BGE 93 II 170 |
25. Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. Mai 1967 i.S. Loretan gegen Gemeinde Leukerbad. |
Regeste |
Quelleneigentum. Abgrenzung des privaten Grundeigentums. |
2. Bestimmung der Grenzen eines Grundstücks, für das noch keine Grundbuchpläne (Art. 668 Abs. 1, 950 ZGB) bestehen und das nicht allseitig vermarkt ist (Erw. 4). |
3. Wieweit erstreckt sich das Eigentum an Grund und Boden nach unten auf das Erdreich? (Art. 667 Abs. 1 ZGB; Erw. 5). |
4. Privates Grundeigentum oder kulturunfähiges, herrenloses Land? (Art. 664 ZGB; Erw. 6a). Umfang des Eigentums an einem Grundstück, das an herrenloses Land grenzt (Erw. 6b). |
5. Abgrenzung zwischen einem privaten Grundstück und einem im öffentlichen Eigentum stehenden Bachbett (Erw. 7). |
6. Voraussetzungen, unter denen ein Grundwasservorkommen dem Privateigentum (Art. 704 Abs. 3 ZGB) entzogen ist (Erw. 8a). Ist das die streitige Quelle speisende Grundwasservorkommen ein öffentliches Gewässer? Frage offen gelassen (Erw. 8b). Privateigentum an einer durch ein öffentliches Grundwasservorkommen gespiesenen Quelle; Befugnis des Grundeigentümers, diese zu fassen (Erw. 8c). |
Schadenersatzpflicht wegen ungerechtfertigter vorsorglicher Verfügung. Widerrechtliche Handlung im Sinne von Art. 41 OR? Haftung ohne Verschulden nach kantonalem Prozessrecht? (Erw. 9). |
Sachverhalt |
A.- Emil Loretan, Inhaber des Hotels Römerhof in Leukerbad, kaufte am 26. Juni 1964 von Peter Grichting, dem Eigentümer der aus Wies- und Weideland bestehenden Parzelle Nr. 4001 in der Gemeinde Leukerbad, zum Preise von Fr. 30'000.-- ein 100 m2 messendes quadratisches Teilstück dieser Parzelle, das die Nummer 4707 erhielt. Die Parzelle Nr. 4707 liegt an einem nach Norden geneigten, in seinem untern Teil mit Gras, Gebüsch und einigen Tannen bewachsenen Hang, der nördlich durch eine Felswand begrenzt wird, die senkrecht zum Ufer der hier von Osten nach Westen fliessenden Dala abstürzt. Dem untern Teil dieser 10 m hohen Felswand entspringt eine Thermalquelle. Loretan will diese bisher nicht benützte Quelle, die in einem vom Geologen J. Kopp im Dezember 1962 im Auftrag der Gemeinde erstellten Plan der Thermalquellen in der Dalaschlucht mit Nr. 17 bezeichnet ist, für den Betrieb eines Schwimmbades bei seinem Hotel verwenden. |
B.- Als die Gemeinde Leukerbad vernahm, dass Loretan Arbeiten zur Fassung der Quelle Nr. 17 ausführen liess, erwirkte sie am 15. Juli 1964 eine vorsorgliche Verfügung, die ihm die Fortsetzung dieser Arbeiten verbot. Am 27. Juni 1964 reichte sie gegen ihn Klage ein mit den Begehren:
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"1. Es wird festgestellt, dass die Gemeinde Leukerbad Eigentümerin der von Herrn Emil Loretan angezapften Quelle (Plan Kopp Nr. 17) am Orte Leischier in Leukerbad ist.
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2. Es wird festgestellt, dass die von Herrn Emil Loretan erfolgten Arbeiten an dieser Quelle widerrechtlich erfolgt sind.
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Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und stellte widerklageweise die Begehren:
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"1. Es wird festgestellt, dass die Thermalquelle auf bzw. in der Parzelle No. 4707 entspringt und damit Eigentum des Widerklägers Emil Loretan ist.
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2. Die Widerbeklagte, die Gemeinde Leukerbad, bezahlt an den Widerkläger als Schadenersatz Fr. 5000.--, richterliches Ermessen vorbehalten."
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Das Kantonsgericht Wallis erkannte am 15. September 1966:
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"1. Es wird festgestellt, dass die Quelle Nr. 17 ("Plan Kopp") am Orte Leischier im öffentlichen Eigentum der Gemeinde Leukerbad steht.
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2. Die Widerklage-Begehren werden abgewiesen."
