BGE 81 II 138
 
24. Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. Mai 1955 i. S. Schwerzmann gegen Baugenossenschaft Urania.
 
Regeste
Liegenschaftskauf, Gewährleistung.
Die Verjährungsfrist für diesen Gewährleistungsanspruch beträgt 10 Jahre (Erw. 5).
Berechnung des Minderwerts (Erw. 6.)
 
Sachverhalt


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A.- Mit Vertrag vom 23. Januar 1946 verkaufte Schwerzmann an die Baugenossenschaft Urania das Grundstück Nr. 467 an der Baarerstrasse in Zug zum Preise von Fr. 105'000.--. Im Kaufvertrag wurde gestützt auf den Grundbuchplan, der den Kaufverhandlungen zu Grunde gelegen hatte, ein Flächenmass von 2112 m2 angegeben.


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Im Jahre 1949 stellte sich heraus, dass Schwerzmann schon 1938 vom Grundstück Nr. 467 einen Streifen von 170 m2 an den Kanton Zug verkauft hatte, der das Land zur Erstellung eines Trottoirs zu verwenden beabsichtigte. Dieser Kauf war zwar im Kaufregister eingetragen worden, dagegen unterblieb die Nachführung im Vermessungswerk. Im Zeitpunkt des Kaufvertrags mit der "Urania" war das Trottoir noch nicht erstellt.
B.- Da die "Urania" somit weniger als die im Kaufvertrag angegebenen 2112 m2 Boden erhalten hatte, verlangte sie mit Klage vom 7. Dezember 1951 unter Berufung auf die Vorschriften über die Gewährleistung beim Kauf von Schwerzmann Minderung des Kaufpreises um den Betrag von Fr. 9301.-- nebst Zins.
Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage, da die Voraussetzungen für eine Gewährspflicht nicht gegeben seien und ein allfälliger Anspruch der Klägerin zudem verjährt wäre.
C.- Das Kantonsgericht Zug wies mit Urteil vom 2./23. Juli 1952 die Klage mit der Begründung ab, der Gewährleistungsanspruch der Klägerin sei gemäss Art. 210 Abs. 1 OR verjährt, und der Nachweis einer absichtlichen Täuschung der Klägerin durch den Beklagten, die nach Art. 210 Abs. 3 OR eine Verlängerung der Verjährungsfrist bewirken würde, sei nicht erbracht.
Das Obergericht Zug hob diesen Entscheid mit Urteil vom 19. Mai/24. Juni 1953 auf. Es nahm an, der Verkäufer habe die Käuferin absichtlich getäuscht, verwarf demzufolge die Verjährungseinrede des Beklagten und wies die Sache an die erste Instanz zurück.
Daraufhin schützte das Kantonsgericht die Klage mit Urteil vom 21./22. Oktober 1953 im Betrage von Fr. 5717.80 nebst Zins.
Die vom Beklagten hiegegen erhobene Berufung wurde vom Obergericht mit Urteil vom 13. Juli/3. August 1954 unter Bestätigung des angefochtenen Entscheides abgewiesen.


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D- - Mit der vorliegenden Berufung stellt der Beklagte das Begehren, es sei in Aufhebung des obergerichtlichen Zwischenentscheides vom 19. Mai/24. Juni 1953 und des Endentscheides vom 13. Juli/3. August 1954 die Klage abzuweisen, eventuell die Sache zur Beweisergänzung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Berufungsbeklagte beantragt Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Entscheides.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Diese Regelung, die auf der Erwägung beruht, dass sich

