Urteilskopf
147 I 259
19. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Oberstaatsanwaltschaft und Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich (Beschwerde in Strafsachen)
6B_124/2021 vom 24. März 2021
Regeste
Art. 6 Ziff. 1 EMRK;
Art. 5 Ziff. 4 EMRK; Art. 64a i.V.m.
Art. 64b StGB; verwaltungsgerichtliches Verfahren zur bedingten Entlassung aus der Verwahrung, Beschleunigungsgebot.
Art. 6 Ziff. 1 EMRK gewährleistet zahlreiche Rechte. In der Beschwerde ist klarzustellen, welcher Teilgehalt und inwiefern dieser durch die angefochtene Entscheidung konkret verletzt wurde (E. 1.3.2).
Geht ein Verwaltungsverfahren voraus, muss das Verwaltungsgericht als Gericht im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK amten und seine Kognition effektiv ausschöpfen. Hingegen besteht im Verfahren gemäss Art. 64a i.V.m. Art. 64b StGB weder ein zwingender Anspruch auf nochmalige, persönliche mündliche Anhörung noch auf eine öffentliche Verhandlung (E. 1.3.2).
Das verwaltungsinterne Verfahren ist unabdingbar zur Erstellung der sachlichen Entscheidgrundlagen unter Einbezug und Anhörung des Insassen. Ein neunmonatiges verwaltungsgerichtliches Verfahren lässt sich mit der kurzen Frist von Art. 5 Ziff. 4 EMRK nicht vereinbaren (E. 1.3.3).
A.a
Das Obergericht des Kantons Zürich erkannte den 1946 geborenen A. am 4. Juli 2003 der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern im Sinne von
Art. 187 Ziff. 1 Abs. 1 StGB sowie der mehrfachen sexuellen Nötigung im Sinne von
Art. 189 Abs. 1 StGB (in der bis 2006 geltenden Fassung des StGB) schuldig und verurteilte ihn zu 4 Jahren und 4 Monaten Zuchthaus als Zusatzstrafe zum Urteil vom 16. Juni 1995 der X. Kammer des Pariser Appellationsgerichts. Das Obergericht ordnete gestützt auf aArt. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB die Verwahrung an und schob die Freiheitsstrafe zu diesem Zwecke auf. Hintergrund der Verurteilung bildeten im Wesentlichen sexuelle Handlungen bis hin zu Oral- und Analverkehr mit Knaben im vorpubertären Alter, darunter zwei seiner Stiefsöhne.
A. rügte mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde eine Verletzung des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 (EAUe; SR 0.353.1) sowie die Anordnung der Verwahrung. Das Bundesgericht wies die Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit es darauf eintrat (Urteil 6S.379/2003 vom 1. Dezember 2004).
A.b
Das Amt für Justizvollzug (heute: Amt für Justizvollzug und Wiedereingliederung JUWE) setzte am 23. Mai 2005 die Verwahrung in Vollzug.
BGE 147 I 259 S. 261
A.c
Das Obergericht ordnete am 1. März 2010 die Weiterführung der Verwahrung nach neuem Recht gemäss
Art. 64 StGB an (Ziff. 2 Abs. 2 SchlBest. Änderung StGB vom 13. Dezember 2002).
A.d
Das Bundesgericht wies mit Urteil 6B_90/2016 vom 18. Mai 2016 eine Beschwerde wegen Verweigerung der bedingten Entlassung bzw. Versetzung in den offenen Vollzug ab, soweit es darauf eintrat. Die von A. ausgehende Gefährlichkeit bzw. sein Gefahrenpotential lasse sich auch nicht mit Vorkehren im Sinne von
Art. 64a Abs. 1 StGB derart reduzieren, dass weitere Sexualstraftaten als unwahrscheinlich erschienen. Er sei nicht bereit und auch nicht in der Lage, Risikosituationen zu erkennen, sein Verhalten danach auszurichten und konsequent auf Kontakte mit Kindern zu verzichten.
