BGE 91 I 429
 
67. Auszug aus dem Urteil vom 5. November 1965 i.S. Huber gegen Rekurskommission des Kantons Bern.
 
Regeste
Militärpflichtersatz, Einkommenstaxe: Fall des ersatzpflichtigen Studenten, der auf Kosten des Vaters lebt und studiert.
 
Sachverhalt


BGE 91 I 429 (429):

Aus dem Tatbestand:
A.- Der Beschwerdeführer wurde mit Rücksicht auf den Abschluss seiner Studien an der ETH vom Wiederholungskurs 1963 dispensiert und daher für dieses Jahr zum Militärpflichtersatz herangezogen. Er hatte damals kein eigenes Einkommen; für die Kosten seines Unterhalts und seines Studiums kam sein Vater auf. Diese Zuwendungen wurden gemäss Art. 11 Abs. 2 lit. b BG über den Militärpflichtersatz von 1959 (MPG) der Berechnung der Einkommenstaxe zugrunde gelegt. Eine Beschwerde des Ersatzpflichtigen hiegegen wurde von der kantonalen Rekurskommission abgewiesen mit der Begründung: Nach jener Bestimmung seien auch die Kosten für den Lebensunterhalt und den normalen Aufwand eines Studenten der Einkommenstaxe zu unterstellen; die Ausnahme für die berufliche

BGE 91 I 429 (430):

Ausbildung betreffe nur die Aufwendungen für Kollegiengelder und weitere Auslagen, die direkt mit dem Studium in Zusammenhang ständen, wie etwa für Reisen zur Beschaffung von Material für Seminar- oder Diplomarbeiten usw.
B.- Gegen diesen Entscheid führt Huber Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung seiner Veranlagung für ein taxpflichtiges Einkommen.
Er bringt vor, die Rekurskommission gebe der Ausnahmevorschrift am Schluss von Art. 11 Abs. 2 lit. b MPG die einschränkende Auslegung, welche ihr die Verwaltung in Art. 8 Abs. 2 der Vollziehungsverordnung (MPV) beizumessen versucht habe. Die in Art. 47 MPG dem Bundesrat erteilte Ermächtigung zum Erlass von Ausführungsbestimmungen schliesse aber die Befugnis nicht ein, gesetzliche Begriffe einzuschränken. Art. 11 Abs. 2 lit. b MPG sei so zu verstehen, dass sämtliche Zuwendungen für die berufliche Ausbildung des erwerbsfähigen Ersatzpflichtigen, auch solche für die Bestreitung seines Lebensunterhalts während der Ausbildungszeit, von der Abgabepflicht ausgenommen seien. Der Werdegang der Bestimmung bestätige diese Auslegung.
C.- Die kantonale Rekurskommission und die eidgenössische Steuerverwaltung beantragen Abweisung der Beschwerde.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die Beschwerde richtet sich formell nur gegen die einmalige Abgabe, die der Beschwerdeführer infolge seiner Dispensierung vom Wiederholungskurs 1963 entrichten muss - und die ihm zurückerstattet werden wird, wenn er diesen Dienst nachgeholt hat. Materiell aber geht es auch dem Beschwerdeführer offenbar weniger darum als um die grundsätzliche, für viele Studenten und ihre Eltern wichtige Frage nach der Tragweite der am Schlusse von Art. 11 Abs. 2 lit. b MPG aufgestellten Ausnahme von der Erfassung der Zuwendungen, die der erwerbsfähige Ersatzpflichtige von Verwandten oder Dritten erhält, um seinen und seiner Familie Lebensunterhalt und Aufwand zu bestreiten: Fallen unter diese Ausnahme nur Zuwendungen für die eigentlichen Kosten des Studiums im engen Sinne oder auch solche für den Lebensunterhalt, die eine notwendige Voraussetzung für das Studium bilden?
2. Der Militärpflichtersatz ist keine Steuer, sondern beruht auf der allgemeinen Wehrpflicht; er ist die Ersatzleistung,

BGE 91 I 429 (431):

