81 II 22
Urteilskopf
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4. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 17. Februar 1955 i.S. Aubry gegen Schuler.
Regeste
1. Formalien der Berufung: Ist es zulässig, das Verhältnis von Haupt- und Eventualantrag, wie sie in kantonaler Instanz gestellt waren, vor Bundesgericht umzukehren? Erw. 2.
2. Unverjährbarer Anspruch auf Feststellung, dass ein rechtswirksames Vermächtnis gar nicht vorliege. Erw. 4.
3. Genügendes Interesse an einer gerichtlichen Feststellung. Erw. 5.
4. Der Erblasser muss den Vermächtnisnehmer selber genau bezeichnen. Erw. 6.
5. Zum Begriff der Auflage nach Art. 482 ZGB. Erw. 7.
6. Zuwendungen mit Zweckbestimmung an eine Mehrheit von Personen insgesamt: Voraussetzungen zur Annahme einer gültigen Zuwendung solcher Art, so dass sie nach Art. 539 Abs. 2 ZGB als Stiftung gelten kann. Erw. 8.
A.- Der am 4. August 1949 verstorbene Witwer Carl Martin Jung in Erlenbach (Zürich) hinterliess keine leiblichen Nachkommen. Seine Adoptivtochter Agnes Marie Jung ist zwar erbberechtigt, jedoch ohne Pflichtteilsanspruch. Sie hat aus nun geschiedener Ehe einen am 5. Februar 1945 geborenen Sohn, den Kläger Karl Albert Aubry.
B.- Der Erblasser hatte am 20. Juli 1949 ein eigenhändiges Testament errichtet und darin verschiedene Vermächtnisse, unter anderem zugunsten der Adoptivtochter und seiner vier Schwestern, ausgesetzt. In Ziff. 7 bestimmte er, der Rest seines Vermögens falle an den Kläger. In Ziff. 8 ernannte er den Beklagten zum Willensvollstrecker.
Die Ziff. 2 und 3 des Testamentes lauten:
"2. Zehntausend Franken sind für meine Schwester Marie, z.Z. in Wil, St. Gallen, zu reservieren, wovon jedes Jahr die Zinsen und achthundert Franken vom Kapital für die Schwester aufzuwenden sind. Der bei ihrem Ableben eventuell noch vorhandene Rest dieser zehntausend Franken soll unter die noch lebenden Schwestern gleichmässig verteilt werden. Überlebt meine Schwester alle andern Schwestern, so soll der noch vorhandene Rest ihres Vermögens zur Heranbildung von katholischen Priesteramtskandidaten verwendet werden. Das Nähere bestimmt der Testamentsvollstrecker.
3. Es ist mein Wunsch, dass der Testamentsvollstrecker zum Vormund oder Beistand von Karl Albert Aubry ernannt wird, falls er einmal einen solchen brauchen sollte. Aus dem Ertrag, ev. auch aus dem Erlös meiner Liegenschaft (mit den darauf lastenden Verpflichtungen) samt Haus in Erlenbach kann der Testamentsvollstrecker dem Sohn meiner Adoptivtochter, Karl Albert Aubry, eine gute römischkatholische Erziehung angedeihen lassen. Der Testamentsvollstrecker ist befugt, Beiträge zu dessen beruflicher Ausbildung zu verabfolgen und ihn nach Gutdünken
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auch anderweitig zu unterstützen. Es ist dem Testamentsvollstrecker anheimgestellt, den Rest des Vermögens dem mündig gewordenen Karl Albert Aubry zu Eigentum und persönlicher Verwaltung zu übergeben oder im nachstehenden Sinne zu verfügen: stirbt der Bedachte Karl Aubry oder kann der von mir gewünschte Zweck (eine gute katholische Erziehung) für Karl Albert Aubry nicht erreicht werden, so verfügt der Testamentsvollstrecker über den noch vorhandenen Vermögensteil zur Heranbildung von katholischen Priesteramtskandidaten."
