89 I 298
Urteilskopf
89 I 298
46. Urteil der I. Zivilabteilung vom 18. September 1963 i.S. Florida International Fruchtsaftgetränke GmbH. gegen Eidg. Amt für geistiges Eigentum.
Regeste
Markenrecht. Schutzverweigerung gegenüber international hinterlegter Marke wegen Täuschungsgefahr über die Herkunft der Ware. Madrider Abkommen Art. 5. Pariser Verbandsübereinkunft (Fassung von Lissabon 1958) Art. 6 Abs. 1. MSchG Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2.
Frage der Zulässigkeit geographischer Angaben.
Verwendung der Firma als Marke.
A.- Die in Frankfurt a.M. ansässige Firma Florida International Fruchtsaftgetränke G. m. b. H. liess am 12. Oktober 1962 gestützt auf das Madrider Abkommen von 1891/1934 betr. die internationale Eintragung der Fabrik- oder Handelsmarken im internationalen Register unter der Nr. 260 838 eine Bildmarke für "Boissons non alcooliques" eintragen. Diese Marke besteht aus dem von einer -Kreislinie umrandeten Brustbild eines Negerjungen, der einen breitkrempigen Hut trägt und in der rechten Hand ein Glas hält, aus dem er mit einem Saughalm trinkt; auf seinem Hemd ist in Blockschrift das Wort "FLORIDA" angebracht Das Eidg. Amt für geistiges Eigentum teilte am 29. März 1963 dem Internationalen Amt unter Berufung auf Art. 5 des Madrider Abkommens mit, dass diese Marke in der Schweiz nur teilweise zugelassen werden könne, nämlich nur für "Boissons non alcooliques provenant d'Amérique ou fabriquées avec des produits provenant d'Amérique". Denn sonst wäre die Marke wegen des darin enthaltenen Wortes "FLORIDA" geeignet, das Publikum über die Herkunft der Ware zu täuschen und würde daher gegen die guten Sitten verstossen. Dabei verwies das Amt auf Art. 6 Abs. 1 der Pariser Verbandsübereinkunft (PVU) und auf Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG.
B.- Gegen diese teilweise Schutzverweigerung, die
BGE 89 I 298 S. 300
das Internationale Amt am 1. Mai 1963 der Markeninhaberin bekanntgab, erhob diese verwaltungsgerichtliche Beschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag auf uneingeschränkte Zulassung der Marke für das Gebiet der Schweiz.Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die angefochtene Verfügung stütze sich zu Unrecht auf Art. 6 Abs. 1 PVU; wegen Täuschungsgefahr könnte die Marke höchstens gestützt auf Art. 6 lit. B Ziff. 3 PVU beanstandet werden.
Die Beschwerdeführerin übersieht jedoch, dass die angefochtene Schutzverweigerung sich nicht auf die Londoner Fassung der PVU vom Jahre 1934 stützt, welche die Beschwerde offenbar im Auge hat, sondern auf den am 31. Oktober 1958 revidierten Text von Lissabon (AS 1963 S. 123 ff.), der in den Beziehungen zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland seit dem 17. Februar 1963 in Kraft steht und somit im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verfügung (29. März 1963) galt. Art. 6 Abs. 1 der Lissaboner Fassung bestimmt aber im Einklang mit Art. 5 des Madrider Abkommens von 1891/1934, dass die Bedingungen für die Hinterlegung und Eintragung von Fabrik- oder Handelsmarken in jedem Land durch die Landesgesetzgebung bestimmt werden.
Wie übrigens das Amt zutreffend ausführt, wäre die Rechtslage die nämliche, wenn auf die Londoner Fassung der PVU von 1934 abgestellt würde, weil diese zur Zeit der Eintragung der streitigen Marke im internationalen Register noch in Kraft stand. Denn gemäss Art. 6 lit.B Ziff. 3 der Londoner Fassung darf ein Verbandsland einer Marke den Schutz verweigern, wenn sie gegen die guten Sitten verstösst, was namentlich auf Marken zutrifft, die geeignet sind, das Publikum zu täuschen.
2. Kraft des Vorbehaltes von Art. 6 Abs. 1 PVU zugunsten der Landesgesetzgebung ist das Eidg. Amt befugt, einer Marke den Schutz zu verweigern, wenn sie zur Täuschung des Publikums geeignet ist und daher gegen die guten Sitten verstösst (Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG).
3. Eine Marke, die in einer geographischen Angabe besteht oder eine solche enthält, erweckt nach der Lebenserfahrung im allgemeinen beim Käufer die Vorstellung, das damit bezeichnete Erzeugnis stamme aus dem Land, auf das sich die Angabe bezieht. Ist das Erzeugnis tatsächlich anderer Herkunft, so kann die Marke irreführend wirken und ist daher unzulässig (BGE 89 I 51, BGE 79 I 253 'BGE 76 I 170, BGE 56 I 472). Anders verhält es sich nur, wenn die geographische Angabe offensichtlich blossen Phantasiecharakter hat und nicht als Herkunftsbezeichnung aufgefasst werden kann (BGE 89 I 51, BGE 72 I 240, BGE 56 I 475, BGE 55 I 271). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten.
