9. Auszug aus dem Urteil vom 3. März 1965 i.S. Zedtwitz gegen Regierungsrat des Kantons Zürich.
|
Regeste
|
Staatsrechtliche Beschwerde. Art. 84 Abs. 2 und Art. 88 OG.
|
2. Auf die staatsrechtliche Beschwerde, mit welcher ein Ausländer die Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung in einem Kanton wegen Verletzung des Internationalen Abkommens von Genf über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 sowie wegen willkürlicher Anwendung des ANAG anficht, kann nicht eingetreten werden, weil
|
- die Verletzung des Genfer Abkommens gemäss Art. 125 Abs. 1 lit. c OG durch Beschwerde beim Bundesrat gerügt werden kann
|
- der Ausländer zur Beschwerdewegen Willkür bei der Anwendung des ANAG nicht legitimiert ist.
|
Sachverhalt
|
BGE 91 I 46 (47):
A.- Der Beschwerdeführer Joachim Ulrich Zedtwitz ist ein schriftenloser Ausländer, den die Polizeiabteilung des Eidg. Justiz- und Polizeidepartementes am 14. Juli 1962 als Flüchtling im Sinne des Internationalen Abkommens von Genf über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (AS 1955 S. 443 ff., im folgenden kurz als Genfer Abkommen bezeichnet) anerkannt hat. Am 23. November 1963 stellte er bei den zürcherischen Behörden das Gesuch, ihm und seiner Ehferau für ein Jahr den Aufenthalt in Meilen zu bewilligen. Die Fremdenpolizei des Kantons Zürich wies das Gesuch am 18. Dezember 1963 und der Regierungsrat den dagegen erhobenen Rekurs am 1. Mai 1964 gemäss Art. 4 des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 26. März 1931 (ANAG) ab, da der Beschwerdeführer auf Grund des Inhalts eines Briefes, den er am 26. Januar 1963 an eine Frau Harich geschrieben hatte, als ein in der Schweiz unerwünschter Ausländer erscheine.
|
B.- Gegen diesen Rekursentscheid des Regierungsrates hat Joachim Ulrich Zedtwitz beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Er macht geltend, dass der angefochtene Entscheid die Art. 17 und 26 des Genfer Abkommens verletze und auf einer willkürlichen Auslegung und Würdigung des vom Beschwerdeführer verfassten Briefes vom 26. Januar 1963 beruhe.
|
BGE 91 I 46 (48):
C.- Der Regierungsrat des Kantons Zürich beantragt Abweisung der Beschwerde.
|
D.- Das Bundesgericht führte mit dem Bundesrat einen Meinungsaustausch über die Zuständigkeitsfrage durch (Art. 96 Abs. 2 OG). Für dessen Ergebnis wird auf die nachstehenden Erwägungen verwiesen.
|
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
|
... Der Entscheid, durch den dem Beschwerdeführer die Bewilligung zum Aufenthalt im Kanton Zürich verweigert wird, ist in Anwendung des Art. 4 ANAG ergangen. Ein solcher kantonaler Entscheid ist nach Art. 18 Abs. 1 ANAG endgültig. Das steht jedoch dem Eintreten auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht entgegen. Wenn ein eidgenössischer Erlass administrativen Charakters bestimmt, dass ein kantonaler Entscheid endgültig ist, so bedeutet dies nur, dass eine Weiterziehung an eine Bundesbehörde und insbesondere die Beschwerde an den Bundesrat ausgeschlossen ist (vgl. Art. 125 Abs. 1 lit. b und Art. 126 lit. b OG). Dagegen bezieht sich eine solche Bestimmung nicht auf die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte oder von Staatsverträgen mit dem Ausland (BIRCHMEIER, Handbuch des OG S. 338; BGE 67 I 15, BGE 68 I 132, BGE 71 I 37, BGE 73 I 362, BGE 78 I 100/101 und zahlreiche nicht veröffentlichte Urteile). Das hat das Bundesgericht wiederholt auch für Art. 18 Abs. 1 ANAG festgestellt (nicht veröffentlichte Urteile vom 18. Dezember 1947 i.S. Baillard, vom 28. September 1952 i.S. Feldmühle AG, vom 3. April 1958 i.S. Kleim und vom 3. Mai 1961 i.S. Stucki Erw. 1; am Urteil vom 23. Dezember 1959 i.S. Reinstein, in welchem im Widerspruch zu dieser langjährigen Rechtsprechung, aber ohne Auseinandersetzung mit ihr, angenommen wurde, dass Art. 18 Abs. 1 ANAG auch die staatsrechtliche Beschwerde ausschliesse, kann nicht festgehalten werden). Das Eintreten auf die vorliegende staatsrechtliche Beschwerde kann daher nicht schon deswegen abgelehnt werden, weil der angefochtene Entscheid nach Art. 18 Abs. 1 ANAG endgültig ist. Doch erweist sich die Beschwerde aus anderen Gründen als unzulässig.
