94 I 336
Urteilskopf
94 I 336
47. Urteil vom 3. Juli 1968 i.S. Immobiliengesellschaft Hervaba und Favero gegen Gemeinde Elgg und Regierungsrat des Kantons Zürich.
Regeste
Abänderung eines Zonenplans.
Zur Frage der Rechtsnatur der baulichen Planungsmassnahmen. Die Festlegung der baulichen Ausnützung eines einzelnen Grundstücks und die Genehmigung des hierauf vom Grundeigentümer ausgearbeiteten Überbauungsplans sind Einzelverfügungen. Für deren Abänderung zum Nachteil des Grundeigentümers gelten daher die Grundsätze für die Abänderung nicht von allgemein verbindlichen Erlassen, sondern von Verwaltungsakten (Erw. 3).
Anwendung dieser Grundsätze. Wann gehen die Anforderungen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes dem öffentlichen Interesse an der Abänderung der Ordnung vor? (Erw. 4).
Aus dem Tatbestand:
A.- Die Gemeinde Elgg (ZH) besitzt eine Bauordnung (BO) vom 28. November 1961. Durch den zugehörigen Bauzonenplan wird das Baugebiet in 7 Bauzonen mit verschiedener baulicher Ausnützung eingeteilt. Das nördlich der Bahnlinie befindliche Gebiet wurde, bis auf einen schmalen Streifen, der Wohnzone W 2 1/3 zugeteilt. In dieser dürfen Wohngebäude höchstens zwei Vollgeschosse sowie ein 1/3 des darunter liegenden Vollgeschosses messendes Dachgeschoss enthalten. Die Gebäudehöhen dürfen höchstens 7,5 m und die Firsthöhen 11,5 m betragen. Die Gebäudelänge ist auf 30m beschränkt und die Ausnützungsziffer darf 0,4 nicht überschreiten.
Im März 1960 liess der Gemeinderat prüfen, ob ein Teil des Gebiets nördlich der Bahnlinie sich für eine intensivere Überbauung mit Mehrfamilienhäusern eigne. Nachdem zwei verschiedene Architekten Bebauungsvorschläge ausgearbeitet hatten, stimmte eine konsultative Gemeindeversammlung am 23. September 1960 der Erstellung von 2 vier- und 5 dreigeschossigen Mehrfamilienhäusern im Raum südlich der Hertenstrasse und nördlich der Waldkuppe des Geissbühl zu. Darauf arbeitete der Gemeinderat den Entwurf einer "Spezialbauordnung" für die Parzelle Nr. 2574 aus, der in der Gemeindeversammlung vom 8. Februar 1961 einstimmig angenommen wurde.
Die Parzelle Nr. 2574 ist ein rund 1 ha haltendes Grundstück, das in einer Mulde nördlich des Geissbühl liegt. Sie ist etwa 150 m lang und 70 m breit und gehörte damals der Zivilgemeinde Elgg.
Nach der "Spezialbauordnung" ist das Gebiet für die Überbauung mit Mehrfamilienhäusern bestimmt, wobei die Ausnützungsziffer höchstens 0,6 betragen darf und zwei Bauten 4, die übrigen höchstens 3 Vollgeschosse enthalten dürfen. Die Überbauung hat nach einem vom Gemeinderat zu genehmigenden Gesamtüberbauungsplan zu erfolgen, der "in aesthetischer und architektonischer Beziehung befriedigen" muss und "auf das Interesse der Anstösser in billiger Weise Rücksicht zu nehmen" hat.
Der hierauf von der Zivilgemeinde Elgg eingereichte Gesamtüberbauungsplan sieht im Westen der Parzelle Nr. 2574 zwei 36,7 m lange viergeschossige Wohnblöcke vor, welche durch einen eingeschossigen Zwischentrakt mit einem 20 m langen
BGE 94 I 336 S. 338
drei- bzw. zweigeschossigen Block verbunden sind, ferner im Osten 3 kleinere Blöcke mit drei bzw. zwei Geschossen. Der Gemeinderat genehmigte diesen "Gesamtüberbauungsplan" am 8. August 1961 und unterbreitete ihn zusammen mit der "Spezialbauordnung" dem Regierungsrat. Dieser genehmigte beides mit Beschluss vom 9. November 1961 mit der Begründung: das Grundstück Nr. 2574 eigne sich, wie eine Überprüfung durch das Hochbauamt ergeben habe, für eine dichtere Ausnützung und für eine differenzierte Bauweise im Rahmen der zugestandenen Geschosszahl; der Überbauungsplan sei zweckmässig und ermögliche trotz höherer Ausnützung annehmbare Wohnverhältnisse; er erreiche insbesondere gegenüber einer zonengemässen Überbauung grössere zusammenhängende Grünflächen.
