94 I 8
Urteilskopf
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2. Auszug aus dem Urteil vom 14. Februar 1968 i.S. Esso Research and Engineering Company gegen Hafner AG und Mitbeteiligte sowie Zivilgerichtspräsident des Kantons Basel-Stadt.
Regeste
Patentrecht, vorsorgliche Massnahme, Willkür.
Ist der dem Antragsteller drohende Nachteil nicht leicht ersetzbar und sind die übrigen Voraussetzungen von Art. 77 Abs. 2 PatG erfüllt, so muss die vorsorgliche Massnahme verfügt werden, gleichgültig ob und wie schwer sie die Gegenpartei trifft (Erw. 5 und 8 c).
Darf im Hinblick auf eine von der Gegenpartei angebotene Sicherheit gemäss Art. 79 Abs. 2 PatG von der vorsorglichen Massnahme abgesehen oder im Sinne von Art. 77 Abs. 2 PatG angenommen werden, der Nachteil könne nicht nur durch eine solche Massnahme abgewendet werden? (Erw. 10).
A.- Die Esso Research and Engineering Company meldete am 4. Juli 1958 beim eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum
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ein Verfahren zur Fraktionierung von gasförmigem Material und eine Vorrichtung zur Durchführung dieses Verfahrens zur Patentierung an und erhielt am 31. März 1966 für diese Erfindung das Patent Nr. 409'875.Am 1. Februar 1967 ersuchte sie den Zivilgerichtspräsidenten von Basel-Stadt, den Firmen Hafner AG und Hafner & Co. sowie Ernst Misteli, Alfred Hafner und Wilhelm Vögtlin die Benützung der patentierten Erfindung vorsorglich und unter Strafandrohung zu verbieten. Sie berief sich auf Art. 77 PatG und in der Verhandlung vom 1. März 1967 ausserdem auf Art. 9 UWG.
Der Zivilgerichtspräsident wies das Gesuch am 14. März 1967 ab.
B.- Die Gesuchstellerin führte gegen dieses Urteil beim Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt Beschwerde, doch trat das Appellationsgericht mit Entscheid vom 13. April 1967 darauf nicht ein.
Die staatsrechtliche Beschwerde der Gesuchstellerin gegen den Entscheid des Appellationsgerichtes wurde am 22. November 1967 abgewiesen.
C.- Die Gesuchstellerin hat gegen das Urteil des Zivilgerichtspräsidenten rechtzeitig auch eine staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV eingereicht.
D.- Die Gesuchsgegner beantragen, die Beschwerde abzuweisen. Den gleichen Antrag stellt, unter Hinweis auf die Erwägungen des angefochtenen Entscheids und Verzicht auf zusätzliche Bemerkungen, der Zivilgerichtspräsident von Basel-Stadt.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt die Verfügung des Zivilgerichtspräsidenten vom 1. März 1967 auf.
Aus den Erwägungen:
5. Im Kommentar BLUM/PEDRAZZINI, Art. 77 Anm. 2 Abs. 2, wird die Auffassung vertreten, die beantragte Massnahme und das zu erreichende Resultat müssten in einem gewissen Verhältnis zueinander stehen, erstere dürfe nicht über letzteres weit hinausgehen. Auf diese Stelle beruft sich der Zivilgerichtspräsident, wobei er den letzten Halbsatz unterdrückt. Er folgert aus dem so verstümmelten Zitat, der Richter habe beim Entscheid über die vorsorgliche Massnahme die beidseitige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Er weist
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daher das Gesuch ab, weil glaubhaft sei, dass die beantragte vorsorgliche Massnahme der Hafner AG die Existenzgrundlage entzöge und damit auch für die anderen vier Gesuchsgegner schwerwiegende Folgen hätte, die es ihnen verunmöglichen könnten, sich auf den Hauptprozess einzulassen oder ihn zu Ende zu führen. Er sagt, die beantragte Massnahme stehe daher in keinem Verhältnis zu dem der Klägerin gegebenenfalls entstehenden Nachteil.Die Beschwerdeführerin scheint demgegenüber die Auffassung zu vertreten, das im öffentlichen Recht anerkannte Gebot der Verhältnismässigkeit polizeilicher Eingriffe dürfe auf Massnahmen des Zivilrichters in Patentsachen überhaupt nicht angewendet werden.
