BGE 93 I 703 |
88. Auszug aus dem Urteil vom 20. September 1967 i.S. Erben Grossmann und Mitbeteiligte gegen Stadt Zürich und Regierungsrat des Kantons Zürich. |
Regeste |
Eigentumsgarantie |
Sachverhalt |
Der Käferberg und der Hönggerberg sind Teile des Höhenzuges, der nordöstlich des Limmattales verläuft. Zwischen dem Käferbergwald im Südosten und dem Hönggerbergwald im Nordwesten befindet sich eine ausgedehnte Hochfläche, die im Südwesten durch den Moränenzug des Kappenbühls begrenzt wird und dann steil gegen das Zentrum des Stadtquartiers Höngg abfällt. Die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH) verlegt einen Teil ihrer Forschungs- und Lehrstätten auf die Hochfläche des Hönggerberges. |
Der Gemeinderat der Stadt Zürich hat am 19. April 1961 eine Bauordnung für das Gebiet des Hönggerberges erlassen. Die darin enthaltene Zonenordnung sieht vor: eine Grünzone, eine Zone für die ETH, eine Wohnbauzone A und eine Wohnbauzone B. Der Regierungsrat des Kantons Zürich hat einen Rekurs gegen die Einweisung von Grundstücken der Erben des Edwin Grossmann, des Jakob Heusser und des Albert Müller in die Grünzone am 3. November 1966 abgewiesen. Er hat dazu unter anderm ausgeführt, das öffentliche Interesse an umfangreichen Freihaltezonen in den Randlagen der Stadt Zürich sei ausgewiesen. Das lokale Interesse an einer noch weitergehenden Freihaltung des Hönggerberges wäre vorhanden; es müsse aber bezüglich der ETH-Bauten gegenüber den höheren Landesinteressen zurücktreten. Wiewohl dem Regierungsrat eine umfassende Rechts- und Angemessenheitskontrolle zustehe, übe er bei der Überprüfung des Umfangs der einzelnen Zonen eine gewisse Zurückhaltung: Er beschränke sich auf die Behebung offensichtlicher Unverhältnismässigkeiten. Solche seien nicht dargetan.
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Die Erben Grossmann, Heusser und Müller haben gegen den Entscheid des Regierungsrates staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV und der Eigentumsgarantie erhoben. Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen.
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Aus den Erwägungen: |
a) Die Errichtung der Grünzone auf dem Hönggerberg bezweckt einerseits die Schaffung von Freiflächen. Bei der Prüfung der Frage, ob dieses Ziel im öffentlichen Interesse liege, ist zu beachten, dass das Pflanzenkleid einer Gegend einen wesentlichen Einfluss auf das Binnenklima ausübt, namentlich indem es den für die Gesundheit von Mensch und Tier notwendigen Austausch von Kohlensäure und Sauerstoff übernimmt. Die Grünzonen, in denen der Pflanzenbestand vor der Verdrängung durch die Überbauung bewahrt wird, tragen insofern zum Schutz der öffentlichen Gesundheit bei (ZBl 1964 S. 220). Der Gesundheit der Bevölkerung dienen die Grünzonen auch dadurch, dass sie deren Bedürfnis nach Erholung und Entspannung entsprechen. Der kantonale Gesetzgeber ist denn auch in § 68b lit. c BauG mit Fug davon ausgegangen, dass die Schaffung von Bauverbotszonen zur Erhaltung von Freiflächen in Wohngebieten grundsätzlich das öffentliche Interesse für sich hat. |
Nach dem heutigen Stand der Erkenntnisse sollte in städtischen Verhältnissen rund ein Viertel von Grund und Boden für Grünflächen (einschliesslich der Wälder) zur Gewährleistung der Gesundheit der Bevölkerung freigehalten werden (HOFSTETTER, Ortsplanung, ZBl 1959 S. 292; BLANC, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, S. 65). Die Beschwerdeführer machen nicht geltend, dass die Stadt Zürich bereits über genügend grosse Freihalteflächen verfüge, weshalb sich die Schaffung neuer Grünzonen erübrige; sie bestreiten vielmehr, dass es unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Volksgesundheit erforderlich sei, gerade ihre Grundstücke in die Grünzone einzuweisen.