B.- Am 2. September 1963 verkaufte die Zivilgemeinde den grössten Teil des Grundstücks Nr. 2574 zum Preis von Fr. 38.- je m2 an die Immobiliengesellschaft Hervaba und den Architekten Romeo Favero. Die Erwerber arbeiteten Detailpläne für die gemäss "Spezialbauordnung" vorgesehenen Bauten aus, stellten die Baugespanne auf und kamen am 26. August 1965 um die Erteilung der Baubewilligung ein. Hiegegen erhoben am 10. September 1965 34 Grundeigentümer Baueinsprache. Ferner reichten 214 Stimmberechtigte am 25. September 1965 eine Motion ein mit dem Antrag, die "Spezialbauordnung für die Parzelle Nr. 2574" aufzuheben.
Die Gemeindeversammlung nahm die Motion am 2. November 1965 mit 184 gegen 122 Stimmen an.
Gegen diesen Beschluss rekurrierten die Eigentümer des Baulandes an den Bezirksrat Winterthur. Dieser hiess den Rekurs gut und hob den angefochtenen Gemeindebeschluss auf. Er nahm an, dass die Rekurrenten das Land im Vertrauen auf die "Spezialbauordnung" erworben hätten; diese könnte daher nur bei Vorliegen wichtiger Gründe aufgehoben werden, woran es hier fehle.
Gegen diesen Entscheid führte die Gemeinde Elgg Beschwerde. Der Regierungsrat des Kantons Zürich hiess die Beschwerde am 16. März 1967 gut und stellte den Beschluss der Gemeindeversammlung vom 2. November 1965 wieder her. Der ausführlichen Begründung des Entscheides ist zu entnehmen: Bauordnungen und Zonenpläne seien Planungsinstrumente auf weite Sicht, durch welche die zulässige bauliche Ausnützung der einzelnen
BGE 94 I 336 S. 339
Grundstücke in rechtsverbindlicher Weise festgelegt werde und von denen aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes in der Folge nicht ohne Not abgewichen werden dürfe. Anderseits bestehe ein beachtliches öffentliches Interesse daran, dass die Planung dann, wenn die tatsächliche Überbauung sich nicht plangemäss entwickle, wieder auf diese abgestimmt werde. Es sei eine Frage der gerechten Interessenabwägung, ob der Rechtssicherheit und dem Vertrauensschutz der betroffenen Grundeigentümer oder der Anpassung der Planung an die sich anders als diese entwickelnde Wirklichkeit im Einzelfall den Vorrang zu geben sei. Bei Erlass der Spezialbauordnung für das Grundstück Nr. 2574 am 8. Februar 1961 sei dessen nähere Umgebung mit Ausnahme weniger Liegenschaften praktisch noch unüberbaut gewesen. In der Folge seien dort rund 35 Einfamilienhäuser erstellt worden, die fast alle sowohl bezüglich Geschosszahl wie auch Gebäudelänge deutlich hinter dem gemäss den Zonenvorschriften Zulässigen zurückgeblieben seien. Damit sei ein ausgeprägtes Einfamilienhausquartier entstanden, was bei Erlass und Genehmigung der "Spezialbauordnung" nicht erwartet worden sei. Zwischen diesem Quartier und der nach der "Spezialbauordnung" zulässigen höheren Ausnützung ergebe sich ein "derart massives Gefälle, dass die Spezialbauordnung vom planerischen Gesichtspunkt aus nicht mehr als zweckmässig und angemessen bezeichnet werden kann". Das öffentliche Interesse an der Aufhebung der "Spezialbauordnung" überwiege das Interesse der Rechtssicherheit und des Vertrauenschutzes.
C.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde stellen die Immobiliengesellschaft Hervaba und Romeo Favero den Antrag, der Entscheid des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 16. März 1967 sei aufzuheben. Sie machen Verletzung des Art. 4 BV und der Eigentumsgarantie geltend.
D.- Der Regierungsrat des Kantons Zürich und die Gemeinde Elgg beantragen die Abweisung der Beschwerde.