C.- Das Testament wurde der Mutter des Klägers am 13. September 1949 zur Kenntnis gebracht. Am 3. August 1951 ernannte die Vormundschaftsbehörde der Stadt Zürich einen Rechtsanwalt zum Beistand des Klägers mit dem Auftrag, das Testament "wegen Rechtswidrigkeit und nicht genau bestimmter Erbeinsetzung" anzufechten. Das geschah mit einer am 10. August 1951 beim Friedensrichteramt Erlenbach und am 22. gl. Mts. beim Bezirksgericht Meilen gegen den Willensvollstrecker angehobenen Klage, mit folgenden Rechtsbegehren:
"1. Das Testament sei wegen Testierunfähigkeit des Erblassers im Zeitpunkt der Erstellung (20. Juli 1949) als ungültig zu erklären.
2. Eventuell: Die Bestimmung des Testamentes, die die Ausrichtung von Leistungen an den Kläger davon abhängig macht, dass er eine gute römisch-katholische Erziehung, bzw. eine gute katholische Erziehung erhält (Ziffer 3 des Testamentes) sei als ungültig und nicht erfolgt zu erklären.
3. Eventuell: Die Bestimmungen des Testamentes (Ziffer 2 und 3 des Testamentes), die den Testamentsvollstrecker ermächtigen, Nachlassaktiven "zur Heranbildung von katholischen Priesteramtskandidaten" zu verwenden, seien als ungültig und nicht erfolgt zu erklären und es sei deren Einhaltung dem Beklagten ausdrücklich zu untersagen."
Am Tage vor dem Vermittlungsvorstand hatte der Beklagte eine Stiftung mit Sitz in Altdorf errichtet, der
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er den damals noch vorhandenen, aus dem Verkaufserlös der in Ziff. 3 des Testamentes erwähnten Liegenschaft stammenden Rest des Nachlasses widmete.
D.- Nach Durchführung des Beweisverfahrens liess der Kläger das Klagebegehren 1 fallen. Zur Begründung der übrigen Begehren machte er geltend, die Bedingung, an die das Testament in Ziff. 3 die Ausrichtung von Leistungen an ihn knüpfe, verletze die Gewissensfreiheit und sei daher unsittlich (Begehren 2); sodann ermangle das in Ziff. 2 wie auch in Ziff. 3 des Testamentes zugunsten von Priesteramtskandidaten ausgesetzte Vermächtnis der erforderlichen bestimmten Angabe der bedachten Personen (Begehren 3).
E.- Nach Abweisung der vom Beklagten vorweg erhobenen Einreden der fehlenden Passivlegitimation und der Verjährung erklärte das Bezirksgericht die in Ziff. 3 des Testamentes enthaltene Bedingung als unsittlich und daher die ganze Ziff. 3 als ungültig. Das Obergericht des Kantons Zürich, an das der Beklagte appellierte, verneinte dagegen mit Urteil vom 10. Juni 1954 die vom Bezirksgericht angenommene Unsittlichkeit und hielt das zugunsten von Priesteramtskandidaten ausgesetzte Vermächtnis als zu Recht bestehend. Es wies daher die Klage ab. Dabei stehe nur noch Ziff. 3 des Testamentes im Streit, da das Bezirksgericht sich zur Anfechtung von Ziff. 2 nicht ausgesprochen und der Kläger weder Haupt- noch Anschlussappellation eingelegt habe.
"I. Die Bestimmung des Testamentes in Ziffer 3, wonach der Testamentsvollstrecker ermächtigt ist, Nachlassaktiven zur Heranbildung von katholischen Priesteramtskandidaten zu verwenden, sei als ungültig und nicht erfolgt zu erklären und es sei deren Einhaltung dem Beklagten ausdrücklich zu untersagen.
