BGE 94 I 127
 
20. Urteil vom 21. Februar 1968 i.S. Keller gegen Einwohnergemeinde Münchenstein und Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft.
 
Regeste
Eigentumsgarantie. Art. 88 und 90 OG.
Legitimation des Bürgers, vorfrageweise eine Verletzung der Gemeindeautonomie geltend zu machen (Erw. 3).
Zulässigkeit neuer rechtlicher Vorbringen? (Erw. 5).
2. Eigentumsgarantie.
a) Gesetzliche Grundlage für die Einteilung eines Grundstücks in eine Zone für öffentliche Werke und Anlagen im Kt. BaselLandschaft (Erw. 6).
b) Öffentliches Interesse.
Das Bundesgericht prüft grundsätzlich frei, ob das öffentliche Interesse einen Eingriff in das Privateigentum rechtfertigt und schwerer wiegt als das Interesse des betroffenen Grundeigentümers(Änderung der Rechtsprechung); dabei übt es aber Zurückhaltung, soweit örtliche Verhältnisse zu würdigen sind oder sich ausgesprochene Ermessensfragen stellen (Erw. 7 a).
Abwägung des in einem zukünftigen, unsichern Bedürfnis nach Inanspruchnahme eines Grundstücks für die Erweiterung einer öffentlichen Anstalt bestehenden öffentlichen Interesses mit dem entgegenstehenden privaten Interesse (Erw. 7 b).
 
Sachverhalt


BGE 94 I 127 (128):

A.- Die Kantone Basel-Stadt und -Landschaft sind übereingekommen,

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gemeinsam eine Prüfstation für Motorfahrzeuge zu errichten. Als Standort dafür nahmen sie, nach Prüfung verschiedener in der Umgebung der Stadt Basel gelegener Grundstücke, die Parzelle Nr. 2288 in der Gemeinde Münchenstein in Aussicht. Dieses über 2 ha haltende Grundstück grenzt mit einer Längsseite an die in nordsüdlicher Richtung verlaufende Reinacherstrasse und gehörte gemäss Zonenplan zu einer Zone, in der lediglich Wohnbauten und nicht störende Gewerbebetriebe zulässig waren. Gegen das Baugesuch erhoben mehrere Eigentümer benachbarter Grundstücke sowie der Gemeinderat von Münchenstein Einsprache. Sie wurde von der Baudirektion, vom Regierungsrat und vom Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft abgewiesen. Hiegegen führten die Einwohnergemeinde Münchenstein und zwei Grundeigentümer getrennt staatsrechtliche Beschwerde. Das Bundesgericht wies die Beschwerde der Gemeinde mit Urteil vom 3. Februar 1965 und diejenige der beiden Grundeigentümer mit Urteil vom 26. Mai 1965 (BGE 91 I 409 ff.) ab, soweit es darauf eintrat. Die Ausführung des Projekts ist bis heute noch nicht in Angriff genommen worden.
B.- Am 24. März/5. April 1966 beschloss die Einwohnergemeindeversammlung von Münchenstein, den bisherigen Zonenplan und das Zonenreglement aufzuheben und neue Zonenvorschriften, bestehend aus Zonenplan, Legende, Ergänzungsbestimmungen und kantonalen Zonenreglements-Normalien, zu erlassen. Im Zonenplan wurde die für die Motorfahrzeugprüfstation vorgesehene Parzelle Nr. 2288 samt der nördlich angrenzenden Parzelle Nr. 2290 und einem Teil der südlich angrenzenden Parzelle Nr. 2287 der "Zone für öffentliche Werke und Anlagen" zugewiesen. Diese beiden Grundstücke wurden auf Wunsch des Regierungsrates in die Zone einbezogen als Reserve für eine allfällige spätere Erweiterung der geplanten Motorfahrzeugprüfstation. Die Parzelle Nr. 2290 hat eine Fläche von 36 a, lag nach dem alten Zonenplan in der Industrie- und Gewerbezone und ist Eigentum der Geschwister Keller, die in Basel unter der Firma Keller AG ein Autotaxiunternehmen sowie ein Möbeltransport- und Möbellagerhausgeschäft betreiben. Das Transport- und Lagerhausgeschäft befindet sich etwa 950 m von der Parzelle Nr. 2290 entfernt auf dem Gebiet der Stadt Basel.
Nachdem die Zonenvorschriften vom 1. Juli 1966 an öffentlich

