84 II 450
Urteilskopf
84 II 450
60. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 28. Oktober 1958 i.S. Virginia Tobacco A.-G. gegen Rinsoz & Ormond SA
Regeste
Verwechslungsgefahr; Unterlassungsklage. Art. 1 Abs. 2 lit. d, Art. 2 Abs. 1 lit. b. UWG
Unzulässigkeit der Hervorrufung einer Herkunftsverwechslung (Erw. 1).
Gefahr der Herkunftsverwechslung bei Zigarettenpackungen (Erw. 2 u. 3).
Bedeutung der Nachahmungsabsicht bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr (Erw. 4).
Anforderungen an den gerichtlichen Unterlassungsbefehl (Erw. 6).
Aus dem Tatbestand:
A.- Die Klägerin, die Zigarettenfabrik Rinsoz & Ormond SA in Vevey, stellt auf Grund eines Vertrages von 1937/46 mit der französischen Tabakregie, welcher die Ausbeutung des staatlichen Tabakmonopols übertragen ist, für den schweizerischen Markt unter anderm Zigaretten "Gauloises Maryland" in gelber und "Gauloises Caporal"
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in blauer Packung her, die in Aufmachung und Aroma den gleichnamigen Erzeugnissen der französischen Regie entsprechen. Die Packungen dieser von der Klägerin fabrizierten Zigaretten tragen auf der Vorderseite in der oberen Hälfte die Angabe der Sorte, in der unteren Hälfte das Bild eines geflügelten gallischen Helms. Auf der Rückseite ist in der Mitte ein kreisrundes Signet mit dem Bild eines krähenden Hahns und der Umschrift "Regie Française" angebracht.Die Beklagte, die Zigarettenfabrik Virginia Tobacco A.-G. in Bern, brachte im Mai 1955 gestützt auf einen Lizenzvertrag mit der Société des Cigarettes Nationales in Algier hergestellte Zigaretten "Nationales" vom Typ Maryland in gelber und vom Typ Caporal in blauer Packung auf den schweizerischen Markt. Die gelbe bezw. blaue Packung dieser Erzeugnisse der Beklagten ist wie folgt gestaltet:
Auf der vordern Seite steht in der oberen Hälfte das Wort "Nationales", auf der Rückseite "Sté des Cigarettes Nationales, Alger". Rund um die Packung verläuft ungefähr in der Mitte ein in den Farben blau-weiss-rot gehaltenes, ca. 2,5 cm breites Band, dessen weisser Mittelstreifen auf der Vorderseite die Sortenbezeichnung "Maryland" bezw. "Caporal", auf der Rückseite die Angabe "Extension suisse" trägt. In der untern Hälfte ist auf der Vorder- und der Rückseite ein aus den Buchstaben C und N gebildetes Monogramm angebracht.
Für ihre Zigaretten "Nationales" entfaltete die Beklagte eine rege Werbung durch Zeitungsinserate, die u.a. die Wendungen enthielten: "Une élite française reste fidèle aux Cigarettes Nationales", "beste französische Tradition", "eine der meistgerauchten Zigaretten der französischen Union".
B.- Die Klägerin erachtete das Vorgehen der Beklagten als unlauteren Wettbewerb, weil sie mit der Ausstattung ihrer Packungen und mit der Werbung darauf ausgehe, die "Gauloises"-Zigaretten der Klägerin nachzuahmen
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und beim Publikum den Eindruck zu erwecken, es handle sich bei ihren Erzeugnissen ebenfalls um Produkte der französischen Regie.Sie erhob daher Klage mit den Begehren, der Beklagten sei die Herstellung und der Vertrieb von Zigaretten mit den beanstandeten Packungen zu untersagen und es sei ihr zu verbieten, bei der Werbung die oben genannten oder ähnliche Wendungen zu gebrauchen.
Die Beklagte bestritt das Vorliegen eines unlauteren Wettbewerbes und beantragte Abweisung der Klage.
C.- Das Handelsgericht des Kantons Bern kam zum Schluss, das Verhallten der Beklagten stelle unlauteren Wettbewerb dar. Es untersagte daher der Beklagten unter Androhung der Straffolgen des Art. 403 ZPO,
a) Zigaretten Caporal in blauer Verpackung und Zigaretten Maryland in gelber Verpackung unter der Bezeichnung "Nationales" und mit einem Band in den französischen Landesfarben herzustellen und zu vertreiben,
b) für ihre Zigaretten "Nationales" in einer Weise zu werben, welche den Eindruck erwecke, es handle sich um Erzeugnisse der französischen Regie, insbesondere die oben erwähnten Ausdrücke zu verwenden.
