Urteilskopf
129 I 366
33. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. Schäppi und Mitb. gegen Regierungsrat und Kantonsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
1P.223/2003 vom 27. August 2003
Regeste
Änderung der Zürcher Kantonsverfassung betreffend Neuordnung des Verhältnisses zwischen Kirchen und Staat, Einheit der Materie;
Art. 34 Abs. 2 BV.
Grundsatz der Einheit der Materie: Grundlage, Anwendungsbereich, Bedeutung (E. 2).
Neuordnung des Verhältnisses zwischen Kirchen und Staat (E. 3).
Die Verfassungsänderung enthält unterschiedliche Teile, bildet indessen eine grundsätzliche Gesamtvorlage zur Neuordnung des Verhältnisses zwischen Kirchen und Staat und wahrt den Grundsatz der Einheit der Materie (E. 4).
Mit der Änderung der Staatsverfassung des Kantons Zürich (SR 131.211) vom 7. Juli 1963 wurde das Verhältnis zwischen Kirchen und Staat neu geordnet. Insbesondere wurden die Glaubens-, Gewissens- und Kultusfreiheit garantiert, drei Religionsgemeinschaften als öffentlichrechtliche Körperschaften anerkannt, deren Stellung umschrieben, die sog. historischen Rechtstitel gewahrt und für die öffentlichrechtlich nicht anerkannten Religionsgemeinschaften die Bestimmungen des Privatrechts als massgeblich erklärt (Art. 64; BBl 1963 II 487 und 852). Im gleichen zeitlichen Zusammenhang wurden das Gesetz über die evangelisch-reformierte Landeskirche und das Gesetz über das römisch-katholische Kirchenwesen erlassen. - In der Folge blieben mehrere Fragenkomplexe zum Verhältnis zwischen Kirchen und Staat kontrovers. Über zwei kantonale, 1977 und 1995 abgelehnte Initiativen auf Trennung von Staat und Kirche hinaus gaben zu Diskussionen Anlass die Fragen der Ablösung der sog. historischen Rechtstitel, der Kirchensteuer (für juristische Personen und Kollektivgesellschaften), der öffentlichrechtlichen Anerkennung von weiteren Religionsgemeinschaften, der Organisationsautonomie der öffentlichrechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften sowie des Stimmrechts von Ausländern.
Am 31. März 2003 beschloss der Kantonsrat des Kantons Zürich eine grundlegende Neugestaltung der Stellung von Religionsgemeinschaften. Zum einen verabschiedete er eine Änderung der Kantonsverfassung zur Neuregelung des Verhältnisses zwischen Kirchen und Staat, gestützt darauf zum andern das Kirchengesetz und das Gesetz über die Anerkennung von Religionsgemeinschaften (Anerkennungsgesetz). Die Änderung der Kantonsverfassung vom 31. März 2003 (im Folgenden: nKV) hat, soweit im vorliegenden Fall von Bedeutung, folgenden Wortlaut:
Art. 16
3 Die kirchlichen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie die weiteren, als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannten Religionsgemeinschaften regeln das Stimm- und Wahlrecht ihrer Mitglieder unter Wahrung der rechtsstaatlichen Anforderungen selbst.
Art. 47
4 Die Zuständigkeit zur Neubildung, Vereinigung oder Auflösung von Kirchgemeinden kann durch die Gesetzgebung den kirchlichen Körperschaften übertragen werden.
Art. 64
1 Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet.
2 Religionsgemeinschaften können staatlich anerkannt werden.
3 Durch die Anerkennung werden die Religionsgemeinschaften zu Körperschaften des öffentlichen Rechts oder erlangen andere Rechte. Das Gesetz regelt die Voraussetzungen, Formen und Wirkungen der Anerkennung.
4 Die evangelisch-reformierte Kirche, die römisch-katholische Kirche und die christkatholische Kirche sind staatlich anerkannt. Die evangelisch-reformierte Landeskirche und ihre Kirchgemeinden, die römisch-katholische Körperschaft und ihre Kirchgemeinden sowie die christ-katholische Kirchgemeinde sind Körperschaften des öffentlichen Rechts.
5 Die kirchlichen Körperschaften des öffentlichen Rechts sind im Rahmen des kantonalen Rechts autonom. Die Gesetzgebung regelt die Grundzüge ihrer Organisation, ihre Kompetenz zur Besteuerung der natürlichen und juristischen Personen sowie die staatlichen Beiträge. Die Oberaufsicht des Staates bleibt vorbehalten.
6 Die Stimmberechtigten der Kirchgemeinden wählen ihre Pfarrerinnen beziehungsweise Pfarrer auf Amtsdauer.
Gemäss dem Antrag des Regierungsrates zur Verfassungsänderung soll mit der angestrebten Neuordnung des Verhältnisses zwischen Kirchen und Staat eine erhöhte Autonomie der Kirchen erreicht werden, was Änderungen vor allem in den Bereichen des Stimmrechts sowie der strukturellen und organisatorischen Zuständigkeiten bedinge. Ferner werde die staatliche Finanzierung kirchlicher Tätigkeiten auf eine neue Grundlage gestellt werden und sollen die Bestimmungen über die historischen Rechtstitel aufgehoben und das Recht der Kirchen zur Erhebung von Kirchensteuern für juristische Personen in der Verfassung verankert werden. Schliesslich sollen die drei genannten Religionsgemeinschaften als öffentlichrechtliche Körperschaften mit weitgehender Autonomie anerkannt werden und die verfassungsrechtliche Grundlage für ein Gesetz zur Anerkennung weiterer Religionsgemeinschaften geschaffen werden. - Anlässlich der Beratungen der Vorlage im Kantonsrat wurde u.a. die Frage einer allfälligen Aufteilung der Verfassungsvorlage in zwei Teile diskutiert, entsprechende Anträge wurden indessen abgelehnt und die Änderung der Kantonsverfassung als eine einheitliche Vorlage verabschiedet.