die der Schweizer schuldet, der seine Wehrpflicht nicht oder nicht im vollen gesetzlichen Umfang durch persönliche Dienstleistung erfüllen kann. Er muss deshalb so geordnet werden, dass er für alle Wehrpflichtigen, die nicht die volle gesetzliche Dienstpflicht erfüllen, das zusätzliche Opfer darstellt, welches den Lasten, Mühen und Risiken der nicht erbrachten Dienstleistung entspricht. Das wurde nicht nur in der Botschaft des Bundesrates über die Neuordnung des Militärpflichtersatzes vom 11. Juli 1958 (BBl 1958 II S. 340), sondern auch in den Eintretensreferaten der Berichterstatter in beiden Räten (StenBull 1958 NR S. 741, 1959 StR S. 157/8) festgestellt - und hieran hat sich durch den in der Zwischenzeit an Art. 11 Abs. 2 lit. b angebrachten Zusatz (s. Erw. 3) nichts geändert. Um jenes Postulat zu erfüllen, muss die Abgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Ersatzpflichtigen angepasst sein, weshalb neben der einheitlichen Personaltaxe von Fr. 15.- eine - praktisch weit wichtigere - Einkommenstaxe auf dem gesamten reinen Einkommen aus Erwerbstätigkeit, Vermögensertrag und anderen Einnahmequellen erhoben wird. Art. 11 Abs. 2 lit. b MPG beruht auf der Erwägung, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht nur auf dem selbst erzielten Einkommen beruht, sondern ebenso auf den Zuwendungen, die ein Erwerbsfähiger von dritter Seite erhält und in gleicher Weise für seinen und seiner Familie Lebensunterhalt und Aufwand verwenden kann. Wer ganz oder teilweise aus solchen Zuwendungen lebt, soll mit Bezug auf den Militärpflichtersatz nicht günstiger gestellt sein als derjenige, der seinen Unterhalt durch Arbeit verdienen muss. Der Berichterstatter deutscher Sprache im Nationalrat hat einen besonders krassen Fall herausgegriffen und erklärt: "Der erwerbsfähige Sohn reicher Eltern zum Beispiel soll nicht auf deren Kosten ein geruhsames Leben führen und einzig die Personaltaxe bezahlen, während andere in ungünstigeren Verhältnissen auf ihren Erwerb angewiesen sind und zusätzlich darauf noch die Einkommenstaxe entrichten müssen" (StenBull 1959 NR S. 10). Entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers wurde also jener ausdrücklich als Beispiel bezeichnete extreme Fall nicht dem Studenten, sondern dem Erwerbstätigen gegenübergestellt. Die zugrunde liegende Erwägung trifft auch auf denjenigen zu, der auf Kosten seiner Eltern oder Dritter nicht faulenzt, sondern studiert. Würden deren Zuwendungen, auf denen seine wirtschaftliche

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Leistungsfähigkeit zur Hauptsache beruht, bei der Bemessung der Abgabe nicht berücksichtigt, so würde der Erwerbsfähige, der auf Kosten Dritter studiert, günstiger behandelt als der Erwerbstätige und insbesondere auch als der Werkstudent, dessen Arbeitsverdienst zweifellos der Einkommenstaxe unterliegt. Der Beschwerdeführer wendet - offenbar de lege ferenda - ein, man könnte allenfalls auch diesen davon befreien. Das kommt jedoch nicht in Frage, weil ein nur aus der Personaltaxe von Fr. 15.- bestehender Militärpflichtersatz keineswegs der Belastung entsprechen würde, welche die persönliche Dienstleistung darstellt und die bei Studenten besonders gross ist, weil sie häufig längere Ausbildungsdienste zu leisten haben. Der Grund, weshalb beim Militärpflichtersatz - im Gegensatz zum Steuerrecht - Zuwendungen Dritter für die Bestreitung des Lebensunterhalts des erwerbsfähigen Ersatzpflichtigen der Einkommenstaxe unterstellt werden, trifft also gerade für Studenten in besonderem Masse zu.
Das Wort "unmittelbar" ("directement") bringt klar zum Ausdruck, dass nur die durch das Studium als solches verursachten Aufwendungen von der Einkommenstaxe ausgenommen sind, nicht aber allgemeine Auslagen, die der Studierende in gleicher Weise hat wie jeder andere, auch wenn sie eine notwendige Voraussetzung für sein Studium bilden; sonst hätte jenes Wort hier überhaupt keinen Sinn. So hat das Bundesgericht bereits in dem nicht veröffentlichten Urteil vom 31. Mai 1963 i.S. Bucher (E. 3) entschieden. Es besteht eine gewisse Analogie zwischen Art. 11 Abs. 2 lit. b MPG und dem allgemeinen Grundsatz des Steuerrechts, dass Auslagen für den Lebensunterhalt nicht als Gewinnungskosten gelten, nicht vom rohen Erwerbseinkommen abgezogen werden dürfen. Der Abzug solcher Aufwendungen kommt beim Militärpflichtersatz angesichts seines Zweckes, einen Ausgleich für die Lasten, Mühen und Risiken der persönlichen Dienstleistung herzustellen, noch weniger in Frage. Wenn Art. 8 Abs. 2 MPV als "Zuwendungen unmittelbar zur beruflichen Ausbildung" die

BGE 91 I 429 (433):