E.- Eine Instruktionskommission des Bundesgerichts hat am 7. Juni 1968 mit den Parteien einen Augenschein genommen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
2. Die Gemeindeversammlung von Elgg hat am 8. Februar 1961 eine "Spezialbauordnung" angenommen, die für die
BGE 94 I 336 S. 340
Parzelle Nr. 2574 eine intensivere Überbauung als die bisher zulässige gestattete. Gestützt auf diese "Spezialbauordnung" hat die Zivilgemeinde Elgg als Grundeigentümerin einen "Gesamtüberbauungsplan" ausgearbeitet, der am 8. August 1961 vom Gemeinderat Elgg und am 9. November 1961, zusammen mit der "Spezialbauordnung", vom Regierungsrat des Kantons Zürich genehmigt wurde. Durch den Beschluss der Gemeindeversammlung vom 2. November 1965, den der Bezirksrat Winterthur aufgehoben, der Regierungsrat mit dem angefochtenen Entscheid aber wiederhergestellt hat, ist die "Spezialbauordnung" (und damit auch der darauf beruhende "Gesamtüberbauungsplan") aufgehoben worden. Hierin erblicken die Beschwerdeführer eine Verletzung sowohl des Art. 4 BV als auch der Eigentumsgarantie.Diese beiden Rügen fallen, soweit die Beschwerdeführer dem Regierungsrat nicht eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs vorwerfen, weitgehend zusammen. Bleibt es bei der Aufhebung der "Spezialbauordnung", so dürfen die Grundstücke der Beschwerdeführer nur nach den Vorschriften für die Wohnzone W 2 1/3, d.h. weniger intensiv als nach der "Spezialbauordnung" überbaut werden. Die Aufhebung der "Spezialbauordnung" stellt somit einen öffentlich-rechtlichen Eingriff in das Privateigentum dar. Ein solcher ist mit der durch das ungeschriebene Verfassungsrecht des Bundes gewährleisteten Eigentumsgarantie nur vereinbar, wenn er auf gesetzlicher Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt und, sofern er in der Wirkung einer Enteignung gleichkommt, gegen volle Entschädigung erfolgt (BGE 94 I 132 Erw. 4 mit Verweisungen). Mit der staatsrechtlichen Beschwerde wird weder das Vorliegen der gesetzlichen Grundlage bestritten noch die Entschädigungsfrage aufgeworfen. Streitig ist einzig, ob das öffentliche Interesse an der Aufhebung der "Spezialbauordnung" schwerer wiege als das Interesse der Beschwerdeführer an ihrer Beibehaltung. Was als Verletzung des Art. 4 BV und der Eigentumsgarantie gerügt wird, ist im wesentlichen die Art und Weise, wie der Regierungsrat die für die Interessenabwägung massgebenden Tatsachen gewürdigt und die beidseitigen Interessen gegeneinander abgewogen hat. Die Interessenabwägung wird aber vom Bundesgericht nach der neuesten Rechtsprechung grundsätzlich frei überprüft; es übt lediglich insoweit Zurückhaltung, als die Antwort von der Würdigung der örtlichen Verhältnisse
BGE 94 I 336 S. 341
abhängt, welche die kantonalen Behörden besser kennen und überblicken als das Bundesgericht (BGE 94 I 134 Erw. 7, nicht veröffentl. Urteil vom 8. Mai 1968 i.S. Thommen Erw. 4).
3. Zu den Interessen, die auf Seiten der Beschwerdeführer zu berücksichtigen sind, gehört auch das Vertrauen, das sie darauf hatten und haben durften, dass ihr am 2. September 1963 gekauftes Land gemäss der nicht einmal zwei Jahre vor dem Erwerb in Kraft getretenen "Spezialbauordnung" und dem darauf beruhenden "Gesamtüberbauungsplan" überbaut werden könne und diese Ordnung nicht schon nach kurzer Zeit wieder aufgehoben werde. Für die Bestimmung des Gewichts dieses Interesses ist es von wesentlicher Bedeutung, ob die aus "Spezialbauordnung" und "Gesamtüberbauungsplan" bestehende Regelung als allgemein verbindlicher Erlass oder als Einzelverfügung zu betrachten ist, denn für die Abänderung oder Aufhebung von Rechtssätzen gelten nach Rechtsprechung und herrschender Lehre nicht die gleichen Grundsätze wie für die Abänderung oder den Widerruf von Verwaltungsakten. Dabei kommt es nicht auf die Form, sondern auf den Inhalt der Ordnung an. Daraus, dass die "Spezialbauordnung" von der Gemeindeversammlung, d.h. vom Gemeindegesetzgeber, erlassen worden ist, folgt daher noch nicht, dass sie zur Rechtsetzung gehört, da auch von den gesetzgebenden Organen Verwaltungsakte ausgehen können und in dem meist kleinen Rechtskreis der Gemeinde die Beschlussfassung über wichtigere Verwaltungsangelegenheiten regelmässig Sache der Gemeindeversammlung ist (GIACOMETTI, Staatsrecht der Kantone S. 540; IMBODEN, Der Plan als verwaltunsrechtliches Institut, Veröffentlichungen der Vereinigung deutscher Staatsrechtslehrer, Heft 18/1960 S. 128/9).
