101 II 222
Urteilskopf
101 II 222
39. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 3. Juli 1975 i.S. Marbach und Mitbeteiligte gegen Baumgartner und Mitbeteiligte.
Regeste
Abtretung von Erbanteilen (Art. 635 Abs. 1 ZGB); Stellvertretung ohne Ermächtigung (Art. 38 OR).
Voraussetzungen und Wirkungen eines zwischen dem testamentarisch zum Alleinerben berufenen gesetzlichen Erben und den übrigen Intestaterben geschlossenen Vertrages über angefallene Erbanteile im Sinne von Art. 635 ZGB (E. 6a). Abschluss des Abtretungsvertrages durch nicht ermächtigte Stellvertreter (E. 6b). Bedeutung des Erfordernisses der Schriftlichkeit (E. 6c). Zum Abschluss eines Abtretungsvertrages ist weder die Zustimmung der Erbschaftsgläubiger noch - bei verheirateten Erbinnen - jene des Ehegatten oder der Vormundschaftsbehörde nötig (E. 6d). Ein Abtretungsvertrag nach Art. 635 ZGB bedarf zu seiner Gültigkeit auch dann nicht der öffentlichen Beurkundung, wenn der Nachlass zum Teil aus Grundstücken besteht (E. 6e). Der Anspruch aus einer Verfügung von Todes wegen kann - beispielsweise durch einen Abtretungsvertrag - dahinfallen, ohne dass ein richterliches Urteil notwendig wäre (E. 8).
Gekürzter Sachverhalt:
A.- a) Am 22. Dezember 1964 errichtete Elise Marbach eine eigenhändige letztwillige Verfügung folgenden Inhalts:
"Letztwillensverfügung
Auf mein dereinstiges Ableben hin verfüge ich wie folgt: Ich setze meine sämtlichen Erben - ausgenommen Agatha Marbach - auf den Pflichtteil. Sämtliche frei werdenden Quoten soll Agatha Marbach neben ihrem gesetzlichen Anspruch erhalten.
Im übrigen setze ich sie als Universalerbin ein. Agatha Marbach geb. 1896 hat mich gepflegt und mir den Haushalt besorgt.
Geuensee, den 22. Dez. 1964
Die Erblasserin:
Elise Marbach."
Die Testatorin starb am 1. April 1967 unter Hinterlassung von über fünfzig gesetzlichen Erben aus der grosselterlichen Verwandtschaft, darunter die im Testament zur Alleinerbin eingesetzte Cousine Agatha Marbach.
b) Am 18. Oktober 1967 legten Josef Bossart-Hunkeler und Fritz Bossardt-Steiner (die heutigen Kläger Nr. 19 und 24) der eingesetzten Universalerbin Agatha Marbach eine mit Schreibmaschine aufgesetzte Erklärung folgenden Inhalts zur Unterzeichnung vor:
"Erklärung
Die Unterzeichnete Agatha Marbach erklärt, dass sie bei der Errichtung des Testamentes ihrer Cousine Elise Marbach vom 22. Dezember 1964 in keiner Weise beteiligt war. Ich schlage diese Begünstigung aus und gebe mich mit dem gesetzlichen Erbteil zufrieden. Es sollen alle Erben nach dem Gesetze an der Erbschaft beteiligt sein.
Geuensee, den"
Agatha Marbach unterschrieb das Schriftstück und händigte es den beiden Überbringern gleich wieder aus. Am 5. Januar 1968 liess sie ihnen mitteilen, sie habe die Erklärung vom 18. Oktober 1967 unter Zwang unterschrieben und mache vorsorglich Irrtum geltend.
B.- Am 17. Juli 1968 reichten zwanzig gesetzliche Erben der Elise Marbach beim Amtsgericht Sursee gegen Agatha Marbach Klage ein mit den Rechtsbegehren:
"1. Das von der Erblasserin Elise Marbach am 22.12.1964 errichtete Testament sei nichtig, bzw. ungültig zu erklären.
2. Es sei gerichtlich festzustellen, dass die Beklagte in der Hinterlassenschaft der am 1.4.1967 in Geuensee verstorbenen Elise Marbach nicht begünstigt ist, und nur Anspruch auf den gesetzlichen Erbteil hat.