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In der Urteilsbegründung wird im wesentlichen ausgeführt, aus den Plänen, dem provisorischen Grundbuch, den Zeugenaussagen und dem Augenscheinsbericht ergebe sich, dass das Eigentum des Beklagten bis zum äussersten obern Rand des senkrechten Felsabhanges reiche. Der Untergrund bestehe aus einer Felspartie von 10 m Höhe. Die Fassung der Quelle werde dadurch erleichtert, dass sie seitlich aus der Felswand trete. Auch sei es heute ohne besondere Schwierigkeiten und ohne unverhältnismässigen Aufwand möglich, durch Felsen 10 m tief nach Wasser zu bohren. Der Beklagte habe an der Thermalquelle ein bedeutendes Interesse. Der ursprüngliche Quellpunkt liege "zum mindesten" senkrecht unter der äussersten obern Grenze der Parzelle Nr. 4707; er werde "vom Felsen teilweise noch leicht überragt". Daraus ergäbe sich nach Art. 667 ZGB, dass der Quellpunkt im Eigentum des Beklagten stände. Die Felswand sei jedoch ein Teil der Dalaschlucht und bilde daher herrenloses oder der Kultur unfähiges Land im Sinne von Art. 664 ZGB, das nach kantonalem Recht im öffentlichen Eigentum der Gemeinden stehe. Deshalb gehöre die streitige Quelle der Klägerin. Ausserdem liege der Quellpunkt zwar über dem mittleren, aber unter dem höchsten Wasserstande der Dala. Bei solchen wilden Bergbächen müsse der höchste Wasserstand für die Festlegung der Uferlinie massgebend sein. Der Quellpunkt liege daher im Bachbett, das nach dem kantonalen Gesetz über die Wasserläufe und nach dem kantonalen EG zum ZGB im öffentlichen Eigentum der Gemeinde stehe. Schliesslich sei höchst fraglich, ob die streitige Quelle als Thermalquelle überhaupt Gegenstand des Privateigentums sein könnte. Das Vorhandensein zahlreicher Thermalquellen im Gebiete von Leukerbad lasse auf einen mächtigen unterirdischen Thermalwasserstrom (oder Becken) schliessen, der alle diese - für die Rheumaklinik und für die touristische Entwicklung von Leukerbad höchst wichtigen - Quellen speise. Auch dieser Umstand spreche für das öffentliche Eigentum der Gemeinde. |
C.- Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag, es aufzuheben und seine (in der Berufungsschrift wiederholten) Widerklagebegehren zu schützen.
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Die Klägerin beantragt, auf die Berufung nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
1.-2. - (Prozessuale Fragen).
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Die streitige Quelle ist eine natürliche Quelle. Die Stelle, wo ihr Wasser sichtbar an die Erdoberfläche tritt, befindet sich im untern Teil der senkrecht abfallenden, ja leicht überhängenden Felswand, die den Hang begrenzt, an dem die Parzelle Nr. 4707 des Beklagten liegt. Der Beklagte ist also Eigentümer der Quelle, wenn sich sein Grundeigentum in horizontaler und vertikaler Richtung bis zu dieser Stelle der Felswand erstreckt.
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4. Nach Art. 668 Abs, 1 ZGB werden die Grenzen eines Grundstücks durch die Grundbuchpläne und durch die Abgrenzungen auf dem Grundstück selbst angegeben. |
Grundbuchpläne im Sinne von Art. 668 Abs. 1 und Art. 950 ZGB bestehen für das fragliche Gebiet noch nicht, und die vorhandenen Grenzzeichen dienen nach den für das Bundesgericht verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht der Abgrenzung der südlich der Dala liegenden Grundstücke gegen die Dala, sondern nur der Abgrenzung dieser Grundstücke untereinander. Die Vorinstanz musste daher anderswie bestimmen, wieweit sich das Grundeigentum des Beklagten nach Norden gegen die Dala hin erstreckt (vgl. BGE 80 II 380 Erw. 4). Aus den Angaben des provisorischen Grundbuchs über das Flächenmass der Parzelle Nr. 4001, von der die Parzelle Nr. 4707 des Beklagten abgetrennt wurde, sowie aus Zeugenaussagen, wonach die Parzelle Nr. 4001 "bis zum Felsabhang in die Dala", "unmittelbar bis zur Dala" genutzt wurde, und aus den Ergebnissen des Augenscheins konnte die Vorinstanz ohne Verletzung von Bundesrecht schliessen, das Eigentum des Beklagten reiche bis zum äussersten obern Rand des senkrechten Felsabhanges. Dieser Punkt ist übrigens heute nicht mehr streitig.