Die "Spezialbauordnung" hat für ein durch einen Plan bestimmtes Gebiet eine Änderung des Bauzonenplans der Gemeinde zum Inhalt und sieht die Überbauung dieses Gebietes nach einem vom Gemeinderat zu genehmigenden "Gesamtüberbauungsplan" vor, stellt also eine Planungsmassnahme dar. Die Rechtsnatur solcher Massnahmen ist umstritten. BGE 90 I 350 Erw. 2 b enthält einen Überblick über die neuere Rechtsprechung und Lehre und führt dabei aus, dass Überbauungspläne vielfach sich nicht eindeutig auf die Begriffe Rechtsnorm oder konkrete Verfügung zurückführen lassen, sondern Zwischengebilde zwischen diesen beiden Grundformen staatlicher
BGE 94 I 336 S. 342
Tätigkeit darstellen. Im übrigen hat das Bundesgericht in seiner neuern Rechtsprechung die Frage nach der Rechtsnatur der baulichen Planungsmassnahmen ausdrücklich offen gelassen. In einzelnen Fällen konnte dies geschehen, weil die Rechtsnatur für die Beurteilung der Beschwerde nicht entscheidend war (BGE 88 I 83, ZBl 65/1964 S. 216 ff.). In andern Fällen hat das Bundesgericht, ohne die Rechtsnatur der in Frage stehenden Planungsmassnahme näher zu untersuchen, erklärt, sie sei inbezug auf die streitige Frage einer Einzelverfügung gleichzustellen. In diesem Sinne hat das Bundesgericht z.B. entschieden, dass sich die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen Planungsmassnahmen oder gegen deren Nichtgenehmigung nach den für die Anfechtung von Einzelverfügungen, nicht von Erlassen geltenden Regeln bestimme (nicht veröffentlichtes Urteil vom 19. November 1952 i.S. Strandhotel Engelberg AG Erw. 3; BGE 86 I 148, BGE 89 I 403 Erw. 2; vgl. auch BGE 87 I 359 /60). Auch dafür, ob die Verfassungsmässigkeit einer Planung nur im Anschluss an deren Erlass oder noch gegenüber Bestätigungs- oder Vollzugsakten angefochten werden könne, wurden mit gewissen Vorbehalten die Grundsätze für die Anfechtung von Einzelverfügungen als anwendbar erklärt (BGE 90 I 305 Erw. 2 b).In einzelnen Urteilen wurde bemerkt, Alignements- und Zonenpläne näherten sich dann mehr dem verordnungsmässigen Rechtssatz, wenn sie sich nicht nur auf ein einzelnes Grundstück oder wenige zusammenhängende Grundstücke beziehen (BGE 78 I 407/8, BGE 86 I 148, BGE 87 I 359 /60). IMBODEN hat diese Betrachtungsweise kritisiert; er ist der Auffassung, dass die räumliche Ausdehnung kein taugliches Kriterium für die Bestimmung der Rechtsnatur von Planungsmassnahmen sei und dass Alignements- und Zonenpläne stets als Summen von Einzelverfügungen zu betrachten seien (Der Plan als verwaltungsrechtliches Institut S. 119/23; ZSR 1961 S. 482/3; Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung 2. Aufl. Bem. I zu Nr. 15). Angesichts der Unbestimmtheit des Kriteriums der räumlichen Ausdehnung kann dieser Kritik eine gewisse Berechtigung nicht abgesprochen werden. Das ändert jedoch nichts daran, dass Zonen- und andere Pläne Zwischengebilde eigener Art darstellen, die sich, wenn sie sich auf ein grosses Gebiet, z.B. auf die ganze Stadt Zürich, beziehen, dem verordnungsmässigen Rechtssatz nähern und nur schwer als Summe von Einzelverfügungen verstehen lassen,
BGE 94 I 336 S. 343
