BGE 86 I 150
 
23. Urteil vom 1. Juli 1960 i.S. X. gegen Wehrsteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich.
 
Regeste
Wehrsteuer: Ein Verzicht auf das Einspracherecht, den der Steuerpflichtige erklärt, bevor ihm die Steuerbehörde ordnungsgemäss den Steuerbetrag mitgeteilt hat, ist unwirksam.
 
Sachverhalt


BGE 86 I 150 (151):

A.- X., Präsident des Verwaltungsrates und Geschäftsführer einer Immobilien-Handelsgesellschaft, gab in der Steuererklärung vom 6. Februar 1958 für die Wehrsteuer der 9. Periode ein steuerbares Einkommen von Fr. 14'600.-- und ein steuerbares Vermögen von Fr. 100'000.-- an.
Die Veranlagungsbehörde berechnete das steuerbare Einkommen, unter Einbezug eines Liegenschaftsgewinns von Fr. 50'000.--, auf Fr. 39'600.-- und das steuerbare Vermögen auf Fr. 102'000.--. Nach einer Besprechung mit dem Steuerkommissär erklärte der Vertreter des Steuerpflichtigen am 30. Mai 1958 durch Unterzeichnung eines vorgedruckten amtlichen Formulars, das im Kanton Zürich verwendet wird, die Zustimmung zu dieser Festsetzung der Steuerfaktoren und den Verzicht auf das Einspracherecht. Am 21. Januar 1959 eröffnete die kantonale Wehrsteuerverwaltung dem Pflichtigen mittels eines Formulars, welches auf das Einspracherecht hinweist, die Einschätzung unter Angabe der Steuerfaktoren und des Steuerbetrages.
Hierauf erhob X. Einsprache mit dem Begehren, das steuerbare Einkommen sei auf Fr. 14'600.-- herabzusetzen. Die Veranlagungsbehörde trat auf die Einsprache nicht ein in Erwägung, dass er auf das Einspracherecht verzichtet habe.
Eine Beschwerde des Steuerpflichtigen hiegegen wurde von der kantonalen Rekurskommission abgewiesen mit der Begründung, dass er sich bei dem Verzicht auf das Einspracherecht, den er bedingungslos und in Kenntnis der massgebenden Verhältnisse erklärt habe, behaften lassen müsse.
B.- Gegen diesen Entscheid führt X. Verwaltungsgerichtsbeschwerde, mit der er den Antrag auf Herabsetzung des steuerbaren Einkommens erneuert. Er macht geltend, der von ihm erklärte Verzicht auf das Einspracherecht sei nicht verbindlich. Der in Frage stehende Liegenschaftsgewinn sei zu Unrecht in die Berechnung des steuerbaren Einkommens einbezogen worden.


BGE 86 I 150 (152):

C.- Die kantonalen Behörden schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
Die eidgenössische Steuerverwaltung beantragt, die Beschwerde abzuweisen, eventuell den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Ergänzung der Untersuchung und zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Das ausgefüllte Formular, das der Vertreter des Beschwerdeführers im Mai 1958 für die Abgabe der "Einverständniserklärung" erhalten hat, genügt den Anforderungen des Art. 95 WStB nicht. Es sind darin nur die von der Veranlagungsbehörde ermittelten Steuerfaktoren (und die Nummer des für die Einkommenssteuer massgebenden Tarifs) angegeben, nicht auch der Steuerbetrag. Dagegen entspricht jenen Anforderungen die später, am 21. Januar 1959, erlassene schriftliche Mitteilung der Einschätzung. Sie enthält die nach Art. 95 WStB notwendigen Angaben; insbesondere nennt sie auch den Steuerbetrag. Erst mit dieser Eröffnung konnte nach der gesetzlichen Ordnung das Einspracherecht entstehen. Das dazu verwendete Formular weist denn auch, gemäss Art. 74 WStB, darauf hin, dass nun innert 30 Tagen Einsprache erhoben werden könne.


BGE 86 I 150 (153):

Der Beschwerdeführer hat diese Frist eingehalten. Seine Einsprache erfüllt auch die Anforderungen des Art. 101 WStB. Die Veranlagungsbehörde hätte darauf eintreten müssen, sofern der Verzicht auf das Einspracherecht, den der Vertreter des Beschwerdeführers durch Unterzeichnung des für die "Einverständniserklärung" bestimmten Formulars am 30. Mai 1958 zum voraus ausgesprochen hat, als unverbindlich zu betrachten ist.
2. Der Wehrsteuerbeschluss enthält keine ausdrückliche Bestimmung über den Verzicht auf das Einspracherecht. Aus Art. 95 und 99 Abs. 1 muss indessen geschlossen werden, dass auf jeden Fall ein Verzicht unwirksam ist, den der Steuerpflichtige erklärt, bevor ihm die Steuerbehörde ordnungsgemäss den Steuerbetrag mitgeteilt hat. Nach diesen Bestimmungen entsteht das Einspracherecht erst, nachdem der Pflichtige eine Einschätzungsmitteilung erhalten hat, die unter anderm den Steuerbetrag angeben muss. Diese Ordnung beruht auf dem Gedanken, dass dem Pflichtigen der Entschluss darüber, ob er die Einschätzung durch Einsprache anfechten will oder nicht, solange nicht zuzumuten ist, als er den Steuerbetrag nicht kennt und daher die Tragweite, welche die Einschätzung für ihn hat, nicht genügend überblickt. Es ist ein allgemeiner Grundsatz, dass ein Verzicht auf ein Rechtsmittel jedenfalls dann als unwirksam betrachtet werden muss, wenn nicht vorausgesetzt werden darf, dass die Partei dabei in voller Sachkenntnis gehandelt hat (vgl.BGE 79 II 234ff.). Daher kann ein Verzicht auf das Einspracherecht, den ein Pflichtiger ausspricht, bevor ihm die Steuerbehörde, wie es Art. 95 WStB vorsieht, den Steuerbetrag mitgeteilt hat, nicht als verbindlich anerkannt werden. Gewiss lässt sich der Steuerbetrag, der den mitgeteilten Steuerfaktoren entspricht, anhand der Vorschriften über die Tarife leicht ausrechnen. Aber nicht jeder Steuerpflichtige ist imstande, die Ausrechnung selber vorzunehmen oder durch einen Steuerfachmann vornehmen zu lassen. Hierauf nimmt der Wehrsteuerbeschluss Rücksicht, indem er in Art. 95 die

BGE 86 I 150 (154):

Angabe des Steuerbetrages zwingend vorschreibt. Er schliesst damit aus, dass einfach vorausgesetzt wird, der Pflichtige, dem die von der Veranlagungsbehörde berechneten Steuerfaktoren mitgeteilt worden sind, müsse auch den entsprechenden Steuerbetrag kennen.
Der Beschwerdeführer hat auf das Einspracherecht verzichtet, bevor ihm die Behörde den Steuerbetrag angegeben hat. Sein Verzicht ist daher nicht zu beachten. Dass sein Vertreter, ein Steuerberater, den Steuerbetrag ohne weiteres selber hat ausrechnen können, ist unerheblich.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Angelegenheit zur materiellen Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.