Urteilskopf
93 I 185
22. Urteil vom 17. Februar 1967 i.S. Wehrsteuerverwaltung des Kantons Bern gegen X. und Rekurskommission des Kantons Bern.
Regeste
Wehrsteuer: Jahressteuer auf Kapitalgewinnen und Wertvermehrungen (Art 43 WStB).
Besteuerung eines durch Auflösung einer stillen Reserve auf Waren realisierten Gewinns.
Inwieweit sind Abschreibungen zu berücksichtigen?
A.- X. war einer der unbeschränkt haftenden Teilhaber der Kommanditgesellschaft X. & Co., welche Möbel herstellte. Diese Gesellschaft wurde Ende 1961 aufgelöst, und ihre Aktiven und Passiven wurden zu den Buchwerten von der neu gegründeten Firma X. AG übernommen.
Da X. infolge der Umwandlung der Kommandit- in eine Aktiengesellschaft von einer selbständigen zu einer unselbständigen Erwerbstätigkeit überging, wurde er nach Art. 96 WStB einer Zwischenveranlagung unterworfen. Die Veranlagungsbehörde belegte ihn gemäss Art. 43 WStB mit einer besonderen Jahressteuer für seinen Anteil (1/3) an einem Gewinn, den die Kommanditgesellschaft im Jahre 1961 durch Auflösung einer stillen Reserve auf Waren realisiert hatte. Sie setzte seinen Gewinnanteil auf Fr. 85'800.-- fest, so dass sich nach Vornahme des in Art. 25 Abs. 1 lit. a WStB vorgesehenen Abzugs ein steuerbarer Betrag von Fr. 84'300.-- ergab. Die Einsprache des Steuerpflichtigen gegen diese Veranlagung wurde abgewiesen.
B.- Auf Beschwerde des Steuerpflichtigen hin liess die kantonale Rekurskommission durch ihren Bücherexperten die Berechnung der aufgelösten Warenreserve überprüfen. Der Experte ermittelte einen Betrag von Fr. 137'676.--, wovon auf den Beschwerdeführer 1/3 = Fr. 45'892.-- entfällt. Die Rekurskommission nahm an, dass der Anteil des Beschwerdeführers jedenfalls zwischen Fr. 40'000.-- und 50'000.-- liege. Diesen
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Anteil verrechnete sie mit den Anteilen des Beschwerdeführers ana) den früher nicht anerkannten und nicht reaktivierten Abschreibungen, 1/3 = Fr. 6767.--,
b) der Hälfte der Abschreibungen der Jahre 1959/60 und den vollen Abschreibungen des Jahres 1961, 1/3 = Fr. 56'222.--. Die Rekurskommission fand, dass die Abschreibungen der Jahre 1959-1961 in dieser Weise angerechnet werden müssten, weil sie sich sonst steuerlich überhaupt nicht oder nur zur Hälfte auswirken würden. Sie gelangte daher zum Schluss, dass eine Sondersteuer nach Art. 43 WStB nicht geschuldet sei (Entscheid vom 9. September 1966).
C.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die kantonale Wehrsteuerverwaltung, den Entscheid der Rekurskommission aufzuheben und X. der Sondersteuer nach folgender Berechnung zu unterwerfen:
Anteil am Gewinn aus der Auflösung der Warenreserve Fr. 45'892.--
Abzüglich Anteil an den früher steuerlich nicht anerkannten Abschreibungen " 6'767.--
Abzug nach Art. 25 Abs. 1 lit. a WStB " 1'500.--
Steuerpflichtiger Gewinn Fr. 37'625.--
abgerundet " 37'600.--
D.- Die kantonale Rekurskommission beantragt Abweisung, die eidgenössische Steuerverwaltung Gutheissung der Beschwerde.
X. hat sich binnen der ihm gesetzten Frist nicht vernehmen lassen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. X. ist Ende 1961 infolge der Umwandlung der Kommanditgesellschaft X. & Co. in die X. AG von der bisherigen selbständigen Tätigkeit als unbeschränkt haftender Teilhaber der Kommanditgesellschaft zu einer unselbständigenTätigkeit im Dienste der Aktiengesellschaft übergegangen. Da sich wegen dieses Berufswechsels die Grundlagen seiner Veranlagung während der Veranlagungsperiode 1961/62 dauernd verändert haben, war er nach Art. 96 WStB für den Rest dieser Periode für die von der Veränderung betroffenen Einkommensbestandteile
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einer Zwischenveranlagung zu unterwerfen. In einem solchen Falle hat der Gesellschafter gemäss Art. 43 (in Verbindung mit Art. 18 Abs. 2) WStB neben der Steuer vom übrigen Einkommen eine volle Jahressteuer von seinem Anteil an den von der Kommanditgesellschaft in der Berechnungs- und der Veranlagungsperiode erzielten Kapitalgewinnen und Wertvermehrungen im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. d und f zu entrichten.