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Die Verteilung der Freihalteflächen auf ein Siedlungsgebiet hängt weitgehend von den topographischen Gegebenheiten und dem Vorhandensein unüberbauter Gebiete ab. Es ist zudem auf die Nähe der Schwerpunkte der Besiedelung Rücksicht zu nehmen, da die Erholungsräume für die Bevölkerung leicht zugänglich sein sollen. Für die Wahl eines bestimmten Geländes kann ferner die Überlegung massgebend sein, dass die Freihaltung dieses Geländes nicht nur der öffentlichen Gesundheit diene, sondern auch andere öffentliche Interessen (wie die des Natur- und Heimatschutzes, der städtebaulichen Ästhetik, des Grundwasserschutzes usw.) fördere (vgl. ZBl 1964 S. 220.).
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Die Grünzone zwischen dem Käferbergwald und dem Hönggerbergwald verbindet diese bedeutenden Erholungsgebiete der Stadt Zürich. Während die Waldungen hauptsächlich von Spaziergängern besucht werden, eignet sich das verhältnismässig ebene Land "im Grund" zur Schaffung von Sportanlagen. Solche sind denn auch auf den Grundstücken der Beschwerdeführer vorgesehen. Auf diese Weise ergänzt die Grünzone die bestehenden Erholungsgebiete und rundet sie in topographischer Hinsicht ab. Die Nähe des volksreichen Quartiers Höngg und die guten Verkehrsverbindungen, welche die verlängerte Tièchestrasse schaffen wird, sichern der Grünzone von vorneherein den nötigen Zuspruch von Seiten der städtischen Bevölkerung. Unter dem Gesichtswinkel der Wahrung der Volksgesundheit treten somit beachtliche Gründe dafür ein, das Land "im Grund" und damit auch die Grundstücke der Beschwerdeführer in die Grünzone einzuweisen. |
b) Die Erhaltung eines Grüngürtels zwischen dem Käferbergwald und dem Hönggerbergwald bezweckt gleichzeitig eine Gliederung des Siedlungsgebietes. Der kantonale Gesetzgeber geht in § 68b lit. b BauG im Einklang mit der heute herrschenden Auffassung (vgl. ZBl 1964 S. 220; BLANC, a.a.O., S. 65) davon aus, dass auch diese Zielsetzung im öffentlichen Interesse liegt. Die Beschwerdeführer bestreiten das denn auch nicht dem Grundsatze nach, sondern wenden lediglich ein, die Einweisung ihrer Liegenschaften in die Grünzone werde nicht durch das erwähnte öffentliche Interesse gedeckt. Wenn sie geltend machen, die Hochfläche des Hönggerberges würde sich nur als Ganzes, das heisst unter Einschluss des ETH-Areals, als Grünzone eignen, so übersehen sie, dass der in Frage stehenden Grünzone nicht die Aufgabe zukommt, die Quartiere Höngg und Affoltern gegeneinander abzugrenzen, sondern dass sie bestimmt ist, das ETH-Gelände von den Wohnsiedlungen Hönggs abzuheben. Ebenso unbegründet ist der Einwand, wenn schon östlich der verlängerten Tièchestrasse gebaut werde, dann müsse das Bauen auch auf der Westseite gestattet sein. Die Erhaltung einer Grünzone westlich der neuen Strasse bezweckt gerade, ein städtebauliches Gegengewicht gegen die grossen Bauten auf dem ETH-Areal östlich der Strasse zu schaffen. Auch im Hinblick auf den im öffentlichen Interesse liegenden Zonenzweck der Gliederung des Siedlungsgebietes wird die Schaffung der Grünzone im Bereich der Grundstücke der Beschwerdeführer somit durch ernsthafte Gründe gestützt.
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c) Bei dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, ob ein öffentliches Interesse an der Freihaltung der Grundstücke der Beschwerdeführer auch unter dem Gesichtswinkel des Landschaftsschutzes vorliege.