II. Die Bestimmung des Testamentes in Ziffer 3, die die Ausrichtung von Leistungen an den Kläger davon
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abhängig macht, dass er eine gute katholische Erziehung erhält, sei als ungültig und nicht erfolgt zu erklären (Eventualantrag)."Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
2. Der Kläger hat seine Anträge nicht in einer nach Art. 55 Abs. 1 lit. b OG unzulässigen Weise geändert. Die Anträge der Berufung sind dieselben, die er in kantonaler Instanz als Begehren 2 und 3 gestellt hatte. Das letztere Begehren ist wie schon vor Obergericht auf Ziff. 3 des Testamentes eingeschränkt. Im übrigen hat er nur die Reihenfolge der beiden Begehren geändert und das frühere Eventualbegehren 3 nun zum Hauptbegehren I der Berufung erhoben. Ob eine derartige Umstellung allgemein zulässig sei, kann dahingestellt bleiben. Sie ist jedenfalls dann nicht zu beanstanden, wenn beide Begehren, wie es hier zutrifft, auf Herbeiführung des nämlichen Rechtserfolges abzielen und sich nur auf verschiedene Rechtsgründe stützen. Mit beiden Begehren erhebt der Kläger unbedingten Anspruch auf die in Ziff. 3 des Testamentes erwähnten Vermögenswerte. Indem er erklärt, nach Ziff. 7 des Testamentes falle dieser Rest des Nachlasses bei Gutheissung der Klage "automatisch" an ihn (Ziff. 2 der Vorbemerkungen in der Berufungsschrift), gibt er der Meinung Ausdruck, die in Ziff. 3 des Testamentes vorgesehene Befristung bis zu seiner Mündigkeit sei nur im Hinblick auf die alternativ verfügte Verwendung für Priesteramtskandidaten erfolgt und falle bei Rechtsunwirksamkeit der letztern Verfügung dahin. Der Beklagte, der hiezu "keine Bemerkungen" anbringen zu wollen erklärt (Ziff. II der Berufungsantwort), scheint diese Ansicht zu teilen. Sie trifft in der Tat zu, denn die erwähnte Befristung steht offensichtlich im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Vermächtnis zugunsten von Priesteramtskandidaten. Bei dieser Sachlage haben die Begehren auch im Nebenpunkt der Befristung die gleiche Tragweite. Sie sind somit, wie
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das Obergericht zutreffend bemerkt, gleichgeordnet. Die Änderung der Reihenfolge steht daher im Belieben des Klägers.
4. Die vom Beklagten gestützt auf Art. 521 ZGB erhobene Verjährungseinrede ist vom Bezirksgericht in erster Linie deshalb verworfen worden, weil zwischen dem Kläger und seiner Mutter, der Inhaberin der elterlichen Gewalt, eine Interessenkollision bestanden und daher die Verjährung erst mit der Ernennung eines Beistandes für das Kind begonnen habe. Das Obergericht hat die Klage materiell abgewiesen und dabei die Verjährungsfrage offen gelassen. Was das heutige Hauptbegehren betrifft, so unterliegt es gar nicht der Verjährung. Es geht auf Feststellung des Nichtbestehens eines dem gesetzlichen Begriff entsprechenden Vermächtnisses überhaupt. Damit beruft sich der Kläger auf keinen der in Art. 519 ZGB vorgesehenen Ungültigkeitsgründe. Er macht einen Mangel der Verfügung geltend, der diese (gemäss den in BGE 68 II 165 ff. ausgesprochenen Grundsätzen) als schlechthin rechtsunwirksam erscheinen lasse. Trifft dies zu, liegt also eine ihrem Inhalte nach als Vermächtnis taugliche Verfügung von vornherein nicht vor, so bedarf es zur Beseitigung der in Frage stehenden Testamentsklausel in der Tat keiner Ungültigkeitsklage, die der Verjährung unterläge. Vielmehr hat man es in diesem Falle mit einer testamentarischen Anordnung ohne jede Rechtswirkung zu tun. Um dies gerichtlich klarstellen zu lassen, genügt eine Feststellungsklage, die jederzeit angehoben werden kann, also unverjährbar ist (TUOR, 2. Auflage, N. 12 der Vorbemerkungen zu den Art. 519-521 ZGB ).
5. Aus dem Gesagten ergibt sich auch, dass der Kläger ein schutzwürdiges Interesse an der verlangten Feststellung im Sinne von BGE 77 II 344 ff. hat. Wird das Begehren zugesprochen, so ist damit gesagt, dass der Beklagte nicht befugt sei, das in Ziff. 3 des Testamentes genannte Vermögen anders als zum Vorteil des Klägers zu
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verwenden. Das Obergericht hat denn auch, indem es auf die Klage eintrat, die Voraussetzungen eines solchen Begehrens stillschweigend bejaht. Das Feststellungsinteresse des Klägers wird nicht etwa durch die Möglichkeit einer Leistungsklage ausgeschlossen. Denn im Zeitpunkt der Klageeinreichung kannte der Kläger den ihm bei grundsätzlicher Richtigkeit seines Standpunktes zukommenden Betrag des Nachlassvermögens noch nicht. Der Beklagte hat erst am 19. Januar 1953, anderthalb Jahre nach Prozessbeginn, über den von ihm verwalteten Nachlass Rechnung abgelegt. Übrigens kommt der Feststellnng der Rechtswirksamkeit oder -unwirksamkeit einer letztwilligen Verfügung eine erhebliche selbständige Bedeutung zu. Es ist daher fraglich, ob der Kläger nicht sogar dann eine solche Feststellung hätte verlangen können, wenn er von Anfang an in der Lage gewesen wäre, daneben ein Leistungsbegehren zu stellen.
