83 I 206
Urteilskopf
83 I 206
27. Urteil der II. Zivilabteilung vom 25. März 1957 i.S. Buser gegen Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt.
Regeste
Vorschriften des kantonalen Rechts, wonach die Handänderungs- oder Erbschaftssteuer vor der Eintragung des Eigentumsüberganges im Grundbuch zu bezahlen ist und die Eintragung nurbei nachgewiesener Bezahlung jener Steuer erfolgen darf, sind mit dem Bundeszivilrecht vereinbar.
- Art. 6, 702, 954, 963, 965 ZGB.
A.- Die am 14. April 1954 an ihrem Wohnsitz Basel verstorbene Witwe Wilhelmine Adolf hinterliess einen Sohn und eine Tochter. Mit Erbteilungsvertrag vom 2. Mai 1956 wurde eine im Nachlass befindliche Liegenschaft der Tochter, Frau Buser-Adolf, zugeteilt. In ihrem Namen verlangte ein Notar die entsprechende Eintragung im Grundbuch. Er legte eine notarielle Erbgangsbeurkundung und den Erbteilungsvertrag vor, wonach das Grundbuchamt ermächtigt ist, die übernehmende Erbin als Eigentümerin im Grundbuch einzutragen. Sein Begehren wurde jedoch zurückgewiesen, weil er kein Visum des Erbschaftsamtes und der Staatskasse eingereicht hatte, aus dem hervorging, dass die Erbschafts- und die Handänderungssteuer bezahlt seien. Diese Verfügung stützte sich auf folgende Bestimmungen:
a) § 7 des baselstädtischen Gesetzes über die Handänderungssteuer vom 11. Dezember 1882, lautend:
"Die Grundbuchverwaltung und die Bezirksschreiberei werden in handänderungspflichtigen Fällen Eigentumsübergänge in den öffentlichen Büchern erst eintragen, wenn ihnen die Quittung der Staatskasse über die Bezahlung der Steuer vorliegt."
b) § 22 der Verordnung vom 28. Juli 1950 zum Gesetz über die direkten Steuern, lautend:
"Erhebung der Erbschaftssteuer.
Die Erbschaftssteuer ist an die Gerichtskasse zu bezahlen. Die Gerichtskasse rechnet monatlich mit der Staatskasse ab.
Die Übertragung von Grundstücken im Grundbuch infolge Erbgangs bedarf des Visums des Erbschaftsamtes; dieses wird erst erteilt, wenn die Erbschaftssteuer bezahlt oder sichergestellt ist."
B.- Über die Rückweisung ihrer Anmeldung beschwerte sich die Gesuchstellerin bei der kantonalen Justizdirektion und dann beim Regierungsrat als Rekursinstanz. Sie machte geltend, die Voraussetzungen zur Eintragung eines Eigentumserwerbes im Grundbuch seien abschliessend durch das Bundesrecht umschrieben. Die entsprechenden Ausweise seien im vorliegenden Fall beigebracht worden, und es müsse daher ihrer Anmeldung entsprochen werden. Dem kantonalen Recht stehe es nicht zu, die Eintragung an weitere Vorbedingungen zu knüpfen.
Beide kantonalen Instanzen haben diesen Standpunkt mit Hinweis auf die Praxis des Bundesrates in Grundbuchsachen als unrichtig verworfen und die Verfügung des Grundbuchamtes geschützt.
C.- Gegen den Entscheid des Regierungsrates vom 20. November 1956 hat die Gesuchstellerin die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben mit dem Antrag, das Grundbuchamt Basel-Stadt sei anzuweisen, die ihm mit der Anmeldung eingereichte Erbgangsbeurkundung und den Teilungsvertrag im Grundbuch einzutragen.
