BGE 89 II 268
 
36. Urteil der I. Zivilabteilung vom 16. September 1963 i.S. Meyer gegen Gemeinde Savièse.
 
Regeste
Haftung einer Gemeinde aus unerlaubten Handlungen ihrer Organe. Klage auf Schadenersatz wegen angeblich rechtswidriger Ausschliessung eines Metzgers von der Benützung des Gemeindeschlachthauses.
Nichteintreten auf die Berufung an das Bundesgericht wegen ausschliesslicher Massgeblichkeit des kantonalen Rechts (Art. 43 Abs. 1 und Art. 60 Abs. 1 lit. a OG) und wegen Fehlens einer Zivilrechtsstreitigkeit (Art. 46 OG).
 
Sachverhalt


BGE 89 II 268 (269):

A.- Am 23. November 1960 verbot die Schlachthauskommission der Gemeinde Savièse dem dort niedergelassenen Metzgermeister Meyer in Anwendung von Art. 38 des vom Gemeinderat am 2. März 1960 erlassenen und vom Staatsrat des Kantons Wallis am 12. Mai 1960 genehmigten Schlachthausreglements den Zutritt zu dem von der Gemeinde im Jahre 1958 errichteten Schlachthause, weil er seit Dezember 1959 wegen einer Meinungsverschiedenheit die Benützungsgebühren nicht mehr bezahlt hatte. Nach Hinterlegung des streitigen Betrags wurde dieses Verbot auf Weisung des Staatsrats am 15. Dezember 1961 aufgehoben.


BGE 89 II 268 (270):

B.- Im Februar 1962 reichte Meyer gegen die Gemeinde Savièse Klage auf Schadenersatz im Betrage von Fr. 8187.50 ein mit der Begründung, er habe infolge des erwähnten Verbots, das ohne Grund in rechtswidriger Weise erlassen worden sei, einen Schaden in dieser Höhe erlitten, für den die Gemeinde nach Art. 41 ff. OR hafte. Die Beklagte erhob Widerklage auf Zahlung von Gebühren im Betrage von insgesamt Fr. 836.20 für die Untersuchung des nach Savièse eingeführten Fleisches von Tieren, die der Kläger während der Dauer der Schlachthaussperre in einer andern Gemeinde (Brämis) geschlachtet hatte.
Mit Urteil vom 7. Juni 1963 hat das Kantonsgericht Wallis die Hauptklage abgewiesen und die Widerklage gutgeheissen.
C.- Gegen dieses Urteil hat der Kläger die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag, die Hauptklage sei zu schützen und die Widerklage abzuweisen.
Vom Bundesgericht gestützt auf Art. 51 lit. c und Art. 52 OG angefragt, inwieweit das angefochtene Urteil auf der Anwendung eidgenössischer, kantonaler oder Gemeinde-Vorschriften beruhe, hat das Kantonsgericht am 9. September 1963 mitgeteilt, das Urteil beruhe auf kantonalem Recht; selbst wenn bundesrechliche Bestimmungen angewendet worden wären, "so würde darin in concreto immer noch kant. Ersatzrecht zu erblicken sein." Das Bundesgericht tritt auf die Berufung nicht ein.
 
Erwägungen:
Mit der Berufung an das Bundesgericht kann gemäss Art. 43 Abs. 1 OG nur geltend gemacht werden, der angefochtene Entscheid beruhe auf einer Verletzung des Bundesrechts. Ist der dem Bundesgericht unterbreitete Rechtsstreit nach kantonalem oder ausländischem Recht zu beurteilen und kann deshalb von vorneherein nicht die Rede davon sein, dass der angefochtene Entscheid Bundesrecht verletze, so ist auf die Berufung nicht einzutreten

BGE 89 II 268 (271):

