BGE 96 I 170 |
31. Urteil vom 24. April 1970 i.S. Schweizerischer Filmverleiher-Verband gegen Teleproduction und Eidg. Departement des Innern |
Regeste |
Kontingentierung der Einfuhr von Filmen. |
Sachverhalt |
A.- Die Gesellschaft Teleproduction Zürich, deren verantwortliche Leiter die beiden Gesellschafter Dr. R. Mertens und Walter Marti sind, stellt Filme her. Im Februar 1969 ersuchte sie das Eidg. Departement des Innern, ihr zur Ausübung der Verleihtätigkeit gemäss Art. 11/12 des BG über das Filmwesen vom 28. September 1962 (des Filmgesetzes) ein Einfuhrkontingent von vier Spielfilmen für jedes Jahr zu erteilen. Sie machte geltend, ihre weitere Existenz als Filmproduzentin sei nur möglich, wenn sie durch eine eigene Verleihtätigkeit mit den Kinos in der Schweiz direkt zusammenarbeiten könne; anderseits müsse sie geschäftliche Beziehungen zu ausländischen Produzenten aufbauen, um den Vertrieb der eigenen Filme im Ausland zu sichern und sich an internationalen Coproduktionen beteiligen zu können. |
Der Schweizerische Lichtspieltheater-Verband (für die deutsche und die italienische Schweiz) teilte dem Departement des Innern mit, dass er sich dem Gesuch nicht widersetze. Dagegen befürwortete der Schweizerische Filmverleiher-Verband die Abweisung des Gesuches; er schlug vor, es sei einem seiner Mitglieder ein Sonderkontingent zur Einfuhr von Filmen im Stile des "modernen Schweizerfilms" zur Verfügung zu halten. Die Teleproduction lehnte diesen Vorschlag ab, weil ihre Tätigkeit die Schweizer Verleiher erfahrungsgemäss nicht interessiere.
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Durch Entscheid vom 9. Dezember 1969 erteilte das Departement des Innern gestützt auf Art. 12 Abs. 4 des Filmgesetzes der Teleproduction das verlangte Einfuhrkontingent für das Jahr 1970.
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B.- Der Schweizerische Filmverleiher-Verband erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Departementes sei aufzuheben. Er führt aus, die in Art. 12 Abs. 4 des Filmgesetzes umschriebenen Voraussetzungen der Kontingentserteilung seien hier nicht erfüllt. Ein wirtschaftlich gesunder Verleihbetrieb sei nicht gewährleistet. Die finanziellen Verhältnisse der Teleproduction seien vom Departement nicht untersucht worden. Sie seien ungünstig, da die Gesuchstellerin bei der Auswertung von Filmen Verluste erlitten habe. Die Verantwortlichen der Teleproduction verfügten nicht über die Kenntnisse, die für die Führung eines Filmverleihbetriebes erforderlich seien. Ihre Hoffnung, Tauschgeschäfte mit dem Ausland durchführen und sich an internationalen Coproduktionen beteiligen zu können, sei utopisch. Die Schwierigkeiten, denen sich die unabhängigen Schweizer Verleiher gegenübersehen, würden durch die Zuerkennung des streitigen Kontingents noch vermehrt. |
C.- Die Teleproduction schildert in ihrer Beschwerdantwort ihre bisherige Tätigkeit und führt näher aus, weshalb sie ein Einfuhrkontingent verlangt.
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Das Departement des Innern beantragt die Abweisung der Beschwerde.
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Der Schweizerische Lichtspieltheater-Verband und die Association Cinématographique Suisse Romande stellen als Beigeladene den Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an das Departement des Innern zurückzuweisen. Sie bezweifeln, dass nach der gesetzlichen Ordnung ein Kontingent für eine bloss nebenberufliche Verleihtätigkeit erteilt werden dürfe, und machen geltend, der Sachverhalt sei nicht genügend abgeklärt.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
Der Schweizerische Filmverleiher-Verband ist ein "Berufsverband des Filmwesens" und daher nach ausdrücklicher Gesetzesvorschrift (Art. 17 Abs. 2 Filmgesetz) zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt. Auf seine Beschwerde ist einzutreten.
