BGE 95 I 313
 
44. Urteil vom 8. Oktober 1969 i.S. Barmettler gegen Pneu A.-G. und Konkursgericht von Nidwalden
 
Regeste
Art. 82 SchKG.
 
Sachverhalt


BGE 95 I 313 (313):

A.- Die Pneu A.-G. leitete gegen Alois Barmettler am 10. August 1968 Betreibung ein. Der Zahlungsbefehl wurde an diesem Tage dem Betriebenen zugestellt. Im Doppel wurde vom Betreibungsamt vermerkt, der Schuldner erhebe Rechtsvorschlag. Die Gläubigerin verlangte beim Einzelrichter für Schuldbetreibung und Konkurs von Nidwalden Rechtsöffnung. Dieser erklärte, der Rechtsvorschlag sei erst am 21. August und damit verspätet erhoben worden und das Gesuch aus diesem Grunde gegenstandslos geworden. Die Kosten auferlegte er dem Betriebenen. Barmettler beschwerte sich hiegegen beim Konkursgericht von Nidwalden. Dieses bezeichnete als unbestritten, dass der Zahlungsbefehl am 10. August 1968 zugestellt wurde und nahm gestützt auf den angefochtenen Entscheid des Einzelrichters an, der Rechtsvorschlag sei erst am 21. August erhoben worden. Der Betriebene habe nicht beweisen können, dass er schon am 20. August Recht vorgeschlagen habe. Die Beschwerde wurde deshalb abgewiesen. Die Kosten wurden dem Betriebenen auferlegt (Verfügung vom 29. Mai /26. Juni 1969).
B.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde beantragt Alois Barmettler, den Entscheid des Konkursgerichtes aufzuheben und die Kosten mit Einschluss einer Parteientschädigung an den Beschwerdeführer dem Beschwerdegegner, eventuell dem

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Staat Nidwalden aufzuerlegen. Er rügt eine Verletzung von Art. 4 BV.
Für die Begründung des Antrages wird auf die nachfolgenden Erwägungen verwiesen.
C.- Der Vorsitzende der Konkursabteilung des Obergerichtes von Nidwalden (Konkursgerichtes) hat auf Vernehmlassung verzichtet.
Die Beschwerdegegnerin bemerkt, sie habe nicht festgestellt noch feststellen können, ob der Schuldner rechtzeitig Rechtsvorschlag erhoben habe. Gestützt auf die Annahme, dass der Einzelrichter zuständig gewesen und sein Entscheid richtig sei, habe sie das Fortsetzungsbegehren gestellt.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV ist erst zulässig, nachdem der Beschwerdeführer von den offenstehenden kantonalen Rechtsmitteln Gebrauch gemacht hat (Art. 86 OG), und ferner nur, wenn die behauptete Rechtsverletzung nicht sonstwie durch Klage oder Rechtsmittel beim Bundesgericht oder einer andern Bundesbehörde gerügt werden kann (Art. 84 Abs. 2 OG). Ein derartiges Rechtsmittel ist auch der Rekurs in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen (BGE 91 III 29 Erw. 2; BIRCHMEIER, Organisation der Bundesrechtspflege zu Art. 84 Ziff. 3 lit. d mit weitern Verweisungen). Die Verfügung, mit welcher der Rechtsöffnungsrichter das Gesuch um Erteilung von Rechtsöffnung als gegenstandslos bezeichnet, kann jedoch nicht zum Gegenstand eines Rekurses in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen gemacht werden. Denn dieser ist nur zulässig gegen eine Entscheidung (oder eine Rechtsverweigerung) einer kantonalen Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs (Art. 75 OG, Art. 13 SchKG). Dass gegen das Betreibungsamt die Beschwerde an die Aufsichtsbehörde zulässig gewesen wäre, wenn es zu Unrecht festgestellt hätte, der Rechtsvorschlag sei rechtzeitig oder aber verspätet erhoben worden, ändert nichts, wenn eine bezügliche Verfügung des Betreibungsamtes nicht ergangen ist.
Das Betreibungsamt Buochs hat dem betreibenden Gläubiger auf der für ihn bestimmten Ausfertigung des Zahlungsbefehls mitgeteilt, der Schuldner habe Recht vorgeschlagen. Die Gläubigerin hat dagegen nichts vorgekehrt, und der Schuldner hatte dazu ebenfalls keine Veranlassung. Hatte aber keine Partei

