87 II 107
Urteilskopf
87 II 107
15. Urteil der I. Zivilabteilung vom 9. Mai 1961 i.S. Narok AG gegen Müller.
Regeste
1. Art. 6 Abs. 3 MSchG. Wann weichen die mit gleichen oder ähnlichen Marken gezeichneten Erzeugnisse gänzlich voneinander ab? (Erw. 1-3).
2. Art. 24 MSchG. Voraussetzungen und Umfang des Unterlassungsanspruchs aus Markenrecht (Erw. 4 Abs. 1).
3. Art. 29 ZGB. Wer eine Sache unbefugterweise mit einem fremden Namen bezeichnet, masst sich diesen an (Erw. 4 Abs. 2).
4. Art. 2 U WG. Ein nach Art. 24 MSchG und Art. 29 Abs. 2 ZGB bestehender Unterlassungsanspruch ist nicht ausserdem nach Art. 2 UWG zu schützen (Erw. 4 Abs. 3).
5. Art. 292 StGB. Die Strafe ist in der Verfügung von Amtes wegen anzudrohen (Erw. 5).
A.- Das "Narok"-Kaffee-Versandgeschäft liess im Jahre 1934 beim Eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum
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zum Gebrauch für Kaffee und verwandte Artikel die Marke Narok registrieren. Am 18. Januar 1949 wurde sie unter Nr. 127'780 für "Nahrungs- und Genussmittel, insbesondere Kaffee und Tee" zugunsten der Narok AG erneuert. Diese verwendet sie für Kaffee und Tee.Am 28. August 1959 hinterlegte Viktor Müller beim Eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum die gleich lautende Marke Nr. 176'955 für "Kaffeemühlen und Haushaltgeräte". Wiederholter Aufforderung der Narok AG, sie löschen zu lassen, entsprach er nicht.
B.- Am 6. Mai 1960 klagte die Narok AG gegen Müller beim Zivilgericht des Kantons Basel-Stadt unter anderem mit den Begehren: 1. festzustellen, dass die Marke Nr. 176'955 nichtig sei; 2. Müller die weitere Verwendung der Bezeichnung Narok "als Marke, als Name oder in anderer Weise zu verbieten".
Das Zivilgericht wies am 23. Dezember 1960 die Klage entsprechend dem Antrage des Beklagten ab.
C.- Die Klägerin hat die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Sie hält an den erwähnten zwei Begehren fest und beantragt subsidiär, die Sache zur Neubehandlung an das Zivilgericht zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Wenn die Erzeugnisse, für die zwei Fabrik- oder Handelsmarken bestimmt sind, nicht ihrer Natur nach gänzlich voneinander abweichen, muss sich die später hinterlegte Marke von der schon eingetragenen durch wesentliche Merkmale unterscheiden ( Art. 6 Abs. 1 und 3 MSchG ).
Erzeugnisse weichen nicht schon dann gänzlich voneinander ab, wenn sie auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht miteinander verwechselt werden können, sondern nur dann, wenn die letzten Abnehmer vermutlich nicht annehmen, der Inhaber der früher hinterlegten Marke habe auch die
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mit der übereinstimmenden oder ähnlichen Marke versehenen Erzeugnisse des andern hergestellt oder auf den Markt gebracht (BGE 33 II 451,BGE 38 II 708f.,BGE 56 II 404ff.,BGE 62 II 64,BGE 65 II 207,BGE 77 II 333f., BGE 84 II 319). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten, denn sie beruht auf dem zutreffenden Gedanken, dass die einem bestimmten Hersteller oder Händler zustehende Marke in erster Linie als Hinweis auf die Herkunft aus seinem Geschäfte und nur in zweiter Linie, nämlich wenn ein und derselbe Geschäftsinhaber verschiedene Marken verwendet, ausserdem zur Unterscheidung seiner Erzeugnisse dient (Art. 1 Ziff. 2 MSchG). Der Markeninhaber ist nicht nur daran interessiert, dass der Käufer die Erzeugnisse des andern nicht mit den seinen verwechsle, sondern er hat auch ein berechtigtes Interesse, nicht als Hersteller oder Lieferant von Warenarten angesehen zu werden, die er selber nicht anbietet; denn sonst könnte der Ruf seines Geschäftes durch den Ruf der Erzeugnisse des andern beeinträchtigt werden.