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Da das Grundstück des Beklagten in horizontaler Richtung bis zum erwähnten Rande reicht und die Felswand, der die Quelle entspringt, von diesem Rande aus senkrecht abfällt und oberhalb der Austrittsstelle der Quelle sogar etwas überhängt, liegt diese Stelle im horizontalen Bereich des Grundeigentums des Beklagten.
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5. Das Eigentum an Grund und Boden erstreckt sich gemäss Art. 667 Abs. 1 ZGB nach oben und unten auf den Luftraum und das Erdreich, soweit für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht. Es muss sich dabei um ein schutzwürdiges Interesse handeln. Ein solches Interesse liegt mit Bezug auf einen bestimmten Raum über oder unter dem Erdboden nur vor, wenn der Grundeigentümer diesen Raum beherrschen und darin aus dem Eigentum fliessende Nutzungsbefugnisse ausüben kann, oder wenn Vorkehren Dritter in diesem Raum die Nutzung seines Grundstücks beeinträchtigen würden (LIVER, Usque ad sidera, usque ad inferos, in Mélanges Philippe Meylan, Band II, Lausanne 1963, S. 172/173, Sonderabdruck S. 4/5; vgl. auch LEEMANN N. 20 zu Art. 667 ZGB, wonach - mit Bezug auf das Grundwasser - "eine Verwertungs-, eine Gebrauchsmöglichkeit" erforderlich ist, und MEIER-HAYOZ N. 9 zu Art. 667 ZGB, wonach das durch Art. 667 geschützte Interesse "mit dem Eigentumsrecht zusammenhängen" muss). Ob an einer bestimmten Art der Ausübung des Eigentums ein derartiges Interesse bestehe, hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab (LEEMANN N. 8, HAAB, N. 5, MEIER-HAYOZ N. 7 zu Art. 667 ZGB). |
Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz ist es ohne besondere Schwierigkeiten und ohne übermässigen Aufwand möglich, das Wasser der streitigen Quelle durch eine Bohrung von der Oberfläche der Liegenschaft des Beklagten aus zu fassen. Die Fassung der Quelle wird im übrigen technisch dadurch erleichtert, dass sie seitlich aus der Felswand tritt. Dass der Beklagte an der Gewinnung des Wassers dieser Quelle erheblich interessiert ist, steht ausser Zweifel. Er hat daher ein schutzwürdiges Interesse daran, das Eigentum an seinem Grundstück nach unten bis zu dieser Quelle auszuüben. Der Quellpunkt liegt also nicht bloss im horizontalen, sondern auch im vertikalen Bereich seines Grundeigentums.
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a) Wie das Bundesgericht in dem von der Vorinstanz angerufenen Entscheide BGE 89 II 287 ff. ausgeführt hat, ist beim Entscheid darüber, ob ein Stück Boden zum Kulturland oder zum herrenlosen Land gehöre, zu berücksichtigen, dass es innerhalb des Kulturlandes einerseits und des herrenlosen Gebietes anderseits "eines gewissen natürlichen Zusammenhangs" bedarf. Die rechtliche Natur dieser Gebiete wird nicht dadurch verändert, dass sich im einen Gebiete Einsprengsel des andern befinden, dass also z.B. inmitten von Felsen und Schutthalden eine Vegetationsinsel liegt oder dass sich innerhalb des Alpgebietes felsige oder sonst vegetationslose Stellen finden (a.a.O. S. 301).