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2. Nach Art. 11 des Filmgesetzes wird die Einfuhr von Spielfilmen - entsprechend einer seit 1938 bestehenden Ordnung - durch die Zuteilung von Kontingenten geregelt. "Neue Kontingente sind in einem betriebswirtschaftlich genügenden Umfange an Gesuchsteller zuzuteilen, deren persönliche Verhältnisse einen kulturell und wirtschaftlich gesunden und vom Ausland unabhängigen Verleihbetrieb gewährleisten" (Art. 12 Abs. 4). |
Die Teleproduction möchte die Herstellung von Filmen als hauptsächlichen Geschäftszweig beibehalten und den Filmverleih, für den sie ein Einfuhrkontingent beansprucht, bloss nebenbei betreiben. Die Verbände des Kinogewerbes bezweifeln, dass in einem solchen Fall die Erteilung eines Kontingentes nach dem Gesetz überhaupt in Betracht komme. Sie berufen sich auf W. BIRCHMEIER, der die Auffassung vertritt, dass Bewerber, die den Verleih bloss nebenberuflich betreiben möchten, kein Kontingent erhalten können (Kommentar zum Filmgesetz, 1964, S. 71 f.).
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Nach dem Wortlaut des Art. 12 Abs. 4 des Gesetzes - "in einem betriebswirtschaftlich genügenden Umfange", "suffisants pour assurer l'activité normale d'une entreprise commerciale", "bastevoli all'esercizio normale di un'impresa" - kann freilich angenommen werden, dass die Verfasser in erster Linie an Unternehmen gedacht haben, für die das Verleihgeschäft die eigentliche, hauptsächliche Existenzgrundlage bilden soll. Es besteht jedoch kein sachlicher Grund, aus dem Gesetzestext abzuleiten, dass Kontingente für eine bloss nebenberufliche Verleihtätigkeit ausgeschlossen sind. Die im Gesetz angeordnete Kontingentierung der Spielfilmeinfuhr dient dem kultur- und staatspolitischen Zweck, die Unabhängigkeit des schweizerischen Filmverleihs gegenüber dem Ausland zu erhalten (Art. 9 Abs. 1 Filmgesetz; Botschaft des Bundesrates vom 28. November 1961, BBl 1961 II S. 1029 ff., insbesondere S. 1048 ff.; BIRCHMEIER S. 67). Dieser Zweck erfordert nicht, dass die Zuteilung von Kontingenten auf Unternehmen beschränkt wird, die sich ausschliesslich oder vorwiegend mit dem Filmverleih befassen wollen. Wenn der Gesetzgeber gleichwohl eine solche Begrenzung hätte einführen wollen, hätte er sie ausdrücklich anordnen müssen. Das ist nicht geschehen.
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Im Entwurf des Bundesrates war bloss vorgesehen, dass "neue Kontingente nur an solche Verleiher erteilt werden dürfen, die den Nachweis erbringen, dass ihr Betrieb in jeder Hinsicht von ausländischen Einflüssen unabhängig ist" (BBl 1961 II S. 1068). Mit der dann vom Parlament beschlossenen neuen Fassung wurde ein eigentlicher Anspruch des Bewerbers, der bestimmte Voraussetzungen erfüllt, auf ein betriebswirtschaftlich genügendes Kontingent geschaffen. Damit sollte ein übermässiger Einfluss der bestehenden Verleihfirmen verhindert und die Befürchtung, dass der Bewilligungspraxis eine verkappte "Bedürfnisklausel" zugrunde gelegt werden könnte, beseitigt werden (StenBull 1962 NR S. 418 ff., StR S. 236). Der Ausschluss von Bewerbern, welche die Verleihtätigkeit bloss nebenberuflich ausüben wollen, stand dagegen nicht zur Diskussion. Aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Kontingentsordnung, insbesondere des Art. 12 Abs. 4 des Gesetzes, und aus der Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung muss somit der Schluss gezogen werden, dass ein neues Einfuhrkontingent (in einem betriebswirtschaftlich genügenden Umfange) auch einem Gesuchsteller, der den Filmverleih nur als Nebenzweig seines Unternehmens betreiben will, zu erteilen ist, sofern die persönlichen Verhältnisse des Bewerbers einen kulturell und wirtschaftlich gesunden und vom Ausland unabhängigen Verleihbetrieb gewährleisten. |