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aufgelegt worden waren, erhoben zahlreiche Grundeigentümer Einsprache, darunter auch die Eigentümer der Parzelle Nr. 2290 mit dem Antrag, diese Parzelle nicht in die "Zone für öffentliche Werke und Anlagen" einzuteilen, sondern so einzuzonen und mit Baulinien zu versehen, dass sie ihrem bisherigen Zweck entsprechend verwendet werden könne. Zur Begründung machten sie im wesentlichen geltend, die Parzelle Nr. 2290 sei für die Motorfahrzeugprüfstation keineswegs, für die Firma Keller AG dagegen dringend nötig. Sie diene dieser als Parkplatz für ihre Fahrzeuge und Containers und bilde zudem eine lebenswichtige Landreserve.
Der Gemeinderat, der die Einsprache vorläufig zu prüfen hatte, fragte die Polizeidirektion des Kantons Basel-Landschaft sowie das Polizeidepartement des Kantons Basel-Stadt an, ob die Parzelle Nr. 2290 tatsächlich für eine eventuelle spätere Erweiterung der Motorfahrzeugprüfstation benötigt werde.
Das Polizeidepartement des Kantons Basel-Stadt gab dem Gemeinderat mit Schreiben vom 7. Oktober 1966 bekannt, dass die (aus Vertretern beider Kantone zusammengesetzte) Fachkommission für die Motorfahrzeugprüfstation die Frage geprüft und sich dazu wie folgt geäussert habe:
"Die Fachkommission ist von Anfang an von der Auffassung ausgegangen, dass das Projekt für die Prüfstation als geschlossenes Bauvolumen zu konzipieren ist, ohne räumliche Erweiterungsreserven. Eine Leistungsreserve ist in den Rationalisierungsmöglichkeiten des Betriebes gegeben, durch welche eine Mehrkapazität erreicht werden kann.
Wenn die Zahl der Motorfahrzeuge noch weiter ansteigen sollte, so soll, entsprechend den Erfahrungen im Ausland, an einer andern Örtlichkeit eine zweite Anlage erstellt werden.
Die Nachbarparzellen 2287 und 2290 werden somit als Erweiterungsreserve für die Motorfahrzeugprüfstation nicht benötigt."
Die Polizeidirektion des Kantons Basel-Landschaft liess den Gemeinderat am 13. Oktober 1966 wissen, dass die Frage so wichtig sei, dass sie dem Regierungsrat zum Entscheid unterbreitet werde.
Darauf leitete der Gemeinderat am 25. Oktober 1966 die Einsprache der Eigentümer der Parzelle Nr. 2290 an den Regierungsrat weiter.
Dieser wies durch Beschlüsse vom 21. März 1967 sämtliche Einsprachen gegen die neuen Zonenvorschriften ab und