Der Regierungsrat beantragt Abweisung der Beschwerde, ebenso das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Die Kantone dürfen für die Eintragungen in das Grundbuch Gebühren erheben (Art. 954, mit Vorbehalt der dort in Abs. 2 vorgesehenen Ausnahmen), und vollends lässt das Bundeszivilrecht ihre Steuerhoheit, insbesondere das Recht zur Erhebung von Handänderungssteuern, unberührt, sofern diese Abgaben nicht etwa eine ungebührliche Erschwerung der Anwendung eines Institutes des Bundesrechtes mit sich bringen (vgl. BGE 48 I 540/1, BGE 55 I 369, BGE 79 I 19; HOMBERGER, N. 3 zu Art. 954). Es
BGE 83 I 206 S. 209
steht den Kantonen auch zu, für öffentlichrechtliche Ansprüche Sicherungs- und andere Zwangsmassnahmen durch ihre Gesetzgebung einzuführen, wie sie denn nach Art. 6 ZGB ganz allgemein "in ihren öffentlichrechtlichen Befugnissen" durch das Bundeszivilrecht nicht beschränkt werden. Insbesondere ist den Kantonen und den Gemeinden gleichwie dem Bunde selbst vorbehalten, öffentlichrechtliche Beschränkungen des Grundeigentums zum allgemeinen Wohl aufzustellen (Art. 702 ZGB), und was die Forderungen "aus öffentlichrechtlichen oder andern für die Grundeigentümer allgemein verbindlichen Verhältnissen" betrifft, lässt Art. 836 ZGB gesetzliche Pfandrechte des kantonalen Rechtes gelten, die, wo es nicht anders geordnet ist, ohne Eintragung gültig sind. Zu diesen Forderungen sind sowohl Steuern (Liegenschaftssteuer, Handänderungssteuer, Grundstückgewinnsteuer, Erbschafts- und Schenkungssteuer) wie auch Gebühren und Beiträge zu rechnen (vgl. LEEMANN, N. 4-8 zu Art. 836 ZGB). Obwohl durch das ZGB nicht ausdrücklich vorbehalten, verdient auch die hier in Frage stehende Massnahme, wie sie in kantonalen Erlassen vorgesehen ist, als Ausfluss einer öffentlichrechtlichen Befugnis der Kantone anerkannt zu werden: die Vorschrift an die Grundbuchführer, der Anmeldung eines Eigentumsüberganges zur Eintragung im Grundbuch nur Folge zu geben, wenn sich der Gesuchsteller über die Bezahlung der Handänderungs- oder Erbschaftssteuer ausweist. Als frühere Rekursinstanz in Grundbuchsachen hat denn auch der Bundesrat mehrmals ausgesprochen, dass das kantonale öffentliche Recht, ohne dadurch das Bundesprivatrecht zu verletzen, die Eintragung eines Eigentumsüberganges im Grundbuch von der Bezahlung der für den betreffenden Übergang geschuldeten Verkehrsabgaben und der für die Eintragung zu erhebenden Gebühren abhängig machen darf (Bundesblatt 1913 IV 60, 1914 I 356 deutsch, 1913 IV 63, 1914 I 397 französisch; ZBGR 7 S. 51 oben). Dieser Betrachtungsweise haben sich die Kommentare zu BGE 83 I 206 S. 210
Art. 954 ZGB angeschlossen (OSTERTAG N. 1, HOMBERGER N. 2 und 3). Die Lehre des Steuerrechts betrachtet auch ihrerseits die Aufstellung einer solchen Vorbedingung für die Grundbucheintragung als zulässige "Zwangsmassnahme zur Förderung der Steuerentrichtung" (BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, 2. Auflage, S. 236/7, der mit Recht dafür hält, der Ausweis über die Bezahlung der die Handänderung betreffenden Steuer dürfe vor der Eintragung verlangt werden, ohne dass damit in verfassungsmässige Rechte der Bürger eingegriffen würde wie etwa bei Zurückbehalten des Heimatscheins oder bei Verweigerung der Ausstellung eines solchen bis zur Begleichung rückständiger Steuern, Massnahmen, die der Garantie der Niederlassungsfreiheit, Art. 45 BV, widersprechen, BGE 51 I 392).Das Bundesgericht hat vor der Einführung der eidgenössischen Verwaltungsgerichtsbarkeit in besonderer Weise bekundet, dass es die in Frage stehende abgaberechtliche Massnahme als rechtmässig betrachte: durch die Vorschrift von Art. 66 Abs. 4 VZG, auf die der Regierungsrat hinweist:
"In denjenigen Kantonen, in denen die Eintragung im Grundbuch von der Bezahlung einer Handänderungssteuer abhängig gemacht wird, muss vor der Anmeldung auch diese an das Amt bezahlt oder der Ausweis über direkt geleistete Bezahlung erbracht werden."