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5. Damit eine Eigentumsbeschränkung das durch die Eigentumsgarantie geforderte öffentliche Interesse für sich hat, muss indessen nicht nur der damit angestrebte Zweck dem öffentlichen Nutzen dienen; im Sinne des Grundsatzes der Notwendigkeit und Verhältnismässigkeit muss der betreffende Eingriff vielmehr auch das richtige Mittel zur Erreichung dieses Zieles sein und darf nicht weiter gehen, als zu dessen Verwirklichung erforderlich ist. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit verlangt ferner, dass das verfolgte Ziel in einem vernünftigen Verhältnis zu den eingesetzten Mitteln, den zu seiner Verwirklichung notwendigen Freiheitsbeschränkungen stehe (BGE 91 I 335 Erw. 2 mit Verweisungen, BGE 93 I 250 Erw. 3; ZBl 1964 S. 161 Erw. 4, 5). |
a) Die Beschwerdeführer machen geltend, das öffentliche Interesse könnte auch durch eine weniger einschneidende Massnahme, wie namentlich durch die Einbeziehung des Landes in die Zone der Einfamilienhäuser (Wohnzone B) befriedigt werden; auch rügen sie, dass nur die Grundstücke privater Grundeigentümer belastet würden, nicht dagegen jene der Eidgenossenschaft und der Stadt. Diese Einwendungen halten einer Überprüfung nicht stand. Würden die Grundstücke der Beschwerdeführer mit Einfamilienhäusern überbaut, dann würde damit ein Übergang vom Wohnquartier Höngg zu den Bauten auf dem ETH-Areal geschaffen. Das städtebauliche Ziel einer Gliederung des Siedlungsgebietes wäre nicht gewahrt. Aus topographischen Gründen kann eine Trennung der beiden Quartiere im fraglichen Bereich nicht durch eine Freihaltung von Land der Stadt oder der Eidgenossenschaft bewerkstelligt werden; der Bund verfügt auf dem Hönggerberg ohnehin nicht über mehr Boden, als für seine Bauten notwendig ist. Würden die Grundstücke der Beschwerdeführer überbaut, so könnte das Land zudem der Bevölkerung nicht mehr in der einen oder andern Form zur Erholung und Entspannung zur Verfügung gestellt werden. Die Freihaltung dieser Grundstücke geht damit nicht über das hinaus, was erforderlich ist, um die angestrebten, im öffentlichen Interesse liegenden Ziele zu erreichen.
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b) Die Beschwerdeführer bringen nichts vor, was auf ein Missverhältnis zwischen den auf dem Spiele stehenden öffentlichen und privaten Interessen schliessen liesse. Der Hinweis darauf, dass in der Nähe der Hochschule Professorenwohnungen bereitgestellt werden sollten, ist unbehelflich. Soweit an der Schaffung von Unterkünften für den Lehrkörper der ETH überhaupt ein öffentliches Interesse besteht, ist es Sache des Bundes als Träger der Anstalt, hierfür vorzusorgen. Es wird nicht behauptet, dass der Bund den städtischen Behörden einen entsprechenden Antrag unterbreitet habe. Ist dem aber so, dann konnte sich die Stadt nicht veranlasst sehen, die von ihr verfolgten gesundheitspolizeilichen und städtebaulichen Ziele vor anderen öffentlichen Interessen zurücktreten zu lassen. Der Einwand, es sei unzulässig, einen Eingriffaufeinige wenige Grundeigentümer zu beschränken, geht fehl. Dem Wesen der Sache nach sind der Schaffung von Freihaltezonen verhältnismässig enge Grenzen gesetzt; es werden davon stets nur einzelne Grundeigentümer betroffen. Für das Opfer, das sie zugunsten der Allgemeinheit zu erbringen haben, müssen sie entschädigt werden. Die Rechtsprechung, worauf sich die Beschwerdeführer berufen, hat allein auf die Entschädigungsfrage Bezug. Die Stadt Zürich bestreitet indessen nicht, dass sie den Beschwerdeführern den ihnen aus den Eigentumsbeschränkungen erwachsenden Schaden zu ersetzen hat. |