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genehmigte diese. Die die Parzelle Nr. 2290 betreffenden Erwägungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Im heutigen Zeitpunkt sei noch kein abschliessendes Urteil darüber möglich, ob eine spätere Erweiterung der Prüfstation zweckmässig und notwendig sein werde. Solange dies aber nicht endgültig abgeklärt sei, sei eine Freigabe der fraglichen Parzellen unverantwortlich.
C.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde beantragen die Geschwister Keller, den Beschluss des Regierungsrates vom 21. März 1967 insoweit aufzuheben, als er die Parzelle Nr. 2290 betreffe. Sie machen Verletzung des Art. 4 BV, der Eigentumsgarantie und der Gemeindeautonomie geltend und erheben im wesentlichen folgende Rügen:
a) Die Zuweisung der Parzelle Nr. 2290 in eine Zone für öffentliche Werke und Anlagen sei unzulässig, weil es an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage für eine solche Zone fehle.
b) Da die Notwendigkeit einer Erweiterung der (erst geplanten) Motorfahrzeugprüfstation höchst unsicher sei, fehle ein öffentliches Interesse an der Einbeziehung der Parzelle Nr. 2290 in die Zone für öffentliche Werke und Anlagen. Anderseits sei es für die Beschwerdeführer von eminenter wirtschaftlicher Bedeutung, die Parzelle für den Geschäftsbetrieb der Firma Keller AG zu behalten. Der angefochtene Entscheid beruhe nicht auf einer vertretbaren Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen.
c) Der angefochtene Entscheid verletze auch die Gemeindeautonomie.
D.- Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft beantragt Abweisung der Beschwerde.
Die Gemeinde Münchenstein hat sich zur Beschwerde nicht vernehmen lassen.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1./2. - (Prozessuales).
3. Die Beschwerdeführer werfen dem Regierungsrat eine Verletzung der Gemeindeautonomie vor. Zu dieser Rüge sind sie befugt, da der einzelne Bürger legitimiert ist, eine Verletzung der Gemeindeautonomie vorfrageweise geltend zu machen, wenn er wegen Verletzung anderer verfassungsmässiger Rechte Beschwerde führt (BGE 91 I 412 Erw. 2). Dagegen ist die Rüge

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unbegründet. Die Beschlüsse des Regierungsrates, mit denen er die von der Gemeindeversammlung erlassenen Zonenvorschriften genehmigt und die gegen diese Vorschriften erhobenen Einsprachen abgewiesen hat, verletzen die Gemeindeautonomie auch dann nicht, wenn die mit der staatsrechtlichen Beschwerde angefochtene Einzonung auf Wunsch des Regierungsrates erfolgte und der Gemeinderat im Verfahren vor dem Regierungsrat die Gutheissung der Einsprachen der Beschwerdeführer befürwortete.
4. In der Zone für öffentliche Werke und Anlagen dürfen, wie die von der Gemeinde als Bestandteile der Zonenvorschriften mitbeschlossenen kantonalen Normalien (Normalblatt Nr. ZR 3/63) ausdrücklich bestimmen, nur öffentliche Werke und Anlagen erstellt werden, ist also jede private Bautätigkeit verboten. Hierin liegt eine öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung. Eine solche ist mit der durch ungeschriebenes Verfassungsrecht des Bundes gewährleisteten Eigentumsgarantie nur vereinbar, wenn sie auf gesetzlicher Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt und, sofern sie in der Wirkung einer Enteignung gleichkommt, gegen volle Entschädigung erfolgt (BGE 93 I 340 mit Verweisungen). Im vorliegenden Falle sind lediglich die gesetzliche Grundlage und das öffentliche Interesse streitig. Die Entschädigungsfrage wird mit der vorliegenden Beschwerde nicht aufgeworfen.
5. Der Einwand, es fehle die gesetzliche Grundlage für die Schaffung einer Zone für öffentliche Werke und Anlagen, wird erstmals in der staatsrechtlichen Beschwerde erhoben. Doch sind neue rechtliche Vorbringen bei Beschwerden, welche die Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges voraussetzen, jedenfalls dann grundsätzlich zulässig, wenn die letzte kantonale Instanz freie Kognition besass und das Recht von Amtes wegen anzuwenden hatte; eine Ausnahme gilt nur für Beschwerden wegen Willkür und solche, bei denen die Rüge, eine andere Verfassungsbestimmung sei verletzt, mit derjenigen der Willkür zusammenfällt (BGE 73 I 51Erw. 2, BGE 90 I 148 /9). Im vorliegenden Falle sind jene Voraussetzungen erfüllt und liegt diese Ausnahme nicht vor. Die von den Beschwerdeführern erhobene Rüge der Verletzung der Eigentumsgarantie ist, wie sich aus den nachstehenden Erwägungen ergibt, vom Bundesgericht frei zu prüfen, fällt also nicht mit der Willkürrüge zusammen. Sodann überprüft der Regierungsrat, wie er im Eingang des angefochtenen