Peter Schäppi und weitere Stimmbürger und Stimmbürgerinnen haben beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde nach
Art. 85 lit. a OG erhoben und wegen Missachtung des Grundsatzes der Einheit der Materie eine Verletzung der Abstimmungsfreiheit gemäss
Art. 34 Abs. 2 BV gerügt. Sie machen im Wesentlichen geltend, die Zusammenfassung der Entflechtung des Verhältnisses zwischen Kirchen und Staat
BGE 129 I 366 S. 369
einerseits und der Anerkennung weiterer Religionsgemeinschaften anderseits verunmögliche eine freie Willenskundgabe.
Das Bundesgericht weist die Stimmrechtsbeschwerde ab.
Aus den Erwägungen:
2. Die Beschwerdeführer machen mit ihrer Stimmrechtsbeschwerde geltend, die vom Kantonsrat beschlossene Verfassungsänderung missachte den Grundsatz der Einheit der Materie und dürfe daher nicht in dieser Form der Volksabstimmung unterbreitet werden.
2.1 Der Grundsatz der Einheit der Materie ist im zürcherischen Recht nur hinsichtlich der Volksinitiative ausdrücklich verankert; nach § 4 Abs. 1 Ziff. 4 des Initiativgesetzes sind Volksinitiativen ungültig, welche Begehren verschiedener Art enthalten, die keinen inneren Zusammenhang aufweisen, es sei denn, es handle sich um eine Initiative auf Gesamtrevision der Kantonsverfassung.
Der Grundsatz der Einheit der Materie gilt indessen generell auch von Bundesrechts wegen. Das unter der Herrschaft der alten Bundesverfassung als ungeschriebenes Verfassungsrecht gewährleistete Stimm- und Wahlrecht räumte dem Bürger allgemein den Anspruch ein, dass kein Abstimmungs- oder Wahlergebnis anerkannt wird, das nicht den freien Willen der Stimmberechtigten zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt (vgl.
BGE 121 I 138 E. 3 S. 141, mit Hinweisen auf die Entwicklung der Wahl- und Abstimmungsfreiheit). Daraus wurde seit 1964 u.a. der Grundsatz der Einheit der Materie abgeleitet: Im Falle eines Finanzreferendums erkannte das Bundesgericht, dass Kredite für Schulhaus- und Spitalbauten nicht zu einem einzigen Abstimmungsgegenstand verbunden werden dürften; "sinon le citoyen, qui est favorable à l'un des projets, est obligé ou de le repousser pour manifester son opposition à l'autre ou de l'accepter, mais en faisant croire alors par son vote qu'il appuie le second" (
BGE 90 I 69 E. 2b S. 74;
BGE 99 Ia 177 E. 3c S. 182; ferner
BGE 123 I 63 E. 4b S. 71;
BGE 113 Ia 46 E. 4a S. 52;
BGE 105 Ia 370 E. 4b S. 376).
Art. 34 Abs. 2 BV schützt neu ausdrücklich die freie Willensbildung und unverfälschte Stimmabgabe. Die Wahl- und Abstimmungsfreiheit übernimmt den Gehalt des ungeschriebenen Verfassungsrechts in die neue Bundesverfassung (
BGE 129 I 232 E. 4.2 S. 244 mit Hinweisen). Dazu zählt auch der Grundsatz der Einheit der Materie (Urteil 1P.123/2002 vom 25. Juni 2003, E. 3.2; GEROLD STEINMANN, St. Galler BV-Kommentar, Zürich 2002, Rz. 10 und 13 zu
Art. 34 BV). Die Beschwerdeführer stützen ihre Rüge, die Änderung
BGE 129 I 366 S. 370
der Kantonsverfassung missachte den Grundsatz der Einheit der Materie, daher zu Recht auf
Art. 34 Abs. 2 BV ab (vgl.
BGE 104 Ia 215 E. 2b S. 223).
2.2 Der Grundsatz der Einheit der Materie verlangt, dass zwei oder mehrere Sachfragen und Materien nicht in einer Art und Weise miteinander zu einer einzigen Abstimmungsvorlage verbunden werden, die die Stimmberechtigten in eine Zwangslage versetzen und ihnen keine freie Wahl zwischen den einzelnen Teilen belassen. Wird der Grundsatz missachtet, können die Stimmbürger ihre Auffassung nicht ihrem Willen gemäss zum Ausdruck bringen: entweder müssen sie der Gesamtvorlage zustimmen, obschon sie einen oder gewisse Teile missbilligen, oder sie müssen die Vorlage ablehnen, obwohl sie den andern oder andere Teile befürworten (vgl.
BGE 90 I 69 E. 2 S. 73 f.;
BGE 104 Ia 215 E. 2b S. 223;
BGE 99 Ia 724 E. 3 S. 731 und 732 f.;
BGE 97 I 669 E. 3 S. 672;
BGE 96 I 636 E. 7 S. 652; Pra 89/2000 Nr. 91 S. 545, E. 3b; JÖRG PAUL MÜLLER, Grundrechte in der Schweiz, Bern 1999, S. 363; YVO HANGARTNER/ANDREAS KLEY, Die demokratischen Rechte in Bund und Kantonen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Zürich 2000, Rz. 2481).