In diesem Punkte kann ihr nicht beigestimmt werden. Art. 77 PatG verpflichtet zwar den Richter zu vorsorglichen Massnahmen, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 erfüllt sind, stellt aber die Art der zu treffenden Massnahme in sein Ermessen. Der Richter handelt nicht willkürlich, sondern gegenteils richtig, wenn er in der Auswahl der Massnahme dem Zwecke Rechnung trägt, den Art. 77 PatG verfolgt. Er darf dem Gesuchsgegner nicht eine Beschränkung auferlegen, die zum vorläufigen Schutze des glaubhaft gemachten Rechtes des Gesuchstellers nicht nötig ist.
Nur in diesem Sinne besteht indessen ein Gebot der Verhältnismässigkeit, und auch nur in diesem Sinne verstehen es BLUM und PEDRAZZINI; sie sprechen vom zu erreichenden Resultat, also vom Zweck der Massnahme, nicht von den Folgen, die sie für den Betroffenen hat. Der Zivilgerichtspräsident hat das erwähnte Gebot nicht so gehandhabt. Er hat nicht abgewogen, ob zum vorläufigen Schutze des Unterlassungsanspruches der Beschwerdeführerin nötig sei, das beantragte Verbot auszusprechen, oder ob eine mildere Massnahme genüge. Er hat der Beschwerdeführerin den Schutz kurzerhand verweigert, weil er für glaubhaft hält, dass die Beschwerdegegner schwer benachteiligt würden, wenn sie die dem Patent der Beschwerdeführerin widersprechenden Handlungen nicht fortsetzen könnten. Diese Begründung hält vor Art. 4 BV nicht stand. Art. 77 Abs. 2 PatG bestimmt nicht, Massnahmen dürften keine getroffen werden, wenn der Gesuchsgegner durch sie schwer benachteiligt würde. Wenn die Patentverletzung glaubhaft ist und die in Art. 77 Abs. 2 genannten Voraussetzungen
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erfüllt sind, muss zum vorläufigen Schutze des Patentes eine Massnahme getroffen werden, gleichgültig ob und wie schwer sie den Gesuchsgegner benachteiligen könnte. Der möglichen Benachteiligung trägt das Gesetz dadurch Rechnung, dass Art. 79 Abs. 1 den Richter verpflichtet, den Gesuchsteller in der Regel zur Leistung angemessener Sicherheit zu verhalten.Die Beschwerdeführerin war zur Leistung von Sicherheit denn auch bereit. Der Zivilgerichtspräsident hat sich aber über das Angebot mit der Begründung hinweggesetzt, die hinterlegte Summe würde erst nach Beendigung des Hauptprozesses frei und die Stillegung des Betriebes der Hafner AG könne dadurch nicht ausgeglichen werden. Diese Überlegung verträgt sich mit Art. 77 PatG offensichtlich nicht. Da sich Art. 79 Abs. 1 PatG mit der Leistung einer Sicherheit begnügt, nicht die sofortige Auszahlung an den Gesuchsgegner verlangt, ist es willkürlich, die Frage der Sicherheitsleistung mit der Begründung zu übergehen, dem Gesuchsgegner nütze ein bloss hinterlegter, nicht sofort ausbezahlter Geldbetrag nichts. Wer eine patentierte Erfindung nachmacht, ohne beweisen oder mindestens glaubhaft machen zu können, dass das Patent nichtig sei, hat es nach dem Willen des Art. 77 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 1 PatG hinzunehmen, dass ihm der Richter die weitere Nachmachung vorläufig verbietet und für den dadurch möglicherweise entstehenden Schaden lediglich Sicherheit leisten lässt. Nichts hindert den Richter, die Sicherheit so hoch zu bestimmen, dass nach Erledigung des Hauptprozesses der volle Schaden des obsiegenden Gesuchsgegners, also gegebenenfalls auch der aus der Stillegung seines Betriebes entstandene Schaden ersetzt werden kann.