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beide Parteien auf die amtliche Vermessung sollen verlassen können, gilt aber nach der Rechtsprechung (BGE 62 II 163) selbstverständlich nur unter der Voraussetzung, dass der Verkäufer die Unrichtigkeit des Grundbuches nicht gekannt hat. Er kann sich daher einem Gewährleistungsanspruch nicht unter Berufung auf Art. 219 Abs. 2 OR entziehen, wenn er die Unrichtigkeit des Grundbucheintrags gekannt und den Käufer über den Flächeninhalt des Grundstücks absichtlich getäuscht hat. Das liegt in der Linie des Gesetzes, das bei absichtlicher Täuschung auch die vertragliche Aufhebung oder Beschränkung der Gewährspflicht (Art. 199), die Beschränkung wegen versäumter Anzeige (Art. 203) und die kurze einjährige Klageverjährung (Art. 210 Abs. 3 OR) ausschliesst. Fallen aber nach diesen Bestimmungen, die auch auf den Grundstückkauf entsprechend anwendbar sind (Art. 221), bei Täuschung im allgemeinen vorgesehene Beschränkungen der Gewährspflicht dahin, so ist nicht einzusehen, aus welchem Grunde im Falle des Art. 219 Abs. 2 OR die Geltendmachung der absichtlichen Täuschung (mangels ausdrücklicher Übernahme der Gewährleistung) ausgeschlossen sein sollte. Reicht doch selbst die Grundbuchwirkung sogar Dritten gegenüber nicht weiter als ihr guter Glaube (ZGB Art. 973 und 975 Abs. 2). Würde man den Massen, welche im Grundbuch auf Grund amtlicher Vermessung unrichtig angegeben sind, selbst bei bösem Glauben des Eingetragenen unbedingte Geltung zuerkennen, so erhielte damit der Eingetragene geradezu einen Freibrief für absichtliche Täuschungen. Das wäre unvereinbar mit einem Rechtssystem, das hinsichtlich der Ausübung von Rechten und der Erfüllung von Rechtspflichten von den Grundsätzen von Treu und Glauben getragen ist.
4. Im vorliegenden Falle hat die Vorinstanz angenommen, dass der Beklagte die Klägerin über das Flächenmass absichtlich getäuscht habe. Der Beklagte bestreitet dies auch in der Berufung noch. Allein zu Unrecht. Nach den Feststellungen der Vorinstanz wusste er, dass er 1938

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einen Streifen Land an den Kanton verkauft hatte. Ebenso ersah er aus der im Grundbuchauszug angegebenen m2-Zahl und aus dem Grundbuchplan, dass der Landverkauf von 1938 in diesen beiden Urkunden nicht berücksichtigt worden war. Diese Tatsache verschwieg er der Klägerin bei der Besichtigung des Grundstücks. Der Irrtum, in dem die Klägerin sich infolgedessen hinsichtlich des Flächenmasses des Grundstücks befand, war, wie die Vorinstanz weiter festgestellt hat, für den Willensentschluss der Klägerin, den Vertrag zum vereinbarten Preis abzuschliessen, von entscheidender Bedeutung. Alle diese Feststellungen der Vorinstanz sind tatsächlicher Natur und daher für das Bundesgericht verbindlich (Art. 63 Abs. 2 OG). Was der Beklagte in der Berufungsschrift vorbringt zur Begründung seines Standpunktes, dass die Vorinstanz ihm zu Unrecht absichtliche Täuschung zur Last lege, ist als blosse Kritik an der Beweiswürdigung, auf Grund deren die Vorinstanz zu den oben erwähnten Feststellungen gelangt ist, nicht zu hören. Ebenso geht die Behauptung des Beklagten fehl, es liege eine Verletzung von Art. 8 ZGB vor, weil der von der Klägerin zu leistende Beweis der Täuschung nicht erbracht sei, solange ernsthafte Gründe gegen eine solche sprechen. Denn die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin für den bösen Glauben des Beklagten hinsichtlich des in Grundbuchauszug und Plankopie angegebenen Flächenmasses beweispflichtig sei. Sie hat aber diesen Beweis auf Grund einer vom Bundesgericht nicht nachprüfbaren Beweiswürdigung als erbracht angesehen.
Dass die Vorinstanz von einem rechtlich unzutreffenden Begriff der Täuschung ausgegangen sei, indem sie aus den oben wiedergegebenen Tatsachen den Rechtsschluss auf das Vorliegen einer absichtlichen Täuschung zog, behauptet der Beklagte mit Recht nicht. Diese rechtliche Folgerung drängt sich in der Tat auf. Die Gewährspflicht des Beklagten ist deshalb grundsätzlich zu bejahen.
5. Der Beklagte wendet ein, der Gewährleistungsanspruch