A.e
Das Bundesgericht wies mit Urteil 6B_557/2017 vom 9. Januar 2018 eine Beschwerde in Strafsachen von A. ab, die sich gegen die Verurteilung wegen Besitzes von Pornografie im Sinne von aArt. 197 Ziff. 3
bis
StGB richtete. A. hatte sich in der Justizvollzugsanstalt Bildaufnahmen mit als harte Pornografie qualifizierten Darstellungen mit schwerwiegendem sexuellen Missbrauch von Kindern beschafft.
A.f
Das Bundesgericht wies mit Urteil 6B_947/2017 vom 14. Februar 2018 eine Beschwerde in Strafsachen von A. gegen einen Nichteintretensentscheid des Obergerichts des Kantons Zürich ab.
B.
Das JUWE wies mit Verfügung vom 18. November 2019 das Gesuch A.s vom 4. Oktober 2019 ab, ihn sofort aus der Verwahrung zu entlassen, eventualiter sein Gesuch an ein Gericht weiterzuleiten und für die Dauer des Verfahrens begleitete und unbegleitete Urlaube zu gewähren.
Die Direktion der Justiz und des Innern (Justizdirektion) wies am 6. Februar 2020 den am 23. Dezember 2019 von A. erhobenen Rekurs ab.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich wies am 11. Dezember 2020 die von A. gegen den Entscheid der Justizdirektion gerichtete Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat.
C.
A. beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und ihn bedingt, gegebenenfalls unter gleichzeitiger Anordnung von Auflagen und Weisungen, aus der Verwahrung zu entlassen, eventualiter das Urteil aufzuheben und zur Durchführung eines EMRK-konformen Verfahrens an die Vorinstanz
BGE 147 I 259 S. 262
zurückzuweisen und festzustellen, dass das verwaltungsrechtliche Verfahren
Art. 5 Ziff. 4 EMRK verletze sowie festzustellen, dass er für das rechtswidrige Verfahren angemessen zu entschädigen sei. Ihm sei die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu bewilligen.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
Aus den Erwägungen:
1.1
Der Beschwerdeführer bringt vor, die Vorinstanz anerkenne die Völkerrechtswidrigkeit des kantonalen Haftprüfungsverfahrens, habe es aber unterlassen, die prozessualen Unzulänglichkeiten wenigstens teilweise zu korrigieren.
Der Gerichtshof habe bei einer Dauer von 11 Monaten eine Verletzung von Art. 5 Ziff. 4 EMRK festgestellt (Urteil des EGMR
Derungs gegen Schweiz
vom 10. Mai 2016, Nr. 52089/09, § 45, 48 ff. mit Hinweis auf Urteil
Fuchser gegen Schweiz
vom 13. Juli 2006, Nr. 55894/00). Seit diesem Urteil sei klar, dass der Kanton Zürich die erforderlichen Strukturen schaffen müsse. Angesichts der Untätigkeit des Gesetzgebers wäre sinngemäss auf einschlägige bundesrechtliche Bestimmungen abzustellen. Das Haftentlassungsgesuch hätte ohne Weiteres an das Obergericht weitergeleitet werden können. Denkbar wäre auch die Weiterleitung an ein unteres Gericht oder das Zwangsmassnahmengericht. Fehle es an einem EMRK-konformen Haftprüfungsverfahren, liege kein justizförmiger Freiheitsentzug vor und er wäre unverzüglich auf freien Fuss zu setzen gewesen.
Im Juli 2003 habe ihn letztmals ein Gericht persönlich angehört. Die Freiheit sei eines der wichtigsten privaten Rechte und falle unter den Begriff der "civil rights" von Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Es spiele keine Rolle, dass § 59 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes des Kantons Zürich vom 24. Mai 1959 (VRG; LS 175.2) eine mündliche Verhandlung nicht zwingend vorschreibe. Auch sei unverständlich, weshalb die Vorinstanz ihre Kognition mit Hinweis auf § 50 VRG beschränke. Art. 5 Ziff. 4 EMRK verlange eine uneingeschränkte Prüfungs- und Entscheidbefugnis.
