BGE 94 II 191 |
32. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 27. Juni 1968. i.S. Huber gegen Neuenburger, Schweiz. Allgemeine Versicherungsgesellschaft. |
Regeste |
Landwirtschaftliche Unfallversicherung; Versicherungsvertrag. |
2. Tragweite einer Ausschlussklausel nach Art. 33 VVG (Erw. 4). |
Sachverhalt |
A.- Jakob Huber, geb. 1914, führte als landwirtschaftlicher Arbeitnehmer (Betriebsleiter) den Landwirtschaftsbetrieb "Storrbühl", der seinem Bruder Eugen Huber gehörte. Auf Anfang 1965 kaufte Jakob Huber einen Tanklastzug und führte auf eigene Rechnung Benzintransporte aus. Der Tanklastzug wurde jeweils über das Wochenende auf dem Heimwesen "Storrbühl" abgestellt. |
Am 17. April 1965 lieh sich Jakob Huber bei der Firma Ulrich, Autotransporte, einen Acetylenbrenner aus. Er wollte damit eine Bremse des Anhängers seines Lastwagens reparieren. Aus unabgeklärten Gründen explodierte die Schweissanlage. Jakob Huber starb sogleich an den Folgen der Explosion.
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Gemäss Antrag vom 8. Oktober 1964 hatte Eugen Huber als Betriebsinhaber mit der NEUENBURGER, Schweiz. Allgemeine Versicherungsgesellschaft, eine Unfallversicherung für die in seinem Landwirtschaftsbetrieb tätigen Personen abgeschlossen. Für den Todesfall des Jakob Huber ist eine Versicherungssumme von Fr. 20'000.-- vorgesehen. Nach Art. 13 der Allgemeinen Versicherungs-Bedingungen (AVB) steht den Kindern die Hälfte der vereinbarten Summe zu. Versichert sind Betriebs- und Nichtbetriebsunfälle. Die Allgemeinen Versicherungs- Bedingungen sind durch einen Anhang 115 ergänzt, wobei insbesondere Art. 3 und 4 AVB neu gefasst werden. Nach Art. 3 gelten für die obligatorische Versicherung von Personen, die dem Landwirtschaftsgesetz unterstehen, als Betriebsunfälle u.a. Unfälle in der Freizeit auf dem Betriebsareal. Gemäss Art. 4 sind als Spezialrisiko Unfälle nicht versichert, die sich "bei Ausübung einer Tätigkeit in einem fremden, nicht landwirtschaftlichen Betrieb" ereignen. |
B.- Am 5. Januar 1966 reichten die drei damals minderjährigen Kinder Rudolf Werner Huber, geb. 19. Mai 1948, Barbara Huber, geb. 1957 und Erna Lotte Huber, geb. 1958, vertreten durch ihren Beistand Dr. E. Lusser, Klage gegen die Versicherungsgesellschaft ein. Mit Urteil vom 6. Juli 1967 schützte das Bezirksgericht Meilen die Klage und verpflichtete die Beklagte, den Klägern Fr. 10'000.-- nebst 5% Zins seit 1. Juni 1965 zu bezahlen.
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C.- Gegen dieses Urteil appellierte die Beklagte an das Obergericht des Kantons Zürich. Dieses erklärte die Berufung als begründet und wies die Klage ab (Urteil vom 19. Dezember 1967). Die Erwägungen der Vorinstanz lassen sich wie folgt zusammenfassen:
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Die Beklagte habe sich hinsichtlich des Versicherungsschutzes nach Massgabe der Police vom 3. November 1964 gegenüber dem Versicherungsnehmer verpflichtet. Als integrierende Vertragsbestandteile seien der Antrag des Versicherungsnehmers, die AVB und die Bestimmungen des Anhanges 115 zu betrachten. Aus dem Antrag des Eugen Huber gehe hervor, dass auch die Nichtbetriebsunfälle für die ständig im Betrieb tätigen Personen mitversichert worden seien. Die entscheidende Frage sei daher nicht die, ob ein Betriebs- oder Nichtbetriebsunfall vorliege, sondern ob der Ausschluss von Unfällen "bei Ausübung einer Tätigkeit in einem fremden, nicht landwirtschaftlichen Betrieb" genügend eindeutig formuliert sei und schliesslich, ob dieser Ausschluss im Hinblick auf die massgebenden gesetzlichen Bestimmungen zulässig gewesen sei.