6. In der Sache selbst folgt die Richtigkeit des vom Kläger eingenommenen Standpunktes unwiderleglich aus dem in BGE 68 II 165 /6 dargelegten Grundsatz, dass der Erblasser die mit einem Vermächtnis bedachten Personen selbst zu bezeichnen hat und deren Individualisierung keinem Dritten überlassen kann. Andernfalls liegt kein Vermächtnis im Sinne des Gesetzes vor. So verhält es sich im vorliegenden Falle, wo der Erblasser es gänzlich dem Belieben des Willensvollstreckers anheimgestellt hat, welchen Priesteramtskandidaten er Leistungen aus dem Nachlass zukommen lassen will. Die Gründe, aus denen das Obergericht vom erwähnten Präjudiz abgehen zu sollen glaubt, sind nicht durchschlagend. Ohne sich mit dessen Erwägungen auseinanderzusetzen, lässt es sich von der Überlegung leiten, es gebe Fälle, in denen sich das hier vom Erblasser gewählte Vorgehen aufdränge, sei es, dass die Institution, der er ein Vermächtnis ausrichten wolle, noch nicht bestehe, sei es, dass er sich im Ungewissen darüber befinde, welche der verschiedenen Institutionen seinem Willen am besten entspreche. Auf derartige Bedürfnisse
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nimmt jedoch das geltende Gesetz dadurch Rücksicht, dass es dem Erblasser die Befugnis einräumt, durch letztwillige Verfügung eine Stiftung zu errichten. Wenn der Erblasser die Personen nicht kennt, die er (nach bestimmten ihnen anhaftenden Eigenschaften) bedenken will, oder wenn ihm jedenfalls an der Individualität dieser Personen weniger als an den Eigenschaften liegt, um deren willen er sie bedenken will, so kennt er doch jedenfalls den Zweck, den er zu fördern wünscht. Das genügt zur Errichtung einer Stiftung. Ist er aber sogar über den Zweck im Unklaren, so fehlt es an einem eindeutigen Willen, wie er für eine letztwillige Verfügung unerlässlich ist. Das Obergericht räumt übrigens zutreffend ein, es sei, wie gerade der vorliegende Fall zeige, mitunter gefährlich, Entschliessungen von der Tragweite der Bezeichnung des Vermächtnisnehmers einem Dritten zu überlassen. In der Tat besteht bei einem Vermächtnis dieser Art keine Gewähr dafür, dass der Dritte den wirklichen Absichten des Erblassers gemäss verfahre. Diese Absichten lassen sich eben gar nicht in zuverlässiger Weise eindeutig ermitteln. Der Dritte könnte im Ergebnis tun, was er will. Einem als "Vermächtnisnehmer" auftretenden Kläger würde es in der Regel schwer fallen darzutun, dass er zum Kreis der bedachten Personen gehöre. Ist dieser Kreis im Testament in unbestimmter Weise begrenzt, so könnte jener nur darauf klagen, dass der Dritte sein Wahlrecht ausübe, wobei ungewiss wäre, ob dies zugunsten des betreffenden Klägers geschähe. An der erwähnten, eingehend begründeten Rechtsprechung, die Schutz vor missbräuchlicher Handhabung solcher Testamentsklauseln bietet, indem sie ihnen die Rechtswirksamkeit versagt, ist daher festzuhalten.Übrigens vermöchte ein allgemein zugunsten katholischer Priesteramtskandidaten ausgesetztes Vermächtnis auch vor § 2151 des deutschen BGB nicht standzuhalten, der dem Erblasser freistellt, "Mehrere mit einem Vermächtnis in der Weise (zu) bedenken, dass der Beschwerte oder ein Dritter zu bestimmen hat, wer von den Mehreren
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das Vermächtnis erhalten soll". Denn diese Bestimmung erlaubt nicht die Zuwendung eines Vermächtnisses an einen unbeschränkten Kreis von Personen, vielmehr hat der Erblasser die "Mehreren" genau und bestimmt anzugeben (vgl. STAUDINGER, BGB, 9. Aufl. V S. 592). Diesem Erfordernis würde die vorliegende letztwillige Verfügung nicht genügen.