während sie dann, wenn sie einige wenige Grundstücke oder nur ein einziges betreffen, sich von einer Einzelverfügung kaum mehr unterscheiden.Die "Spezialbauordnung" der Gemeinde Elgg vom 8. Februar 1961 wurde für die Parzelle Nr. 2574, also für ein einziges Grundstück, erlassen und bestimmte zusammen mit dem hierauf von der Grundeigentümerin erstellten und vom Gemeinderat genehmigten "Gesamtüberbauungsplan" durch Festlegung der Art (Mehrfamilienhäuser), der Geschosszahl sowie der Anzahl und des Standorts der Bauten, wie dieses Grundstück zu überbauen sei. Eine solche Regelung der Überbauung eines einzelnen Grundstücks stellt eine blosse Einzelverfügung und keinen Rechtssatz dar (vgl. BGE 87 I 359 /60), auch wenn sie teilweise, nämlich soweit sie in der "Spezialbauordnung" enthalten ist, im Wege der gemeindlichen Rechtsetzung getroffen wurde. Dafür spricht übrigens auch der Umstand, dass die "Spezialbauordnung" vom 8. Februar 1961 weder in der nach der letzten Änderung vom 23. Mai 1961 neu gedruckten Gemeindebauordnung erwähnt noch im dazugehörigen Zonenplan vermerkt ist.
Für den Entscheid darüber, unter welchen Voraussetzungen die Regelung zum Nachteil der Grundeigentümer abgeändert oder aufgehoben werden darf und wie schwer die dabei zu berücksichtigenden Interessen der Öffentlichkeit einerseits und der betroffenen Grundeigentümer anderseits ins Gewicht fallen, sind daher nicht die Grundsätze massgebend, die für die Änderung von Rechtssätzen im allgemeinen und nach BGE 90 I 333 für die Abänderung der ein grösseres Gebiet betreffenden Pläne gelten. Auszugehen ist vielmehr von den Regeln, die für die Abänderung oder Zurücknahme von konkreten Einzelverfügungen gelten.
4. Wie das Bundesgericht in feststehender Rechtsprechung erkannt hat, entspricht es der Eigenart des öffentlichen Rechts und der Natur der öffentlichen Interessen, dass ein Verwaltungsakt, der dem Gesetz nicht oder nicht mehr entspricht, nicht unabänderlich ist. Anderseits kann es ein Gebot der Rechtssicherheit sein, dass eine Verfügung, welche eine Rechtslage festgestellt oder begründet hat, nicht nachträglich wieder in Frage gestellt werde. Ob ein Verwaltungsakt von der Behörde zurückgenommen oder abgeändert werden kann, hängt daher, soweit darüber nicht positive gesetzliche Bestimmungen bestehen, von einer Abwägung der beiden sich gegenüberstehenden Gesichtspunkte
BGE 94 I 336 S. 344
ab: des Gebots der richtigen Durchführung des objektiven Rechts auf der einen und der Anforderungen der Rechtssicherheit auf der andern Seite. Das Postulat der Rechtssicherheit geht dabei dann vor, wenn durch den Verwaltungsakt subjektive Rechte zugunsten bestimmter Personen begründet wurden, ferner wenn die Verfügung auf Grund eines Einsprache- und Ermittlungsverfahrens ergangen ist, dessen Aufgabe in der allseitigen Prüfung der öffentlichen Interessen und ihrer Abwägung gegenüber den entgegengesetzten Privatinteressen besteht, oder endlich, wenn der Private von der ihm durch die Verfügung eingeräumten Befugnis bereits Gebrauch gemacht hat (BGE 78 I 406Erw. 1 und seitherige ständige Rechtsprechung, zuletzt BGE 88 I 227, BGE 91 I 95).Da das zürcherische Recht keine Bestimmungen darüber enthält, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Verwaltungsakt wie der hier in Frage stehende abgeändert werden darf, entscheidet sich diese Frage somit nach den eben erwähnten allgemeinen Grundsätzen.
a) Von den drei danach geltenden Voraussetzungen, bei deren Vorliegen das Postulat der Rechtssicherheit vorgeht, sind hier jedenfalls das erste und das dritte nicht erfüllt.