1.2.1
Die Vorinstanz bejaht ihre einzelrichterliche Zuständigkeit aufgrund des VRG, da kein Fall von grundsätzlicher Bedeutung
BGE 147 I 259 S. 263
vorliege. Hinsichtlich der gestützt auf die Urteile des EGMR
Derungs
und
Fuchser
(oben E. 1.1) bestrittenen sachlichen und funktionellen Zuständigkeit verneint sie eine Zuständigkeit des Strafgerichts anstelle des Verwaltungsgerichts, da die Konstellation von
Art. 64 Abs. 3 StGB nicht zutreffe. Die Beurteilung eines Begehrens um bedingte Entlassung obliege in erster Instanz der Verwaltungsbehörde (§ 14 Abs. 1 des Straf- und Justizvollzugsgesetzes des Kantons Zürich vom 19. Juni 2006 [StJVG; LS 331] i.V.m. der Justizvollzugsverordnung des Kantons Zürich vom 6. Dezember 2006 [JVV; LS 331.1]). Gegen die Anordnungen der Vollzugsbehörde könne beim Verwaltungsgericht rekurriert werden. Dieser Rechtsmittelweg beanspruche mehr als die vom EGMR festgelegten 3-4 Monate. Das Verwaltungsgericht könne aber nicht nach Gutdünken ein Gericht zum Entscheid über die bedingte Entlassung bestimmen (Urteile 6B_1166/2020 vom 5. November 2020 E. 3.4; 6B_509/2015 vom 10. Juni 2015 E. 2.4).
1.2.2
Es sei nicht klar, ob der Beschwerdeführer eine öffentliche Verhandlung im Sinne von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK oder eine mündliche Verhandlung im Sinne von § 59 VRG verlange. Auf beides bestehe kein Anspruch. Das Verfahren erfülle die Merkmale einer strafrechtlichen Anklage nicht. Die Garantie von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK gelange nicht zur Anwendung. Aus
Art. 5 Ziff. 4 EMRK ergebe sich kein zwingender Anspruch auf eine mündliche Anhörung durch den (Haft-)Richter und ebenso wenig ein Anspruch aus der nicht darüber hinausgehenden Bestimmung von
Art. 29 Abs. 2 BV (mit Hinweis u.a. auf Urteil 6B_147/2017 vom 18. Mai 2017 E. 7.4). Der Beschwerdeführer bringe nicht zum Ausdruck, dass ein persönlicher Eindruck des Gerichts entscheidwesentlich wäre. Das sei angesichts des reich dokumentierten Verlaufs des Straf- und Verwahrungsvollzugs auch nicht ersichtlich.
§ 59 Abs. 1 VRG räume keinen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung ein. Das Gesuch sei abzuweisen. Die Akten lieferten nach durchgeführtem Schriftenwechsel eine hinreichende Entscheidgrundlage. Das JUWE habe den Beschwerdeführer am 30. Oktober 2019 zur bedingten Entlassung angehört. Das Privatgutachten vom 18. Juni 2019 habe vorgelegen. Neue Tatsachen für eine erneute Anhörung würden nicht vorgebracht (Urteil 6B_1070/2016 vom 23. Mai 2017 E. 3.2).
1.3
Art. 5 Ziff. 4 EMRK lautet in der nicht authentischen (
Art. 59 Ziff. 5 EMRK) amtlichen deutschen Übersetzung:
BGE 147 I 259 S. 264
"Jede Person, die festgenommen oder der die Freiheit entzogen ist, hat das Recht zu beantragen, dass ein Gericht innerhalb kurzer Frist über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs entscheidet und die Entlassung anordnet, wenn der Freiheitsentzug nicht rechtmässig ist."
Der Beschwerdeführer trägt, abgesehen von der geltend gemachten zu langen Verfahrensdauer, eine abstrakte Kritik am vorinstanzlichen Urteil vor, ohne eine konkrete Beschwer darzulegen.