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Der Autotransportbetrieb des Versicherten sei gegenüber dem Landwirtschaftsbetrieb des Versicherungsnehmers (Eugen Huber) im Sinne der Ausschlussklausel fremd gewesen. Die klare Formulierung verbiete eine Auslegung zulasten der Beklagten. Es sei unzulässig, unter Vergleich mit dem KUVG und unter Hinweis auf sozialpolitische Momente Verbote für Ausschlüsse von Risiken ableiten zu wollen. Der Bundesgesetzgeber habe die Materien, die er in diesem Bereich nicht selbst regelte oder durch eine bundesrätliche Verordnung regeln liess, der privaten Versicherung gemäss Versicherungsvertragsgesetz (VVG) überlassen wollen. In der Landwirtschaft bleibe somit die Gestaltung des Versicherungsvertrages im Rahmen des Bundesgesetzes über die Förderung der Landwirtschaft und die Erhaltung des Bauernstandes vom 3. Oktober 1951 (LWG; AS 1953 S. 1073 ff.) und des VVG grundsätzlich frei. Aus der Formulierung von Art. 98 Abs. 2 LWG ("Unfälle, die sich auf dem Betriebsareal ereignen, gelten als Betriebsunfälle") könne nicht zwingend ein Ausschlussverbot für gewisse Risiken abgeleitet werden. Die Beklagte sei daher berechtigt gewesen, den Versicherungsschutz bei Ausübung einer Tätigkeit in einem fremden, nicht landwirtschaftlichen Betrieb wegzubedingen. |
D.- Gegen dieses Urteil erklärten die Kläger Berufung an das Bundesgericht. Sie beantragen, das Urteil des Obergerichtes sei aufzuheben, die Klage gutzuheissen und die Beklagte zu verpflichten, den Klägern Fr. 10'000.-- nebst Zins zu 5% seit 1. Juni 1965 zu bezahlen. Sie machen geltend, nach Art. 98 Abs. 3 LWG seien alle Unfälle, die sich auf dem Areal eines landwirtschaftlichen Betriebes ereigneten, obligatorisch zu versichern. Unfälle auf dem Betriebsareal können auch Unfälle bei Freizeitbeschäftigung sein. Die Nichtbetriebsunfall-Versicherung sei vom Landwirtschaftsgesetz nicht zwingend vorgeschrieben. Die Beklagte sei daher an sich frei, von der Deckung auszuschliessen, was sie als zweckmässig erachte. Bedingung sei aber gemäss Art. 33 VVG, dass der Vertrag die ausgenommenen Ereignisse in bestimmter, unzweideutiger Fassung aufzähle.
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E.- Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil sei zu bestätigen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
2. Nach Art. 98 Abs. 1 und 2 LWG sind die Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe verpflichtet, ihre Arbeitnehmer gegen Betriebsunfälle zu versichern. Als Betriebsunfälle gelten alle Unfälle, die den Versicherten bei Ausübung einer dienstlichen Obliegenheit zustossen. Unfälle, die sich auf dem Betriebsareal ereignen, gelten ebenfalls als Betriebsunfälle. Diesen Bestimmungen entsprechen die Art. 1-3 der Verordnung über die Versicherung der Betriebsunfälle und die Unfallverhütung in der Landwirtschaft vom 9. März 1954 (AS 1954 S. 464 ff.). |
Unbestritten ist, dass der Verunfallte Arbeitnehmer des Betriebsinhabers Eugen Huber war; denn er gilt im Sinne von Art. 2 der erwähnten Verordnung als familienfremde Person, obschon er der Bruder des Versicherungsnehmers war. Unbestritten ist auch, dass der tödliche Unfall dem Jakob Huber auf dem Betriebsareal des Eugen Huber zugestossen ist.
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Nach den verbindlichen vorinstanzlichen Feststellungen hat das Bundesgericht ferner davon auszugehen, dass die Reparatur der Bremsen des fraglichen Anhängers nicht in Ausübung einer dienstlichen Obliegenheit für Eugen Huber erfolgte. Die den Unfall auslösende Tätigkeit hatte zwar einen örtlichen Zusammenhang mit dem Heimwesen des Versicherungsnehmers; sie erfolgte aber im Rahmen des Transportunternehmens, das allein Jakob Huber zustand. Das bestreiten heute auch die Kläger nicht mehr.
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a) Die Botschaft zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Förderung der Landwirtschaft und die Erhaltung des Bauernstandes vom 19. Januar 1951 (BBl 1951 I S. 245) führt zum jetzigen Art. 98 LWG u.a. aus:
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"Hingegen muss der Begriff des Betriebsunfalles, den besonderen Verhältnissen in der Landwirtschaft Rechnung tragend, weit gefasst werden. Bei Hausgemeinschaft des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers sollte darauf verzichtet werden, bei den Unfällen, die sich auf dem Betriebsareal ereignen, zwischen Betriebs- und Nichtbetriebsunfällen zu unterscheiden; in vielen Fällen wäre es praktisch unmöglich, eine solche Unterscheidung zu treffen."