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Im vorliegenden Falle hat die Vorinstanz festgestellt, die das Grundstück des Beklagten begrenzende Felswand, der die streitige Quelle entspringt, stehe unten mit dem Bachbett der Dala im Zusammenhang; auf der andern Seite der Dala führe der Abhang - weniger felsig - "wieder hinauf zum Privateigentum von Dritten oder Burgerschaft". Sie beschreibt die Dalaschlucht, zu der sie die erwähnte Felswand rechnet, als grosse Einbuchtung mit stellenweise über 30 m hohen, glatten und engen (gemeint: eng beisammen stehenden) Felswänden zu beiden Seiten der Dala. An anderer Stelle des angefochtenen Urteils verwertet die Vorinstanz eine Zeugenaussage, aus der sich ergibt, dass weiter taleinwärts praktisch kein Fels mehr vorhanden ist, so dass das Grundstück Peter Grichtings (Nr. 4001) bis zum Wasser der Dala genutzt werden konnte. Die Dalaschlucht hängt demnach nicht mit dem kulturunfähigen Gebiet oberhalb des Wiesen-, Wald- und Alpgebietes zusammen, sondern erscheint eher als ein schmales Einsprengsel im Kulturland. Ein Blick auf die Landeskarte l:50'000, wo die Gestalt des fraglichen Gebiets mit braunen Höhenkurven dargestellt ist und nur wenige kleine Schraffen die Schlucht andeuten, verstärkt diesen Eindruck. Schon aus diesen Gründen lässt sich die Auffassung der Vorinstanz, dass die Austrittsstelle der streitigen Quelle zu einem im Sinne von Art. 664 ZGB herrenlosen Gebiet gehöre, kaum halten. |
b) Selbst wenn man aber annehmen wollte, die Dalaschlucht umfasse herrenloses Land, so würde dadurch der aus Art. 704 und 667 ZGB sich ergebende Schluss, dass die streitige Quelle dem Beklagten gehört, nicht widerlegt. Der Umstand, dass ein Grundstück an herrenloses Land grenzt, schränkt die Ausdehnung des Eigentums am Grundstück nicht ein. Sie hindert den Grundeigentümer namentlich nicht, den Untergrund des ihm gehörenden Bodens gestützt auf Art. 667 Abs. 1 ZGB als sein Eigentum zu beanspruchen, soweit er ihn im Sinne von Erwägung 5 hievor beherrschen und nutzen kann. Die Austrittsstelle der Quelle bliebe daher im Bereiche des Grundeigentums des Beklagten, auch wenn die angrenzenden Teile der Dalaschlucht herrenlos wären.
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a) Die Dala ist unstreitig ein öffentliches Gewässer im Sinne von Art. 664 Abs. 2 ZGB.
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Nach der herrschenden Auffassung ist die Abgrenzung der öffentlichen Gewässer vom anstossenden Land dem kantonalen Recht überlassen. Die Kantone können nach dieser Auffassung den mittlern oder den höchsten Wasserstand als für die Bestimmung der Uferlinie massgebend erklären, und es steht ihnen auch frei, diese Linie administrativ vermarken zu lassen (LEEMANN N. 6, HAAB N. 2, MEIER-HAYOZ N. 6 zu Art. 659 ZGB). Ob diese Auffassung in jeder Beziehung zutreffe, was MEIER-HAYOZ in N. 154 zu Art. 664 ZGB in Zweifel zieht, kann dahingestellt bleiben; denn im Kanton Wallis besteht nach den Feststellungen der Vorinstanz hinsichtlich der Abgrenzung der öffentlichen Gewässer vom anstossenden Lande weder eine gesetzliche Regelung noch eine einheitliche Praxis, und die Uferlinie ist in der Dalaschlucht auch nicht vermarkt. |
b) Fehlt eine andere Abgrenzung, so wird die Uferlinie - die als Eigentumsgrenze von den Schwankungen der Wassermenge unabhängig sein muss - nach schweizerischer Rechtsprechung und Lehre durch den mittlern Wasserstand bestimmt (BGE 26 I 826; LEEMANN, N. 6, HAAB N. 2 und MEIER-HAYOZ N. 6 zu Art. 659 ZGB. Ebenso für das deutsche und das österreichische Recht die Angaben bei MEIER-HAYOZ a.a.O., sowie WOLFF/RAISER, Sachenrecht, 10. Bearbeitung 1957, S. 409, der vom "gewöhnlichen Wasserstande" spricht. Ähnlich hinsichtlich der Abgrenzung zwischen privaten Seen und Teichen gegenüber dem sie umgebenden Lande Art. 943 des italienischen Codice civile in Anlehnung an das römische Recht; vgl. PESCATORE/ALBANO/GRECO, Della proprietà I, 1958, S. 508. Abweichend das französische Recht; vgl. PLANIOL/RIPERT/PICARD, Les Biens, 1952, Nr. 258 S. 259, wo als massgebend erklärt wird "le niveau de l'eau à l'époque de l'année où son débit est le plus considérable, réserve faite des crues ou inondations extraordinaires".).