|
a) Der Beschwerdeführer macht in erster Linie eine Verletzung der Genfer Abkommens geltend. Diese Verletzung BGE 91 I 46 (49):
kann jedoch gemäss Art. 125 Abs. 1 lit. c OG durch Beschwerde beim Bundesrate gerügt werden. Art. 18 Abs. 1 ANAG, wonach der angefochtene Entscheid endgültig ist, schliesst nur die Beschwerde an den Bundesrat gemäss Art. 125 Abs. 1 lit. b OG, d.h. wegen Verletzung des ANAG aus. Dagegen hindert die Endgültigkeit, wie die Justizabteilung in einem Bericht vom 15. Oktober 1957 (Verwaltungsentscheide der Bundesbehörden 1957 Nr. 24) ausgeführt hat, den Bundesrat nicht, den kantonalen Entscheid auf seine Vereinbarkeit mit den in Art. 125 Abs. 1 lit. c OG aufgezählten Staatsverträgen zu überprüfen, und zu diesen Staatsverträgen gehört offensichtlich auch das Genfer Abkommen (vgl. Verwaltungsentscheide 1956 Nr. 81, wo der Bundesrat eine gegen eine Aufenthaltsverweigerung erhobene Beschwerde wegen Verletzung des Genfer Abkommens beurteilt hat). Der Bundesrat hat dies im Meinungsaustausch bestätigt und sich bereit erklärt, auf die vorliegende Beschwerde insoweit einzutreten, als damit eine Verletzung des Genfer Abkommens geltend gemacht wird. Kann diese Verletzung aber durch Beschwerde beim Bundesrat gerügt werden, so kann insoweit auf die staatsrechtliche Beschwerde, die ein rein subsidiärer Rechtsbehelf ist, nicht eingetreten werden (Art. 84 Abs. 2 OG).
|
b) In die Zuständigkeit des Bundesgerichts fällt dagegen die Rüge, der angefochtene Entscheid beruhe aufeiner willkürlichen Auslegung und Würdigung eines Briefes, womit dem Sinne nach eine Verletzung des Art. 4 BV geltend gemacht wird. Auf diese Rüge kann indes aus einem andern Grunde nicht eingetreten werden. Zur Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV ist der Ausländer nur befugt wegen formeller Rechtsverweigerung und Willkür in Zivil- und Strafsachen oder in Verwaltungsstreitigkeiten vermögensrechtlicher Art wie überhaupt dort, wo die durch Art. 4 BV gewährleisteten Rechte dem Einzelnen ohne Rücksicht auf seine Staatsangehörigkeit zustehen (vgl. BGE 38 I 3 Erw. 2, BGE 40 I 15 Erw. 3, BGE 41 I 148, BGE 48 I 285 Erw. 1, BGE 74 I 99 Erw. 1 und 361, BGE 75 I 214 Erw. 2, BGE 78 I 205 Erw. 1, BGE 85 I 10 Erw. 2). Wo dagegen, wie bei Anwendung des ANAG, die Staatsangehörigkeit eine wesentliche Rolle spielt und sich der Ausländer nicht, wie der Schweizerbürger, auf ein verfassungsmässiges Recht (Art. 44 und 45 BV) berufen kann, steht ihm ein Beschwerderecht gegen einen kantonalen Entscheid auch wegen Verletzung von Art. 4 BV nicht zu (nicht veröffentlichte Urteile vom 18. Dezember 1947 i.S. Baillard, vom 31. August BGE 91 I 46 (50):
1956 i.S. Carli und vom 3. April 1958 i.S. Kleim mit Verweisungen aufweitere Urteile). Soweit mit der vorliegenden Beschwerde Willkür bei der Anwendung des ANAG gerügt wird, kann daher auf sie mangels Legitimation des Beschwerdeführers nicht eingetreten werden.
|
Demnach erkennt das Bundesgericht:
|
1.- Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
|
2.- Die Akten werden dem Bundesrat überwiesen.
|