BGE 97 I 472 |
63. Urteil vom 9. Juli 1971 i.S. Käsereigenossenschaft Stettfurt und Kaspar gegen Herzog, Mettler und Rietmann sowie Eidg. Volkswirtschaftsdepartement. |
Regeste |
Milchstatut: Wechsel einer Milchsammelstelle. |
2. Unter welchen Voraussetzungen ist das Gesuch eines Milchproduzenten um Wechsel von der angestammten zu einer anderen Milchsammelstelle begründet? |
Sachverhalt |
A.- Die Milchproduzenten Rietmann, Herzog und Mettler stellten anfangs November 1968 beim Thurgauischen Milchproduzentenverband das Gesuch, ihre Milch statt in die Sammelstelle Stettfurt künftig in die Sammelstelle Thundorf liefern zu dürfen.
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Die Käsereigenossenschaft Thundorf und deren Milchkäufer stimmten dem Gesuche zu, während die Käsereigenossenschaft und der Milchkäufer von Stettfurt sich dagegen aussprachen. Gestützt auf Art. 5 Abs. 4 und 9 MB entschied die Abteilung für Landwirtschaft des Eidg. Volkswirtschaftsdepartements am 20. November 1969, dem Gesuch zu entsprechen und die Betriebe der drei Gesuchsteller dem Einzugsgebiet der Käsereigenossenschaft Thundorfzuzuteilen. Diesen Entscheid bestätigte das Eidg. Volkswirtschaftsdepartement (EVD) auf Beschwerde der Käsereigenossenschaft Stettfurt und des Milchkäufers Kaspar am 24. April 1970. |
B.- Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen die Käsereigenossenschaft Stettfurt und deren Milchkäufer, in Aufhebung eventuell Abänderung des Entscheides des EVD, das Gesuch der drei Milchproduzenten um Wechsel der Milchsammelstelle abzuweisen, eventuell den Sammelstellenwechsel nur unter der Bedingung zu bewilligen, dass die Gesuchsteller und/oder die Käsereigenossenschaft Thundorf ihnen eine angemessene Entschädigung bis zu Fr. 100 000.-- leisteten. Subeventuell seien die Begünstigten zur Leistung dieser Entschädigung direkt zu verpflichten.
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C.- Die Beschwerdeführer haben wegen Zweifeln an der Zuständigkeit des Bundesgerichts gegen den Entscheid des EVD gleichzeitig Verwaltungsbeschwerde beim Bundesrat erhoben. Im Meinungsaustausch mit dem Bundesrat hat sich das Bundesgericht als zur Beurteilung des Falles zuständig erklärt.
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D.- Das EVD und die Beschwerdegegner beantragen Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
1. Gegenstand der Anfechtung ist ein Beschwerdeentscheid des EVD. Die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beurteilt sich nach Art. 97 ff. OG in der Fassung vom 20. Dezember 1968. Nach Art. 97 OG können mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde Verfügungen im Sinne von Art. 5 VwG angefochten werden. Dazu zählen u.a. Beschwerdeentscheide im Verwaltungsverfahren (Art. 5 Abs. 2 VwG). Als Verfügung eines Departements des Bundesrates ist der angefochtene Beschwerdeentscheid des EVD nach Art. 98 lit. b OG grundsätzlich mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar. Keine der in Art. 99 bis 102 OG aufgezählten Ausnahmen trifft auf den vorliegenden Fall zu. Insbesondere würde Art. 99 lit. d OG, selbst wenn es hier um den Inhalt einer Konzession der Käsereigenossenschaft Stettfurt zur Führung der Sammelstelle ginge, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ausschliessen, sieht doch Art. 101 lit. d OG ausdrücklich vor, sie sei zulässig gegen den Widerruf begünstigender Verfügungen im Sinne von Art. 99 lit. c bis f OG. Die von den Beschwerdeführern angerufenen Art. 107 und 108 LWG vermögen gegenüber den ihnen vorgehenden revidierten Bestimmungen des OG keine zusätzlichen Schranken für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde aufzurichten. Hat das zur Folge, dass heute die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch in Fällen zulässig ist, in denen sie nach den zitierten Bestimmungen ausgeschlossen war, so entspricht dies nur dem Zweck der Revision des OG vom 20. Dezember 1968, der ja im Ausbau der Verwaltungsrechtspflege im Bunde lag (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 24. September 1965, BBl 1965 II 1265). |
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde, die im übrigen ordnungsgemäss eingebracht wurde, ist somit zulässig.
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a) Der Hüttenweg der Beschwerdegegner Mettler und Rietmann von Köll nach Stettfurt misst nach der eidgenössischen Landeskarte 1,6 km, jener des Beschwerdegegners Herzog vom Staudenhof nach Stettfurt 2 km. Die Wegdistanz zur Käserei Thundorf beträgt demgegenüber von Köll her 2 km und vom Staudenhof her 2,5 km. Unbestritten ist, dass der Weg aller drei Beschwerdegegner nach Thundorf keine nennenswerte Höhendifferenz aufweist, während nach Stettfurt ein Höhenunterschied von rund 80 m zu überwinden ist.