2. Die Firma X. & Co. hat ihre Aktiven und Passiven Ende 1961 zu den Buchwerten auf die neue Aktiengesellschaft übertragen. Bei der Liquidation der Personengesellschaft ist daher kein Gewinn, welcher der Sondersteuer nach Art. 43 WStB zu unterwerfen wäre, erzielt worden. Dagegen unterliegt dieser Steuer der Gewinn, den die Kommanditgesellschaft im Jahre 1961 durch Auflösung einer stillen Reserve im Warenlager realisiert hat (KÄNZIG, Wehrsteuer, N. 101 zu Art. 21, N. 5 zu Art. 43 WStB). Die kantonalen Behörden und die eidgenössische Steuerverwaltung gehen davon aus, dass es sich um einen durch Abbau, d.h. Veräusserung von Warenvorräten erzielten Kapitalgewinn im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. d. WStB handle, während der Buchsachverständige der Rekurskommission annimmt, dass eine gebuchte Wertvermehrung im Sinne der lit. f daselbst vorliege. Wie es sich damit verhalte, kann offen gelassen werden; denn auf jeden Fall ist eine stille Reserve im Warenlager aufgelöst worden und damit ein Gewinn in Erscheinung getreten, der nach Art. 43 WStB von der Sondersteuer erfasst wird.
Nach der Berechnung des Buchsachverständigen der Rekurskommission, die nicht angefochten ist, beträgt die aufgelöste Reserve Fr. 137'676.--, wovon auf X. 1/3 = Fr. 45'892.-- entfällt. Von diesem Betrag ist 1/3 der früher nicht anerkannten und nicht reaktivierten Abschreibungen abzuziehen (BGE 82 I 115; Urteil vom 15. November 1963, ASA Bd. 33 S. 150); andernfalls würden diese Abschreibungen doppelt belastet, einmal durch die ordentliche Steuer und sodann durch die Sondersteuer. Für X. ist unter diesem Titel ein Betrag von Fr. 6767.-- anzurechnen, was nicht bestritten ist. Ferner ist der in Art. 25 Abs. 1 lit. a WStB vorgesehene Abzug zu gewähren. Nach Vornahme dieser Abzüge ergibt sich ein der Sondersteuer unterliegender Betrag von Fr. 37'600.--.
3. Die kantonale Rekurskommission zieht ferner den
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Anteil des Steuerpflichtigen an der Hälfte der Abschreibungen der Jahre 1959 und 1960 und an den vollen Abschreibungen des Jahres 1961 ab, mit der Begründung, dass sonst diese Abschreibungen sich "steuerlich nicht auswirken" würden. Diesem Standpunkt kann nicht zugestimmt werden.Die Abschreibungen der Jahre 1959 und 1960 waren massgebend für die Ermittlung der Buchwerte in den auf Ende dieser Jahre erstellten Abschlüssen, welche die Grundlage der ordentlichen Veranlagung für die 11. Periode bildeten. Steuerpflichtiger und Steuerbehörden sind an diese Buchungen gebunden, auch wenn nun die auf den Ergebnissen der Bemessungsperiode 1959/60 beruhende ordentliche Veranlagung nur für ein Jahr (1961) wirksam wird. Die Teilhaber der Gesellschaft müssen sich bei diesen Buchungen behaften lassen, so dass die Abschreibungen der Jahre 1959 und 1960 bei der Veranlagung zur Sondersteuer nicht, auch nicht teilweise, abgezogen werden können.
Bei dieser Veranlagung sind auch die im Jahre 1961 vorgenommenen Abschreibungen nicht zu berücksichtigen. Nach Abzug dieser Abschreibungen hat die Gesellschaft in der Gewinn- und Verlustrechnung 1961 einen Gewinn von Fr. 174'938.-- ausgewiesen. Nach Art. 43 WStB erfasst wird aber nur der Teil dieses Gewinnes, der durch Auflösung der stillen Reserve von Fr. 137'676.-- realisiert wurde. Wie zu entscheiden wäre, wenn die Gesellschaft vor der Liquidation nur einen Gewinn im Sinne des Art. 43 WStB gemacht, im ganzen aber das letzte Geschäftsjahr unter Berücksichtigung der zulässigen Abschreibungen mit Verlust abgeschlossen hätte, ist nicht zu prüfen (vgl. dazu Urteil vom 22. März 1957, ASA Bd. 26 S. 31).
Da die Abschreibungen der Jahre 1959-1961, welche die Rekurskommission zusätzlich anrechnet, nicht mit einer ordentlichen Steuer belastet worden sind, werden sie nicht doppelt erfasst, wenn sie bei der Berechnung der Sondersteuer nicht abgezogen werden. Darin unterscheiden sie sich von den früher von den Steuerbehörde nicht anerkannten Abschreibungen. Für sie trifft also der Grund nicht zu, aus dem jene früheren Abschreibungen bei der Veranlagung der Sondersteuer abzuziehen sind.
Übrigens ist zu beachten, dass die ersten nach dem Beginn der Steuerpflicht vorgenommenen Abschreibungen meistens
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mehr als nur einmal bei der Veranlagung berücksichtigt werden. Dies gilt z.B. im vorliegenden Fall auch für die neu gegründete X. AG. Würde der Auffassung der Rekurskommission gefolgt, so würden im ganzen zuviel Abschreibungen berücksichtigt. Es kann daher nicht gesagt werden, dass die gegenteilige Entscheidung zu einem unbilligen Ergebnis führe.Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und der steuerbare Gewinn auf Fr. 37'600.-- festgesetzt.