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Nach dem Votum Obrecht (StenBull NR 1951 S. 139) beschränkt sich das Versicherungsobligatorium auf Betriebsunfälle; alle Unfälle, die sich auf dem Betriebsareal ereignen, seien als Betriebsunfälle aufzufassen; der landwirtschaftliche Arbeitnehmer, der in seiner Freizeit auf dem Hof verunfalle, sei ohne weiteres versichert. Den Klägern ist demnach insoweit beizupflichten, dass der Begriff "Betriebsunfall" im Sinne von Art. 98 LWG weit auszulegen ist und dass grundsätzlich auch die in der Freizeit erlittenen Unfälle dem Versicherungsobligatorium unterstellt sind. Ihrer Auffassung, wonach jeder Unfall, der sich auf einem landwirtschaftlichen Betriebsareal ereignet, schlechthin ein versicherter Betriebsunfall sei, kann trotzdem nicht gefolgt werden. |
Art. 98 Abs. 2 letzter Satz LWG und der ihn ausführende Art. 3 Abs. 2 der Verordnung sind nicht für sich allein, sondern im Zusammenhang mit den vorangehenden Bestimmungen auszulegen. So lässt der erste Satz des Art. 98 Abs. 2 LWG als Betriebsunfälle nur Unfälle gelten, die den Versicherten bei Ausübung einer dienstlichen Obliegenheit zustossen. Daraus geht hervor, dass die gesetzliche Ordnung darauf abzielt, dem landwirtschaftlichen Arbeitnehmer angemessene Leistungen für Unfälle zu sichern, die er bei seiner Tätigkeit im Dienste eines landwirtschaftlichen Arbeitgebers erleidet. Freilich sind - durch eine Ausdehnung des Begriffes des Betriebsunfalles - auch Unfälle obligatorisch zu versichern, die zwar ausserhalb der unmittelbaren dienstlichen Obliegenheiten, aber innerhalb der Grenzen des landwirtschaftlichen Heimwesens sich ereignen. Immerhin muss ein ursächliches Band zur landwirtschaftlichen Stellung des Verunfallten in jedem Fall bestehen. Es kann nicht der Wille des Gesetzgebers gewesen sein, eine Gefahr in die obligatorische Unfallversicherung einzuschliessen, welcher ein Arbeitnehmer allenfalls zum Opfer fällt, der zusätzlich zu seinen landwirtschaftlichen Obliegenheiten einen andern, womöglich gefährlicheren Beruf ausübt. Daran ändert nichts, wenn der durch die weitere Tätigkeit hervorgerufene Unfall sich zufällig auf dem Bauerngewerbe des Arbeitgebers ereignet. Das Versicherungsobligatorium soll Schutz gegen das Risiko des landwirtschaftlichen Betriebes bieten.
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b) Geht man hievon aus, so ist der Unfall, der zum Tode des Jakob Huber führte, nicht durch den obligatorischen Versicherungsvertrag erfasst, den Eugen Huber mit der Beklagten abgeschlossen hat. In der Tat erlitt Jakob Huber den Unfall mit tödlichem Ausgang bei einer Arbeit, die er im Rahmen seines Transportunternehmens auf eigene Rechnung, ausserhalb der Tätigkeit als Betriebsleiter des landwirtschaftlichen Heimwesens ausführte. Dass sich der Unfall auf dem Betriebsareal seines Bruders ereignete und dass das Opfer die gleiche Arbeit auch an landwirtschaftlichen Maschinen oder Traktoren hätte ausführen können, ist unter diesen Umständen belanglos. |
Art. 4 lit. b AVB (in der Fassung von Anhang 115) sieht vor, dass Unfälle, die sich "bei Ausübung einer Tätigkeit in einem fremden, nicht landwirtschaftlichen Betrieb" ereignen, nicht versichert sind. Mit Recht ist die Vorinstanz davon ausgegangen, diese Ausschlussklausel sei inhaltlich klar: der Ausdruck "fremd" bezieht sich auf Unfälle, die bei Arbeiten zustossen, die in einem nicht landwirtschaftlichen Unternehmen geleistet wurden. Nach Art. 1 Abs. 1 der Verordnung vom 9. März 1954 gelten als landwirtschaftlicher Betrieb sämtliche Betriebe oder Nebenbetriebe, die dem Anbau landwirtschaftlicher Nutzpflanzen einschliesslich des Obst-, Wein- und Feldgemüsebaues, der Viehhaltung und Viehzucht, der Geflügelhaltung und Geflügelzucht sowie der Bienenzucht dienen. Gemäss dieser Umschreibung war das Autotransportgeschäft des Verunfallten unzweifelhaft ein "fremder, nicht landwirtschaftlicher Betrieb". Das Gewerbe des Verunfallten kann auch nicht als Nebenbetrieb der Landwirtschaft des Versicherungsnehmers angesprochen werden. Der Unfall ereignete sich bei Arbeiten am Anhänger des Lastwagens, also bei einer Tätigkeit in einem fremden Betrieb. Die Präposition "in" deutet in erster Linie auf eine wirtschaftliche, nicht auf eine örtliche Beziehung. Der Ausschluss gemäss Art. 4 lit. b AVB ist somit bestimmt und unmissverständlich; er ist auch leicht erkennbar angebracht.
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Entscheidend ist nach Art. 33 VVG, dass der Versicherte nicht im Zweifel darüber sein kann, unter welchen Voraussetzungen er von Anfang an keinen Versicherungsschutz geniesst (KELLER, Komm. zum VVG, S. 452). Da diese Voraussetzung hier zutrifft, genügt die Ausschlussklausel, wie sie von der Beklagten abgefasst worden ist, den gesetzlichen Anforderungen. Die Beklagte hat sich demzufolge mit guten Gründen darauf berufen. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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