44. Urteil der II. Zivilabteilung vom 25. November 1974 i.S. Jurt gegen Ebneter
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Regeste
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Eigentumsfreiheitsklage (Art. 641 Abs. 2 ZGB)
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Sachverhalt
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BGE 100 II 307 (307):
A.- Kaspar Jurt begann im Jahre 1962 auf seiner Liegenschaft Grundbuch St. Fiden Parzelle 3741 mit der Erstellung eines Mehrfamilienhauses. Dabei nahm er auf dem Nachbargrundstück Parzelle 3564, das Johann Ebneter sen. gehört, beträchtliche Erdaufschüttungen vor. In den Jahren 1962 bis 1970 forderte die Firma Gebrüder Ebneter als Mieterin der auf der Parzelle 3564 befindlichen Garagen und Einstellplätze Kaspar Jurt mehrfach vergeblich auf, den ursprüngliche Zustand wiederherzustellen oder aber Geldersatz zu leisten. Am 13. Mai 1970 verkaufte Kaspar Jurt seine Liegenschaft an einen Dritten, ohne die Erdaufschüttungen auf dem Nachbargrundstück beseitigt oder Schadenersatz geleistet zu haben.
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BGE 100 II 307 (308):
B.- Am 14. April 1971 reichten die Gebrüder Ebneter und Johann Ebneter beim Bezirksgericht St. Gallen gegen Kaspar Jurt Klage ein, mit folgendem Rechtsbegehren:
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"1. Der Beklagte sei im Sinne der Klagebegründung zu verpflichten, die von ihm abgelagerten Erdmassen von der Liegenschaft der Kläger zu entfernen, entlang der südöstlichen und südwestlichen Wand der Garage der Kläger entsprechend der ursprünglichen Situation einen zwei Meter breiten Weg zu erstellen und die durch die Erdmassen verursachten Schäden an den Garagewänden, Ablaufrohren und Dachkänneln zu beheben.
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2. Eventuell sei der Beklagte zu verpflichten. den Klägern als Schadenersatz den Betrag für die Durchführung der in Ziffer 1 verlangten Massnahmen, nämlich Fr. 16 183.70 zu vergüten."
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Das Bezirksgericht wies die Klage mit Urteil vom 8. Juni/10. Juli 1972 ab, soweit es darauf eintrat. Für das Hauptbegehren verneinte es die Passivlegitimation des Beklagten, und zur Beurteilung des Schadenersatzanspruches hielt es sich für unzuständig.
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Gegen dieses Urteil erklärte Johann Ebneter die Berufung an das Kantonsgericht St. Gallen, wobei er lediglich am Beseitigungsbegehren festhielt und sich damit einverstanden erklärte, dass die nach Wegräumung des Bauschuttes zu errichtende Stützmauer ohne Beanspruchung der Nachbarliegenschaft ganz auf sein eigenes Grundstück zu stehen kommen sollte. Die Gebrüder Ebneter fochten den Entscheid des Bezirksgerichtes nicht an. Mit Urteil vom 18. Dezember 1973 hiess das Kantonsgericht die Berufung gut, schützte die Klage und verpflichtete den Beklagten, auf dem Grundstück des Klägers eine Stützmauer zu errichten und den davor lagernden Bauschutt wegzuführen.
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C.- Gegen diesen Entscheid erhob der Beklagte Berufung ans Bundesgericht, mit der er die Abweisung der Klage beantragte, sowie kantonale Nichtigkeitsbeschwerde. Diese wurde vom Kassationsgericht St. Gallen am 15. Oktober 1973 abgewiesen.
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Eine Berufungsantwort wurde nicht eingeholt.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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Mit der Berufung macht der Beklagte lediglich geltend, eine Beseitigungsklage wegen Überschreitung des Grundeigentums BGE 100 II 307 (309):
müsse sich auf Art. 679 ZGB stützen und könne daher nur gegen den jetzigen Eigentümer des Nachbargrundstückes gerichtet werden. Er selbst könne nur auf Schadenersatz belangt werden, dies aber nur vor dem Richter seines Wohnsitzes.
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Nach Art. 641 Abs. 2 ZGB hat der Eigentümer das Recht, jede ungerechtfertigte Einwirkung auf die Sache abzuwehren. Der Beklagte bestreitet nicht, auf dem Grundstück des Klägers ohne dessen Einwilligung Bauschutt abgelagert zu haben. Eine derartige unmittelbare Einwirkung auf ein Grundstück ist aber stets ungerechtfertigt (BGE 99 II 32 /33, BGE 95 II 401, BGE 88 II 265). Der Beklagte ist daher auf Grund von Art. 641 Abs. 2 ZGB verpflichtet, den Bauschutt zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen (BGE 88 II 267; MEIER-HAYOZ, N. 70 zu Art. 641 ZGB). Dieser Verpflichtung kann er sich durch den Verkauf seiner Liegenschaft, von der aus er seinerzeit das Aushubmaterial dem Grundstück des Klägers zugeführt hat, nicht entziehen. Sein Rechtsnachfolger ist für die rechtswidrige Deponie nicht verantwortlich, und es kann ihm auch keine Überschreitung des Grundeigentumsrechts zur Last gelegt werden. Ihm gegenüber besteht demnach kein Beseitigungsanspruch. Aus den vom Beklagten angerufenen Bundesgerichtsentscheiden (BGE 73 II 156/157, BGE 88 II 266 /267) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Diese Entscheide befassen sich einzig mit der Frage, ob die Verantwortlichkeit des Grundeigentümers für die Überschreitung des Eigentumsrechts in Art. 679 ZGB abschliessend geregelt sei. Darum geht es im vorliegenden Fall aber nicht. Der Kläger behauptet nicht, der Nachbar habe sein Eigentumsrecht überschritten und störe ihn in seinem Eigentum, sondern er macht geltend, der Beklagte habe durch Ablagerung von Aushubmaterial unmittelbar in sein Eigentum eingegriffen, und er verlangt von diesem die Beseitigung der andauernden Eigentumsstörung. Dass für eine solche Klage in erster Linie der Störer passivlegitimiert ist, war in Lehre und Rechtsprechung nie zweifelhaft (BGE 40 II 29; MEIER-HAYOZ, N; 61, HAAB, N. 41, und LEEMANN, N. 41, je zu Art. 641 ZGB; STARK, N. 10, und HOMBERGER, N. 6, je zu Art. 928 ZGB). Wieso es sich hier anders verhalten sollte, ist nicht ersichtlich. Der Beklagte versucht nun schon seit mehr als zehn Jahren, sich mit haltlosen Ausreden einer klaren Rechtspflicht zu entziehen. Seine Berufung ist mutwillig.
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BGE 100 II 307 (310):
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen vom 18. Dezember 1973 bestätigt.
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