BGE 97 I 91 |
16. Urteil vom 19. Februar 1971 i.S. Montim Verwaltungsgesellschaft, Helene Wili-Franck und Dellanonna Stiftung gegen Eidg. Bankenkommission. |
Regeste |
Ausstandspflicht im Verwaltungsverfahren. |
Sachverhalt |
A.- Mit Verfügung vom 4. März 1970 stellte die Eidg. Bankenkommission, Kammer für Anlagefonds, (EBK) fest, dass die Montim Verwaltungsgesellschaft den gesetzlichen Anforderungen nicht genüge, da sie ihre eigenen Mittel nicht innert gesetzlicher Frist dem AFG angepasst habe. Sie verweigerte ihr daher die nachgesuchte Bewilligung zur Fondsleitung. Die Verfügung ist von einem Mitglied der EBK sowie von Sekretär N. unterzeichnet. |
B.- Gegen diesen Entscheid haben sowohl die Fondsleitung (Beschwerdeführerin 1) als auch zwei Anleger (Beschwerdeführerinnen 2 und 3) rechtzeitig Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Die Beschwerdeführerinnen 2 und 3 beantragen die Aufhebung der angefochtenen Verfügung unter Feststellung, dass das AFG auf die Montreal Immobil Serien I-IV bzw. auf die Montim Verwaltungsgesellschaft nicht anwendbar sei, eventuell die Rückweisung an die Vorinstanz mit der Weisung, die nachgesuchte Bewilligung zu erteilen, subeventuell die Rückweisung zur Neubeurteilung unter Ausschluss von Sekretär N. Sie rügen zur Begründung des Subeventualantrages, dass die Begründung des Entscheides der EBK "tendenziös" abgefasst sei. Offensichtlich habe ihn Sekretär N. redigiert, der früher als Journalist für die Zeitung "Finanz und Wirtschaft" gearbeitet und in dieser Eigenschaft negative Artikel über die Montreal Immobil und die Beschwerdeführerin 1 verfasst habe. Es seien deshalb "schwerste Bedenken bezüglich der Unbefangenheit und Objektivität der Vorinstanz" am Platze. |
C.- Die EBK beantragt Abweisung der beiden Beschwerden. Zur Rüge der Befangenheit hält sie fest, bei Sekretär N., der mit beratender Stimme an der Beschlussfassung mitgewirkt habe, liege kein Ausstandsgrund im Sinne von Art. 10 VwG vor. N. gebe zu, Einsender einer Publikation in der Nationalzeitung vom 5. Oktober 1965 und Mitverfasser eines Artikels in "Finanz und Wirtschaft" vom 25. Juni 1966 gewesen zu sein. Beide nähmen wohl Bezug auf die Montim Verwaltungsgesellschaft und die von ihr verwalteten Sondervermögen; die Stellungnahmen seien jedoch vor seiner Wahl zum Sekretär der Bankenkommission erfolgt. Sie könnten keine Befangenheit im Sinne von Art. 10 VwG begründen.
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D.- Der "Brief an die Nationalzeitung" (erschienen in der Ausgabe vom 5. Oktober 1965), als dessen Verfasser sich N. auch vor Schranken bekannte, hat folgenden Wortlaut:
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",Montim'
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Sie haben recht, wenn Sie immer wieder auf die noch nicht abgeklärte Montim-Affäre hinweisen. 1958 wurden die Zertifikate auf der Basis von 2 Dollar pro Quadratmeter Land ausgegeben. Diese Grundstücke wurden von den Gründern der Montim zu einem Zeitpunkt erworben, als für derartige Parzellen durchschnittlich zwischen 55 und 75 Cents pro Quadratmeter bezahlt wurden. Offensichtlich rechneten die Initianten mit einem raschen Wertanstieg, der den Zertifikatsinhabern beim Verkauf der Grundstücke trotz des überbezahlten Emissionspreises einen Gewinn gelassen hätte. Wäre diese Spekulation geglückt, hätte kein Hahn nach dem Zwischengewinn der Fondsleitung gekräht. |
In meinen Augen besteht starker Verdacht, dass bei der Emission seinerzeit nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Ich wollte daher vor einem Jahr eine Strafanzeige einreichen, damit von Amtes wegen die Sache abgeklärt werde. Die Schweizerische Bankiervereinigung legte mir jedoch nahe, davon abzusehen, ansonst sie sich gegen mich wenden müsse; die delikaten Verhandlungen könnten nicht durch Dritte gestört werden. Seither hat man allerdings herzlich wenig davon gehört, dass sich die Bankiervereinigung bemühen werde, die Sache abzuklären und Schuldige festzustellen. Ich wünsche Herrn Dr. Graner, dass er mit seinen Bemühungen mehr Erfolg haben wird. Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, was hier in welche Taschen geflossen ist".