(vgl. den letzten Satzteil von Art. 60 Abs. 1 lit. a OG). Mit einem derartigen Falle hat man es hier zu tun.
a) Ein Gemeindeschlachthaus ist ein aus Gründen des öffentlichen Wohls errichteter Gemeindebetrieb, der den Gemeinden keine Nettoeinnahmen abwerfen, d.h. nicht auf die Erzielung eines Gewinns gerichtet sein darf (Art. 44 Abs. 3 der eidg. Fleischschauverordnung vom 11. Oktober 1957). Daher kann nicht angenommen werden, die Schlachthauskommission der beklagten Gemeinde habe die Massnahme, in welcher der Kläger eine die Schadenersatzpflicht der Gemeinde begründende unerlaubte Handlung erblickt, in Ausübung gewerblicher Verrichtungen im Sinne von Art. 61 Abs. 2 OR getroffen. Vielmehr handelt es sich um eine obrigkeitliche Massnahme. Die Haftung des Gemeinwesens für unerlaubte Handlungen, die von Organen der Kantone oder Gemeinden bei Ausübung ihrer hoheitlichen Funktionen begangen werden, richtet sich nicht nach Art. 41 ff. OR in Verbindung mit Art. 55 ZGB, sondern (abgesehen von hier nicht zutreffenden Sonderfällen) nach kantonalem Recht. Die Art. 41 ff. OR können hier, wie die Vorinstanz in ihrer Vernehmlassung zutreffend bemerkt hat, höchstens als kantonales Ersatzrecht, dessen Anwendung das Bundesgericht nicht überprüfen kann, herangezogen werden (vgl. OSER/SCHÖNENBERGER N. 9-11, 13 und 14 zu Art. 61 OR, mit Hinweisen).
b) Dem kantonalen Recht (bzw. Gemeinderecht) gehören auch die Vorschriften an, in deren angeblicher Verletzung der Kläger eine unerlaubte Handlung erblickt und auf welche die widerklageweise geltend gemachte Gebührenforderung der Beklagten sich stützt. Wenn Art. 44 Abs. 1 der eidg. Fleischschauverordnung bestimmt, dass die Organisation der öffentlichen Schlachtanlagen, deren sanitarische und polizeiliche Beaufsichtigung, Öffnung, Schliessung, Schlacht- und Beschauzeit usw. sowie die Taxen für deren Benützung, für die Fleischschau und für weitere Leistungen durch ein vom Kanton zu genehmigendes Gemeindereglement bestimmt werden und dass vor

BGE 89 II 268 (272):

Erlass solcher Reglemente die Anlagebenützer sowie der Fleisch- und Fleischwarenhandel angehört werden sollen, so ändert dies nichts daran, dass solche Reglemente Gemeinderecht (allenfalls, z.B. mit Bezug auf die Ordnung des Rekursrechts, kantonales Recht) darstellen.
Vor der Vorinstanz hat der Kläger, nachdem er sich in der Klage selber auf das Reglement der Gemeinde Savièse vom 2. März 1960 berufen hatte, freilich geltend gemacht, dieses Reglement sei wegen Unterlassung der durch Art. 44 der eidg. Verordnung vorgeschriebenen Anhörung der Beteiligten ungültig. In der Berufungsschrift behauptet er (im Widerspruch zu den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz) neuerdings, dass die "Metzgerinteressenten" bei der Aufstellung dieses Reglements nicht begrüsst worden seien. Er leitet aber daraus nicht mehr ab, dass das Reglement ungültig sei, und wendet gegen die Annahme der Vorinstanz, dass es sich bei der angeblich verletzten Vorschrift um eine blosse Ordnungsvorschrift handle, nichts ein. Für das Bundesgericht besteht kein Anlass, sich mit dieser Frage von Amtes wegen zu befassen. Es bleibt also dabei, dass die Streitsache, die der Kläger dem Bundesgericht mit der vorliegenden Berufung unterbreitet hat, nicht nach Bundesrecht, sondern ausschliesslich nach kantonalem Recht zu beurteilen ist.
Auf die Berufung kann im übrigen auch deswegen nicht eingetreten werden, weil es sich beim Streit über die Haftung einer Gemeinde aus obrigkeitlichen Handlungen ihrer Organe und über Gebühren für die Fleischschau nicht um eine Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne von Art. 46 OG, sondern um eine öffentlichrechtliche Streitigkeit handelt.