Dieser Auslegung des Gesetzes steht auch Art. 1 lit. h der Vollziehungsverordnung II des Bundesrates vom 28. Dezember 1962 nicht entgegen. Nach dieser Bestimmung gelten als Verleiher "die juristischen Personen, Personengesellschaften oder natürlichen Personen, die Filme gewerbsmässig einführen, um sie in der Schweiz zu verleihen". Abgesehen davon, dass eine Verordnungsvorschrift, welche die Erteilung neuer Kontingente für bloss nebenberufliche Verleihbetriebe ausschliessen würde, der gesetzlichen Grundlage bedürfte, lässt sich dem Wortlaut von Art. 1 lit. h VV II ein solcher Ausschluss gar nicht entnehmen. Denn das "gewerbsmässige" Einführen und Verleihen braucht nicht der Hauptzweig eines Erwerbsunternehmens zu sein; auch eine Tätigkeit, die im Rahmen eines Betriebs von untergeordneter Bedeutung ist, aber zu Erwerbszwecken ausgeübt wird, ist als gewerbsmässig anzusehen. In diesem mit dem allgemeinen Sprachgebrauch übereinstimmenden Sinne wird der Begriff der Gewerbsmässigkeit nach ständiger Rechtsprechung im Strafrecht (BGE 79 IV 12) und im Wehrsteuerrecht (BGE 92 I 122, BGE 93 I 288) verwendet. Auch in der Regelung der Filmeinfuhr hat er keine engere Bedeutung; er umfasst hier jeden (haupt- oder nebenberuflichen) der kommerziellen Auswertung dienenden Import von Filmen.
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3. Der Beschwerdeführer und die Verbände des Kinogewerbes rügen, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse der Teleproduction nicht genügend abgeklärt worden seien. Indessen steht fest, dass die Gesuchstellerin schon seit vielen Jahren Spielfilme produziert und ihren Betrieb stets aufrechterhalten konnte, obwohl - was nicht bestritten ist - die Auswertung einiger von ihr hergestellter Streifen zu Misserfolgen geführt hat. Der Beschwerdeführer anerkennt denn auch, dass "die Teleproduction ihren Inhabern eine angemessene Existenz zu bieten scheint". Niemand behauptet, dass der Produktionsbetrieb der Gesuchstellerin wirtschaftlich vom Ausland abhängig sei. Es handelt sich um ein unabhängiges schweizerisches Unternehmen unter einheimischer Leitung. Es darf auch angenommen werden, dass seine Leiter die für die Führung eines Verleihbetriebes erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen besitzen; denn sie konnten sich bei der Auswertung ihrer Eigenproduktionen Einblick in die Gegebenheiten und die Technik des Filmverleihs verschaffen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass sie beabsichtigen, die Herstellung von Filmen als hauptsächlichen Geschäftszweig beizubehalten und sich nur nebenbei, in einem bescheidenen Umfange und zur Sicherung des guten Ganges des Produktionsbetriebes, mit dem Verleih zu befassen. Unter diesen Umständen konnte das Departement des Innern davon absehen, die finanzielle Situation der Teleproduction näher zu überprüfen. Was über die bisherige Tätigkeit des Unternehmens bekannt ist, erlaubt den Schluss, dass die persönlichen Verhältnisse der Gesuchstellerin und ihrer Leiter einen wirtschaftlich gesunden und von finanziellen Einflüssen des Auslandes unabhängigen Betrieb des kleinen Verleihgeschäfts, das dem bestehenden Produktionsbetrieb angegliedert werden soll, genügend gewährleisten. |
