BGE 93 II 60 |
12. Urteil der I. Zivilabteilung vom 30. Mai 1967 i.S. Egli, Fischer & Co. AG gegen Fischer. |
Regeste |
Berufung, Zulässigkeit; Art. 43 OG. |
Sachverhalt |
A.- Ernst Fischer klagte im Jahre 1962 beim Bezirksgericht Meilen auf Scheidung seiner Ehe mit Gertrud Fischer. In diesem Prozess behauptete die Beklagte im Hinblick auf die güterrechtliche Auseinandersetzung, der Kläger habe gegenüber der Egli, Fischer & Co. AG in Zürich, deren Direktor er ist, ein Kontokorrentguthaben und er habe seine in dieser Gesellschaft besessenen Aktien in den Jahren 1961 und 1962 angeblich zu einem weit unter ihrem inneren Wert liegenden Preise verkauft, so dass der dringende Verdacht der Simulation bestehe. Das Bezirksgericht beschloss am 25. August 1966, über die diese Behauptungen betreffenden Beweissätze ein Gutachten einzuholen, und verpflichtete die Egli, Fischer & Co. AG, dem Sachverständigen sowohl ihre eigene Buchhaltung als auch jene ihrer Rechtsvorgängerin, der Firma Egli, Fischer & Co., an welcher der Kläger beteiligt gewesen war, uneingeschränkt zur Verfügung zu stellen. Für den Fall der Unterlassung drohte es Ordnungsbusse und den Zwangsvollzug an. |
B.- Gegen diesen Beschluss erhoben der Kläger und die Egli, Fischer & Co. AG wegen Verletzung klarer Prozessvorschriften im Sinne von § 334 Ziff. 3 zürch. ZPO Rekurs.
|
Das Obergericht des Kantons Zürich wies am 21. Oktober 1966 beide Rekurse ab. Es bejahte die Pflicht der rekurrierenden Gesellschaft zur Vorlegung der Buchhaltung in erster Linie auf Grund des Art. 963 OR und fügte bei, der angefochtene Beschluss lasse sich auch unter dem vom Bezirksgericht ausschliesslich vertretenen Gesichtspunkt der Auskunftspflicht des Ehemannes im Scheidungsprozess begründen. Dagegen pflichtete es den Rekurrenten bei, dass er sich nicht auf § 232 zürch. EG zum ZGB stützen lasse.
|
C.- Die Firma Egli, Fischer & Co. AG führte gegen den Entscheid des Obergerichtes kantonale Nichtigkeitsbeschwerde. Das Kassationsgericht des Kantons Zürich trat mit Urteil vom 18. April 1967 darauf ein, weil die Berufung an das Bundesgericht nicht möglich sei. Es wies die Beschwerde ab.
|
D.- Die Firma Egli, Fischer & Co. AG hat gegen den Entscheid des Obergerichtes die Berufung erklärt. Sie beantragt, ihn aufzuheben und das Begehren der Frau Fischer auf Vorlegung der Buchhaltung der Berufungsklägerin und ihrer Rechtsvorgängerin abzuweisen, eventuell die Vorlegungspflicht dahin einzuschränken, dass zwecks Bewertung der veräusserten Aktien Fischers nur die Jahresabschlüsse 1959-1961 und zwecks Bestimmung des Guthabens Fischers gegenüber der Berufungsklägerin nur dessen Konto und die bezüglichen Belege vorzulegen seien.
|
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
2. Der angefochtene Entscheid greift in die Rechtsstellung der Berufungsklägerin ein. Diese Rechtsstellung bildet aber nicht Gegenstand einer Zivilrechtsstreitigkeit. Bezirksgericht und Obergericht haben die Pflicht der Berufungsklägerin zur Vorlegung der Buchhaltung nicht deshalb bejaht, weil Frau Fischer gegen die Berufungsklägerin auf Erfüllung dieser Pflicht geklagt hätte, sondern weil sie als Richter im Scheidungsprozesse der Eheleute Fischer die Einsichtnahme des Sachverständigen in die Buchhaltung der Berufungsklägerin und ihrer Rechtsvorgängerin als Beweismassnahme für geboten halten. Das Kassationsgericht sagt zutreffend, das Obergericht habe nicht über einen privatrechtlichen Anspruch eines Privaten gegen einen anderen Privaten entschieden, sondern über den prozessrechtlichen Anspruch der Obrigkeit (Gericht) gegenüber einem Untertan auf Vorlegung von Geschäftsbüchern zwecks Erfüllung einer staatlichen Aufgabe. Dass das Obergericht die Vorlegungspflicht der Berufungsklägerin in erster Linie aus Art. 963 OR ableitet, ändert nichts. Schon in BGE 71 II 244 Nr. 55 wurde ausgeführt, dies sei eine prozessrechtliche Bestimmung und der Richter, der sie gegen einen Dritten anwendet, fälle gegen diesen nicht ein Urteil, sondern tue nichts grundsätzlich anderes als wenn er jemanden als Zeugen vorladet. Er macht von einer öffentlichrechtlichen Befugnis Gebrauch (vgl. BGE 62 II 355). Dadurch unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem in BGE 82 II 555 ff. veröffentlichten, wo (in einem Befehlsverfahren) auf Vorlegung von Akten geklagt worden war und das Bundesgericht unter Hinweis auf die materiellrechtliche Natur des beurteilten Anspruches das Vorliegen einer Zivilrechtsstreitigkeit bejahte. |
Zudem widerlegt § 228 ZPO nicht, dass auch das zürcherische Recht eine prozessuale Editionspflicht kennt. Er hat nur den Sinn, sie gehe nicht weiter als die privatrechtliche. So hat das Bundesgericht diese Norm schon in BGE 82 II 564 verstanden, wo es sie als Beispiel dafür anführte, dass das Prozessrecht sich damit begnügen könne, eine Editionspflicht nur gemäss den im materiellen Recht begründeten Vorlegungspflichten vorzusehen. Der weitere Satz, aus dieser Vorschrift des Prozessgesetzes sei zu ersehen, dass der zürcherische Gesetzgeber die Pflicht zur Vorlegung von Urkunden als privatrechtliche betrachte, dient nur der Begründung der Auffassung, dass es materiellrechtliche Vorlegungspflichten gebe. Das Bundesgericht wollte damit nicht sagen, das zürcherische Prozessrecht kenne keine Editionspflicht Dritter im Prozess. Dass der Kanton Zürich eine solche bejaht, ergibt sich aus den §§ 231 ff. ZPO. Von § 231 wurde schon in BGE 82 II 565 gesagt, er stelle sie in das freie Ermessen des Richters, binde sie also anscheinend nicht streng an die dafür geltenden materiellrechtlichen Normen.
|
Dagegen ist die I. Zivilabteilung des Bundesgerichtes am 20. Oktober 1947 auf zwei Nichtigkeitsbeschwerden der Solothurner Handelsbank mit der Begründung nicht eingetreten, die Editionsverfügung des Richters an einen Dritten sei nicht Zivilsache, sondern Zivilprozessache, möge auch der Prozess, in dem sie ergehe, Zivilsache sein.
|
Demnach erkennt das Bundesgericht:
|