2. Ob zwei Arten von Erzeugnissen sich unter dem erwähnten Gesichtspunkt genügend voneinander unterscheiden, hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab. Die Frage ist nicht leichthin zu bejahen. Im Interesse des Inhabers der älteren Marke hängt die Anwendung der Ausnahmebestimmung des Art. 6 Abs. 3 MSchG von strengen Voraussetzungen ab (BGE 77 II 332). Das ergibt sich daraus, dass die Erzeugnisse "gänzlich" voneinander abweichen müssen. Die jüngere Marke kann so gewählt werden, dass sie sich von der älteren genügend unterscheidet, wenn die Natur der Erzeugnisse im Falle der Verwendung gleicher oder ähnlicher Marken den Gedanken aufkommen lassen könnte, sie stammten aus dem gleichen Geschäfte. Der Inhaber der jüngeren Marke hat daher kein schützenswertes Interesse, diese der früher hinterlegten Marke anzugleichen, wenn die Erzeugnisse ihrer Natur nach auch nur entfernt zur Annahme verleiten könnten, sie seien gleicher Herkunft. Er verdient bei der Beurteilung
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der Frage, ob die Erzeugnisse gänzlich voneinander abweichen, um so weniger Nachsicht, je mehr die beiden Marken einander gleichen (BGE 84 II 319 f.). Bei vollständiger Übereinstimmung der Marken ist Strenge ganz besonders am Platze.
3. Im vorliegenden Falle stimmen beide Marken miteinander vollständig überein. Die Gefahr, dass die Erzeugnisse des Beklagten für solche der Klägerin gehalten werden, ist daher gross. Sie wird noch gefördert durch den Umstand, dass das Wort Narok auch Bestandteil der Firma der Klägerin ist und dass es als reine Phantasiebezeichnung über die Beschaffenheit der Ware nichts aussagt, also von der Klägerin wie für Nahrungs- und Genussmittel, besonders Kaffee und Tee, an sich ebensogut für Kaffeemühlen und Haushaltgeräte verwendet werden könnte. Die Erzeugnisse beider Gruppen werden im täglichen Verkehr von Personen des gleichen Kreises, vorwiegend von Hausfrauen, gekauft. Die Kaffeemühlen und andern Haushaltgeräte dienen, wenn auch nur mittelbar, der Befriedigung der gleichen Bedürfnisse wie die Nahrungs- und Genussmittel, denn mit ihrer Hilfe werden diese zubereitet oder vom Menschen aufgenommen. Der Gedanke, dass ein und derselbe Geschäftsinhaber Nahrungs- und Genussmittel und die zu ihrer Zubereitung oder Aufnahme geeigneten Haushaltgeräte herstelle oder auf den Markt bringe, liegt nicht fern. Diesen Schluss kann namentlich ziehen, wer weiss, dass einerseits Kaffee und anderseits Kaffeemühlen unter der gleichen Marke in den Handel kommen. In erster Linie für Kaffee verwendet die Klägerin sie, und besonders Kaffeemühlen will der Beklagte mit dem gleichen Zeichen versehen. Die Abnehmer der einen und jene der anderen Gattung wissen über die Herkunft der beiden Gruppen von Erzeugnissen wenig oder nichts und pflegen beim Einkauf nicht darnach zu fragen. Um so eher sind sie geneigt, aus der Übereinstimmung der Marken auf gleiche Herkunft zu schliessen. Die Warengattung "Kaffeemühlen und Haushaltgeräte" weicht daher ungenügend von der Gattung
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"Nahrungs- und Genussmittel, insbesondere Kaffee und Tee" ab, um unter der gleichen Marke in Verkehr gebracht werden zu dürfen wie diese. Da die Klägerin die Marke Narok früher hinterlegt hat als der Beklagte, ist die zugunsten des Beklagten erfolgte Eintragung Nr. 176'955 nichtig.