Aus den Erwägungen:
1. Nach Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG begeht unlauteren Wettbewerb, wer Massnahmen trifft, die bestimmt oder geeignet sind, Verwechslungen mit den Waren, Werken, Leistungen oder mit dem Geschäftsbetrieb eines andern herbeizuführen.
Diese Bestimmung untersagt einem Fabrikanten einmal die Wahl einer Warenausstattung, die der von einem Konkurrenten für die gleiche Ware verwendeten so ähnlich ist, dass die Käuferschaft Gefahr läuft, die beiden Erzeugnisse als solche miteinander zu verwechseln. Darüber hinaus liegt nach Lehre und Rechtsprechung unzulässige Verwechselbarkeit
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aber auch vor, wenn die Ähnlichkeit der beiden Ausstattungen zwar nicht so weit reicht, dass die eine Ware für die andere angesehen werden kann, aber immerhin derart ist, dass sie zur Meinung Anlass gibt, es handle sich bei den in Frage stehenden Waren um Erzeugnisse des gleichen Unternehmens (BGE 61 II 56, BGE 58 II 458; VON BÜHREN, Kommentar zum Wettbewerbsgesetz S. 130 f. N. 74/5). Die Erweckung eines solchen Irrtums muss deshalb als unzulässig betrachtet werden, weil er nicht weniger als die Verwechslung der Waren selbst die Abnehmer über die Herkunft des Erzeugnisses täuscht. Den Absatz seiner Waren mit täuschenden Mitteln zu fördern, ist unter allen Umständen mit der Lauterkeit des freien Wettbewerbes, die das Gesetz schützen will, unvereinbar.Die Vorinstanz hat angenommen, ein solcher Fall der Herkunftsverwechslung im weiteren Sinne liege hier vor, weil die Aufmachung der Zigaretten der Beklagten den Eindruck erwecke, sie seien gleich wie die "Gauloises" von der Klägerin stammende französische Regiezigaretten.
Mit der Berufung macht die Beklagte geltend, diese Auffassung der Vorinstanz treffe nicht zu und stelle daher eine unrichtige Anwendung der in Frage stehenden Bestimmung des Wettbewerbsgesetzes dar.
2. Bei der Prüfung dieser Rüge ist davon auszugehen, dass der auf den Packungen der Beklagten angebrachte Streifen in den Farben blau-weiss-rot an sich schon dazu angetan ist, beim Beschauer die Ideenverbindung mit dem Begriff "Frankreich" zu erwecken. Die Beklagte will dies zwar nicht gelten lassen. Sie weist darauf hin, dass zahlreiche andere Staaten, wie insbesondere die Niederlande, die gleichen Nationalfarben führen. Allein in der Schweiz sind diese Farben doch in erster Linie als diejenigen des Nachbarstaates Frankreich bekannt, so dass jedermann zunächst an dieses Land denken wird. Dieser spontane erste Eindruck wird durch den weiteren Umstand verstärkt, dass die Aufschriften auf der
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Packung in französischer Sprache abgefasst sind. Dadurch wird der Gedanke, der dreifarbige Streifen sei möglicherweise als Hmweis auf einen andern Staat zu verstehen, schon im Keime erstickt.In Raucherkreisen ist nun erfahrungsgemäss allgemein bekannt, dass in Frankreich für die Herstellung von Tabakwaren ein staatliches Monopol besteht. Dass dieses auf das Gebiet des europäischen Mutterlandes beschränkt ist, während in den übrigen Teilen der französischen Union die Tabakwarenfabrikation in den Händen der Privatindustrie liegt, weiss dagegen die breite Masse des schweizerischen Publikums nicht. Ist durch das dreifarbige Band einmal die Ideenverbindung mit Frankreich hergestellt, so liegt daher die Schlussfolgerung nahe, es handle sich bei der in der dargelegten Weise ausgestatteten Zigarette der Beklagten um ein Produkt der französischen Regie, in der Schweiz also um ein Erzeugnis der Klägerin.
Der nach dieser Richtung gelenkte Gedankengang wird durch die zusammen mit den Landesfarben verwendete Bezeichnung "Nationales" noch gefördert. Auch die Packung der italienischen Regiezigarette ist durch die italienischen Farben grün-weiss-rot und die Bezeichnung "Nazionali" als Erzeugnis eines Staatsbetriebes gekennzeichnet. Der Raucher, der die Packung der italienischen Monopolzigaretten kennt, kann deshalb leicht zu der Annahme neigen, es handle sich bei der Zigarettenpackung der Beklagten mit der französischen Trikolore und der Bezeichnung "Nationales" offenbar um französische Regiezigaretten.