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
Die Beschwerdeführerinnen 2 und 3 rügen, der Sekretär der EBK, der bei der Beschlussfassung mit beratender Stimme mitgewirkt habe, sei befangen gewesen; deshalb müsse der angefochtene Beschluss aufgehoben werden. Zu dieser Rüge sind sie legitimiert, denn sie haben ein schutzwürdiges Interesse daran, dass die EBK in gesetzlicher Besetzung über das Gesuch der Montim Verwaltungsgesellschaft berate und beschliesse.
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2. Nach Art. 10 Abs. 1 VwG haben Personen, die eine Verfügung zu treffen oder diese vorzubereiten haben, in den Ausstand zu treten, wenn sie in der Sache ein persönliches Interesse haben (lit. a), mit einer Partei verwandt oder verschwägert oder durch Ehe, Verlobung oder Kindesannahme verbunden sind (lit. b), Vertreter einer Partei sind oder für eine Partei in der gleichen Sache tätig waren (lit. c) oder aus anderen Gründen in der Sache befangen sein könnten (lit. d). Diese Bestimmungen gelten auch für das Verfahren vor der EBK (Art. 1 Abs. 2 lit. d VwG). Dabei bezieht sich die Ausstandspflicht nicht nur auf die Beschlussfassung, sondern auch auf die Beratung (IMBODEN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 3. Aufl. Bd. II, No. 624 II, S. 649). Das Misstrauen in die Unparteilichkeit muss objektiv, durch vernünftige Gründe gerechtfertigt sein; es genügt nicht, dass eine Partei einen Beamten als befangen empfindet (BGE 92 I 276). |
Das ist der Fall. Soweit N. in den von den Beschwerdeführerinnen 2 und 3 ins Recht gelegten Zeitungsartikeln die "verhängnisvolle Verfilzung" rügt, die darin bestand, dass Prof. Wili gleichzeitig Vizepräsident der Fondsleitung und Präsident der Depotbank war, und er die Einberufung von Zertifikats-Inhaber-Versammlungen kritisiert, erscheinen die Äusserungen ihrem Inhalt nach als sachliche Auseinandersetzung; dies umso mehr, als sie sich auf eine Mehrzahl von Anlagefonds beziehen, bei denen Verluste entstanden. Das selbe lässt sich jedoch vom "Brief an die NZ", der am 5. Oktober 1965 erschienen ist, nicht behaupten. Es ist dabei gänzlich unerheblich, dass N. damals durchaus berechtigt gewesen wäre, Strafanzeige zu erstatten. Auch hat das Bundesgericht nicht zu prüfen, ob die in diesem Leserbrief gemachten Äusserungen sachlich gerechtfertigt waren. Einzig die Tatsache, dass N., wenn auch noch vor seiner Wahl zum Sekretär der EBK, willens war, gegen die Montim Verwaltungsgesellschaft ein Strafverfahren einzuleiten, zeigt, dass er damals in dieser Sache ein Werturteil gefällt hat. Das rechtfertigt heute noch objektiv ein Misstrauen in die Unparteilichkeit seiner Person bezüglich der vorliegenden Streitsache. Es ist daher nicht vollends auszuschliessen, dass der Sekretär der EBK eine vorgefasste Meinung hatte, welche geeignet sein konnte, seine der EBK in der vorliegenden Streitsache unterbreiteten Anträge zu beeinflussen.
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Da hinsichtlich der Ausstandspflicht nach Art. 10 Abs. 1 lit. d VwG nicht die Frage entscheidend ist, ob der Sekretär der EBK bei seiner Mitwirkung am Zustandekommen des angefochtenen Beschlusses tatsächlich befangen war, sondern nur, ob er es hätte sein können, und dies bejaht werden muss, dringt der gegen die Vorinstanz erhobene Vorwurf der Verletzung der Ausstandspflicht durch. Die ratio legis des Art. 10 Abs. 1 lit. d VwG geht nämlich dahin, das Vertrauen der Rechtsuchenden in eine integre Verwaltungsrechtspflege zu schützen, einen sachlich richtigen Entscheid zu gewährleisten und deshalb, unbekümmert um die allenfalls persönliche Unabhängigkeit des betreffenden Beamten, schon die blosse Gefahr der Befangenheit einer Entscheidbehörde zu vermeiden (BGE 92 I 277). |
4. Liegt demnach eine fehlerhafte Besetzung der EBK vor, ist der angefochtene Beschluss wegen formeller Rechtsverweigerung aufzuheben (Urteil vom 21. September 1966 in ZBl 68/1967, S. 55; GRISEL, Droit administratif, S. 205). Dies führt einerseits zur Gutheissung der Beschwerde der Helene Wili-Franck und der Dellanonna Stiftung. Anderseits wird damit die Beschwerde der Montim Verwaltungsgesellschaft gegenstandslos, weshalb sie am Geschäftsverzeichnis abzuschreiben ist.
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