Durch die "Spezialbauordnung" und die gemeinderätliche Genehmigung des "Gesamtüberbauungsplans" für die Parzelle Nr. 2574 sind keine subjektiven Rechte der Grundeigentümer begründet worden, sondern wurde für sie lediglich die Möglichkeit geschaffen, dieses Grundstück intensiver zu überbauen, als dies nach den bisher geltenden Bestimmungen zulässig war. Ein subjektives Recht würde den Beschwerdeführen selbst dann nicht zustehen, wenn ihnen die auf Grund der neuen Ordnung nachgesuchte Baubewilligung bereits erteilt worden wäre, da mit einer solchen Bewilligung nur festgestellt wird, dass dem Bauvorhaben kein baupolizeiliches Hindernis entgegensteht (BGE 79 I 7/8, BGE 87 I 511, BGE 89 I 434 und 483).
Es kann auch nicht gesagt werden, die Beschwerdeführer hätten von der durch die neue Ordnung geschaffenen Möglichkeit bereits Gebrauch gemacht. Sie haben freilich detaillierte Bauprojekte für drei Bauten ausgearbeitet und sie der zuständigen Behörde mit dem Ersuchen um Erteilung der Baubewilligung eingereicht. Selbst eine erteilte Baubewilligung ist jedoch grundsätzlich erst dann unwiderruflich, wenn mit der Ausführung der Bauten begonnen worden ist (vgl.BGE 79 I 6lit. b, BGE 87 I 511,
BGE 94 I 336 S. 345
88 I 227/8, 90 I 15 Erw. 6). Im vorliegenden Fall erfolgte jedoch der Widerruf der "Spezialbauordnung" vor Beginn der Bauarbeiten.b) Von den oben erwähnten Voraussetzungen, bei deren Vorliegen das Postulat der Rechtssicherheit vorgeht, ist dagegen die zweite offensichtlich erfüllt. Die "Spezialbauordnung" und der "Gesamtüberbauungsplan" sind in einem Verfahren erlassen bzw. genehmigt worden, dessen Aufgabe in der allseitigen Prüfung der öffentlichen Interessen und ihrer Abwägung gegenüber den entgegengesetzten Privatinteressen bestand. Ob und gegebenenfalls an welchen Stellen und mit wieviel Geschossen der Bau von Mehrfamilienhäusern im Baugebiet nördlich der Bahnlinie gestattet werden könne, hätte kaum gründlicher geprüft werden können, als dies hier geschehen ist. Der Gemeinderat hat die Frage zuerst durch zwei verschiedene Architekten abklären lassen. Deren Überbauungsvorschläge unterbreitete er einem dritten, offenbar für Planungsfragen besonders sachverständigen Architekten zur Überprüfung und besprach sie ausserdem noch mit Vertretern der kantonalen Baudirektion. Nachdem die Überbauungsmodelle der Architekten mit einem Bericht des Gemeinderates öffentlich aufgelegt worden waren, wurde die Frage der Überbauung des betreffenden Quartiers am 23. September 1960 in einer konsultativen Gemeindeversammlung eingehend besprochen, wobei über drei grundsätzliche Punkte abgestimmt wurde. Der hierauf ausgearbeitete Entwurf der "Spezialbauordnung" wurde der kantonalen Baudirektion zur Vorprüfung eingereicht und nach der Bereinigung der Gemeindeversammlung vorgelegt, die ihn am 8. Februar 1961 einstimmig genehmigte. Den in der Folge von der Grundeigentümerin ausgearbeiteten "Gesamtüberbauungsplan" liess der Gemeinderat vor der Genehmigung durch den Gemeindeingenieur überprüfen, worauf die neue Regelung vom kantonalen Hochbauamt geprüft und vom Regierungsrat genehmigt wurde. Angesichts dieser vielseitigen und gründlichen Prüfung, die der Neuregelung der Überbauung des Grundstücks Nr. 2574 vorausgegangen ist, durften die Beschwerdeführer beim Erwerb von Teilen dieses Grundstücks darauf vertrauen, sie nach dieser Regelung überbauen zu können, und gehen die Anforderungen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes allfälligen öffentlichen Interessen an einer andern Regelung grundsätzlich vor.
c) In BGE 86 I 173 erklärte das Bundesgericht, selbst in Angelegenheiten, in denen die Rechtssicherheit mehr Gewicht habe, könne es sich unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise rechtfertigen, dass die Verwaltung auf eine formell rechtskräftige Verfügung nachträglich zurückkomme, sei es deshalb, weil inzwischen Tatsachen eingetreten sind, die nach der besondern Ordnung des anwendbaren Gesetzes eine neue Rechtslage begründen, sei es deshalb, weil einer der Revisionsgründe, welche die Rechtsprechung in Anlehnung an Art. 136 und 137 OG anerkennt (BGE 74 I 406Erw. 3), besteht und rechtzeitig geltend gemacht wird.