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Entscheids ausdrücklich festhält, die Zonenvorschriften der Gemeinden und die dagegen erhobenen Einsprachen frei; dabei hat er, nach der im Verwaltungsverfahren allgemein geltenden Offizialmaxime, das Recht von Amtes wegen anzuwenden.
6. Die Frage, ob die von der kantonalen Behörde angerufene gesetzliche Grundlage genüge, kann das Bundesgericht dann, wenn der Eingriff in das Eigentum besonders schwer ist, frei, andernfalls nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür prüfen (BGE 91 I 332 Erw. 1, BGE 93 I 341 Erw. 5). Auf der Parzelle Nr. 2290 befindet sich, nach dem Plane zu schliessen, ein Gebäude mit einer Grundfläche von etwa 3 a; die übrigen 33 a sind, wie sich aus der Lage der Parzelle und aus ihrer bisherigen Einteilung in eine Industrie- und Gewerbezone ergibt, baureifes Land. Die Zuweisung solchen Landes in eine Zone, in der jede private Bautätigkeit verboten ist, stellt einen besonders schweren Eingriff in das Privateigentum dar (vgl. BGE 91 I 125, BGE 92 I 284, BGE 93 I 250 Erw. 2). Es ist somit frei zu prüfen, ob das Baurecht des Kantons Basel-Landschaft die Schaffung einer Zone für öffentliche Werke und Anlagen gestatte.
Das Bundesgericht hat diese Frage bereits im Urteil vom 17. Oktober 1962 i.S. Brodtbeck AG c. Stadtgemeinde Liestal bejaht. Dort ging es um einen Zonenplan, durch den ein Grundstück in eine solche Zone einbezogen wurde, um es für die geplante Kantonsschule zu reservieren. Das Bundesgericht nahm an, es sei zum mindesten zweifelhaft, ob § 59 Abs. 3 des Baugesetzes (BauG), der den Inhalt des Zonenplans umschreibt, eine genügende Grundlage für die Schaffung einer Zone für öffentliche Werke und Anlagen abgebe. Doch erkläre der Regierungsrat, nach seiner ständigen Praxis könne der Zonenplan auch Elemente eines Bebauungsplans enthalten, und nach den für diesen geltenden Bestimmungen in § 59 Abs. 1 und § 70 BauG sei es zulässig, im Bebauungsplan Boden für solche Zwecke zu reservieren. Dieser Auffassung pflichtete das Bundesgericht bei, da nach § 70 BauG im Bebauungsplan Grundflächen allgemein für "öffentliche Werke" ausgeschieden werden können und darunter nicht nur "öffentliche Anlagen" im engern Sinne, sondern auch Bauten wie Schulhäuser und dergleichen angesehen werden können. Von dieser Rechtsprechung abzuweichen, besteht umso weniger Anlass, als die vorliegende Beschwerde, wie sich aus den nachstehenden