Dieser Zielrichtung entsprechend ist der Grundsatz der Einheit der Materie bei allen Vorlagen zu beachten, die den Stimmberechtigten zum Entscheid unterbreitet werden. Grundsätzlich ist es daher unerheblich, ob es sich um eine Initiative oder Behördenvorlage, um Partial- oder Totalrevisionen von Verfassungen oder Gesetzen oder um Gesetzes- oder Finanzvorlagen handelt (
BGE 116 Ia 466 E. 5 S. 471;
BGE 113 Ia 46 E. 4a S. 52;
BGE 105 Ia 370 4b S. 376;
BGE 104 Ia 215 E. 2b S. 223;
BGE 99 Ia 177 E. 3a S. 182, 638 E. 5b S. 646;
BGE 97 I 669 E. 3 S. 673; ZBl 96/1995 S. 470, E. 4a; vgl. auch Pra 89/2000 Nr. 91 S. 545, E. 3c).
Damit steht nicht im Gegensatz, dass die Rechtsprechung den Grundsatz der Einheit der Materie entsprechend der Art der Vorlage differenziert gewichtet (
BGE 116 Ia 466 E. 5 S. 471; ZBl 96/1995 S. 470). Höhere Ansprüche werden bei Partialrevisionen der Verfassung gestellt als bei Totalrevisionen; insbesondere gilt es Initiativen auf teilweise Verfassungsänderung von solchen auf Totalrevision, die bisweilen ein unterschiedliches Verfahren auslösen, abzugrenzen (
BGE 113 Ia 46 E. 4a S. 52;
BGE 104 Ia 215 E. 2b S. 223; vgl. ALFRED KÖLZ, Rechtsgutachten über die Gültigkeit der Volksinitiative "40 Waffenplätze sind genug - Umweltschutz auch beim Militär", ZBl 93/1992 S. 421; CRIPSIN F. M. HUGENSCHMIDT, Einheit der Materie - überholtes Kriterium zum Schutze des Stimmrechts?, Diss. Basel 2001, S. 39). Dem Grundsatz wird bei Initiativen teils grösseres
BGE 129 I 366 S. 371
Gewicht beigemessen als bei Behördenvorlagen, weil dem praktischen Bedürfnis des Gesetzgebers Rechnung zu tragen ist, über den unmittelbaren Anlass einer Gesetzesrevision hinaus weitere bereits anstehende Postulate mit einzubeziehen. Zusätzlich soll die Willenskundgabe der Unterzeichner von Initiativen geschützt und missbräuchliche Erleichterungen der Unterschriftensammlung verhindert werden, auch wenn sich eine Kombination von unterschiedlichen Materien negativ auf den Erfolg einer Initiative auswirken kann; allein der Umstand, dass eine behördliche Vorlage bereits einen politischen Prozess durchlaufen und eine Synthese der Meinungen erfahren hat, bietet keine Gewähr für die Einhaltung des Grundsatzes der Einheit der Materie (
BGE 113 Ia 46 E. 4a S. 52;
BGE 111 Ia 196 E. 2b S. 198;
BGE 99 Ia 638 E. 5b S. 645; Pra 89/2000 Nr. 91 S. 545, E. 3d; ZBl 96/1995 S. 470, teils mit Hinweisen auf Kritik in der Lehre). Schliesslich werden formulierte Initiativen strenger beurteilt als allgemeine, einer Ausarbeitung durch den Gesetzgeber erfordernde Anregungen, obgleich auch solche bereits der Volksabstimmung unterbreitet werden können (vgl.
BGE 128 I 190;
BGE 125 I 227;
BGE 123 I 63;
BGE 113 Ia 46 E. 4a S. 53;
BGE 111 Ia 292 E. 2 S. 295).
2.3 Der Grundsatz der Einheit der Materie besagt, dass eine Vorlage grundsätzlich nur einen Sachbereich zum Gegenstand haben darf und zwei oder mehrere Sachfragen und Materien, die keinen inneren sachlichen Zusammenhang aufweisen, nicht zu einer einzigen Abstimmungsfrage verbunden werden dürfen. Ausschlaggebend ist der sachliche innere Zusammenhang der einzelnen Teile einer Vorlage. Dieser wird in der Rechtsprechung mit unterschiedlichen Formulierungen zum Ausdruck gebracht: Es wird gefordert, dass eine bestimmte oder die nämliche Materie betroffen werde, dass zwischen den Teilen ein "rapport intrinsèque étroit avec le même but" bestehe, dass die einzelnen zu einem bestimmten Zweck aufgestellten Vorschriften zueinander in einer sachlichen Beziehung stehen und das nämliche Ziel verfolgen, das zwischen ihnen eine enge sachliche Verbindung schafft, und dass der sachliche Zusammenhang nicht bloss künstlich, subjektiv oder rein politisch bestehe (vgl.
BGE 128 I 190 E. 3.2 S. 197;
BGE 125 I 227 E. 3c S. 231;
BGE 123 I 63 E. 4d S. 73;
BGE 112 Ia 136 E. 2g S. 141, 391 E. 3b S. 395;
BGE 111 Ia 196 E. 2b S. 198;
BGE 105 Ia 370 E. 4b S. 376;
BGE 104 Ia 215 E. 2b S. 224;
BGE 99 Ia 638 E. 5b S. 646;
BGE 97 I 669 E. 3 S. 672;
BGE 96 I 636 E. 7 S. 653).