7. Der Beklagte nimmt heute hauptsächlich den Standpunkt ein, die ihm am Schlusse von Ziff. 3 des Testamentes alternativ anheimgegebene Verwendung des Restes des Liegenschaftserlöses zur Heranbildung von Priesteramtskandidaten sei richtigerweise als Auflage zu betrachten. Als solche sei sie aber genügend klar umschrieben, denn eine Auflage könne nach allgemeiner Auffassung auch in Leistungen an einen mehr oder weniger weit umgrenzten Personenkreis bestehen.
Gegenüber dieser vor Obergericht noch nicht geltend gemachten Rechtskonstruktion erhebt sich in erster Linie das Bedenken, dass dem Willensvollstrecker in der verwirrlichen Folge unbestimmter Anordnungen, wie sie die Ziff. 3 des Testamentes enthält, überhaupt nichts in entschiedener Weise aufgegeben ist. Er "kann" den Liegenschaftsertrag oder -erlös vorerst dazu verwenden, dem Kläger eine gut katholische Erziehung angedeihen zu lassen, ist also dazu nicht verpflichtet. Ferner ist er bloss "befugt", aus diesen Mitteln an die berufliche Ausbildung des Klägers etwas beizutragen oder ihn "nach Gutdünken" anderweitig zu unterstützen. Auch die Verwendung des Restes des Vermögens ist dem Willensvollstrecker "anheimgestellt". Freilich bejaht das Obergericht in dieser Hinsicht das Vorliegen einer bestimmten Anordnung: Zwar sei es in das Ermessen des Willensvollstreckers gestellt, ob er den Restbetrag des Vermögens dereinst dem mündig gewordenen Kläger übergeben oder zur Heranbildung von Priestern verwenden wolle; das eine oder andere aber müsse er tun. Indessen ist nicht einmal dies klar ausgesprochen. Ferner läge darin wiederum eine unzulässigerweise einem Dritten überlassene Verfügung über
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den Nachlass, ganz abgesehen davon, dass der Willensvollstrecker die religiöse Erziehung des Klägers vernachlässigen und damit eine Ausrichtung des Restbetrages an ihn untunlich machen könnte.Auf alle Fälle liegt schon begrifflich keine Auflage vor, weil die (allfällige) Verwendung des Restvermögens für Priesteramtskandidaten nach Ziff. 3 des Testamentes Sache des Willensvollstreckers wäre, also keinem Erben oder Vermächtnisnehmer aufgetragen ist. Nun gibt es aber im Erbrecht ausser den mit einer Erbeinsetzung oder einem Vermächtnis verbundenen Auflagen, worauf sich Art. 482 ZGB bezieht, nur noch sog. selbständige Auflagen zu Lasten eines gesetzlichen Erben (BGE 76 II 207; TUOR, 2. Aufl., N. 8 zu Art. 482 ZGB). Was dagegen einem Willensvollstrecker aufgetragen ist, kann niemals Auflage sein, denn der Willensvollstrecker hat keine eigenen Vermögensrechte am Nachlass, sondern, wie ein Erbschafts- oder auch etwa ein Konkursverwalter, nur Machtbefugnisse in bezug auf dieses ihm fremde Vermögen (vgl. v. TUHR, Allg. Teil des OR, § 3, III). Somit wären die Priesteramtskandidaten (oder ein mit ihrer Heranbildung befasstes Institut) als Empfänger von Nachlasswerten im Sinne von Ziff. 3 des Testamentes nach der Absicht des Erblassers direkte Erwerber dieser Werte, also Vermächtnisnehmer. Da aber der Willensvollstrecker die in diesem Sinne Bedachten erst zu bestimmen hätte, liegt, wie dargetan, ein rechtswirksames Vermächtnis nicht vor.