3. Es sei gerichtlich festzustellen, dass die Beklagte auf die im Testament vom 22.12.1964 enthaltene Begünstigung verzichtet, und daher nur Anspruch auf den gesetzlichen Erbteil der Erbschaft der Elise Marbach besitzt.
4. a) Es sei gerichtlich festzustellen, dass die Kläger Anspruch auf den gesetzlichen Erbteil der Hinterlassenschaft der am 1.4.1967 in Geuensee verstorbenen Elise Marbach besitzen.
b) Eventuell sei gerichtlich festzustellen, dass die Kläger für einen Viertel ihres gesetzlichen Anspruches an der Hinterlassenschaft der am 1.4.1967 in Geuensee verstorbenen Elise Marbach erbberechtigt sind, und es sei die Letztwillensverfügung gerichtlich entsprechend herabzusetzen."
Das Amtsgericht stellte mit Urteil vom 10. Juli 1969 fest, Agatha Marbach habe auf ihre Ansprüche aus der letztwilligen Verfügung der Elise Marbach rechtsgültig verzichtet, so dass die Kläger Anspruch auf ihren gesetzlichen Erbteil hätten.
Beide Parteien zogen dieses Urteil an das Obergericht weiter, vor dem sie am 3. Dezember 1970 einen Vergleich schlossen. In diesem erklärte Agatha Marbach, die "Nichtigkeit beziehungsweise die Ungültigkeit des Testamentes der Elise Marbach" anzuerkennen. Ausserdem wurde unter anderem vereinbart, dass die Beklagte "im Sinne von Art. 635 ZGB ihren gesamten Anspruch jedweder Art am Nachlass der Elise Marbach sel. unwiderruflich" gegen eine Pauschalabfindung von insgesamt Fr. 230'000.-- an sechs der Kläger abtrete.
C.- Am 28. Dezember 1970 starb auch Agatha Marbach, wobei sie gesetzliche Erben aus der elterlichen Verwandtschaft hinterliess.
D.- Insgesamt 25 gesetzliche Erben der Elise Marbach leiteten am 15. Mai 1972 beim Amtsgericht Sursee gegen 25 andere Intestaterben (darunter jene zwanzig, die im Prozess gegen Agatha Marbach als Kläger aufgetreten waren) Klage ein mit folgenden Rechtsbegehren:
BGE 101 II 222 S. 225
"1. Es sei festzustellen, dass Agatha Marbach am 18. Dezember 1967 (richtig: 18. Oktober) auf alle ihre testamentarischen Ansprüche aus der letztwilligen Verfügung vom 22. Dezember 1964 der am 1. April 1967 in Geuensee verstorbenen Elise Marbach rechtsgültig zu Gunsten aller gesetzlichen Erben verzichtet hat.
2. Es sei festzustellen, dass die Kläger nebst den Beklagten gesetzliche Erben der Elise Marbach sind und in der Erbschaftssache der Elise Marbach Anspruch auf ihre gesetzlichen (eigenen und angewachsenen) Erbteile haben.
...
8. a) Eventuell sei festzustellen, dass der Vergleich vom 3. Dezember 1970 bzw. gemäss Abschreibungsbeschluss des Obergerichtes des Kantons Luzern vom 9. Dezember 1970 rechtsunwirksam bzw. ungültig sei.
b) Eventuell sei festzustellen, dass den Klägern die Einrede der Ungültigkeit bezüglich des Testamentes vom 22. Dezember 1964 der Elise Marbach noch zusteht.
c) Subeventuell sei das am 22. Dezember 1964 errichtete Testament der Erblasserin Elise Marbach ungültig zu erklären.
...".
Zur Begründung brachten die Kläger hauptsächlich vor, die von den Beklagten gegen Agatha Marbach angestrengte Testamentsungültigkeitsklage sei unnütz gewesen, weil die damalige Beklagte mit ihrer Erklärung vom 18. Oktober 1967 rechtsgültig und unwiderruflich auf ihre Erbeneinsetzung verzichtet habe. Der vor Obergericht geschlossene Vergleich sei für sie, die heutigen Kläger, daher nicht verbindlich.