1.3.1
Die Verletzung kantonalen Rechts kann nicht als solche gerügt werden, sondern nur insofern, als seine Anwendung zu einer Verletzung verfassungsmässiger Rechte führt, worunter auch das Willkürverbot fallen kann (
BGE 145 I 121
E. 2.1 S. 133). Zum kantonalen Recht in diesem Sinne gehört das Verwaltungsverfahrensrecht. Eine willkürliche Anwendung legt der Beschwerdeführer nicht dar (Art. 42 Abs. 2 i.V.m.
Art. 106 Abs. 2 BGG; Urteil 6B_699/2019 vom 16. Januar 2020 E. 1.4). Das ist auch nicht ersichtlich (Urteil 6B_1166/2020 vom 5. November 2020 E. 3.3 f.). Die Voraussetzungen des
Art. 64 Abs. 3 StGB liegen nicht vor. Die Vorinstanz ist nicht ermächtigt, Gerichte zu bestimmen (oben E. 1.2.1; vgl. Urteil 6B_640/2020 vom 4. März 2021 E. 1.4). Für die Gerichtszuständigkeit ist eine formell-gesetzliche Grundlage unabdingbar.
1.3.2
Art. 6 Ziff. 1 EMRK gewährleistet zahlreiche Rechte. In der Beschwerde ist klarzustellen, welcher Teilgehalt und inwiefern dieser durch die angefochtene Entscheidung konkret verletzt wurde. Mit der Ableitung von Forderungen aus einer allgemeinen Diskussion der Rechtsprechung des Gerichtshofs wird keine Beschwer dargetan. Eine strafrechtliche Anklage im Sinne von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK (vgl. zu den "
Engel
-Kriterien"
BGE 140 II 384
E. 3.2.1 S. 388 f.;
BGE 135 I 313
E. 2.2.1 S. 317) ist nicht gegeben. Der Entscheidung liegen keine strafrechtlichen Anschuldigungen zugrunde. Auch den Begriff der "zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen" legt der Gerichtshof autonom aus. Danach kommt es nicht darauf an, ob der Prozessgegenstand nach nationalem Recht dem Zivil- oder dem Verwaltungsrecht zuzuordnen ist. So stufte der Gerichtshof die Rechtssache anlässlich einer Prüfung der Gesetzmässigkeit des durch eine psychiatrische Hospitalisierung bewirkten Freiheitsentzugs als zivilrechtliche ein ("Or le droit à la liberté, qui se trouvait en jeu, a un caractère civil", Urteil des EGMR
Laidin gegen Frankreich
vom 7. Januar 2003, Nr. 39282/98, § 76). Der Gerichtshof nimmt mithin keine strenge Trennung vor.
BGE 147 I 259 S. 265
Geht ein Verwaltungsverfahren voraus (Art. 64b StGB), muss das letztinstanzliche Verwaltungsgericht als Gericht im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK amten ("organe judiciaire de pleine juridiction", Urteil des EGMR
Ortenberg gegen Österreich
vom 27. Mai und 25. Oktober 1994, Nr. 33/1993/428/507, § 31; vgl. auch
De Wilde, Ooms et Versyp ["Vagabondage"] gegen Belgien [Au Principal]
vom 18. Juni 1971, Nr. 2832/66, 2835/66, 2899/66, § 76 in fine). Dies entspricht der bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Das Verwaltungsgericht muss als einzige kantonale gerichtliche Vorinstanz des Bundesgerichts mit voller Kognition bezüglich Tat- und Rechtsfragen entscheiden (vgl. Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG) und seine Kognition effektiv ausschöpfen (Urteil 6B_983/2020 vom 3. November 2020 E. 1.3.2). Die Vorinstanz hält zwar gestützt auf § 50 Abs. 1 und 2 VRG fest, dass hier kein Gesetz die Rüge der Unangemessenheit für zulässig erkläre. Einzig hierauf gestützt macht der Beschwerdeführer eine unzulässige Beschränkung geltend, ohne darzulegen, inwiefern er damit beschwert wäre (Art. 42 Abs. 2 BGG). Die Vorinstanz prüft die Sache unter dem Titel der Verhältnismässigkeit.
