BGE 84 II 381
 
50. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. Juni 1958 i.S. R. gegen N.
 
Regeste
1. Art. 552 OR gestattet die Kollektivgesellschaft nur als Vereinigung natürlicher Personen.
 


BGE 84 II 381 (381):

a) Das SP hat sich im "Svndikatsvertrag" vom 7. Februar 1945 zutreffend als einfache Gesellschaft im Sinne des Art. 530 OR bezeichnet. Kollektivgesellschaft konnte es selbst unter der Voraussetzung, dass es ein nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe betreibe, nicht sein, da ihm die Aktiengesellschaft X. angehört. Art. 552 OR gestattet die Kollektivgesellschaft nur als Vereinigung natürlicher Personen. Als diese Bestimmung erlassen wurde, war man sich bewusst, dass unter dem alten Recht auch Aktiengesellschaften als Mitglieder von Kollektivgesellschaften in das Handelsregister eingetragen wurden. Der Ständerat (StenBull StR 1931 151 ff.) wollte im Gegensatz zum Nationalrat (StenBull NatR 1934 229 f.) daran festhalten, doch stimmte er schliesslich der Auffassung des Nationalrates bei, obschon er sich von dessen Überlegungen "nicht restlos überzeugt" erklärte (StenBull StR 1935 79). Das Bundesgericht hat denn auch schon entschieden, dass eine Verbindung, der Aktiengesellschaften angehören, nicht als Kollektivgesellschaft eingetragen werden kann (nicht veröffentlichte Erw. 3 des Urteils i.S. Grossi vom 3. März 1953).


BGE 84 II 381 (382):

b) Bei der einfachen Gesellschaft wird gemäss Art. 543 Abs. 3 OR vermutet, dass der Gesellschafter, dem die Geschäftsführung überlassen ist, ermächtigt sei, die Gesellschaft oder alle Gesellschafter Dritten gegenüber zu vertreten. Das geschieht nach den Grundsätzen über die Stellvertretung (vgl. Art. 543 Abs. 2 OR). Nach diesen hat der Vertretene für die Folgen unerlaubter Handlungen des Vertreters nicht einzustehen. Die Vertretungsmacht gilt nur für Rechtshandlungen, insbesondere für den Abschluss von Rechtsgeschäften, nicht auch für die Begehung unerlaubter Handlungen. Solche verpflichten den "Vertretenen" nur auf Grund besonderer Bestimmungen, die ausserhalb der Normen über die Stellvertretung stehen.
So bestimmt Art. 55 OR allgemein, dass der Geschäftsherr, Entlastungsbeweis vorbehalten, für den Schaden haftet, den seine Angestellten oder Arbeiter in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben. Aus dieser Bestimmung lässt sich jedoch eine Haftung der einfachen Gesellschaft für unerlaubte Handlungen des geschäftsführenden Gesellschafters nicht ableiten. Dieser führt die Geschäfte der Gesellschaft nicht wie ein Arbeiter oder Angestellter kraft eines Unterordnungsverhältnisses, sondern als den anderen Gesellschaftern Gleichgestellter. Er hat nur die Mitgesellschafter neben sich, nicht die Gesellschaft, die nicht Persönlichkeit besitzt und überhaupt nicht ein von den Gesellschaftern verschiedenes Rechtsgebilde ist (vgl.BGE 71 I 184), als Geschäftsherrin über sich. In der einfachen Gesellschaft einen Geschäftsherrn des vertretungsberechtigten Gesellschafters sehen, hiesse diese Eigenschaft allen Mitgesellschaftern und dem geschäftsführenden selber zuerkennen, der damit zu seinem eigenen Geschäftsherrn würde. Das widerspräche dem Sinne des Art. 55 OR. Geschäftsherr kann nur sein, wer kraft seiner Stellung grundsätzlich die Möglichkeit hat, durch Weisungen an den andern zu verhüten, dass dieser durch unerlaubte Handlungen Schaden stifte. Diese Möglichkeit, die dem

BGE 84 II 381 (383):

Verhältnis zwischen Über- und Untergeordneten eigen ist, besteht zwischen den Mitgliedern einer einfachen Gesellschaft und dem geschäftsführenden Gesellschafter nicht.
Es ist auch nicht zulässig, Art. 567 Abs. 3 OR, wonach die Kollektivgesellschaft für den Schaden aus unerlaubten Handlungen, die ein Gesellschafter in Ausübung seiner geschäftlichen Verrichtungen begeht, sinngemäss auf die einfache Gesellschaft anzuwenden. Diese kann nicht wie die Kollektivgesellschaft "unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, vor Gericht klagen und verklagt werden" (Art. 562 OR) mit der Folge, dass der Gläubiger grundsätzlich zuerst aus dem Gesellschaftsvermögen und nur unter den Voraussetzungen des Art. 568 Abs. 3 OR auch aus dem Privatvermögen des einzelnen Gesellschafters Befriedigung verlangen könnte. Diese rechtliche Sonderstellung des Vermögens der Kollektivgesellschaft gab Anlass, die Schulden aus den in Ausübung geschäftlicher Verrichtungen begangenen unerlaubten Handlungen der Gesellschafter als Gesellschaftsschulden zu behandeln. In der Bundesversammlung wurde denn auch bei der Beratung über Art. 567 Abs. 3 OR ausgefuhrt, in dieser Bestimmung liege eine Konzession an jene Rechtsauffassung, welche die Kollektivgesellschaft als juristische Person erklären möchte (StenBull StR 1931 156). Für die einfache Gesellschaft fällt dieser Gesichtspunkt ausser Betracht. Die Mitglieder einer einfachen Gesellschaft haften aus unerlaubter Handlung eines anderen Gesellschafters nur, wenn er sie mit ihnen gemeinsam begeht, nicht auch, wenn er ohne ihr Einverständnis handelt.
c) Indem Dr. M. dem Vertreter des Klägers am 21. Januar 1949 auf die Frage, ob B. das SP mit oder ohne Vollmacht vertreten habe, unrichtige Auskunft erteilte, beging er - Absicht oder Fahrlässigkeit vorausgesetzt - eine unerlaubte Handlung, für die gemäss Art. 55 Abs. 2 ZGB auch die AG X. einzustehen hat, da M. ihr einziger Verwaltungsrat war und die Erteilung von Auskunft über

BGE 84 II 381 (384):

die Vertretungsbefugnis B.s zu ihren Aufgaben als Geschäftsführerin des SP gehörte. Aus unerlaubter Handlung leitet denn auch der Kläger seine Forderung auf Ersatz des ihm angeblich durch die Auskunft erwachsenen Schadens ab. Er behauptet jedoch nicht, dass der Beklagte zu dieser unerlaubten Handlung irgendwie beigetragen, d.h. sie gemeinsam mit Dr. M. und der AG X. begangen habe. Aus der blossen Tatsache, dass der Beklagte Mitglied des SP ist, lässt sich aber nach dem Gesagten seine Haftung für die Folgen dieser unerlaubten Handlung nicht ableiten. Das Obergericht hat daher die Klage auf Ersatz des Schadens, der dem Kläger durch den Prozess gegen B. erwachsen sein soll, zu Unrecht teilweise gutgeheissen. Sie ist entsprechend dem Berufungsantrag des Beklagten abzuweisen.