Die neue Bundesverfassung begnügt sich in Art. 139 Abs. 2 und Art. 139a Abs. 2 (Fassung gemäss Bundesbeschluss über die Änderung der Volksrechte, AS 2003 S. 1949 und 1953) sowie in Art. 194
BGE 129 I 366 S. 372
Abs. 2 damit, bei eidgenössischen Volksinitiativen und Teilrevisionen der Verfassung die Beachtung der Einheit der Materie zu fordern; nach dem Bundesgesetz vom 17. Dezember 1976 über die politischen Rechte (BPR; SR 161.1) wird die Einheit der Materie als gewahrt erachtet, wenn zwischen den einzelnen Teilen einer Initiative ein sachlicher Zusammenhang besteht (
Art. 75 Abs. 2 BPR).
Die Lehre hat zum Erfordernis des inneren sachlichen Zusammenhangs Fallgruppen unterschiedlicher Konstellationen herausgearbeitet und die Einhaltung des Grundsatzes der Einheit der Materie etwa an folgenden Kriterien gemessen: Beschränkung auf einen einzigen Zweck, Verbindung eines Zwecks mit der dafür erforderlichen Finanzierung, Verbindung einer Regel mit einer Übergangsbestimmung, Verbindung verschiedener Forderungen mit logischem oder sachlichem Zusammenhang, Verbindung der Forderung nach Aufhebung einer Regelung mit einem Ersatzvorschlag (vgl. DIETRICH SCHINDLER, Rechtsgutachten über die Volksinitiative "40 Waffenplätze sind genug - Umweltschutz auch beim Militär", in: ZBl 93/1992 S. 388 ff.; LUZIUS WILDHABER, Kommentar zur aBV, Rz. 104 ff. zu Art. 121/122 aBV; LUZIAN ODERMATT, Ungültigerklärung von Volksinitiativen, in: AJP 1996 S. 711 und 714; YVO HANGARTNER, St. Galler BV-Kommentar, Zürich 2002, Rz. 28 zu Art. 139 BV).
Diese Umschreibungen der Anforderungen an die Einheit der Materie belegen, dass der Begriff schwer zu fassen ist. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung betont daher, dass der Grundsatz von relativer Natur und vor dem Hintergrund der konkreten Verhältnisse zu betrachten ist (vgl.
BGE 128 I 190 E. 3.2 S. 196;
BGE 125 I 227 E. 3b S. 230;
BGE 123 I 63 E. 4d S. 73;
BGE 112 Ia 391 E. 3b S. 395; Pra 89/2000 Nr. 91 S. 545, E. 3d; ZBl 96/1995 S. 470, E. 4a/cc). Insbesondere kann der geforderte innere Zusammenhang zwischen einzelnen Teilen nicht abstrakt umschrieben werden. Unter Umständen kann er sich aus einer logischen Betrachtung ergeben, wenn etwa der eine Teil den andern bedingt und der eine ohne den andern keinen vernünftigen Sinn ergibt. Eine Verbindung zwischen einzelnen Teilen kann sich aus einem einheitlichen Ziel oder gemeinsamen Zweck ergeben. Ob dies im Einzelfall als gegeben erachtet wird, kann vom Standpunkt und der Abstraktionshöhe der Betrachtung abhängen. Im Sinne einer Grenzziehung hält die Rechtsprechung lediglich fest, dass zur Wahrung der Einheit der Materie nicht jegliche, rein künstlich oder politisch hergestellte Verbindung zwischen einzelnen Teilen ausreicht. Erforderlich ist eine Ausrichtung, die aus der Sicht der Willensbildung und -äusserung der Stimmberechtigten als gemeinsam
BGE 129 I 366 S. 373
wahrgenommen werden kann. Dies mag wiederum vom gesellschaftlich-historischen Umfeld und der konkreten politischen Auseinandersetzung abhängen. Dabei ist nicht allein auf die Absichten des Gesetzgebers oder der Initianten abzustellen, sondern der Normtext nach den anerkannten Interpretationsregeln auszulegen (vgl.
BGE 111 Ia 303 E. 4 S. 305) und der Sicht des "aufgeklärten", politisch interessierten Stimmbürgers Rechnung zu tragen (vgl. HUGENSCHMIDT, a.a.O., S. 52 f.). Schliesslich ist anzufügen, dass die Einheit der Materie als Teilgehalt der Abstimmungsfreiheit bei grösseren Verfassungs- oder Gesetzgebungsvorhaben mit neuer und grundlegender Ausrichtung in ein Spannungsverhältnis zur Innovations- und Gestaltungsfreiheit des Normgebers treten kann (vgl. PIERRE TSCHANNEN, Stimmrecht und politische Verständigung, Basel 1995, S. 129). Diesfalls bedarf es einer besonders sorgfältigen Beurteilung des inneren sachlichen Zusammenhangs der einzelnen Teile, um einen Ausgleich zu finden und sowohl der Abstimmungsfreiheit als auch der ureigensten Aufgabe des Verfassungs- und Gesetzgebers Rechnung zu tragen.