8. Die Beschwerdeführerin rügt, dass der Zivilgerichtspräsident die ihr aus den patentverletzenden Handlungen der Beschwerdegegner erwachsenden Nachteile nicht als "nicht leicht ersetzbar" gewürdigt hat.
a) und b) (Ausführungen darüber, dass als Nachteil nur der Ausfall von Gewinnen oder Lizenzvergütungen bis zur Einstellung des Vertriebs der von den Beschwerdegegnern hergestellten, patentverletzenden Geräte in Betracht fällt.)
c) Fragen kann sich also nur, ob diese Schadenersatzforderung nicht leicht einzutreiben sein werde. Die Beschwerdeführerin verneint die Eintreibbarkeit mit der Begründung, die Hafner AG und die Hafner & Co. seien kleine Firmen, die
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nicht Gewähr böten, dass sie diese Forderung nach dem Abschluss des Hauptprozesses tilgen könnten.Das angefochtene Urteil versucht diese Auffassung nicht zu widerlegen, sondern scheint die Befürchtung der Beschwerdeführerin gegenteils anzuerkennen. Es sagt nämlich nach der Wiedergabe des betreffenden Anbringens: "Mangels anderer näherer Angaben ist deshalb anzunehmen, dass der von der Klägerin zu befürchtende Nachteil in der Einbusse von Lizenzgebühren besteht, für deren Ersatz die Beklagte wegen mangelnder Zahlungsfähigkeit nicht mehr belangt werden könnte." Die Wendung "der von der Klägerin zu befürchtende Nachteil" deutet an, dass dieser Nachteil von der Beschwerdeführerin nicht nur befürchtet wird, sondern von ihr wirklich zu befürchten ist. Es kann denn auch nicht wohl anders sein, nachdem der Zivilgerichtspräsident selber davon ausgeht, ein vorsorgliches Verbot patentverletzender Handlungen wäre für die Beschwerdegegner existenzvernichtend, so dass sie nicht einmal mehr die Mittel hätten, sich auf den Hauptprozess einzulassen oder ihn zu Ende zu führen. Es ist nicht zu ersehen, weshalb das Unterliegen im Hauptprozess für die Beschwerdegegner nicht ebenfalls existenzvernichtend wäre, so dass ihnen die Mittel zur Tragung der finanziellen Folgen, d.h. insbesondere zur Entschädigung der Beschwerdeführerin, fehlen würden. Eine gegenteilige Auffassung des Zivilgerichtspräsidenten würde an einem derartigen Mangel an Logik leiden, dass sie als offenkundig widersprüchlich und damit als willkürlich bezeichnet werden müsste.
Sei dem wie ihm wolle, erklärt das angefochtene Urteil jedenfalls nicht, die Beschwerdegegner würden nach dem Unterliegen im Hauptprozess ohne weiteres in der Lage sein, der Beschwerdeführerin den voraussichtlichen Schaden zu ersetzen. Das Gesuch ist mit der Begründung abgewiesen worden: "Nun handelt es sich aber bei der Klägerin um ein weltweites Unternehmen. Eine allfällige durch die Tätigkeit der Beklagten verursachte Einbusse an Lizenzgebühren wird in ihrem Gesamtumsatz und -gewinn kaum spürbar in Erscheinung treten. Anderseits geht es bei den Beklagten doch um eine Existenzfrage. Der für die Klägerin zu erzielende Vorteil steht daher in keinem Verhältnis zu dem den Beklagten drohenden Nachteil." Der Zivilgerichtspräsident verweigert also der Beschwerdeführerin das Recht, weil der Ausfall, den ihr die Handlungen der Beschwerdegegner verursachten, angesichts
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des Vermögens und Einkommens der Beschwerdeführerin nicht so stark ins Gewicht falle wie die wirtschaftlichen Folgen, die eine vorsorgliche Verfügung für die Beschwerdegegner hätte. Diese Begründung geht an der Frage, ob der Nachteil, den die patentverletzenden Handlungen für die Beschwerdeführerin haben, leicht zu ersetzen sei, vollständig vorbei und ist daher willkürlich. Art. 77 Abs. 2 PatG erlaubt nicht, der Finanzstärke des Gesuchstellers Rechnung zu tragen, und die Finanzschwäche des Gesuchsgegners kann höchstens ein Grund sein, ihm die schädigenden Handlungen vorsorglich zu verbieten, keinenfalls aber ein Grund, das Begehren um Erlass eines Verbotes abzuweisen.
10. Der Zivilgerichtspräsident hat das Gesuch auch mit der Begründung abgewiesen, Art. 77 Abs. 2 PatG verlange, dass der dem Gesuchsteller drohende Nachteil nur durch eine vorsorgliche Massnahme abgewendet werden könne. Er wirft der Beschwerdeführerin vor, sie habe das Vergleichsangebot ihrer Gegner, bis zur Beendigung des Hauptprozesses für jeden verkauften Apparat einen Betrag in der Höhe einer angemessenen Lizenzvergütung zu hinterlegen, abgelehnt. Durch Annahme dieses Angebotes wäre die Gefahr, die entgangenen Lizenzvergütungen nach gewonnenem Prozess nicht hereinzubringen, behoben worden. Auf Grund des Angebotes der Gesuchsgegner hätten sicher auch noch weitere den Interessen der Beschwerdeführerin dienende Bedingungen vereinbart werden können. Durch Ablehnung des Angebotes habe die Beschwerdeführerin auf die Möglichkeit verzichtet, den Nachteil auf einem anderen Wege als durch eine vorsorgliche Massnahme abzuwenden.