Dazu kommt, dass die französischen Nationalfarben auch anderweitig verwendet werden, um Waren als Erzeugnisse eines Staatsbetriebes zu kennzeichnen. So ist es z.B. gerichtsnotorisch, dass bei dem auch in der Schweiz häufig getrunkenen Vichywasser "Eau de Vichy Etat" die Flaschen oben am Hals mit einem Streifen in den französischen Farben versehen sind, um so die Herkunft aus einem Staatsbetrieb zum Ausdruck zu bringen.
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3. Die Beklagte macht geltend, im Hinblick auf den mit der Société des Cigarettes Nationales in Algier abgeschlossenen Lizenzvertrag könne ihr nicht verwehrt werden, durch die Anbringung der französischen Landesfarben wahrheitsgemäss auf die Beziehung zur Französischen Union hinzuweisen. Wenn infolge einer beim schweizerischen Publikum bestehenden irrtümlichen Ansicht über den territorialen Geltungsbereich des französischen Tabakmonopols aus einem solchen Hinweis auf eine tatsächlich nicht vorhandene Beziehung ihres Erzeugnisses zur französischen Tabakregie geschlossen werde, könne dies nicht ihr zur Last gelegt werden.
Das ist - die von der Klägerin bestrittene, hier aber nicht zu prüfende Gültigkeit des erwähnten Lizenzvertrages vorausgesetzt - an sich wohl richtig. Da aber der Beklagten die mit der Verwendung der französischen Farben verbundene Möglichkeit irrtümlicher Schlussfolgerungen des Publikums nicht verborgen bleiben konnte, war sie verpflichtet, durch die übrige Ausgestaltung ihrer Packungen einen klaren und eindeutigen Abstand von den Erzeugnissen der französischen Tabakregie zu schaffen und so dem Schluss auf das Bestehen eines Zusammenhanges mit dieser entgegenzuwirken. Das hat die Beklagte aber gerade nicht getan. Sie hat gegenteils ihre Packungen im übrigen in einer Weise ausgestaltet, die den ohnehin vorhandenen Ansatz einer Verwechslungsgefahr erst zur vollen Entfaltung brachte.
Als Grundfarbe ihrer Packungen hat sie einen gelben bezw. blauen Farbton gewählt, der von den Packungen der Klägerin kaum abweicht. Hiezu hätte keine Notwendigkeit bestanden. Die Beklagte begründet die Wahl dieser Farben zwar damit, dass sie als Hinweis auf die Sorten Maryland und Caporal allgemein üblich seien. Nun ist zwar richtig, dass auf dem Markt eine Anzahl von "Maryland"-Zigaretten in gelber Packung angeboten werden. Daneben sind aber auch solche in roter oder brauner Packung erhältlich. Es ist daher fraglich, ob überhaupt
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von einer Marktgewohnheit der von der Beklagten behaupteten Art gesprochen werden könne. Selbst wenn jedoch eine solche bestünde, wäre es für die Beklagte ein Leichtes gewesen, gleich den übrigen Herstellern von Marylandzigaretten einen gelben Farbton zu wählen, der sich von dem der "Gauloises"-Packungen deutlich abgehoben hätte. - In Bezug auf die "Caporal"-Zigaretten sodann kann von einer Marktüblichkeit blauer Verpackung ohnehin nicht die Rede sein; bei den Akten befindet sich eine einzige andere Caporal-Zigarette in blauer Verpackung, deren Farbton zudem in einem viel dunkleren Blau als die Packung der Klägerin gehalten ist und sich daher von dieser deutlich unterscheidet.In den Aufschriften ("Nationales" - "Gauloises"), sowie den Bildzeichen (Monogramm C N - gallischer Helm) weicht die Packung der Beklagten zwar deutlich von jener der Klägerin ab. Dagegen ist die Flächenaufteilung der beiden Packungen dieselbe, indem die Aufschriften und Bildzeichen an den gleichen Stellen angebracht sind. Das hat zur Folge, dass der Gesamteindruck der beiden Packungen weitgehende Ähnlichkeit aufweist. Der Gesamteindruck ist aber für die Vergleichung zweier Ausstattungen in erster Linie massgebend (BGE 82 II 351). Die These der Beklagten, Verschiedenheit der einzelnen Elemente schliesse auch die Verwechselbarkeit des Gesamteindruckes aus, geht fehl.