Schulgelder, Auslagen für Schulmaterial und dgl. bezeichnet, nicht aber die Kosten für den Lebensunterhalt und den gewöhnlichen Aufwand, so entspricht das durchaus dem gesetzlichen Begriffe und stellt keineswegs eine unzulässige Einschränkung desselben dar, wie der Beschwerdeführer behauptet.
Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich nichts anderes. Den Protokollen der nationalrätlichen Kommission lässt sich lediglich entnehmen, dass Nationalrat Alfred Borel zuerst (3. September 1958) Streichung der lit. b beantragt hatte, dann aber nach Rückweisung dieser Bestimmung und Einholung eines Berichts der eidgenössischen Steuerverwaltung, worin daran festgehalten wurde, den genannten Zusatz vorschlug, der angenommen wurde (lo. November 1958). In den Räten selbst gab die Änderung zu keiner Diskussion Anlass; sie wurde nur von den Berichterstattern erwähnt, im Nationalrat mit der Bemerkung, sie beruhe auf einleuchtenden Gründen (StenBull 1959 S. 10), im Ständerat (S. 165) mit der Erklärung: "L'étudiant, l'apprenti, dont des parents, des amis ou des bienfaiteurs paient les études ou qui bénéficient de bourses, ne seront pas imposés pour les sommes qu'ils devront consacrer à leurs études." Der Beschwerdeführer will aus der Erwähnung von "bourses" schliessen, dass auch die Kosten des Lebensunterhaltes unter die Ausnahme fallen, weil Stipendien an Studenten zur Hauptsache für den Lebensunterhalt bestimmt und deren Empfänger meist vom Studiengeld befreit seien. Dieses Argument kommt gegenüber den vorstehenden Erwägungen nicht auf und ist namentlich mit der Natur des Militärpflichtersatzes nicht vereinbar. Der Einwand des Beschwerdeführers, der Erlass der Ausnahmebestimmung hätte sich gar nicht gelohnt, wenn ihr die von ihm bekämpfte enge Auslegung zu geben wäre, ist unbegründet. Eher könnte man sagen, bei der von ihm vertretenen weiten Interpretation der Ausnahme wäre die Regel der lit. b derart ausgehöhlt, dass sich ihre Aufstellung gar nicht gelohnt hätte. Die Ausnahmebestimmung wurde zudem schon in der nationalrätlichen Kommission selbst im engen Sinne ausgelegt, wie sich aus der Bemerkung von Nationalrat Huber (Protokoll vom 10. November 1958) ergibt: "Einer, der nur zum Schein studiert, hat auch kein Interesse daran, gerade bei den Studiengeldern eine Erleichterung zu bekommen."
Unbehelflich ist auch das Argument, das der Beschwerdeführer aus dem Ausdruck "libéralités", "liberalità" in den

BGE 91 I 429 (434):

romanischen Texten herleiten will: Von den Eltern getragene Unterhaltskosten könnten von vornherein nicht darunter fallen, weil sie auf einer Rechtspflicht beruhten. Andernorts weist der Beschwerdeführer zutreffend auf den Zusammenhang zwischen Vorder- und Nachsatz und darauf hin, dass der Ausdruck "Zuwendungen" in beiden den gleichen Sinn haben müsse. Genauer gesagt bilden die im Nachsatz besonders angeführten Zuwendungen für die berufliche Ausbildung einen Spezialfall der im Vordersatz allgemein genannten Zuwendungen für den Lebensunterhalt und Aufwand, welcher Spezialfall von der dortigen Regel ausgenommen wird. Der Vordersatz unterstellt die Zuwendungen für den Lebensunterhalt allgemein der Taxe, gleichviel ob sie von Verwandten oder von Dritten, auf Grund einer Rechtspflicht oder ohne solche gemacht werden. Nicht anders verhält es sich im französischen Text, der zwar von "libéralités" spricht, aber ausdrücklich von solchen "de proches ou de tiers" und "pour subvenir à son entretien et à son train de vie", also die von den Eltern getragenen Unterhaltskosten mit einschliesst. Wenn diese von vornherein nicht unter die Regel der lit. b fielen, so hätte es übrigens keinen Sinn, sie ausdrücklich davon auszunehmen. Trotz der Verwendung des Ausdrucks "libéralités", "liberalità" haben die romanischen Texte den gleichen Sinn wie der deutsche, d.h. sie erfassen allgemein die Zuwendungen Verwandter oder Dritter zur Bestreitung des Lebensunterhalts und des Aufwands erwerbsfähiger Ersatzpflichtiger, machen aber eine Ausnahme für die Leistungen, die unmittelbar der beruflichen Ausbildung dienen.
Natürlich ist es dem Gesetzgeber nicht entgangen, dass derjenige, der für den Lebensunterhalt des Ersatzpflichtigen aufkommt, in der Regel auch dessen Militärpflichtersatz und insbesondere die auf jenen Zuwendungen beruhende Einkommenstaxe entrichten wird. Anderseits werden aber seine Leistungen für den ersatzpflichtigen Studenten geringer sein, als sie es wären, wenn dieser seine Wehrpflicht durch persönliche Dienstleistung erfüllen würde, ganz besonders wenn sich daraus eine Verlängerung seiner Studienzeit ergibt.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.