Eine abweichende Stellungnahme glaubt die Beschwerdeführerin einer Entscheidung entnehmen zu können, wonach "die Verweigerung oder Hinausschiebung der Eintragung" sich nur damit begründen lässt, "dass die vom eidgenössischen Recht aufgestellten Voraussetzungen nicht oder noch nicht erfüllt sind" (BGE 66 I 88). In jenem Fall handelte es sich aber nicht darum, ob die Eintragung an die Bedingung der vorgängigen Bezahlung öffentlichrechtlicher Abgaben geknüpft werden dürfe. Vielmehr wurden als ungültig kantonale Vorschriften des Inhaltes befunden, dass das Grundbuchamt alle Anmeldungen zuerst der Aufsichtsbehörde zu unterbreiten und Art. 963 und 965 ZGB ). Öffentlichrechtliche Ansprüche aber, die mit der zur Eintragung angemeldeten Handänderung oder mit der Eintragung selbst zusammenhängen, fasst die erwähnte Entscheidung gar nicht ins Auge. Massnahmen zum Schutze solcher Ansprüche erscheinen nach wie vor als zulässig, da die in Frage stehenden Steuern und Gebühren nicht nur selber das eidgenössische Zivilrecht nicht verletzen, sondern auch die zu ihrer Wahrung gesetzlich bestimmten Vorrechte und Sicherungsmassnahmen neben der Zivilrechtsordnung zur Geltung kommen müssen. Es ist auch in anderer Hinsicht anerkannt, dass öffentlichrechtliche Ansprüche, selbst wo sie an Vorgänge des Zivilrechts anknüpfen, unabhängig von den für zivilrechtliche Forderungen geltenden Beschränkungen ausgeübt werden können (vgl. PLATTNER, Öffentliches Inventar und Steuersukzession der Miterben, SJZ 25 S. 96 ff; ferner BGE 79 I 19). Gegen den Anspruch des Kantons auf Bezahlung der Handänderungs- und Erbschaftssteuer vor der Eintragung des betreffenden Eigentumsüberganges im Grundbuch, und gegen das Gebot, sich bei der Anmeldung über diese Bezahlung auszuweisen, wie es die oben angeführten Bestimmungen des baselstädtischen Rechtes statuieren, lässt sich um so weniger etwas Triftiges einwenden, als das Bundesrecht etwas Ähnliches zum Schutz der Wehrsteuerforderungen vorschreibt. Nach Art. 122 des Wehrsteuerbeschlusses dürfen nämlich juristische Personen sowie Filialen ausländischer Unternehmungen im Handelsregister erst dann gelöscht werden, wenn sie die geschuldete
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zur Ermöglichung von Einsprachen zu veröffentlichen habe. Derartige Erfordernisse widersprechen in der Tat der den Grundbuchämtern kraft Bundesrechtes zukommenden selbständigen, wenn auch unter dem Vorbehalt der Beschwerdeführung stehenden Verfügungsbefugnis, und sie verkennen die Bedeutung der nach Bundesrecht erforderlichen, aber auch genügenden Ausweise über das Verfügungsrecht und über den Rechtsgrund der nachgesuchten Eintragung (BGE 83 I 206 S. 212
Wehrsteuer bezahlt oder sichergestellt haben. Daraus ergibt sich einwandfrei, dass der Bundesgesetzgeber Vorbehalte zugunsten steuerrechtlicher Ansprüche im Gebiete der Führung öffentlicher Register über privatrechtliche Verhältnisse keineswegs ausschliessen will.Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Referenzen
Artikel: Art. 836 ZGB, Art. 6 ZGB, Art. 702 ZGB, Art. 954 ZGB mehr...