Die Beklagten Nr. 1-20, die im Prozess gegen Agatha Marbach als Kläger aufgetreten waren, stellten den Hauptantrag auf Abweisung der Klage. Ihre Rechtsauffassung begründeten sie damit, dass die Kläger das Testament der Elise Marbach nicht angefochten und mithin auf ihr Erbrecht verzichtet hätten; diese seien deshalb weder zur Ungültigkeits-, noch zur Erbschafts-, noch zu einer Teilungs-, noch zu einer Grundbuchberichtigungsklage und ebensowenig zu einem Feststellungsbegehren legitimiert. Sodann halten die Beklagten - entgegen ihrem früheren Standpunkt - dafür, dass die Verzichtserklärung der Agatha Marbach vom 18. Oktober 1967 ungültig sei; Agatha Marbach habe demnach im Vergleich vom 3. Dezember 1970 über den gesamten Nachlass ihrer Cousine verfügen dürfen.
Mit Urteil vom 20. Dezember 1973 hat das Amtsgericht Sursee unter anderem die Klagebegehren 1 und 2 gutgeheissen.
Gegen den amtsgerichtlichen Entscheid erklärten die Beklagten Berufung an das Obergericht, welches am 30. September 1974 folgendes Urteil erliess:
"1. ...
2. Es wird festgestellt, dass die Kläger gesetzliche Erben der Elise Marbach sind und als solche Anspruch auf ihre gesetzlichen (eigenen und angewachsenen) Erbanteile an der Hinterlassenschaft der Elise Marbach haben.
3. Die Kläger werden ermächtigt, sich nach Rechtskraftbeschreitung des Urteils im Grundbuch Geuensee neben den eingetragenen Beklagten als Gesamteigentümer der folgenden Grundstücke eintragen zu lassen: ...
4. Die Beurteilung der übrigen im Urteilsspruch des Amtsgerichtes vom 20. Dezember 1973 entschiedenen Streitpunkte wird zurückgestellt.
...".
Im Ergebnis ist auch das Obergericht der Ansicht, die Kläger seien Erben geblieben, was zur Gutheissung ihrer Hauptbegehren führe. Weil die Beurteilung der Eventual- und Subeventualanträge allein vom Vorhandensein der Erbeneigenschaft abhängt, schien es der Vorinstanz angezeigt, über diesen Hauptpunkt einen selbständigen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 50 OG zu fällen.
E.- Diesen obergerichtlichen Entscheid haben die Beklagten mit Berufung an das Bundesgericht weitergezogen. Sie beantragen, die Klage sei abzuweisen, eventuell das Verfahren zu ergänzenden Beweiserhebungen und zu neuer Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen.
Die Kläger schliessen auf Abweisung der Berufung.
Aus den Erwägungen:
5. a) Nach Art. 560 ZGB erwerben die Erben mit dem Tod des Erblassers die Erbschaft als Ganzes und kraft Gesetzes (Prinzip der Gesamtnachfolge und des eo-ipso-Erwerbs). Diese Grundsätze gelten für die gesetzlichen wie für die eingesetzten Erben (ESCHER, 3. Aufl., N. 1 der Vorbemerkungen zu Art. 560 ff. ZGB; GUGGENHEIM, Die Rechtsstellung des provisorischen Erben nach schweizerischem Zivilgesetzbuch, Diss. Zürich 1929, S. 6). Ungeachtet des Grundes seiner Berufung kann jeder Erbe die Erbschaft ausschlagen oder auf seinen
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Erbteil verzichten. Bis zum Entscheid über Annahme oder Ausschlagung bzw. Verzicht herrscht ein Schwebezustand (ESCHER, N. 7 der Vorbemerkungen zu Art. 560 ff. ZGB; TUOR/PICENONI, N. 12 der Vorbemerkungen zum 2. Abschnitt).Hat der Erblasser eine Person zum Alleinerben eingesetzt, sind allfällige (weitere) gesetzliche Erben nur Scheinerben (ESCHER N. 16 und 17 zu Art. 560 ZGB; TUOR/PICENONI, N. 12 zu Art. 560 ZGB). Scheidet der Alleinerbe nachträglich aus irgendeinem Grunde aus, so werden die gesetzlichen Erben (die bisherigen Scheinerben) zur Erbfolge berufen. Dabei sind die rechtlichen Wirkungen so zu beurteilen, wie wenn die Erbschaft gleich vom Erbgang an ihnen zugefallen wäre (ESCHER, N. 8 a der Vorbemerkungen zu Art. 560 ff. ZGB; GUGGENHEIM, a.a.O. S. 9).