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b) Im Laufe des Beschwerdeverfahrens haben sich die Milchverwertungsmöglichkeiten in Stettfurt wesentlich geändert. Seit Oktober 1969 wird dort keine Milch mehr zentrifugiert, während noch im Milchjahr 1968/69 vom gesamten Milcheingang von 1 327 091 kg 313 194 kg zentrifugiert worden sind. Dank einem im Frühjahr 1970 eingerichteten transportablen vierten Mietkessi konnte auch in den Sommermonaten die zu verwertende Milch gesamthaft zu Käse verarbeitet werden. Die Verwertungsverhältnisse in der Sammelstelle Stettfurt können deshalb insoweit jenen in der Sammelstelle Thundorf gleichgestellt werden, als an beiden Orten die gesamte zu verwertende Milch zu Käse verarbeitet werden kann. |
Als Novum ist zudem zu berücksichtigen, dass die Mengen der eingelieferten Milch in Stettfurt wegen Betriebsumstellungen und Wechsel der Sammelstelle abgenommen haben.
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Die Beschwerdeführer gehen somit fehl, wenn sie meinen, es müsse vor allem das Interesse der Käsereigenossenschaft Stettfurt an der Erhaltung der Zahl ihrer Milchlieferanten beachtet werden. Zwar gewährt der Milchbeschluss der angestammten Sammelstelle dadurch einen gewissen Schutz vor Konkurrenz, dass der Sammelstellenwechsel nur auf Gesuch hin und bei Uneinigkeit unter den Beteiligten nur bei Vorliegen wesentlicher Gründe bewilligt werden darf und ausserdem den Produzenten verboten ist, im eigenen Betrieb über ihren Selbstbedarf hinaus Milch zu verarbeiten. Der Gedanke einer Garantie des Lieferantenbestandes ist ihm aber fremd. Abgesehen davon, dass er keine Handhabe bietet, Milchproduzenten daran zu hindern, ihre Produktion zu verringern oder gar einzustellen, lässt er es sogar zu, eine Sammelstelle als solche aufzuheben (BGE 89 I 335). |
Anders verhält es sich mit den Verwertungsverhältnissen in den beiden in Frage stehenden Sammelstellen. Zwar kann nun sowohl in Thundorf als auch in Stettfurt,wie erwähnt, sämtliche zur Verwertung anfallende Milch zu Käse verarbeitet werden. In Stettfurt ist dies jedoch nur möglich, weil neben den zwei ursprünglichen Kessi zwei Mietkessi. eingerichtet wurden. Sollen diese beiden zusätzlichen Kessi der Eigenplanvariante der Käsereigenossenschaft Stettfurt entsprechend endgültig Bestandteil des Betriebes Stettfurt werden, so sind unbestrittenermassen weitere finanzielle Mittel zur Erneuerung und zum Umbau der Käserei notwendig. Die Beschwerdeführer anerkennen, dass die Höhe dieser Mittel zu einem beachtlichen Teil vom eingehenden Milchquantum abhängig ist. Mit anderen Worten ist der zukünftige Aufwand höher, wenn die Sammelstelle Stettfurt ihrer Planung eine endgültige Erweiterung des Betriebes auf vier Kessi zu Grunde legt, als wenn sie sich auf eine blosse Renovation des Betriebes mit zwei Kessi beschränkt.
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In Thundorf besteht demgegenüber seit März 1969 eine moderne, leistungsfähige Käserei, deren Kapazitätsreserve es erlaubt, ohne jeden finanziellen Mehraufwand auch die Milch der Beschwerdegegner zu Käse zu verarbeiten. Bei Umteilung der Beschwerdegegner nach Thundorfkönnen somit die dortigen Anlagen besser ausgenützt werden. Ausserdem erübrigt sich in diesem Falle die Gewährung von Investitionskrediten an die Sammelstelle Stettfurt. Daraus folgt aber, dass die Milch der Beschwerdegegner zweckmässiger und kostensparender verwertet werden kann, wenn sie nach Thundorf geliefert wird, als wenn sie weiterhin der Sammelstelle Stettfurt zugeht. Die Sammelstelle Stettfurt bietet mit ihrer provisorischen Lösung geringere Gewähr für eine dauerhaft günstige Milchverwertung. Zu Recht hat somit das EVD die Bewilligung der Umteilungsgesuche bestätigt. |
Ob tatsächlich persönliche Motive den Ausschlag zum Umteilungsgesuch der drei Beschwerdegegner gegeben haben, ist hier unerheblich. Persönliche Motive sind, wie bereits ausgeführt, beim Entscheid über Umteilungsgesuche nicht zu berücksichtigen, und zwar weder im Sinne der Gutheissung noch im Sinne der Abweisung.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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