BGE 140 I 320
 
26. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Schulzentrum X. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
8C_340/2014 vom 15. Oktober 2014
 
Regeste
Art. 9 BV; Art. 34 des Bildungsgesetzes des Kantons Obwalden vom 16. März 2006; Art. 2 der Verordnung des Kantons Obwalden vom 25. April 2008 über das Anstellungsverhältnis der Lehrpersonen (Lehrpersonenverordnung) in Verbindung mit Art. 42 der Personalverordnung des Kantons Obwalden vom 29. Januar 1998.
 
Sachverhalt


BGE 140 I 320 (321):

A. A. war am Schulzentrum X. als Sportlehrer angestellt. Er wurde im Juni 2011 mit Vorwürfen (...) einer weiblichen Schülerin konfrontiert. Am 21. Juni 2011 unterzeichnete er eine Vereinbarung mit der Schulleitung, welche insbesondere sein Verhalten gegenüber weiblichen Lernenden im Sportunterricht zum Gegenstand hatte.
Am 23. September 2011 erteilte A. eine selbstbestimmte Sportlektion (...). Am 30. September 2011 beanstandete die Schulklasse sein Verhalten (...). Nach den Herbstferien führte der Rektor am 20. Oktober 2011 eine Anhörung der betroffenen Lernenden durch und gab A. am 31. Oktober 2011 Gelegenheit, sich zu den Vorwürfen zu äussern. Nachdem dieser die Vorwürfe bestritten hatte, schlug ihm die Schulleitung die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis spätestens Ende Januar 2012 vor und gab ihm eine Bedenkzeit bis zum 4. November 2011. A. lehnte am 4. November 2011 eine vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses ab, worauf dieses gleichentags schriftlich fristlos gekündigt wurde.
B. Eine gegen die fristlose Kündigung eingereichte Beschwerde lehnten das Bildungs- und Kulturdepartement Obwalden am 1. März 2012 und der Regierungsrat des Kantons Obwalden am 23. Oktober 2012 ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden mit Entscheid vom 12. März 2014 ebenfalls ab.
C. A. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, es sei der kantonale Entscheid aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen. (...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Auszug)
 
Aus den Erwägungen:
 
Erwägung 3


BGE 140 I 320 (322):

3.2 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Sachverhaltsfeststellungen können nur berichtigt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 105 Abs. 2 BGG).
3.3 Gelten durch Verweis im kantonalen öffentlichen Recht ergänzend die Bestimmungen des Obligationenrechts, wird durch die im öffentlichen Recht vorgenommene Verweisung auf das Privatrecht dieses zum öffentlichen Recht des betreffenden Gemeinwesens. Es ist nach dessen Regeln anzuwenden und auszulegen. Die übernommenen Normen des Obligationenrechts gelten nicht als Bundesprivatrecht, sondern als subsidiäres Recht des Kantons. Entsprechend ist die Bundesrechtsrüge gemäss Art. 95 lit. a BGG auf die Verletzung verfassungsmässiger Rechte beschränkt. Die Rüge der Verletzung des Obligationenrechts - angewandt als kantonales öffentliches Recht - kann nicht vorgebracht werden (BGE 138 I 232 E. 2.4 S. 236; vgl. auch Urteil 8C_294/2011 vom 29. Dezember 2011 E. 3.4, nicht publ. in: BGE 138 I 113, sowie Urteil 8C_451/2013 vom 20. November 2013 E. 2.2).
(...)
 