Da der Begriff der Einheit der Materie, wie aufgezeigt, in mehrfacher Hinsicht von relativer Natur und die Gewichtung einzelner Teile einer Vorlage und ihres Verhältnisses zueinander zudem eine politische Frage ist, kommt den Behörden bei der Ausgestaltung von Vorlagen nach der Rechtsprechung ein sehr weiter Gestaltungsspielraum zu (
BGE 111 Ia 196 E. 2b S. 198; Pra 89/2000 Nr. 91 S. 545, E. 3e). An die Einhaltung des Grundsatzes dürfen daher keine überspannten Anforderungen gestellt werden (
BGE 104 Ia 215 E. 2b S. 223;
BGE 99 Ia 638 E. 5b S. 646;
BGE 96 I 636 E. 7 S. 653;
BGE 90 I 69 E. 2c S. 74). Die Rechtsprechung betont denn auch, dass die Stimmberechtigten keinen verfassungsmässigen Anspruch darauf haben, dass ihnen einzelne, allenfalls besonders wichtige Teile einer Vorlage gesondert zur Abstimmung vorgelegt werden; sie müssen sich vielmehr auch dann für die Gutheissung oder Ablehnung der ganzen Vorlage entscheiden, wenn sie nur mit einzelnen Vorschriften einverstanden sind bzw. einzelne Bestimmungen ablehnen (
BGE 111 Ia 196 E. 2b S. 198;
BGE 105 Ia 370 E. 4b S. 377;
BGE 104 Ia 215 E. 2c S. 224;
BGE 99 Ia 638 E. 5b S. 646, 724 E. 3 S. 735;
BGE 97 I 669 E. 3 S. 672;
BGE 96 I 636 E. 7 S. 653; Pra 89/2000 Nr. 91 S. 545, E. 3b; ZBl 96/1995 S. 470, E. 4a/bb).
3.1 In Bezug auf die angefochtene Änderung der Kantonsverfassung bringen die Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, die
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Vorlage vereinige unter dem gemeinsamen Titel der Neuordnung des Verhältnisses zwischen Kirchen und Staat zwei völlig verschiedenartige Anliegen ohne näheren und zwingenden Zusammenhang. Der eine Teil betreffe die Entflechtung des Verhältnisses zwischen den bisher anerkannten Kirchen (der evangelisch-reformierten, römisch-katholischen und christkatholischen Kirche) und dem Staat. Hier bestehe ein erheblicher Reformbedarf, der mit der Regelung der finanziellen Verhältnisse (Ablösung der sog. historischen Rechtstitel, Einführung eines Besteuerungsrechts für juristische Personen und Entrichtung staatlicher Beiträge) und mit der Gewährung einer ausgedehnten Autonomie (eigenständige Ordnung des Stimm- und Wahlrechts und der Organisation) abgedeckt werde. Der andere Teil verfolge wesentlich andere Ziele und betreffe die Frage, ob über die schon bisher staatlich anerkannten Kirchen hinaus weitere Religionsgemeinschaften einen öffentlichrechtlichen Status erlangen können. Diese beiden unterschiedlichen Teile erforderten im Sinne einer differenzierten Willenskundgabe eine getrennte Abstimmung.
Demgegenüber vertreten der Kantonsrat und der Regierungsrat die Auffassung, dass die verschiedenen Teile der Verfassungsvorlage zusammengehörten. Die lange Entstehungsgeschichte seit den 80er- Jahren habe zahlreiche, voneinander abhängige Reformbedürfnisse zusammengefasst, insbesondere die Fragen der historischen Rechtstitel, der Möglichkeit der Besteuerung und der Entrichtung staatlicher Beiträge, der Organisationsautonomie mit der Befugnis zur Einführung des Ausländerstimmrechts sowie der öffentlichrechtlichen Anerkennung weiterer Religionsgemeinschaften. Diese Bemühungen hätten nunmehr zu einer gesamtheitlichen Neuregelung des Verhältnisses zwischen Staat einerseits und Kirchen und Religionsgemeinschaften andererseits geführt, über die die Stimmbürger ohne Aufteilung zu befinden hätten.
3.2 Die angefochtene Revision der Kantonsverfassung bringt die seit 1963 geführten Diskussionen und Auseinandersetzungen zum Verhältnis von Kirchen und Religionsgemeinschaften zum Staat zu einem vorläufigen Abschluss. Die Vorlage umfasst im Wesentlichen drei Bereiche: Die Autonomie der Kirchen wird unter dem Stichwort der Entflechtung gestärkt und erlaubt insbesondere eine eigenständige Regelung des Stimm- und Wahlrechts; eine neue Finanzordnung mit der Kompetenz zur Besteuerung von natürlichen und juristischen Personen und einer Entrichtung von staatlichen Beiträgen beendet ferner die Auseinandersetzungen um die historischen Rechtstitel; die öffentlichrechtliche Anerkennung schliesslich wird
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für die drei Kirchen auf Verfassungsstufe beibehalten und weiteren Religionsgemeinschaften zugänglich gemacht.
Im Folgenden ist bei der Frage der Einhaltung des Grundsatzes der Einheit der Materie von diesen drei Sachbereichen auszugehen. Es wird zu prüfen sein, in welchem Verhältnis diese zueinander stehen, was sie miteinander verbindet bzw. was sie voneinander trennt und ob sie demnach unter dem Gesichtswinkel von Art. 34 Abs. 2 BV zu einer einzigen Abstimmungsvorlage zusammengefasst werden durften.