4. Der Beklagte hat behauptet, er habe die Marke Narok bis jetzt noch nicht verwendet, und die Klägerin gibt zu, noch keine Verwendung festgestellt zu haben. Darauf kommt nichts an. Indem der Beklagte die Marke beim Eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum hinterlegte und die von der Klägerin begehrte Löschung wiederholt ablehnte, bekundete er, dass er das Wort Narok in seinem Geschäfte gebrauchen wolle. Das Begehren auf Unterlassung ist daher grundsätzlich begründet (BGE 58 II 172, BGE 84 II 322). Immerhin ist es nur beschränkt gutzuheissen, nämlich in dem Sinne, dass dem Beklagten die Verwendung des Wortes Narok zur Bezeichnung von Kaffeemühlen und Haushaltgeräten verboten wird; denn dass er auch andere Erzeugnisse so nennen wolle, hat er nicht kundgegeben.
Zu verbieten ist ihm nicht nur der markenmässige, sondern auch jeder andere Gebrauch des Wortes Narok zur Bezeichnung von Kaffeemühlen und Haushaltgeräten, z.B. die Verwendung in Geschäftsbriefen oder in der Reklame. Soweit das Begehren auf Unterlassung markenmässigen Gebrauches geht, ist es auf Grund des Art. 24 MSchG gutzuheissen. Anderweitiger Gebrauch würde nicht gegen das Markenschutzgesetz verstossen (BGE 60 II 255), wohl aber das Recht der Klägerin an ihrem Namen verletzen (Art. 29 Abs. 2 ZGB); denn eine Namensanmassung kann nach der Rechtsprechung unter anderem darin bestehen, dass jemand eine Sache unbefugterweise mit dem Namen eines andern bezeichnet (BGE 80 II 140). Wenn Kaffeemühlen oder andere Haushaltgeräte im Geschäftsverkehr des Beklagten mit dem Worte Narok benannt würden, könnte das Publikum meinen, sie stammten von
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der Klägerin. Das braucht sich diese nicht gefallen zu lassen.Der Unterlassungsanspruch aus unlauterem Wettbewerb würde voraussetzen, dass der Beklagte sich im wirtschaftlichen Wettbewerb unlauter verhalten habe (Art. 2 UWG). Ob eine Wettbewerbshandlung schon darin lag, dass er die Marke vom Eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum registrieren liess, oder ob von Wettbewerb nur die Rede sein könnte, wenn behauptet und bewiesen wäre, dass der Beklagte seine Erzeugnisse unter der Bezeichnung Narok anbot oder absetzte, kann offen bleiben. Da der Unterlassungsanspruch teils nach Art. 24 MSchG, teils nach Art. 29 Abs. 2 ZGB begründet ist, fehlt der Klägerin ein rechtliches Interesse daran, dass er auch noch auf Grund des Art. 2 UWG geschützt werde.
5. Die Klägerin hat nicht ausdrücklich verlangt, dass dem Beklagten für den Fall der Widerhandlung gegen das richterliche Verbot die in Art. 292 StGB vorgesehene Strafe angedroht werde. Das hat jedoch von Amtes wegen zu geschehen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- In grundsätzlicher Gutheissung der Berufung wird das Urteil des Zivilgerichtes des Kantons Basel-Stadt vom 23. Dezember 1960 aufgehoben.
2.- Es wird festgestellt, dass die vom Beklagten unter Nr. 176'955 am 28. August 1959 im Register der Fabrik- und Handelsmarken eingetragene Marke Narok nichtig ist.
3.- Dem Beklagten wird unter der Androhung von Haft oder Busse nach Art. 292 StGB untersagt, für Kaffeemühlen und Haushaltgeräte die Bezeichnung Narok als Marke, als Name oder in anderer Weise zu verwenden.
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