4. a) Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass die Angabe "FLORIDA" geeignet sei, das Publikum über die Herkunft der Ware irrezuführen. Neben den bildlichen Elementen der Marke komme dem auf dem Hemd des Negerjungen angebrachten Wort "FLORIDA" nur untergeordnete Bedeutung zu, da es im Gesamteindruck der Marke untergehe.
Die Betrachtung der streitigen Marke widerlegt jedoch diesen Einwand eindeutig. Die Angabe "FLORIDA" ist das einzige in der Marke enthaltene Wort. Es ist in verhältnismässig grossen Blockschrift-Buchstaben angebracht und tritt derart augenfällig in Erscheinung, dass es selbst bei bloss flüchtiger Betrachtung nicht übersehen werden kann.
b) Die Beschwerdeführerin wendet weiter ein, dass die Käufer nicht alkoholischer Getränke in der Regel der Herkunft der Ware keine Bedeutung beimässen, weshalb auch keine Täuschungsgefahr bestehe.
Auch dieser Einwand ist nicht stichhaltig. Infolge der
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Internationalisierung von Handel und Verkehr haben die alkoholfreien Getränke ausländischer Herkunft auf dem schweizerischen Markt eine wichtige Stellung erobert. Sie werden heute vom Schweizer Publikum in erheblichem Umfang konsumiert, und dieses ist bereit, dafür einen beträchtlich höheren Preis zu bezahlen. Auch in dieser Hinsicht ist das Publikum wählerischer und anspruchsvoller geworden, so dass sich heute nicht mehr sagen lässt, es werde nur beim Kauf alkoholischer Getränke Wert auf die Herkunft gelegt.c) Fehl geht schliesslich auch der Einwand der Beschwerdeführerin, den wenigsten Abnehmern ihrer Ware sei bekannt, dass in Florida Produkte gediehen, aus denen Fruchtsäfte und dergleichen hergestellt werden könnten. Seit Jahren wird der schweizerischen Öffentlichkeit Florida durch Film, Radio, Fernsehen und Verkehrswerbung als ein paradiesisch schönes, mit einer üppigen Vegetation gesegnetes Land gepriesen. Weite Kreise der in Betracht fallenden Abnehmer wissen, dass in Florida in grossem Masse Früchte - namentlich Ananas - angebaut werden. Für sie liegt die Annahme nahe, dass die mit der streitigen Marke versehenen Getränke in Florida, d.h. in den USA oder zum mindesten unter Verwendung von dorther stammender Früchten hergestellt worden seien.
Alle diese Überlegungen führen zwingend zum Schluss, dass die von der Beschwerdeführerin beanspruchte Marke für die schweizerischen Abnehmer irreführend ist und gemäss Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG ohne den vom Amt geforderten präzisierenden Zusatz nicht zugelassen werden kann.
5. Die Beschwerdeführerin weist darauf hin, dass die streitige Marke in Deutschland anstandslos und mit unbeschränktem Warenverzeichnis eingetragen worden sei. Das ist jedoch ohne Belang. Gemäss ständiger Rechtsprechung ist jedes Verbandsland befugt, über die Zulässigkeit einer Marke unter dem hier in Frage stehenden Gesichtspunkt selbständig zu befinden (BGE 82 I 52, BGE 79 I 256, BGE 76 I 171).
6. Die Beschwerdeführerin ficht die Verfügung des Amtes schliesslich unter Hinweis auf eine Reihe von ihm bewilligter Markeneintragungen gestützt auf Art. 4 BV als willkürlich an.
Diese Rüge ist offensichtlich haltlos. Eine Entscheidung, die - wie oben dargelegt wurde - der geltenden Gesetzgebung entspricht, ja sogar von ihr zwingend verlangt wird, kann nicht willkürlich sein. Das gilt auch, wenn das Amt in den von der Beschwerde angeführten Fällen die streitige Vorschrift zum Vorteil der betreffenden Markeninhaber unrichtig angewendet haben sollte. Die Beschwerdeführerin kann nicht beanspruchen, dass eine solche Gesetzesverletzung auch zu ihren Gunsten vorgenommen werde. Zudem kann weder einer Gerichts-, noch einer Verwaltungsbehörde verwehrt sein, von einer als gesetzwidrig erkannten Praxis abzugehen.
7. Zu Unrecht glaubt die Beschwerdeführerin endlich, sich darauf berufen zu können, dass der Markenbestandteil "FLORIDA" gleichzeitig den Hauptteil ihres Firmanamens bilde, der gemäss Art. 1 MSchG als Handelsmarke gelte. Die markenmässig gebrauchte Firma ist nach ständiger Rechtsprechung nur zulässig, soweit sie ihrer Beschaffenheit nach ein gültiges Zeichen sein kann; auch sie muss also den Anforderungen des MSchG genügen (BGE 78 II 460; MATTER, Kommentar zum MSchG, S. 54 f.). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
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