Dem Beklagten kann nicht etwa neben der Rolle eines Willensvollstreckers diejenige eines (mit Auflagen belasteten) Vermächtnisnehmers zuerkannt werden. Er lehnt dies denn auch selber ab, und Ziff. 3 des Testamentes weiss in der Tat nur von Verrichtungen des Willensvollstreckers. Ferner lässt sich auch bei freiester Auslegung dieser Testamentsbestimmung keine Auflage zulasten des Klägers als des eingesetzten Erben annehmen. Er soll ja den Rest des Vermögens allenfalls statt der Priesteramtskandidaten bekommen, nicht etwas an diese auszurichten haben.
8. Endlich lässt sich die in die Hand des Willensvollstreckers
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gelegte, in ihren Voraussetzungen unklar umschriebene allfällige Verwendung des Restvermögens für die "Heranbildung von katholischen Priesteramtskandidaten" auch nicht gemäss Art. 539 Abs. 2 ZGB aufrecht erhalten. Auch unter diesem Gesichtspunkte bedürfte der Zweck einer näheren Umgrenzung. Denn das in Frage kommende Restvermögen kann nicht zu solcher Verwendung auf dem ganzen Erdkreise bestimmt sein. Nun ist aber im Testamente der engere Kreis von Begünstigten in keiner Weise umgrenzt, weder nach der Herkunft der Kandidaten, noch nach dem Ort ihrer Studien, noch in anderer Weise. Das wäre aber grundsätzlich Sache des Erblassers gewesen. Es ist auch nicht die Rede davon, dass ihm die Förderung eines bestimmten Seminars am Herzen gelegen hätte, so dass sich der Testamentswille dementsprechend auslegen liesse. Davon abgesehen fehlt es aber auch an der letztwilligen Widmung einer bestimmten Summe zu diesem Zweck. Einmal ist die Verfügung über den Liegenschaftserlös für die Zeit bis zur Mündigkeit des Klägers ganz dem Willensvollstrecker anheimgegeben. Ob beim Eintritt der Mündigkeit des Klägers etwas übrig bleibt, würde somit von den ins Ermessen des Willensvollstreckers gelegten Massnahmen abhängen. Aber auch für jenen Zeitpunkt ist nichts Bestimmtes verfügt, sondern wiederum eine Willensentschliessung des Willensvollstreckers vorgesehen. Da nach dem Testamente diesem überlassen wäre, das Vermögen dem Kläger zu übergeben oder zugunsten von Priesteramtskandidaten (nach seiner Wahl) zu verwenden, kann Art. 539 Abs. 2 ZGB nicht Platz greifen. Der Erblasser hat eben, statt selbst das hiefür Nötige zu verfügen, die Verfügung einem Dritten anheimgegeben, also an die Stelle seines Willens, der allein massgebend wäre, den Willen des Dritten treten lassen.
9. Das führt zur Gutheissung des Hauptbegehrens der Berufung in dem Sinne, dass die angefochtene Testamentsbestimmung als rechtsunwirksam (statt ungenau als "ungültig und nicht erfolgt") zu bezeichnen ist. Für das ferner
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verlangte Verbot an den Willensvollstrecker gibt der Kläger keine Begründung; darauf kann somit nicht eingetreten werden.
10. Als unterliegende Partei ist der Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren kosten- und entschädigungspflichtig. Ob er die ihm daraus erwachsenden Aufwendungen dem Nachlass, den er verwaltet, entnehmen oder bei der Überweisung des Nachlasses an den Kläger verrechnen darf, ist im vorliegenden Prozess nicht zu entscheiden. Das wird auch das Obergericht bei der ihm obliegenden neuen Kostenentscheidung zu beachten haben.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird, soweit darauf eingetreten wird, gutgeheissen und unter Aufhebung des Urteils des Obergerichts des Kantons Zürich vom 10. Juni 1954 festgestellt, dass die dem Beklagten gemäss Ziff. 3 der von Carl Martin Jung am 20. Juli 1949 errichteten letztwilligen Verfügung eingeräumte Befugnis zur Verwendung von Nachlassvermögen zur Heranbildung von Priesteramtskandidaten keinerlei Rechtswirkung hat.