Die Beschwerdeführerin sieht auch in diesen Erwägungen eine klare Verletzung des Patentgesetzes und damit einen Verstoss gegen Art. 4 BV.
Die vorsorgliche Massnahme setzt nach Art. 77 Abs. 2 PatG voraus, dass der dem Gesuchsteller drohende nicht leicht ersetzbare Nachteil nur durch sie abgewendet werden kann. BLUM/PEDRAZZINI, Art. 77 Anm. 4 lit. d, halten diese Voraussetzung schon dann für erfüllt, wenn dem Gesuchsteller zur Wahrung seiner Interessen kein anderes Mittel rechtlicher Natur zur Verfügung steht. Sie sagen, eine vorsorgliche Massnahme zum Zwecke der Beweissicherung könne z.B. nicht deswegen verweigert werden, weil der Gesuchsteller den patentverletzenden Gegenstand kaufen könnte.
Im Abschluss eines Vergleiches mit dem Patentverletzer kann man kaum im Sinne der Auffassung BLUM/PEDRAZZINI ein Mittel rechtlicher Natur zur Abwendung des Nachteils sehen. Der Vergleich ist wie der Ankauf eines patentverletzenden Gegenstandes ein Rechtsgeschäft, zu dessen Abschluss der Verletzte nicht verpflichtet ist. Der Abschluss eines angemessenen Vergleiches ist ihm übrigens nur möglich, wenn ihm das Druckmittel der vorsorglichen Massnahme zur Verfügung steht; schlösse ein "Vergleichsangebot" des Gegners den Erlass einer vorsorglichen Massnahme von vornherein aus, so wäre der Verletzte dem Wohlwollen des Gegners ausgeliefert. Es erübrigt sich indessen, zur erwähnten Auffassung von BLUM/PEDRAZZINI abschliessend Stellung zu nehmen; denn es ist offensichtlich, dass jedenfalls die Ablehnung des vorliegenden "Vergleichsangebotes" den Richter nicht berechtigte, die vorsorgliche Massnahme zu verweigern. Das Gesetz trägt nämlich der Möglichkeit, die den Beschwerdegegnern mit ihrem "Vergleichsangebot" vorschwebte, ausdrücklich Rechnung. Es bestimmt in Art. 79 Abs. 2 PatG: "Leistet die Gegenpartei zugunsten des Antragstellers eine angemessene Sicherheit, so kann von einer vorsorglichen Massnahme abgesehen oder eine verfügte Massnahme ganz oder teilweise aufgehoben werden." Damit ist deutlich gesagt, dass die Sicherheit nicht nur angeboten, sondern tatsächlich geleistet werden muss, damit der Richter von der vorsorglichen Massnahme absehen kann. Der Zivilgerichtspräsident hätte es in der Hand gehabt, die von den Beschwerdegegnern angebotene Sicherheit, wenn sie angemessen war, gegen den Willen der Beschwerdeführerin leisten zu lassen und hierauf die vorsorgliche Massnahme abzulehnen oder wieder aufzuheben. Dagegen durfte er nicht die angebotene Sicherheit nicht annehmen, aber die vorsorgliche Massnahme dennoch unter Hinweis auf dieses Angebot verweigern. Dieses Vorgehen läuft auf eine Massregelung der Beschwerdeführerin hinaus, weil sie über das Angebot, so wie es lautete, nicht Vergleichsverhandlungen führen wollte, sei es, dass sie es für unangemessen niedrig hielt, sei es, dass sie befürchtete, ihre Lizenznehmer könnten ihr begründeterweise Vorwürfe machen und Schadenersatzansprüche stellen. Das Vorgehen des Zivilgerichtspräsidenten ist willkürlich, weil es gegen den klaren Sinn des Art. 79 Abs. 2 PatG verstösst.
Referenzen
Artikel: Art. 77 Abs. 2 PatG, Art. 77 PatG, Art. 79 Abs. 2 PatG, Art. 4 BV mehr...