4.1 Die genannten drei Sachbereiche betreffen sehr unterschiedliche Themenkreise. Trotz dieses Umstandes kann nicht gesagt werden, dass sie verschiedenartigste Regelungsbereiche ohne jegliche Berührungspunkte betreffen und die angefochtene Revision der Kantonsverfassung vollkommen sachfremde Elemente in einer einzigen Vorlage zusammenfasst. Ein gewisser Zusammenhang zwischen den einzelnen Teilen kann letztlich darin erblickt werden, dass sie alle im weitesten Sinne auf das Verhältnis von Religionsgemeinschaften zum Staat ausgerichtet sind. Ihre Zusammenfassung in einer einzigen Vorlage kann daher nicht als künstlich oder geradezu willkürlich im Sinne der Rechtsprechung bezeichnet werden (vgl. die in
BGE 123 I 63 E. 5 S. 73 beurteilte Initiative). Dies erfordert eine nähere Betrachtung des Verhältnisses der einzelnen Elemente zueinander.
Die verschiedenen Teile der umstrittenen Verfassungsänderung stehen nicht in einer logischen Beziehung der Abhängigkeit oder Unterordnung zueinander. Es kann nicht gesagt werden, dass der eine den andern bedingen würde oder der eine den Grundsatz und der andere die Art und Weise der Realisierung umschreiben würden. Ebenso wenig kann aufgrund der Entstehungsgeschichte angenommen werden, dass die Vorlage in dem Sinne eine Einheit bildet, dass der eine Teil ohne den andern nicht vorgeschlagen worden wäre oder einzelne Teile davon isoliert betrachtet keinen Sinn mehr ergeben würden. Die genannten Teilbereiche sind vielmehr gleichgeordnet. Insbesondere könnten die Bereiche der Entflechtung und der Finanzordnung einerseits und jener der öffentlichrechtlichen Anerkennung weiterer Religionsgemeinschaften andererseits unabhängig voneinander Bestand haben und verlören dadurch - trotz möglicher veränderter Tragweite - nicht jeglichen Sinn.
Darin liegt denn auch der Grund, dass der Möglichkeit bzw. der Schwierigkeit einer Aufteilung der Vorlage im vorliegenden Fall
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unter dem Gesichtswinkel der Einheit der Materie keine ausschlaggebende Bedeutung zukommt. Im Umstand, dass eine Vorlage aufgeteilt werden könnte, kann kein entscheidendes Indiz für eine Missachtung der Einheit der Materie erblickt werden (vgl. SCHINDLER, a.a.O., S. 396 mit Verweis auf
BGE 99 Ia 724; ZBl 83/1982 S. 346, E. 3). Zwei unterschiedliche Massnahmen können im Hinblick auf ein gemeinsames Ziel zu einer einzigen Vorlagen verbunden werden. Im vorliegenden Fall kann es daher nicht alleine darauf ankommen, dass eine aufgeteilte Abstimmung, wie sie von den Beschwerdeführern vorgeschlagen wird und vom Kantonsrat diskutiert wurde, ohne weiteres denkbar ist. Umgekehrt liegt im Umstand, dass eine Abstimmungsvorlage nicht oder zumindest nicht leicht unterteilt werden kann, kein entscheidendes Kriterium. Die Unteilbarkeit dürfte oftmals von der Gesetzestechnik abhängen. Im vorliegenden Fall könnte der Schwierigkeit der Abstimmung über Art. 16 Abs. 3 nKV dadurch begegnet werden, dass die Bestimmung in zwei Absätze mit Gültigkeit für die bisherigen kirchlichen Körperschaften des öffentlichen Rechts bzw. für weitere, als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannte Religionsgemeinschaften aufgeteilt würde.
Diese Erwägungen zeigen, dass im vorliegenden Fall formale Kriterien für die Beurteilung der Einhaltung des Grundsatzes der Einheit der Materie kaum von Nutzen sind. Dies erfordert eine nähere Betrachtung, welcher inhaltliche Sachzusammenhang zwischen den einzelnen Teilen besteht.
4.2 Die Beschwerdeführer betonen die Unterschiedlichkeit der einzelnen Teile der angefochtenen Regelung und trennen den Reformbereich mit den Teilen der Entflechtung und der Finanzordnung einerseits von der grundsätzlich neuen Möglichkeit der Anerkennung weiterer Religionsgemeinschaften andererseits. Ihre Argumentation gründet auf einer das Trennende hervorhebenden Betrachtung der einzelnen Themenkreise.