Davon, dass ein solcher Revisionsgrund vorläge, kann hier offensichtlich nicht die Rede sein. Dagegen vertreten Regierungsrat und Gemeinde die Auffassung, durch die Entwicklung des das Grundstück Nr. 2574 umgebenden Gebiets zum reinen Einfamilienhausquartier hätten die für den Erlass und die Genehmigung der "Spezialbauordnung" massgebenden tatsächlichen Verhältnisse sich in entscheidender und unvorhersehbarer Weise verändert und damit eine neue Rechtslage geschaffen. Der Einwand ist unbegründet. Das nördlich der Bahnlinie ausgeschiedene Baugebiet war, von einem schmalen Streifen längs der Bahnlinie abgesehen, der Wohnzone W 2 1/3 zugeteilt, d.h. der Bauzone mit der niedrigsten Ausnützung. Eine nur für die Errichtung von Einfamilienhäusern bestimmte Zone ist im Zonenplan nicht vorgesehen. Es erscheint daher als ausgeschlossen, dass der Gemeinderat, die Gemeindeversammlung oder die Planungsbehörden der zürch. Baudirektion im Jahre 1961 davon ausgegangen wären, es würden in diesem Gebiet vorwiegend Mehrfamilienhäuser erstellt werden. In einer in der Nähe einer Stadt wie Winterthur gelegenen und mit dieser durch eine Bahnlinie verbundenen Landgemeinde wie Elgg musste damals und muss noch heute vor allem mit dem Bau von Einfamilienhäusern gerechnet werden, und für diese kommt nach der Gestaltung des Zonenplans und nach der topographischen Lage (leichter Südhang, Bahnhofnähe, Entfernung vom Dorfkern) in erster Linie die Wohnzone W 2 1/3 nördlich der Bahnlinie in Frage, wo denn bis 1961 auch schon eine grössere Anzahl von Einfamilienhäusern errichtet worden war. Dass sich diese Art der Überbauung in den nächsten Jahren fortsetzen und auf die Umgebung der Parzelle Nr. 2574 erstrecken würde, war schon 1961 mit Sicherheit zu erwarten und
BGE 94 I 336 S. 347
konnte weder die Gemeindeversammlung noch den Regierungsrat überraschen.Dem öffentlichen Interesse den Vorrang zu geben, käme unter diesen Umständen höchstens dann in Frage, wenn die 1961 getroffene Ordnung besonders wichtige öffentliche Interessen in schwerwiegender Weise verletzen würde (vgl. BGE 88 I 228 oben). Auch davon kann aber, wie der Augenschein gezeigt hat, nicht die Rede sein. Die auf den Parzellen der Beschwerdeführer geplanten Wohnblöcke passen freilich wenig zum Charakter des Quartiers, so dass sich mit guten Gründen die Auffassung vertreten lässt, es handle sich um eine "aus Einordnungsgründen unerwünschte Überbauung". Indessen erscheint die Beeinträchtigung der Umgebung, zumal angesichts der beträchtlichen Bauabstände und der grossen Grünflächen, als mässig und erträglich und kann keinesfalls von einer Verunstaltung des Orts- oder Landschaftsbildes gesprochen werden. Es ergeben sich vielmehr Verhältnisse, wie sie auch anderswo häufig anzutreffen sind, wo zwei verschiedene Bauzonen aneinandergrenzen oder wo innerhalb einer Bauzone nachträglich aufgezont worden ist. Die auf dem Spiele stehenden öffentlichen Interessen sind ausschliesslich planerischer und aesthetischer Natur und erscheinen weder derart gewichtig noch werden sie so schwer verletzt, dass ihnen der Vorrang vor den Anforderungen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes zuerkannt werden darf.
Die Beschwerde ist deshalb gutzuheissen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 16. März 1967 aufgehoben.
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