinblick auf die Verschiedenheit der kantonalen Prozessordnungen die Litiskontestation als massgebend bezeichnet worden. Gemeint war damit, wie in BGE 35 I S. 715 festgestellt wird, von den unter dem verfahrensrechtlichen Begriffe der Litiskontestation zusammengefassten Wirkungen lediglich die Bindung des Klägers an den angehobenen Prozess. Das Wahlrecht des Klägers soll, wie damals angenommen wurde, nicht schon dadurch erschöpft sein, dass er die Streitsache bei einem der wahlweise kompetenten Gerichte geltend macht. Was den Beklagten anbelangt, wird eine stillschweigende Option für die kantonale Gerichtsbarkeit dann angenommen, wenn er den Termin, bis zu welchem er nach kantonalem Prozessrecht die Kompetenz des kantonalen Gerichts zu bestreiten berechtigt ist, unbenützt ablaufen lässt. Hat der Beklagte nicht etwa schon vorher ausdrücklich für die kantonale Gerichtsbarkeit optiert, so steht ihm, nach dieser Praxis, die Befugnis, die Bundesgerichtsbarkeit zu wählen, solange zu, als er nach kantonalem Recht zur Erhebung der Kompetenzeinrede gegenüber dem kantonalen Gerichte berechtigt ist (BGE 35 I S. 714). |
Die Praxis lässt sich dahin zusammenfassen, dass die Partei, der gemäss Art. 42 OG die Bundesgerichtsbarkeit zur Verfügung steht, diese jedenfalls von dem Zeitpunkte an nicht mehr in Anspruch nehmen kann, in welchem sie, sei es zufolge ausdrücklicher Erklärung, sei es durch konkludentes Verhalten, an ein vor kantonalen richterlichen Behörden eingeleitetes Verfahren gebunden ist. Wenn in neueren Entscheiden oder in der Literatur gelegentlich die Rechtshängigkeit als massgebend erklärt wird (vgl. BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege S. 70), so ist zu beachten, dass einzelne der Rechtswirkungen, die mit dem Begriffe bezeichnet zu werden pflegen, für den hier in Frage stehenden Ausschluss des bundesrechtlichen Gerichtsstandes unerheblich sind. Wo die kantonale Prozessordnung den Eintritt der Rechtshängigkeit nicht besonders regelt, ist daher auf die hier wesentliche Wirkung, also die prozessrechtliche Bindung der in Frage stehenden Partei im oben umschriebenen Sinne abzustellen.
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3. Die Prozessgesetzgebung des Kantons Baselland enthält keine besondere Anordnung über den Eintritt der Rechtshängigkeit. Es ist daher zu prüfen, für welches Stadium des Verfahrens jene Bindung des Klägers an den von ihm erhobenen Rechtsstreit anzunehmen ist, die das Wahlrecht konsumiert. Nach der Zivilprozessordnung von Baselland ist das Sühneverfahren vor dem Friedensrichter ein integrierender Bestandteil des Prozesses. Nach § 2, Abs. 1 ZPO werden - abgesehen von besonderen Fällen, die ausser Frage stehen - alle Rechtsstreitigkeiten beim Friedensrichteramt anhängig gemacht. Die Zustellung der Vorladung zum Sühneversuch bestimmt die örtliche Zuständigkeit des Gerichts (§ 58). Wird der Sühneversuch durchgeführt, so erhält der Kläger den Akzessschein mit der Wirkung, dass er innert gesetzlicher Frist Klage erheben muss, wenn er nicht auf den Rechtsstreit und damit auf den erhobenen Anspruch verzichten will (§ 85 ZPO). Wenn nach der Praxis die Ausübung des Wahlrechts des Klägers zugunsten der Bundesgerichtsbarkeit nicht schon damit als konsumiert anzusehen sein sollte, dass dieser seinen Rechtsstreit vor den basellandschaftlichen richterlichen Behörden gemäss § 2 ZPO anhängig macht, so wird doch jedenfalls die bestimmte Wendung auf die Bindung des Streites an die kantonale Gerichtsbarkeit für den Kläger mit der Durchführung der Verhandlung vor dem Friedensrichter und der Herausnahme des Akzesscheines herbeigeführt. Angesichts der Ordnung in § 85 ZPO muss der Kläger wissen, dass der Prozess nach Ausstellung des Akzesscheines seinen Lauf nimmt, vor allem dass er, ohne Zustimmung des Beklagten zu einer gütlichen Erledigung (Vergleich), nur durch Urteil oder völligen Verzicht auf den Rechtsstreit erledigt werden kann. |
In einer Streitigkeit mit dem Kanton Baselland kann der Kläger daher die Bundesgerichtsbarkeit nicht mehr unter Berufung auf Art. 42 OG in Anspruch nehmen, wenn er seinen Anspruch bereits bei den kantonalen richterlichen Behörden anhängig gemacht hat und ihm nach Durchführung der Sühneverhandlung vor Friedensrichteramt der Akzesschein ausgeliefert worden ist. |
Da der Kläger hier den Akzesschein für seinen Verant wortlichkeitsprozess gegen den Kanton Baselland beim Friedensrichteramt Liestal erhoben hat, kann er ohne Zustimmung des Beklagten die Beurteilung des Streites im direkten Prozess vor Bundesgericht nicht mehr verlangen. Die Klage ist daher von der Hand zu weisen.
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