Unter diesem Gesichtswinkel ist vorerst auf die Entstehungsgeschichte näher einzugehen. Sie zeigt, dass die nunmehr verabschiedete Vorlage auf unterschiedlichen Wegen zustande gekommen ist: Nach einem parlamentarischen Vorstoss von 1980 verlangte die parlamentarische Initiative Dürr und Werner noch vor der Abstimmung über die zweite kantonale Trennungsinitiative bereits 1993 eine Revision der Kantonsverfassung mit dem Ziel, weiteren Religionsgemeinschaften das Recht einer öffentlichrechtlichen Anerkennung zuzugestehen. Eine Kommission des Kantonsrates
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erarbeitete in der Folge eine Vorlage zur Änderung von Art. 64 KV, wonach weitere Religionsgemeinschaften öffentlichrechtlich anerkannt und zu öffentlichrechtlichen Körperschaften werden könnten. Darüber hinaus erarbeitete sie ein dazugehöriges Anerkennungsgesetz. Sie schloss ihre Arbeiten Ende September 1998 ab, setzte die Schlussabstimmung indessen zur Koordination mit den Arbeiten des Regierungsrates aus. - Im Nachgang der Ablehnung der Trennungsinitiative von 1995 ist die Diskussion um die historischen Rechtstitel erneut aufgenommen worden. Verschiedene Motionen aus dem Kantonsrat von 1996 forderten den Regierungsrat auf zur Berichterstattung und Antragstellung hinsichtlich Ablösung der historischen Rechtstitel und betreffend Kirchensteuer für juristische Personen und Kollektivgesellschaften. Auf diesem Wege wurden unter dem Titel "Neuregelung des Verhältnisses zwischen Kirchen und Staat" Entwürfe für eine Verfassungsänderung und ein Kirchengesetz ausgearbeitet. In Koordination mit den Vorbereitungsarbeiten der Kantonsratskommission integrierte der Regierungsrat schliesslich den Bereich der öffentlichrechtlichen Anerkennung weiterer Religionsgemeinschaften in seinen eigenen Antrag. - Diese Entstehungsgeschichte macht deutlich, dass unterschiedliche Themen auf verschiedenen Wegen bearbeitet worden sind. Das weist darauf hin, dass die beiden Bereiche ein eigenständiges Gewicht einnehmen. Die Unterschiedlichkeit ist es denn auch, welche eine Koordination überhaupt erst erforderlich erscheinen liess, und kommt darin zum Ausdruck, dass die Verfassungsrevision als "gemeinsames Dach" für mehrere Bereiche bezeichnet worden ist. Insoweit können die einzelnen Teile der Vorlage vom Stimmbürger, der die politischen Auseinandersetzungen verfolgt und sich im Hinblick auf die Abstimmung eine Meinung bildet, als unterschiedliche und voneinander unabhängige Bereiche wahrgenommen werden.
Entsprechendes ergibt sich im Lichte des Innovationsgehaltes der einzelnen Bereiche der Verfassungsvorlage. Auf der einen Seite steht die Entflechtung zwischen Kirchen und Staat, welche eine neue Finanzordnung schafft und den Kirchen mehr Autonomie einräumt. Sie bedeutet einen wesentlichen Schritt zur Neugestaltung und überwindet die langen Auseinandersetzungen um die historischen Rechtstitel, bewegt sich indessen mit der öffentlichrechtlichen Anerkennung der drei Kirchen im herkömmlichen Rahmen. Auf der andern Seite wird mit der Möglichkeit der öffentlichrechtlichen Anerkennung von weiteren Religionsgemeinschaften etwas grundlegend Neues geschaffen. Auch insofern unterscheiden sich die beiden Teile
BGE 129 I 366 S. 378
wesentlich in ihrer Tragweite und können daher als etwas qualitativ Unterschiedliches verstanden werden.
Über die Verfassungsänderung hinaus haben die Stimmbürger auch über das Kirchengesetz und das Anerkennungsgesetz abzustimmen. Hinsichtlich der Gesetzesvorlagen können die Stimmberechtigten ihren Willen frei bilden und unverfälscht zum Ausdruck bringen, indem sie beide Vorlagen bejahen oder verneinen bzw. die eine verwerfen und der andern zustimmen. Daraus ergibt sich, dass über die Gesetzesvorlagen zwar differenziert abgestimmt, die Verfassungsrevision hingegen nur als Ganzes angenommen oder verworfen werden kann. Darin liegt indessen keine Besonderheit des vorliegenden Verfahrens, weil gestützt auf ein und dieselbe Verfassungsregelung oftmals unterschiedliche Gesetze erlassen werden. Aus diesem Umstand kann daher nicht auf eine Verletzung des Grundsatzes der Einheit der Materie geschlossen werden.
4.3 Kantonsrat und Regierungsrat betonen demgegenüber den Charakter der Gesamtvorlage und die einheitliche Ausrichtung auf eine gesamtheitliche Neuordnung des Verhältnisses zwischen Kirchen und Staat. Geht der Verfassungsgeber die Frage des Verhältnisses zwischen Staat und Religionsgemeinschaften - unter Ausschluss der vollkommenen Trennung - in grundsätzlicher Sicht an, so sind aus diesem Bemühen heraus eine Vielzahl von Fragen zu klären. Dazu gehört der Bereich der den Religionsgemeinschaften zuzuerkennenden Autonomie; es ist in den Grundzügen festzuhalten, in welchem Ausmass der Staat die Religionsgemeinschaften in das Staatsrecht einbindet, den Bereich der Religionsgemeinschaften öffentlichrechtlich ordnet und diesen Selbständigkeit zuordnet. Ferner gilt es vor dem Hintergrund einer öffentlichrechtlichen Beziehung und eines partnerschaftlichen Verhältnisses zwischen Staat und Religionsgemeinschaften eine Finanzordnung im weitesten Sinne zu schaffen. Schliesslich ist festzulegen, welche Religionsgemeinschaften bzw. unter welchen Bedingungen Religionsgemeinschaften öffentlichrechtlich in Beziehung zum Staat treten bzw. treten können. Diesen Kreis zu umschreiben, bildet Bestandteil einer grundsätzlichen Regelung des Verhältnisses zwischen Religionsgemeinschaften und Staat. Mit der öffentlichrechtlichen Anerkennung der drei Kirchen auf Verfassungsstufe und der Möglichkeit einer staatlichen Anerkennung weiterer Religionsgemeinschaften wird dieser Kreis bestimmt. In Anbetracht einer grundsätzlichen Ausrichtung der Verfassungsrevision mag es sachgerecht erscheinen, den Kreis der angesprochenen Religionsgemeinschaften offen
BGE 129 I 366 S. 379
zu halten und über den bisherigen Zustand hinaus eine öffentlichrechtliche Anerkennung auch weiterer Religionsgemeinschaften zu ermöglichen.