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Erwägungen ergibt, schon aus einem andern Grunde gutzuheissen ist.
a) Da der Regierungsrat in der Beschwerdeantwort den Standpunkt einnimmt, das Bundesgericht habe im vorliegenden Falle nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür zu prüfen, ob das öffentliche Interesse genüge, ist zunächst der Umfang der Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts zu bestimmen.
Das Bundesgericht hat in langjähriger Rechtsprechung angenommen, der Begriff des öffentlichen Interesses sei so unbestimmt und schwanke so sehr nach Ort und Zeit, dass der kantonalen Behörde ein weites Ermessen gelassen werden müsse; das Bundesgericht schreite nur ein, wenn es klar sei, dass von einem öffentlichen Interesse nicht die Rede sein könne, es prüfe die Auffassung der kantonalen Behörde nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür (BGE 57 I 385Erw. 1 und dort angeführte frühere Urteile; BGE 84 I 173). Diese Beschränkung der Überprüfungsbefugnis ist in der Rechtslehre immer wieder kritisiert worden (H. HUBER, Die Garantie der individuellen Verfassungsrechte, ZSR 1936 S. 88 a; M. IMBODEN, Der Schutz der Eigentumsgarantie, Festschrift für Fritzsche 1952, S. 50/51; F. GYGI, Über die Eigentumsgarantie, MBVR 55/1957 S. 262/3; H. HUBER, Öffentlichrechtliche Gewährleistung, Beschränkung und Inanspruchnahme des Eigentums, im Sammelwerk "Staat und Privateigentum" 1960 S. 100/101). Das Bundesgericht hat dieser Kritik, ohne darauf Bezug zu nehmen, insofern Rechnung getragen, als es seit 1962 die Frage des öffentlichen Interesses frei überprüfte, wenn es im wesentlichen um eine Rechtsfrage ging, dagegen nur auf Willkür, wenn die tatsächlichen Verhältnisse im Vordergrund standen (BGE 88 I 252, 294; BGE 89 I 196, 461; BGE 90 I 357 /8, BGE 91 I 335). Dass die Unterscheidung von Rechts- und Tatfrage als Kriterium für den Umfang der Überprüfungsbefugnis nicht recht zu befriedigen vermag, zeigt BGE 88 I 294, wo inbezug auf das Bedürfnis nach einem im Quartierplan einer

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Stadtgemeinde vorgesehenen grossen öffentlichen Platz ausgeführt wurde, die Beurteilung der künftigen Entwicklung der Verhältnisse sei mehr eine Rechts- als eine Tatfrage, denn es ist nicht einzusehen und wird dort auch nicht begründet, weshalb es sich so verhalten soll. Es rechtfertigt sich daher, den Umfang der Kognition hinsichtlich des öffentlichen Interesses neu zu überprüfen.
Das Bundesgericht ist bei der Auslegung und Anwendung von Verfassungsrecht, das dem Bürger ein Individualrecht gewährleistet, grundsätzlich frei. Das gilt für das Verfassungsrecht der Kantone (BGE 90 I 239 Erw. 3) und muss erst recht für das des Bundes gelten, dem die Eigentumsgarantie angehört. Inwieweit das Bundesgericht bei Beschwerden wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte an tatsächliche Feststellungen der kantonalen Behörden gebunden ist (wozu vgl. BGE 88 I 22 Erw. 5 und dort angeführte frühere Urteile), braucht hier nicht geprüft zu werden. Beim Entscheid darüber, ob ein aus dem Gesichtspunkt der Eigentumsgarantie hinreichendes öffentliches Interesse vorliege, geht es zunächst nicht um tatsächliche Feststellungen; der Begriff des öffentlichen Interesses ist nach der neuern Rechtslehre (F. GYGI und H. HUBER a.a.O. und dort zit. Autoren) ein sogenannter unbestimmter Rechtsbegriff (vgl. BGE 91 I 75). Ob ein öffentliches Interesse den streitigen Eingriff in das Eigentum (Enteignung oder Eigentumsbeschränkung) rechtfertige, ist daher eine Rechtsfrage, die vom Bundesgericht grundsätzlich frei zu prüfen ist. Keiner Beschränkung unterliegt insbesondere die Prüfung der Frage, ob das geltend gemachte Interesse seiner Art und seinem Gewicht nach den streitigen Eingriff rechtfertige (vgl. BGE 88 I 252 Erw. 2), wie auch die Frage, ob dieses Interesse schwerer wiege als das entgegenstehende private Interesse. Soweit dagegen örtliche Verhältnisse, denen die kantonalen Behörden näher stehen, zu würdigen sind oder sich ausgesprochene Ermessensfragen stellen, wäre eine völlig freie Überprüfung mit der Aufgabe des Staatsgerichtshofs nicht zu vereinbaren. So wird das Bundesgericht die ihm schon wiederholt unterbreitete Frage, ob eine durch überbautes Gebiet führende Strasse im Hinblick auf die Sicherheit der Fussgänger beidseitig oder nur einseitig und gegebenenfalls auf welcher Seite mit einem Trottoir zu versehen sei (nicht veröffentlichte Urteile vom 10. Juli 1963 i.S. Bühlmann c. Gemeinde St. Margrethen und vom 9. März 1966 i.S. Haene