Dass es sich bei der letztinstanzlichen kantonalen Vorinstanz um ein unabhängiges, auf Gesetz beruhendes Gericht mit voller Kognition in Tat- und Rechtsfragen im Sinne von Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK handeln muss, bedeutet nicht, dass die betroffene Person sich vor diesem Gericht auf sämtliche Teilgehalte von Art. 6 Ziff. 1 EMRK berufen kann. Im vorliegenden Verfahren, indem die Vorinstanz gemäss Art. 64a i.V.m. Art. 64b StGB prüft, ob die Verwahrung weiterhin erforderlich ist, besteht weder ein zwingender Anspruch auf eine nochmalige persönliche,
mündliche
Anhörung durch das Gericht noch auf eine öffentliche Verhandlung. Die Vorinstanz konnte angesichts der konkreten Aktenlage (oben E. 1.2.2) auf eine mündliche Verhandlung gestützt auf § 59 Abs. 1 VRG verzichten (ausführlich Urteile 6B_147/2017 vom 18. Mai 2017 E. 7.4; 6B_699/2019 vom 16. Januar 2020 E. 1.4). Der Beschwerdeführer war vom JUWE am 30. Oktober 2019 zur bedingten Entlassung angehört worden. Damit wurde ihm das rechtliche Gehör gemäss Art. 64b Abs. 2 lit. d StGB im Verfahren gewährt (es ist auf das angefochtene Urteil zu verweisen, oben E. 1.2.2).
1.3.3
Nach dem Beschwerdeführer ist eine verfahrensrechtliche Verletzung von
Art. 5 Ziff. 4 EMRK evident. Das Verfahren habe viel zu lange gedauert. Er macht wegen eines EMRK-widrig erlittenen
BGE 147 I 259 S. 266
Freiheitsentzugs bzw. Erleidens eines EMRK-widrigen Haftprüfungsverfahrens einen Anspruch auf Entschädigung im Sinne von
Art. 5 Ziff. 5 EMRK geltend und beantragt, im Grundsatz festzustellen, dass er angemessen zu entschädigen sei.
Das verwaltungsinterne Verfahren kann zu einer gewissen Verzögerung der richterlichen Kontrolle der Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs führen. Dies ist nicht zwingend unvereinbar mit Art. 5 Ziff. 4 EMRK (Urteile 6B_1166/2020 vom 5. November 2020 E. 3.4; 6B_509/2015 vom 10. Juni 2015 E. 2.4). Das verwaltungsinterneVerfahren der Fachbehörden, die im direkten Kontakt mit den Insassen und mit dem individuell-konkreten, alltäglichen Massnahmenvollzug vertraut sind, ist nicht gering zu achten. Es ist vielmehr unabdingbar zur Erstellung der sachlichen Entscheidgrundlagen unter Einbezug und Anhörung des Insassen. Die Prüfung einer staatsanwaltlich angeordneten Inhaftierung ist ein aliud im Verhältnis zur Abklärung der Legalprognose eines wegen seiner Gefährlichkeit ultima ratio verwahrten Täters. Art. 5 Ziff. 4 EMRK gewährleistet die gerichtliche Überprüfung der Gesetzmässigkeit der Festnahme oder Festhaltung von Personen ("aux individus arrêtés ou détenus"). Wird eine Person durch eine Administrativbehörde festgenommen, hat sie Anspruch auf einen Rekurs an ein Gericht. Nicht in der gleichen Weise verhält es sich, wenn die Entscheidung in einem gerichtlichen Verfahren erging. In diesem Fall ist die Überprüfung im Urteil "inkorporiert": "Dans cette dernière hypothèse, le contrôle voulu par l'article 5 par. 4 (art. 5-4) se trouve incorporé à la décision; tel est le cas, par exemple, d'une 'condamnation' à l'emprisonnement prononcée 'par un tribunal compétent' (article 5 par. 1 a) de la Convention (art. 5-1-a)" (Urteil des EGMR
De Wilde u.a.