Aus der Sicht einer gesamtheitlichen Neuregelung des Verhältnisses zwischen Religionsgemeinschaften und Staat ergeben sich ferner Aspekte der Gleichbehandlung. Es lasse sich, wie im Laufe der Entstehungsgeschichte zum Ausdruck gebracht worden ist, mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht mehr vereinbaren, die Privilegien (insbes. mit staatlichen Beiträgen und der Möglichkeit der Besteuerung von juristischen Personen) einzig einer festgeschriebenen Zahl von Kirchen zukommen zu lassen; dies erfordere eine Öffnung gegenüber weiteren Religionsgemeinschaften mit der Möglichkeit der Erlangung desselben Status. Kantonsrat und Regierungsrat heben in ihren Vernehmlassungen die Bedeutung der Gleichbehandlung mit Nachdruck hervor und geben zu bedenken, dass diese bei einer Aufteilung der Vorlage schon im Ansatz gefährdet erschiene. Schliesslich zeigt die Entstehungsgeschichte, dass das Ausländerstimmrecht mit der Anerkennung weiterer Religionsgemeinschaften in enger Beziehung steht und diesem Rahmen diskutiert wurde, da dieses insbesondere für weitere Religionsgemeinschaften mit möglicherweise hohem Ausländeranteil von Bedeutung ist.
4.4 Eine gesamthafte Beurteilung der Frage, ob die angefochtene Verfassungsvorlage vor dem Grundsatz der Einheit der Materie standhält, zeigt vorerst, dass Kriterien formeller Natur zu keinem Ergebnis führen: Den erleichterten Anforderungen an Behördenvorlagen stehen die strengeren Voraussetzungen für Partialrevisionen von Verfassungen gegenüber (vgl. oben E. 2.2); die unterschiedlichen Teile der Verfassungsrevision stehen nicht in einer klaren Beziehung der Abhängigkeit oder Unterordnung zueinander (vgl. oben E. 4.1).
In materieller Hinsicht rücken die Beschwerdeführer die einzelnen Sachfragen in den Vordergrund ihrer Betrachtung und stellen die einzelnen Themenkreise einander gegenüber, um die Unterschiedlichkeit der Teile und das Bedürfnis der Stimmberechtigten nach einer differenzierten Willensbildung und -kundgabe im Sinne der Abstimmungsfreiheit zu belegen. Demgegenüber betonen Kantonsrat und Regierungsrat die grundsätzliche Ausrichtung der Vorlage. Die behördliche Argumentation liegt auf einer höheren Abstraktionsstufe als diejenige der Beschwerdeführer und hebt über die Einzelteile hinaus den grundlegenden Zweck der Verfassungsrevision hervor, das Verhältnis zwischen Kirchen und Religionsgemeinschaften
BGE 129 I 366 S. 380
sowie dem Staat auf eine neue Grundlage zu stellen. In dieser Zielrichtung kann ein hinreichender Sachzusammenhang im Sinne der Einheit der Materie erblickt werden. Das gilt nicht bloss für die einzelnen, die Entflechtung, Autonomie und Finanzordnung betreffenden Teile, sondern gleichmassen für die Frage der neu geschaffenen Möglichkeit der öffentlichrechtlichen Anerkennung weiterer Religionsgemeinschaften. Eine grundsätzliche Regelung hat den Kreis der Religionsgemeinschaften, die in einer besonderen Beziehung zum Staat stehen, zu umschreiben, darf diese Umschreibung offen fassen und braucht sich nicht auf das Überlieferte zu beschränken. Die Möglichkeit der öffentlichrechtlichen Anerkennung weiterer Religionsgemeinschaften über die bereits anerkannten Kirchen hinaus reiht sich damit in die Zielrichtung einer umfassenden Verfassungsrevision ein. Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, dass dieser Bereich eine getrennte Entstehungsgeschichte aufweist und als Neuerung von grosser Bedeutung wahrgenommen wird. Es steht dem Verfassungsgeber zu, grundlegende Revisionen mit neuen, über das Bisherige hinausreichenden Elementen zu versehen. Unter dem Gesichtswinkel von
Art. 34 Abs. 2 BV verfügt er nach der Rechtsprechung über einen weiten Gestaltungsspielraum (oben E. 2.3), in den das Bundesgericht nicht ohne Not eingreift (vgl.
BGE 125 I 227; Pra 89/2000 Nr. 91 S. 545). Dieser Gestaltungsspielraum ist in Anbetracht des Zwecks, eine umfassende Neuregelung zu schaffen, nicht überschritten. Die Stimmbürger können schliesslich aus der Abstimmungsfreiheit keinen Anspruch darauf ableiten, dass ihnen besonders wichtige Fragen getrennt zur Abstimmung unterbreitet werden (oben E. 2.3). Die Stimmbürger erhalten die Gelegenheit, sich in grundsätzlicher Weise zum Verhältnis zwischen Staat und Religionsgemeinschaften im Allgemeinen auszusprechen, und haben sich daher für eine gesamthafte Annahme oder gesamte Verwerfung der Revision der Kantonsverfassung zu entscheiden.
In Anbetracht dieser grundsätzlichen Ausrichtung und des dem Kantonsrat zukommenden Gestaltungsspielraums wahrt die angefochtene Verfassungsvorlage trotz der Vereinigung unterschiedlicher Themenkreise den Grundsatz der Einheit der Materie und ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Damit erweist sich die Rüge der Verletzung von Art. 34 Abs. 2 BV als unbegründet.