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c. Gemeinde Frauenfeld), nach wie vor mit grosser Zurückhaltung prüfen, und das gleiche gilt für die Frage, ob der Betrieb einer Tankstelle oder eines Warenautomaten auf einem privaten Grundstück den Strassenverkehr erheblich beeinträchtigen würde (BGE 83 I 149 /50; vgl. BGE 90 I 6). Das Bundesgericht kann auch nicht sein Ermessen an die Stelle desjenigen der Gemeinde- oder Kantonsbehörde setzen, wenn es sich fragt, welcher Standort eines öffentlichen Gebäudes (Schulhaus usw.), welche Linienführung einer Strasse (BGE 90 I 333 /4), welche Grenzziehung zwischen Baugebiet und Landwirtschaftszone einer Gemeinde (BGE 89 I 198 Erw. 3) oder - innerhalb des Baugebiets - zwischen den Zonen mit verschiedener Bauweise, Bauhöhe und Ausnützungsziffer dem öffentlichen Interesse am besten entspreche, wie breit eine der Trennung von Baugebieten dienende Freihaltezone im öffentlichen Interesse sein müsse (BGE 93 I 251). Wo dagegen ein oder mehrere Grundstücke enteignet oder, wie hier, mit einem Bauverbot belegt werden, hat das Bundesgericht frei zu prüfen, ob das geltend gemachte öffentliche Interesse den Eingriff rechtfertige und schwerer wiege als das private Interesse der Betroffenen.
b) An der Errichtung der Prüfstation für Motorfahrzeuge auf der Parzelle Nr. 2288 besteht, wie sich aus BGE 91 I 425 Erw. 3 ergibt und unbestritten ist, ein öffentliches Interesse. Das nördlich angrenzende Grundstück Nr. 2290 der Beschwerdeführer wurde in die Zone für öffentliche Werke und Anlagen einbezogen, um Land für eine allfällige spätere Erweiterung der Prüfstation sicherzustellen.
Das öffentliche Interesse an der Belegung eines privaten Grundstücks mit einem Bauverbot kann auch in einem zukünftigen Bedürfnis des Gemeinwesens bestehen, doch muss es sich dabei um ein Bedürfnis handeln, das vom Gemeinwesen genau anzugeben und dessen Eintritt mit einiger Sicherheit zu erwarten ist (vgl. BGE 88 I 295 /6). Nun ist die Prüfstation auf der Parzelle Nr. 2288 noch nicht erstellt, sondern erst geplant. Es ist anzunehmen, dass sie so ausgestaltet und eingerichtet wird, dass sie für eine gewisse Zeit ihre Aufgabe erfüllen kann. Angesichts der noch immer zunehmenden Zahl der Motorfahrzeuge ist es freilich sehr wohl möglich, dass sie nach einiger Zeit sich als zu klein erweist oder aus andern Gründen nicht mehr genügt. Für eine dann in Frage kommende Erweiterung sieht der Regierungsrat auch das Grundstück der Beschwerdeführer vor.