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Was die Vorinstanz gegen den erwähnten Grundsatz und seine Anwendung auf den vorliegenden Fall vorbringt, überzeugt nicht. Aus der "natürlichen Beziehung" zwischen dem Wasser und dem Bett eines Baches sowie aus der - nicht bloss bei wilden Bergbächen vorkommenden - Tatsache, dass der Wasserstand je nach der Jahreszeit und der Witterung starken Schwankungen unterliegt, folgt nicht, dass sich die Uferlinie wenigstens bei solchen Gewässern nach dem höchsten Wasserstande richten müsse. Den natürlichen Gegebenheiten wird vielmehr der Regel nach auch in derartigen Fällen das Abstellen auf den mittlern Wasserstand am ehesten gerecht. Die Schwankungen im Wasserstande der Dala erreichen im übrigen nach den Feststellungen der Vorinstanz ("über 50 cm") nicht ein aussergewöhnliches Mass. Selbst wenn man annehmen wollte, für tief eingegrabene Bergbäche mit aussergewöhnlich stark schwankendem Wasserstande rechtfertige sich eine Ausnahme vom angeführten Grundsatz, so wären also im vorliegenden Falle die Voraussetzungen einer solchen Ausnahme nicht gegeben. Aus dem gleichen Grunde braucht auch nicht geprüft zu werden, ob das kantonale Recht wenn nicht allgemein (vgl. lit. a hievor), so doch bei Bächen der genannten Art auf den höchsten Wasserstand abstellen dürfe. |
Zu Unrecht macht die Klägerin geltend, die Vorinstanz könne, indem sie auf den höchsten Wasserstand abstellte, Bundesrecht nicht verletzt haben, weil dieses keine Bestimmung kenne, die den mittlern Wasserstand als massgebend erkläre. Das Bundesrecht ist nach Art. 43 Abs. 2 OG nicht nur dann verletzt, wenn der angefochtene Entscheid gegen einen in einer eidgenössischen Vorschrift ausdrücklich ausgesprochenen Rechtssatz verstösst, sondern auch dann, wenn ein aus einer solchen Vorschrift "sich ergebender" Rechtssatz nicht oder nicht richtig angewendet worden ist. Dem Bundesrecht muss sich entnehmen lassen, wie beim Fehlen einer andern Abgrenzung die das öffentliche Gewässer vom anstossenden Lande trennende Uferlinie zu ziehen ist, da eine solche Regel für die Ermittlung der räumlichen Ausdehnung des privaten Grundeigentums unerlässlich ist. Indem Lehre und Rechtsprechung den erwähnten Grundsatz aufstellten, haben sie also einen aus dem Bundesrecht sich ergebenden Rechtssatz entwickelt.
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Die Austrittsstelle der streitigen Quelle liegt nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz über dem mittlern Wasserstande der Dala. Die Annahme der Vorinstanz, der Quellpunkt befinde sich im Bett dieses öffentlichen Gewässers und die Quelle stehe aus diesem Grunde im öffentlichen Eigentum der Gemeinde, verstösst also gegen Bundesrecht.
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c) Selbst wenn die Uferlinie der Dala durch den höchsten Wasserstand bestimmt würde, wäre übrigens die Austrittsstelle der streitigen Quelle nicht zum Bachbett, das der Gemeinde gehört, zu rechnen. Die Uferlinie, die das öffentliche Gewässer in horizontaler Richtung vom anstossenden Grund und Boden trennt, verliefe in diesem Falle der senkrechten Felswand entlang, der die Quelle entspringt. Die Öffnung in dieser Wand, aus der die Quelle fliesst, befände sich auch bei solchem Verlauf der Uferlinie auf deren Landseite und damit im Bereich des Grundeigentums des Beklagten (vgl. Erwägung 6b hievor). |
a) Das Grundwasser ist nach Art. 704 Abs. 3 ZGB den Quellen gleichgestellt. Der Eigentümer eines Grundstücks hat daher das Recht, nach dem Grundwasser zu graben und es zu fassen (BGE 55 I 400 oben, BGE 64 II 342 Erw. 2; vgl. auch BGE 68 II 22 Erw. 2). Jede unterirdische Wasserader von dauerndem Charakter kann dadurch zur Quelle werden, dass ihr Wasser gefasst und abgeleitet wird (BGE 44 II 475 /476, BGE 48 II 321, BGE 65 II 57).
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Diese Grundsätze gelten jedoch nicht uneingeschränkt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes sind die Kantone befugt, grössere Grundwasservorkommen als öffentliche Gewässer zu erklären (BGE 55 I 405; vgl. BGE 65 II 146 /148). Mächtige Grundwasserströme mit grossem Einzugsgebiet, die den Grundwasserreichtum ganzer Gegenden darstellen, liegen schon von Bundesrechts wegen ausserhalb des Bereichs des Grundeigentums an den Liegenschaften, unter denen sie sich befinden; die Verfügung über sie steht dem Gemeinwesen zu (BGE 65 II 149 f., verdeutlicht durch BGE 68 II 18 ff.).