b) Elise Marbach hat in ihrem Testament von 22. Dezember 1964 ihre Cousine Agatha Marbach zur Alleinerbin eingesetzt. (Der zugunsten pflichtteilsgeschützter Erben angebrachte Vorbehalt ist bedeutungslos, da keine solchen vorhanden sind). Der Entscheid der Hauptfrage im vorliegenden Prozess hängt somit davon ab, ob Agatha Marbach ihre privilegierte Stellung später verloren hat und ob damit auch die übrigen gesetzlichen Erben nachträglich zur Erbfolge berufen worden sind.
c) Die Vorinstanz hat angenommen, Agatha Marbach habe vom Testament ihrer Cousine am 18. Juli 1967 Kenntnis erhalten; ihre vom 18. Oktober 1967 datierte Verzichtserklärung sei hingegen frühestens im November 1967, also nach Ablauf der dreimonatigen Ausschlagungsfrist des Art. 567 ZGB, der Teilungsbehörde zugegangen, so dass sie nicht als Erbausschlagung im Sinne der Art. 566 ff. ZGB gewertet werden könne. Das Obergericht hat die Verzichtserklärung dagegen als Abtretung im Sinne von Art. 635 Abs. 1 ZGB ausgelegt. Die Beklagten behaupten, es habe damit Bundesrecht verletzt.
6. a) Vorab sei festgehalten, dass, sollte das Agatha Marbach vorgelegte Schriftstück ursprünglich tatsächlich als Entwurf einer Ausschlagungserklärung im Sinne der Art. 566 ff. ZGB gedacht gewesen sein, wie es von den Beklagten behauptet wird, die Auslegung seines Inhaltes als Abtretungserklärung deswegen nicht ausgeschlossen wäre.
Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, brachte Agatha Marbach ihren Willen durch die Unterzeichnung der Erklärung klar und unmissverständlich zum Ausdruck: sie erklärte, auf die ihr durch das Testament eingeräumte Sonderstellung (Einsetzung zur Alleinerbin) verzichten und sich mit ihrem gesetzlichen Erbteil zufrieden geben zu wollen. In den Text war zudem ausdrücklich aufgenommen worden, dass alle Erben nach Massgabe des Gesetzes an der Erbschaft beteiligt sein sollen; die gesetzlichen Erben, denen wegen des Testaments der Elise Marbach nur die Stellung von Scheinerben zukam, sollten also in den Genuss ihres vollen Erbrechts gelangen.
Auch wenn in der Erklärung steht, die testamentarische Begünstigung werde "ausgeschlagen", stellt der Inhalt des Schriftstückes dem Sinn nach eine Abtretung von Erbanteilen nach Art. 635 ZGB dar. Entscheidend ist nämlich nicht, was der Verfasser des Textes hat zum Ausdruck bringen wollen, sondern was unter den gegebenen Verhältnissen als Wille der erklärenden Person zu gelten hat. Dass Agatha Marbach die Erbschaft nicht hat ausschlagen wollen, erhellt namentlich daraus, dass sie ihren gesetzlichen Erbanteil weiterhin beanspruchte. Sie wünschte also, mit den übrigen gesetzlichen Erben eine Erbengemeinschaft zu bilden (vgl. TUOR/PICENONI, N. 20 b zu Art. 635 ZGB). Darin unterscheidet sich der vorliegende Fall auch wesentlich von jenem, da ein Einzelerbe einen Teil des erworbenen Nachlasses abtreten will. Ist dort die Anwendung der Bestimmungen von Art. 635 ZGB wegen deren Wortlautes und Zwecks nicht denkbar (vgl. TUOR/PICENONI, N. 9 zu Art. 635 ZGB), so steht ihr im vorliegenden Fall nichts entgegen. Da die übrigen gesetzlichen Erben durch die testamentarische Verfügung der Elise Marbach in die Stellung von Scheinerben verdrängt wurden, war Agatha Marbach zwar Alleinerbin. Mit dem Abtretungsvertrag wollte sie aber unter anderem gerade die Erbengemeinschaft wieder aufleben lassen, deren Existenz für die Anwendbarkeit von Art. 635 ZGB Voraussetzung ist.