Der Streifen in den französischen Nationalfarben schliesslich, der bei der Packung der Klägerin fehlt, vermag wohl einer Verwechslung der Waren als solcher vorzubeugen, fördert aber, wie oben ausgeführt wurde, die Verwechslungsgefahr in Bezug auf die Herkunft der Ware.
4. Wollte man am Bestehen einer Herkunftsverwechselbarkeit noch irgendwelche Zweifel hegen, so würden diese dadurch beseitigt, dass die Beklagte gemäss verbindlicher Feststellung der Vorinstanz sich bei der Ausgestaltung ihrer Packung von der Absicht leiten liess, die Packung der Klägerin nachzuahmen. Nachahmungsabsicht
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ist zwar, sowenig wie ein Verschulden überhaupt, für den Tatbestand des unlauteren Wettbewerbs nicht erforderlich. Dagegen ist nach der Rechtsprechung (BGE 72 II 398f.) nachgewiesener böser Glaube des belangten Wettbewerbers bei Zweifeln über die Verwechselbarkeit ebenfalls in die Waagschale zu werfen.Die Vorinstanz hat das Eingeständnis der Nachahmungsabsicht der Beklagten aus der Aussage des Zeugen Schürch abgeleitet, der Delegierter des Verwaltungsrates eines mit der Beklagten eng verbundenen andern Unternehmens der Tabakindustrie ist. Die Beklagte wendet in der Berufung ein, die Vorinstanz habe diese Zeugenaussage unrichtig ausgelegt. Diese Rüge ist jedoch als unzulässige Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung im Berufungsverfahren nicht zu hören.
Abgesehen hievon zeigt übrigens das ganze Vorgehen der Beklagten, dass sie es offensichtlich darauf angelegt hatte, die Ausgestaltung ihrer Packung derjenigen der Klägerin möglichst anzunähern, um so den im Schweizer Publikum bestehenden Irrtum über den territorialen Geltungsbereich des französischen Tabakmonopols zu ihren Gunsten auszunützen.
6. Die Vorinstanz hat der Beklagten unter Androhung der Straffolgen des Art. 403 ZPO allgemein untersagt, für ihre Zigaretten "Nationales" in einer Weise zu werben, welche den Eindruck erweckt, es handle sich um Erzeugnisse der französischen Regie.
Gegenstand eines Unterlassungsbefehls gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. b UWG kann indessen nur eine genau umschriebene, bestimmte Handlung sein, die vom Beklagten begangen worden ist und deren erneute Begehung ihm untersagt werden soll. Eine so allgemein gefasste Untersagung, wie die Vorinstanz sie ausgesprochen hat, entbehrt dagegen der erforderlichen Bestimmtheit und ist daher rechtlich nicht zulässig (BGE 56 II 437; VON BÜREN, Wettbewerbsgesetz S. 168 N. 10-13). Nur das eine genau umschriebene Handlung betreffende Verbot ist der Vollstreckung fähig. Der
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Vollstreckungsrichter, den ein Kläger mit der Behauptung anruft, der Beklagte habe eine ihm untersagte Handlung trotz dem Verbot des Zivilrichters erneut begangen, hat einzig zu prüfen, ob diese tatsächliche Voraussetzung erfüllt sei. Dagegen liegt es nicht in seiner Befugnis, darüber zu entscheiden, ob ein bestimmtes Verhalten des Beklagten unlauteren Wettbewerb darstelle. Eine solche materielle Entscheidung hätte er im vorliegenden Fall aber zu treffen, wenn die Klägerin gestützt auf das von der Vorinstanz ausgesprochene allgemeine Verbot an ihn gelangen würde, mit dem Begehren um Bestrafung der Beklagten, weil diese eine Handlung begangen habe, die ihr zwar nicht ausdrücklich untersagt worden sei, aber gleichwohl den Eindruck erwecke, ihre Erzeugnisse stammten von der französischen Regie. Die rechtliche Würdigung, ob ein so beanstandetes neues Verhalten der Beklagten den Tatbestand des unlauteren Wettbewerbs erfülle, ist ausschliesslich dem zuständigen Zivilrichter vorbehalten. Fühlt sich die Klägerin durch ein bestimmtes Verhalten der Beklagten erneut verletzt, so hat sie daher eine neue Klage zu erheben. Die Zulassung einer Urteilsauslegung durch den Vollstreckungsrichter, wie sie dic Fassung des vorinstanzlichen Urteilsdispositivs notwendig zur Folge hätte, wäre mit der Rechtssicherheit nicht vereinbar.