Wieweit die Erwartungen der Gesuchstellerin - z.B. hinsichtlich der Möglichkeiten des Austausches mit ausländischen Firmen und der internationalen Coproduktion - begründet sind, ist allerdings ungewiss; doch kann daraus nicht geschlossen werden, dass ihr Vorhaben von vornherein aussichtslos sei, in einer wirtschaftlich gesunden Weise überhaupt nicht ausgeführt werden könne. Es wäre verfehlt, aus Art. 12 Abs. 4 des Filmgesetzes abzuleiten, Voraussetzung für die Bewilligung eines neuen Einfuhrkontingentes sei eine aussergewöhnliche, Risiken auf ein Mindestmass beschränkende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Gesuchstellers. Gerade der Verleih kulturell wertvoller Filme, der nach dem Gesetz gefördert werden soll, ist vielfach mit besonderen geschäftlichen Risiken verbunden, die der Verleiher mittelmässiger, aber leicht verwertbarer Streifen im allgemeinen nicht auf sich nehmen muss. Es ist nicht der Sinn des Gesetzes, dass eine kulturpolitisch erwünschte Verleihtätigkeit wegen solcher Risiken ausgeschlossen sein soll. |
Der Beschwerdeführer und die Verbände der Kinobesitzer weisen darauf hin, dass das unabhängige schweizerische Verleihgewerbe bereits übersetzt sei und mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen habe. Indessen bezweckt die Kontingentierung der Filmeinfuhr nicht den Schutz der bestehenden Verleihbetriebe vor der Konkurrenz neuer solcher Betriebe (BBl 1961 II S. 1049). Die Bewilligungsbehörde hat darauf zu achten, dass keine Monopole entstehen, die den öffentlichen Interessen zuwiderlaufen (Art. 12 Abs. 3 Filmgesetz). Übrigens ist nicht anzunehmen, dass infolge der Gutheissung des Gesuches der Teleproduction die Interessen der bestehenden schweizerischen Verleihbetriebe ernstlich beeinträchtigt werden könnten; denn das streitige Kontingent von vier Einheiten ist im Verhältnis zur Gesamtheit der für das Jahr 1970 zugeteilten Kontingente (nach Feststellung des Departements des Innern: 579 Einheiten) sehr gering. Die Schwierigkeiten, denen sich das unabhängige schweizerische Verleihgewerbe gegenübersieht, ständen der Erteilung des umstrittenen Kontingentes nur dann entgegen, wenn sie so gross wären, dass sie der Teleproduction verunmöglichen würden, den geplanten kleinen Verleihbetrieb in einer wirtschaftlich gesunden Weise zu führen. Es bestehen jedoch keine schlüssigen Indizien dafür, dass es sich so verhält.
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Ob die von der Teleproduction in Aussicht genommenen Tauschgeschäfte mit ausländischen Firmen sich allenfalls ohne eigenes Einfuhrkontingent unter Mitwirkung einer bestehenden Verleihfirma durchführen liessen, ist nicht zu prüfen. Das Gesetz lässt die Erteilung neuer Kontingente nicht nur dann zu, wenn die bereits vorhandenen Verleihunternehmen den Bedürfnissen nicht gerecht werden können. Es stellt nicht darauf ab, ob aus der Sicht der bestehenden Verleihfirmen ein Bedürfnis für die Zulassung eines neuen Verleihbetriebes bestehe.
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4. Es steht fest und ist auch nicht bestritten, dass die Teleproduction Spielfilme von hohem kulturellem Rang herstellt. Die Leiter der Gesellschaft haben sich offensichtlich immer wieder bemüht, künstlerisch und erzieherisch wertvolle Erzeugnisse zu schaffen. Verschiedene ihrer Produktionen sind vom Departement des Innern und von anderer Seite ausgezeichnet worden. Nichts lässt darauf schliessen, dass die Teleproduction je ungünstigen kulturellen Einflüssen des Auslandes erlegen ist. Die persönlichen Verhältnisse und die bisherige Tätigkeit der Leiter rechtfertigen die Annahme, dass diese imstande und gewillt sind, auch das Verleihgeschäft, das sie im Zusammenhang mit der Eigenproduktion aufnehmen möchten, in kultureller Beziehung einwandfrei und unabhängig vom Ausland zu betreiben. Aus den Akten ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass ein den kultur- und staatspolitischen Zielen des Filmgesetzes zuwiderlaufender, unerwünschter Verleihbetrieb zu befürchten ist. |
Die in Art. 12 Abs. 4 des Filmgesetzes umschriebenen Voraussetzungen sind somit im vorliegenden Fall erfüllt.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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