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Irgendwelche nähere Angaben über diese Erweiterung hat er jedoch nicht gemacht. Er hat nicht einmal die Pläne des gegenwärtigen Projekts, für welches das Baugesuch 1963 oder 1964 gestellt wurde, vorgelegt, so dass nicht ersichtlich ist, ob die ganze Parzelle Nr. 2288 oder nur ein Teil davon für die Prüfstation beansprucht wird. Er sagt auch mit keinem Wort, welche Art der Erweiterung in Frage kommen und wie viel Land dafür erforderlich sein könnte, noch ob das Grundstück der Beschwerdeführer sich dazu eignen und genügen würde. Schon deshalb erscheint das angebliche Bedürfnis nach dem Land der Beschwerdeführer als reichlich unbestimmt und entfernt. Dazu kommt, dass eine besondere Fachkommission für den Bau der Prüfstation besteht, deren Mitglieder von den Regierungsräten der beiden Kantone Basel-Stadt und -Landschaft paritätisch ernannt worden sind und die offenbar über besondere Fachkenntnis verfügen. Diese Fachkommission aber hat auf Anfrage des Gemeinderates von Münchenstein erklärt, dass das Projekt für die Prüfstation auf Parzelle Nr. 2288 als geschlossenes Bauvolumen ohne räumliche Erweiterungsreserven konzipiert sei, dass die Nachbarparzellen Nr. 2287 und 2290 somit nicht als solche Reserve benötigt würden und dass bei einem weiteren Ansteigen der Zahl der Motorfahrzeuge an einem andern Ort eine zweite Anlage erstellt werden solle. Der Regierungsrat hat diese Ausführungen weder im angefochtenen Entscheid noch in der Beschwerdeantwort zu widerlegen versucht, sondern sich im wesentlichen mit dem Hinweis auf die Schwierigkeit, einen Standort für eine zweite Prüfstation zu finden, begnügt. Angesichts des klaren Berichts der Fachkommission und der unbestimmten Ausführungen des Regierungsrates ist es wenig wahrscheinlich, dass es in absehbarer Zeit zu der vom Regierungsrat ins Auge gefassten Erweiterung der Prüfstation kommt, und erscheint daher das öffentliche Interesse daran, die Parzelle Nr. 2290 im Hinblick auf diese Erweiterung mit einem Bauverbot zu belegen, als gering.
Demgegenüber ist es durchaus glaubhaft, dass die Beschwerdeführer ein sehr grosses Interesse daran haben, ihr Grundstück für ihr in der Nähe betriebenes Transport- und Lagergeschäft zu benutzen und, wegen der Bodenknappheit in diesem Gebiet, als Landreserve zu behalten. Der Regierungsrat hat denn auch ihre Ausführungen über ihre Interessen nicht bestritten. Er scheint anzunehmen, ein öffentliches Interesse verdiene in jedem

BGE 94 I 127 (138):

Falle den Vorrang vor einem privaten. Das ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr sind nach der neueren Rechtsprechung die öffentlichen und privaten Interessen gegeneinander abzuwägen (BGE 91 I 335 Erw. 2 und seitherige Rechtsprechung, zuletzt BGE 94 I 59 Erw. 3). Diese Abwägung fällt im vorliegenden Falle eindeutig zugunsten der Beschwerdeführer aus, da ihr Interesse daran, das Land zu behalten, sehr gewichtig ist, während das als öffentliches Interesse geltend gemachte Bedürfnis des Kantons, es für die Erweiterung der Motorprüfstation zu verwenden, nach dem Gesagten als sehr entfernt erscheint. Die Beschwerde ist daher gutzuheissen und der angefochtene Entscheid wegen Verletzung der Eigentumsgarantie aufzuheben.
Sollte die Fachkommission ihre bestimmt geäusserte Auffassung über die Gestaltung der Prüfstation vor dem Beginn des Baus oder während desselben ändern und eine allfällige Erweiterung auf dem Land der Beschwerdeführer als geboten erachten, so haben die Behörden noch immer die Möglichkeit, das Grundstück der Beschwerdeführer zu enteignen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird dahin gutgeheissen, dass der Beschluss des Regierungsrates des Kantons Basel-Landschaft vom 21. März 1967 insoweit, als er die Einsprache der heutigen Beschwerdeführer abweist, aufgehoben wird.