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der Klägerin sei verjährt. Denn die auf Grund absichtlicher Täuschung sich ergebende Haftung sei keine vertragliche, sondern eine ausservertragliche, nämlich eine solche aus unerlaubter Handlung nach Art. 41 OR, und sie verjähre daher nach Art. 60 OR in einem Jahre. Die Vorinstanz verletze daher Bundesrecht durch die Anwendung von Art. 210 Abs. 3 und Art. 127 OR; diese letztere Bestimmung käme nur bei vertraglicher Haftung zur Anwendung.
Der Beklagte lässt jedoch ausser acht, dass die Klägerin gar keine ausservertraglichen Ansprüche geltend macht, sondern einen Gewährleistungsanspruch. Wenn der Gesetzgeber im Grundstückkauf den Fall des Mindermasses ausdrücklich den Bestimmungen über die Gewährleistung unterstellt, ihn also als Anspruch aus Vertrag behandelt, so muss das auch im Falle der absichtlichen Täuschung gelten. Es besteht kein Grund, den vom Gesetzgeber als Gewährleistung qualifizierten Tatbestand nicht durchwegs als solchen zu behandeln. Das hat der Gesetzgeber auch in verschiedenen andern Sonderbestimmungen des Gewährleistungsrechts getan, so insbesondere in den bereits erwähnten Fällen von Art. 199, 203 und 210 Abs. 3 OR. Demnach wird auch im Falle absichtlicher Täuschung die einjährige Frist des Art. 210 Abs. 1 und 2 für die Verjährung des der Klägerin zustehenden Minderungsanspruches (Art. 205 in Verbindung mit Art. 221 OR) gemäss Art. 210 Abs. 3 verlängert. Das bedeutet folgerichtig auch Unanwendbarkeit der Bestimmung über die Verjährung von Ansprüchen aus unerlaubter Handlung - wie auch der Präklusivfrist des Art. 31 OR - und Anwendung der in Art. 127 vorgesehenen Verjährungsfrist von 10 Jahren (so schon HAFNER zu Art. 259 a OR; ferner OSER-SCHÖNENBERGER, OR Art. 210 N. 9). Die Verjährung entsprechend derjenigen eines Deliktsanspruchs spätestens ein Jahr, nachdem der Käufer die Täuschung erkannt hat, eintreten zu lassen (so BECKER, OR Art. 210 N. 4), wäre nicht gerechtfertigt angesichts der vom Gesetz ausdrücklich

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vorgesehenen Unterstellung des Tatbestandes unter das Recht der Gewährleistung.
Beträgt somit die Verjährung des der Klägerin zustehenden Preisminderungsanspruchs 10 Jahre, so ist die Einrede des Beklagten abzuweisen.
Der Beklagte wendet weiter ein, die Klägerin müsse sich die Vorteile anrechnen lassen, welche ihr daraus erwüchsen, dass der Kanton auf dem fehlenden Land ein Trottoir erstellen werde. Allein diesen Vorteil hätte die Klägerin auch gehabt, wenn das fehlende Land zunächst in ihr Eigentum übergegangen wäre, und dazu hätte sie noch den Erlös für die Abtretung des Landes an den Kanton erhalten. Der Minderwert aus dem Mindermass trifft somit unter allen Umständen sie, weshalb sie Anspruch auf seinen Ersatz hat.. ..
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug vom 13. Juli 1954 bestätigt.