Erwägung 7
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Einräumung dieser Frist beweise, dass kein wichtiger Grund für die sofortige Kündigung vorgelegen habe. Indem das Dienstverhältnis auch aus Sicht des

BGE 140 I 320 (323):

Arbeitgebers noch habe fortgesetzt werden können, belege dies, dass die Weiterbeschäftigung für beide Seiten zumutbar und daher nur eine ordentliche Kündigung zulässig gewesen wäre.
Für das Zivilrecht hat das Bundesgericht die Gewährung einer Sozialfrist jedenfalls dann als zulässig erachtet, wenn die Frist nicht gleich lang wie die der ordentlichen Kündigung dauert und in erster Linie im Interesse des Arbeitnehmenden und nicht in demjenigen des Arbeitgebers liegt (Urteil 4C.174/2003 vom 27. Oktober 2003 E. 3.2.1).
7.3 Die Lehre äussert sich zur Zulässigkeit bzw. den Voraussetzungen für die Gewährung einer Sozialfrist im Kontext mit der fristlosen Entlassung im Arbeitsvertragsrecht (Art. 337 OR). MANFRED REHBINDER (Berner Kommentar, 1992, N. 19 zu Art. 337 OR) hält die Gewährung der Sozialfrist für zulässig, verlangt aber, dass der Kündigende erkennbar erklärt, dass er ausserordentlich kündigen will; die Sozialfrist dürfe nicht die Frist für eine ordentliche Kündigung erreichen. SUBILIA/DUC (Droit du travail, 2. Aufl. 2010, N. 36 zu Art. 337 OR) schliessen sich der Ansicht von REHBINDER an. VISCHER/MÜLLER (Der Arbeitsvertrag, 4. Aufl. 2014, S. 349 § 24 Rz. 168) halten eine Schonfrist für beachtlich, sofern in der Gewährung dieser Frist nicht zum Ausdruck komme, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar sei. STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH (Arbeitsvertrag, 7. Aufl. 2012, N. 14 zu Art. 337 OR) erachten die Gewährung der Frist hingegen für unzulässig, da damit zum Ausdruck gebracht werde, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei zumutbar und es sei demnach gar kein Grund für eine fristlose Kündigung gegeben. Dem hält WOLFGANG PORTMANN (in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 5. Aufl. 2011, N. 7 zu Art. 337 OR) entgegen, die Einräumung einer Sozialfrist erfolge ausschliesslich im Interesse des Gekündeten und entspreche dem Grundsatz "in maiore minus":

BGE 140 I 320 (324):

Wenn eine fristlose Entlassung möglich sei, müsse dies auch für eine mildere Massnahme gelten. Auch ADRIAN STAEHELIN (in: Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 2014, N. 40 zu Art. 337 OR) hält die Gewährung einer Sozialfrist im Interesse des Gekündigten für zulässig. FRANK EMMEL (in: Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 2. Aufl. 2012, N. 1 zu Art. 337 OR) geht von der Zulässigkeit der Gewährung einer Sozialfrist aus, sofern darin ein Entgegenkommen für die gekündigte Partei liegt.
7.5.2 Ähnliches gilt für die Erwägung, die Gewährung einer Sozialfrist sei dann unzulässig, wenn sie einzig oder vorwiegend dem Interesse des Arbeitgebers diene. Allerdings kann im öffentlichen Personalrecht nicht vom (privaten) Interesse des Arbeitgebers gesprochen werden. An dessen Stelle tritt das öffentliche Interesse, dem grundsätzlich jedes staatliche Handeln unterworfen ist.

BGE 140 I 320 (325):

Diesem Interesse darf die Gewährung einer Sozialfrist nicht widersprechen. Dies träfe etwa dann zu, wenn sie einzig dazu diente, die zur fristlosen Kündigung führenden Gründe, die allenfalls auch den Arbeitgeber in einem ungünstigen Licht erscheinen lassen könnten, durch Stillschweigen der öffentlichen Meinungsbildung bzw. Kritik zu entziehen. Ebenso dürfte sich die Gewährung einer Sozialfrist verbieten, wenn von einer Weiterbeschäftigung eine erhebliche Gefährdung Dritter oder des Gemeinwohles ausginge oder ein rechtskonformes Verwaltungshandeln bzw. eine Dienstleistung nicht sichergestellt werden könnte.