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Die in BGE 55 I 404 und BGE 65 II 146 (vgl. auch BGE 68 II 18 unten) angestellte Erwägung, man sei zur Zeit der Schaffung des ZGB über das Bestehen, die Art und das Wesen der grossen Grundwasseransammlungen noch nicht unterrichtet gewesen, trifft in dieser allgemeinen Form nicht zu; grosse Grundwasservorkommen waren damals nicht bloss bekannt, sondern wurden auch schon seit langem genutzt (GUISAN, L'eau en droit privé, 1942, S. 28/29; HAMMER, Beiträge zum schweiz. Quellen- und Grundwasserrecht, Berner Diss. 1942, S. 15 ff., 22/23; LIVER, Die Entwicklung des Wasserrechts in der Schweiz seit hundert Jahren, in ZSR 1952 I S. 314 Fussnote 21; DAETWYLER, Ausgewählte Fragen zur rechtlichen Behandlung des Grundwassers in der Schweiz, Zürcher Diss. 1966, S. 21 ff.). Eine andere Frage ist, wieweit der Gesetzgeber über die erwähnten Verhältnisse unterrichtet war und wieweit schon damals ein Bedürfnis bestand, die Nutzung der Grundwasserströme gesetzlich zu regeln (vgl. hiezu namentlich DAETWYLER a.a.O. S. 23 ff.). Wie dem aber auch sei, so ist an der angeführten Rechtsprechung mit Entschiedenheit festzuhalten; denn sie stützt sich nicht bloss auf die erwähnte, die Entstehungsgeschichte des Art. 704 Abs. 3 ZGB betreffende Erwägung, sondern auch auf durchschlagende sachliche Überlegungen (Wahrung der öffentlichen Interessen an einem von Natur aus einem grössern Gebiete zugeordneten, für die Allgemeinheit lebenswichtigen Gute). |
b) Die Vorinstanz stellt nicht fest, das die streitige Quelle speisende Grundwasservorkommen gehöre nach kantonalem Recht zu den öffentlichen Gewässern. Hätte der Kanton Wallis entsprechende Vorschriften erlassen, so hätte die Vorinstanz, die in andern Punkten das kantonale Recht heranzog, das zweifellos erwähnt. Aus ihrem Schweigen ist daher zu schliessen, dass im Kanton Wallis solche Vorschriften nicht bestehen (vgl. auch STEFFEN, Die rechtliche Behandlung des Grundwassers, Freiburger Diss. 1963, S. 54 mit Fussnote 14, wonach der Kanton Wallis zu den Kantonen gehört, die noch keine gesetzliche Regelung betr. das Grundwasser getroffen haben). Es kann deshalb dahingestellt bleiben, welchen Einfluss solche Vorschriften auf das Quelleneigentum haben könnten (vgl. zu dieser umstrittenen Frage LEEMANN N. 34 zu Art. 664 ZGB; HAAB N. 12 zu Art. 704 ZGB; LIVER, Öffentliches Grundwasserrecht und privates Quellenrecht, in ZBJV 1953 S. 1 ff., S. 17/18; DESCHENAUX/JÄGGI, Le régime des sources provenant d'eaux souterraines publiques, in Hommage du Journal des tribunaux à la Société suisse des juristes, 1958, S. 27, lit. cc).
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Die von der Vorinstanz festgestellte Tatsache, dass in der Dalaschlucht und deren nahen Umgebung 24 Thermalquellen festgestellt wurden, reicht nicht aus, um den Schluss zu rechtfertigen, es bestehe in dieser Gegend ein unterirdischer Thermalwasserstrom von solcher Ausdehnung und Mächtigkeit, dass er von Bundesrechts wegen der Herrschaft der Eigentümer der durchflossenen Grundstücke entzogen wäre. Diese Frage liesse sich nur auf Grund eines geologisch-hydrologischen Gutachtens entscheiden. Es erübrigt sich jedoch, die Akten zur Einholung eines solchen Gutachtens an die Vorinstanz zurückzuweisen, falls sich ergibt, dass die streitige Quelle selbst dann dem Beklagten gehört, wenn sie von einem Grundwasserstrom gespiesen wird, der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts auch ohne dahin gehende Bestimmung des kantonalen Rechts als öffentliches Gewässer zu betrachten ist.