, § 76). Das zeitliche Kriterium ist bei der jährlichen Überprüfung im Sinne von Art. 64b StGB ein wesentliches Kriterium unter anderen. Das Primäre ist der sachgerechte Entscheid. Dabei ist anerkannt, dass die Behörden ihren Entscheid innert nützlicher Frist unter Beachtung des Beschleunigungsgebots fällen.
Zu berücksichtigen ist die Dauer seit Eingang des Gesuchs vom 4. Oktober 2019 bis zum vorinstanzlichen Urteil vom 11. Dezember 2020. Das JUWE wies das Gesuch am 18. November 2019 ab. Den Rekurs vom 23. Dezember 2019 wies die Justizdirektion am 6. Februar 2020 mit einer eingehenden 20-seitigen Begründung ab. Die dagegen erhobene Beschwerde vom 12. März 2020 entschied die Vorinstanz am 11. Dezember 2020. Nicht die
BGE 147 I 259 S. 267
verwaltungsinterne, wohl aber die 9-monatige verwaltungsgerichtliche (kumuliert mit der verwaltungsinternen) Verfahrensdauer lässt sich mit der "kurzen Frist" von
Art. 5 Ziff. 4 EMRK nicht vereinbaren (vgl. Urteil 6B_850/2020 vom 8. Oktober 2020 E. 3.2 und 3.3).
Zu Recht verneint die Vorinstanz einen Anspruch auf Schadenersatz. Ein Schaden wird vor Bundesgericht nicht begründet. Darauf ist nicht einzutreten. Wie die Vorinstanz annimmt, wäre ihm einzig die ausdrückliche Feststellung einer Verletzung des Beschleunigungsgebots zuzugestehen. Sie schliesst aber, das hätte der Beschwerdeführer beim Bundesgericht zu rügen. Stattdessen hätte sie die Verletzung des Beschleunigungsgebots bejahen und feststellen müssen (vgl. Urteil 6B_790/2017 vom 18. Dezember 2017 E. 3). Die Verletzung des Beschleunigungsgebots gemäss Art. 5 Ziff. 4 EMRK ist im bundesgerichtlichen Dispositiv festzustellen. Damit und einem Verzicht auf eine Kostenauflage wird dem Beschwerdeführer eine hinreichende Genugtuung sowie vollkommene Wiedergutmachung für die erlittene Rechtsverletzung verschafft. Seine Belastung durch die Verzögerung ist als leicht zu qualifizieren (vgl. Urteil 6B_790/2017 vom 18. Dezember 2017 E. 2.4).
1.4
Der Beschwerdeführer wendet ein, die Vorinstanz habe den Eventualantrag (der weder den Rechtsbegehren im Rekurs noch in der Beschwerde noch dem vorinstanzlichen Urteil zu entnehmen ist) auf Einholung eines aktuellen Gutachtens nicht behandelt. Das Gerichtsgutachten könne eine aktuelle Rückfallgefährlichkeit nicht bezeichnen. Die Vorinstanz verkenne, dass der Umfang der psychischen Störung aufgrund des fortgeschrittenen Alters vertieft geprüft werden müsste. Die Vorinstanz hätte eine Oberexpertise in Auftrag geben müssen.
Die Vorinstanz anerkennt, dass das Gericht bei substanziierten Vorbringen zu prüfen hat, ob das Privatgutachten die Schlussfolgerungen des behördlich bestellten Gutachtens derart zu erschüttern vermöge, dass davon abzuweichen sei. Sie prüft dies und setzt sich zutreffend mit der Frage der Aktualität (Urteil 6B_975/2020 vom 14. Oktober 2020 E. 3.4.1 mit Hinweisen) auseinander. In ihrer Würdigung nimmt das Privatgutachten kaum weniger Raum ein als das Gerichtsgutachten, an dessen Schlüssigkeit (offenbar irrtümlich Beschwerde) keine Zweifel bestehen. Die Vorinstanz war nicht veranlasst, ein Obergutachten einzuholen und sich mit einem (allfälligen) Eventualantrag auseinander zu setzen.