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die Möglichkeit einer Beschwerde an die Aufsichtsbehörde, so ist gegen den letztinstanzlichen Entscheid des Konkursrichters die staatsrechtliche Beschwerde zulässig.
2. Wurde vom Schuldner Rechtsvorschlag erhoben, und beruht die Forderung, für welche die Betreibung angehoben wurde, auf einer durch öffentliche Urkunde festgestellten oder durch Unterschrift bekräftigten Schuldanerkennung, kann der Gläubiger provisorische Rechtsöffnung verlangen. In diesem Verfahren kann nicht geprüft werden ob gegen eine vorangehende Verfügung des Betreibungsamtes bei der Aufsichtsbehörde hätte Beschwerde geführt werden können und ob diese Beschwerde begründet gewesen wäre. Für eine derartige Prüfung ist der Rechtsöffnungsrichter so wenig zuständig als eine andere richterliche Behörde im Sinn von Art. 22 oder 23 SchKG. Solange das Rechtsöffnungsgesuch aufrecht bleibt, hat der Richter hierüber im Sinn von Art. 82 Abs. 2 SchKG zu entscheiden. Er darf das Gesuch nicht als gegenstandslos erklären, weil die Betreibung (der Zahlungsbefehl) einen mit Beschwerde geltend zu machenden Mangel aufweise, dies insbesondere auch dann nicht, wenn keine der Parteien einen derartigen Mangel geltend macht. Der Zweck der Rechtsöffnung beruhtja darin, dass durch sie die Fortsetzung der durch den Rechtsvorschlag gehemmten Betreibung ermöglicht werden soll.
Der Einzelrichter und das Konkursgericht sind als richterliche Behörden sachlich nicht zuständig, zu prüfen, ob der Rechtsvorschlag rechtzeitig oder aber verspätet erhoben worden ist. Die Behörde, die eine Entscheidung trifft auf Grund einer Tatsache, zu deren Prüfung sie auch vorfrageweise nicht zuständig ist, missachtet die Grenzen ihrer sachlichen Zuständigkeit und handelt willkürlich. Der Einzelrichter und der seine Feststellung ohne Begründung übernehmende Konkursrichter verkennen, dass die Aufzählung der Obliegenheiten des Richters im Gesetz

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abschliessend ist, die Gerichte im Betreibungsverfahren nur eingreifen können, wo das Gesetz es ausdrücklich vorsieht, und abgesehen hievon jede Einmischung des Richters in das Betreibungsverfahren ausgeschlossen ist (BLUMENSTEIN, Schuldbetreibungsrecht, S. 111).
Es braucht deshalb nicht untersucht zu werden, ob der Umstand einen Grund zur Beschwerde darstellen würde, dass die für den Betreibenden bestimmte Ausfertigung des Zahlungsbefehls nicht unmittelbar nach dem Rechtsvorschlag, den der Betriebene am 10. August erklärt haben will, zugestellt wurde, oder erst nach Ablauf der Rechtsvorschlagsfrist. Jedenfalls konnte hieraus nicht geschlossen werden, der Rechtsvorschlag sei nicht rechtzeitig erfolgt; auch der Nachweis für die Rechtzeitigkeit könnte nicht dem Betriebenen auferlegt werden. Der Entscheid des Konkursgerichtes ist deshalb aufzuheben.
4. Die Gerichtskosten werden in der Regel der vor Bundesgericht unterliegenden Partei auferlegt (Art. 156 Abs. 1 OG). Das ist hier deshalb nicht zulässig, weil sie nicht Verspätung des Rechtsvorschlages geltend gemacht hat, sondern mit dem Rechtsöffnungsbegehren im Gegenteil davon ausgegangen ist, der Schuldner habe Rechtsvorschlag erhoben. Sie beantragt denn auch nicht Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde. Kantonen, gegen deren Verfügungen Beschwerde geführt wird, ohne dass es sich um ihre eigenen Vermögensinteressen handelt, dürfen in der Regel ebenfalls keine Gerichtskosten auferlegt werden (Art. 156 Abs. 2 OG). Eine Ausnahme von dieser Regel rechtfertigt sich nicht. Dasselbe gilt von den Parteikosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 159 in Verbindung mit Art. 156 Abs. 2 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und die Verfügung des Konkursgerichtes vom 29. Mai /26. Juni 1969 aufgehoben.