Die Meinungen darüber, ob bei der Bemessung der Entschädigung nach Art. 151 Abs. 1 ZGB auch Anwartschaften des schuldigen Ehegatten zu berücksichtigen seien, sind geteilt. Die Frage wird verneint vom Kantonsgericht Waadt in einem Urteil vom 28. Januar 1925 (SJZ 21, 1924/25, S. 294), von SEEGER, Die Rechtsprechung in Ehescheidungs- und Trennungssachen nach schweiz. ZGB, ZSR 1929 S. 203 a, von BRANDENBERGER, Die vermögensrechtlichen Folgen der Ehescheidung, Zürcher Diss. 1933, S. 45, und grundsätzlich auch von ESENER, L'obligation de réparer les préjudices résultant du divorce en droit suisse, Genfer Diss. 1951, S. 57/58. Bejaht wird sie dagegen von PICOT, ZSR 1929 S. 67 a, der den erwähnten Entscheid des Kantonsgerichts Waadt als unrichtig betrachtet, sowie von EGGER, N. 7 zu Art. 151 ZGB, und von SCHWANDER, Die Entschädigung wegen Eheauflösung nach Art. 151 Abs. 1 ZGB, Freiburger Diss. 1937, S. 55/56. Der von EGGER angeführte Entscheid des bernischen Appellationshofes vom 16. September 1924 (ZBJV 61, 1925, S. 271 ff.) befasst sich nicht mit Art. 151 ZGB, sondern bemerkt unter Berufung auf GMÜR (N. 9 zu Art. 152 ZGB) bloss, bei der Anwendung von Art. 152 ZGB, wonach die Bedürftigkeitsrente den "Vermögensverhältnissen" (facultés) des pflichtigen Ehegatten zu entsprechen hat, seien das Vermögen, die Anwartschaften (espérances) und das Einkommen dieses Ehegatten in Betracht zu ziehen, und stellt dann fest, aus den Akten gehe nicht hervor, dass der beitragspflichtige Ehemann von seinen Eltern etwas zu erwarten habe. Das Bundesgericht nahm in BGE 80 II 187 ff. beim Entscheid darüber, ob das Scheidungsurteil in allgemeiner Form die spätere Erhöhung einer Entschädigungsrente vorbehalten dürfe, u.a. an, das Gesetz gehe davon aus, dass "die finanziellen Nebenfolgen nach
BGE 94 II 217 (219):
Art. 151/52 auf Grund der zur Zeit des Scheidungsurteils vorhandenen und der mit Sicherheit zu erwartenden Gegebenheiten zu bemessen..." seien (S. 190/91). In BGE 85 II 73 ff., wo es sich um die Auslegung einer Scheidungsvereinbarung handelte, führte das Bundesgericht (S. 77 f.) u.a. aus, der einzige Titel, unter dem die Klägerin, vom Verlust des ehelichen Unterhaltsanspruchs abgesehen, bei der Scheidung einen finanziellen Anspruch gegen den Ehemann habe stellen können, sei nach den Akten "der Verlust der Erbanwartschaft gegenüber dem Ehemann, der von seinen Eltern ein bedeutendes Erbe zu erwarten hatte"; die Entschädigung für den Verlust dieser Anwartschaft sei in der vereinbarten, beim Tode des Ehemannes verfallenden Kapitalentschädigung zu erblicken.