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c) Das Grundwasser und die von ihm gespiesenen Quellen bilden hydrologisch eine Einheit. Da jede Quelle das Ende eines Grundwasserlaufes ist, wäre es denkbar, die Quellen stets gleich zu behandeln wie die sie speisenden Grundwasservorkommen und sie demgemäss dem öffentlichen Recht zu unterstellen, wenn das betreffende Grundwasservorkommen ein öffentliches Gewässer ist. Das geltende Recht schliesst jedoch diese Lösung auf alle Fälle für diejenigen Quellen aus, welche durch Grundwasservorkommen gespiesen werden, die nicht kraft ausdrücklicher Vorschrift des kantonalen Rechts, sondern lediglich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes zu Art. 704 Abs. 3 ZGB öffentliche Gewässer darstellen. Indem das ZGB in Art. 704 Abs. 1 ZGB die Quellen als Bestandteile der Grundstücke erklärt, denen sie entspringen, unterstellt es grundsätzlich alle auf privatem Grund und Boden hervortretenden Quellen dem Privateigentum. (Wieweit für sog. Fluss- und Bachquellen eine Ausnahme gelte, ist hier nicht zu entscheiden da keine solche Quelle vorliegt; vgl. zu dieser Frage namentlich LIVER, ZSR 1952 I S. 344 ff. und ZBJV 1953 S. 22, sowie DESCHENAUX/JÄGGI a.a.O. S. 27 unter dd, je mit Hinweisen.) Die Einschränkungen, denen die Rechtsprechung das Privateigentum an dem durch Art. 704 Abs. 3 ZGB den Quellen gleichgestellten Grundwasser unterworfen hat, dürfen auf die Quellen nur insoweit übertragen werden, als die Gründe, die zu diesen Einschränkungen führten, auch auf die Quellen zutreffen. Fasst der Grundeigentümer Wasser, das seinem Boden ohne sein Zutun entspringt, so greift er auch dann, wenn das die Quelle speisende Grundwasservorkommen von Bundesrechts wegen als öffentliches Gewässer zu gelten hat, nicht in das Gut ein, das die erwähnte Rechtsprechung der Allgemeinheit vorbehalten und darum dem Bereiche des privaten Grundeigentums entziehen will. Das öffentliche Interesse, dem diese Rechtsprechung dient, verlangt also nicht, dass natürliche Quellen, die aus einem nach Bundesrecht wegen seiner Ausdehnung und Mächtigkeit zu den öffentlichen Gewässern zu rechnenden Grundwasservorkommen hervorgehen, ebenfalls als öffentliche Gewässer erklärt werden. Vielmehr bleibt Art. 704 Abs. 1 ZGB für solche Quellen massgebend. Sie gehören daher wie andere Quellen dem Grundeigentümer. Dieser darf das natürlicherweise aus dem Boden tretende Wasser fassen. Das Recht hiezu bleibt ihm selbst dann gewahrt, wenn die - mit herkömmlichen Mitteln durchgeführte - Fassung zu einer verhältnismässig geringen Vermehrung des Wasserzuflusses führt; denn hiedurch wird das öffentliche Interesse, das die Rechtsprechung wahren will, nicht wesentlich beeinträchtigt. Dagegen ist dem Grundeigentümer nicht erlaubt, technische Vorkehren zu treffen, die den Zufluss von Wasser aus dem öffentlichen Grundwasservorkommen beträchtlich vermehren würden (vgl. zu alledem LIVER, ZSR 1952 I S. 346 ff. und ZBJV 1953 S. 14 ff.; DESCHENAUX/JÄGGI a.a.O. S. 26 f. unter bb). |
Die streitige Quelle ist eine natürliche Quelle. Selbst wenn das sie speisende Grundwasservorkommen von Bundesrechts wegen ein öffentliches Gewässer wäre, bliebe sie also gemäss Art. 704 Abs. 1 ZGB im Privateigentum des Beklagten und dürfte dieser sie im angegebenen Rahmen fassen. - Vorbehalten bleiben selbstverständlich öffentlichrechtliche Beschränkungen des Verfügungsrechts des Grundeigentümers, wie sie nach Art. 702 und 705 ZGB zulässig sind, im vorliegenden Rechtsstreit aber nicht zur Diskussion stehen.
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Mit ihrem Vorgehen verstiess die Klägerin jedoch weder gegen ein geschriebenes noch gegen ein ungeschriebenes Verbot der Rechtsordnung. Sie hatte sachliche Gründe dafür, dem Beklagten die Fortsetzung der Arbeiten verbieten zu lassen, weil der Grenzverlauf im Bereich der Quelle damals noch ungewiss war und erst im Prozess durch eingehende Beweiserhebungen (Zeugenverhör, Gutachten, Augenschein) abgeklärt werden konnte. Die im Kaufvertrag zwischen dem Beklagten und Peter Grichting enthaltene Bestimmung, wonach im Falle einer Entwehrung des Beklagten die beidseitigen Leistungen zurückerstattet werden sollten, zeigt im übrigen, dass der Beklagte von seinem Recht selber nicht völlig überzeugt war, als er mit den Arbeiten zur Fassung der Quelle begann. Soweit sich sein Schadenersatzanspruch auf Art. 41 OR stützt, ist er also schon mangels einer widerrechtlichen Handlung der Klägerin unbegründet (vgl. BGE 88 II 280 Erw. 4).
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a) Das Bundesgericht als Berufungsinstanz darf das kantonale Recht nach Art. 65 OG nur dann selbst anwenden, wenn für die Entscheidung "neben" eidgenössischen Gesetzesbestimmungen auch kantonale Gesetze zur Anwendung kommen. Ob diese Voraussetzung hier gegeben sei, ist fraglich; denn nachdem sich ergeben hat, dass der eingeklagte Schadenersatzanspruch nicht auf Bundesrecht (Art. 41 OR) gestützt werden kann, kommen bei der Entscheidung über diesen Anspruch nur noch die Vorschriften des kantonalen Prozessrechts zur Anwendung.
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b) Hievon abgesehen macht das Bundesgericht von der ihm durch Art. 65 OG verliehenen Befugnis, neben eidgenössischen Gesetzesbestimmungen anwendbare kantonale oder ausländische Gesetze selbst anzuwenden, nur Gebrauch, wenn es über Unterlagen verfügt, die ihm gestatten, mit Sicherheit festzustellen, wie in den betreffenden Punkten nach dem massgebenden kantonalen oder ausländischen Rechte zu entscheiden ist (BGE 76 III 64 mit Hinweisen, BGE 81 II 492 Erw. 4, BGE 90 II 119 Erw. 7). So verhält es sich hier nicht. Art. 348 der Walliser ZPO schreibt nur vor, der Richter könne den Gesuchsteller zur Sicherheitsleistung verpflichten, wenn ihm eine solche erforderlich erscheint, um die Gegenpartei für allfällige aus der Verfügung entspringende Ansprüche zu decken. Diese Vorschrift spricht sich nicht darüber aus, unter welchen Voraussetzungen der Gesuchsteller der Gegenpartei für einen infolge der vorsorglichen Verfügung entstehenden Schaden haftet. Aus ihrem Wortlaut geht insbesondere nicht hervor, ob der Gesuchsteller für einen solchen Schaden allenfalls ohne Verschulden von Gesetzes wegen einzustehen hat. Aus der blossen Tatsache, dass die kantonale ZPO eine Sicherstellung vorsieht, ist nicht ohne weiteres zu schliessen, dass eine solche Haftung bestehe (GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht, 2. Aufl. S. 389 Fussnote 35). Anderseits lässt sich auch nicht ohne weiteres verneinen, dass das kantonale Recht eine solche Haftung begründe. Die in BGE 88 II 279 unter b angestellte Erwägung, die Vorinstanz (das Kantonsgericht Wallis) habe durch die ausschliessliche Anwendung der vom damaligen Kläger angerufenen Bestimmungen des Bundeszivilrechts das Bestehen einer auf dem kantonalen Prozessrecht beruhenden Haftung ex lege stillschweigend verneint, kann für den vorliegenden Fall nicht massgebend sein. |
Die Sache ist daher zur Prüfung der Frage, ob die Klägerin dem Beklagten nach kantonalem Recht für den eingeklagten Schaden hafte, an die Vorinstanz zurückzuweisen. Bei der Beurteilung dieser Frage kann von Bedeutung sein, ob das Vorgehen der Klägerin durch das kantonale öffentliche Recht (insbesondere durch die in der Berufungsantwort angerufenen Bestimmungen der Baupolizeigesetzgebung und des Gesetzes vom 6. Juli 1932 über die Wasserläufe) gedeckt war. Der in Anwendung des kantonalen Rechts zu fällende Entscheid wird der Berufung nicht unterliegen (BGE 88 II 278 Erw. 3a).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Berufung wird dahin gutgeheissen, dass das Urteil des Kantonsgerichtes Wallis vom 15. September 1966 aufgehoben und erkannt wird:
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1.- Die Klage wird abgewiesen.
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2.- In Gutheissung des Widerklagebegehrens 1 wird festgestellt, dass die streitige Thermalquelle auf der Parzelle Nr. 4707 in der Gemeinde Leukerbad entspringt und im Eigentum des Widerklägers Emil Loretan steht.
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