Aus dem Gesagten ergibt sich zugleich auch, dass das Rechtsgeschäft als Abtretung unter Miterben aufzufassen ist. Insofern als die Grundlage einer derartigen Abtretung erst im Vertrag selbst geschaffen wird, liegt allerdings nicht der typische, Art. 635 Abs. 1 ZGB zugrunde liegende Sachverhalt vor.
b) Die (von Agatha Marbach unterzeichnete) Erklärung für sich allein qualifiziert sich nach dem Ausgeführten als Offerte zu einer Abtretung nach Art. 635 Abs. 1 ZGB. Sie richtet sich nach ihrem klaren Wortlaut an alle gesetzlichen Erben der Elise Marbach. Unmittelbar wurde sie jedoch nur gegenüber Fritz Bossardt (Kläger Nr. 24) und dem von seiner Mutter ermächtigten Josef Bossart (Kläger Nr. 19) abgegeben. Durch die Entgegennahme des unterzeichneten Schriftstückes haben die beiden Überbringer ihren Willen zur Annahme der Offerte bekundet. Dass sie mit dem Inhalt der Erklärung vorbehaltlos einverstanden waren, darf ohne weiteres angenommen werden, waren es doch sie, die das Aufsetzen der Erklärung zumindest veranlasst, Agatha Marbach das Schriftstück jedenfalls vorgelegt hatten. Mit dessen Entgegennahme wurde unter den gegebenen Umständen gleich auch die Offerte unwiderruflich angenommen. Der Abtretungsvertrag hat mithin zwischen Agatha Marbach einerseits und Fritz Bossardt und der durch ihren Sohn vertretenen Hermine Maria Bossart-Marbach andererseits sofort Wirksamkeit erlangt.
Zu prüfen bleibt die Rechtslage mit Bezug auf die übrigen gesetzlichen Erben der Elise Marbach, welche zu einem wesentlichen Teil vom Verhältnis zwischen ihnen und den Klägern Nr. 19 und 24 abhängt. Josef Bossart und Fritz Bossardt waren von den Miterben nicht ausdrücklich ermächtigt, mit Agatha Marbach eine Abtretung nach Art. 635 ZGB zu vereinbaren. Aufgrund der gegebenen Umstände ist daher zu untersuchen, ob eine Stellvertretung ohne Vollmacht im Sinne von Art. 38 OR vorliegen könnte, und wenn ja, ob der Vertrag von den Miterben genehmigt wurde.
aa) In dem Agatha Marbach von den Klägern Nr. 19 und 24 vorgelegten Schriftstück steht ausdrücklich, dass alle Erben nach dem Gesetze an der Erbschaft beteiligt sein sollen, also nicht nur Fritz Bossardt und die durch ihren Sohn vertretene Hermine Maria Bossart-Marbach. Die beiden Überbringer, die das Aufsetzen der Erklärung veranlasst hatten, handelten somit im von ihnen vermuteten Interesse aller Erben der Elise Marbach und in der Erwartung der nachträglichen Genehmigung ihres Vorgehens (vgl. GUHL/MERZ/KUMMER, Das Schweizerische Obligationenrecht, S. 161). Da die Umstände, die auf eine vollmachtlose Stellvertretung deuten, aus dem von ihr unterzeichneten Schriftstück selbst hervorgehen, waren sie auch für Agatha Marbach ohne weiteres erkennbar. Die
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Überbringer haben bei dieser Sachlage die Offerte auch als vollmachtlose Stellvertreter der übrigen gesetzlichen Erben angenommen. Mit Bezug auf sie blieb der Vertrag bis zur Genehmigung allerdings in der Schwebe.bb) Von Gesetzes wegen ist das Genehmigungsrecht nicht befristet (OSER/SCHÖNENBERGER, N. 10 zu Art. 38 OR). Eine Befristung ergibt sich hier auch nicht aus der Natur des Geschäftes (vgl. BEGUELIN, SJK Nr. 517, S. 2/3). Gemäss Art. 38 Abs. 2 OR hätte Agatha Marbach von den Miterben jedoch verlangen können, bis zu einem bestimmten Tag zu erklären, ob sie den Vertrag genehmigen wollten. Da sie dies nicht tat, war sie, als sie mit Schreiben vom 5. Januar 1968 durch Dr. H. Moser die Offerte zu widerrufen suchte, noch immer an diese gebunden. Auf das erwähnte Schreiben braucht daher in diesem Zusammenhang nicht näher eingegangen zu werden.
Es wird nicht behauptet, dass der Abtretungsvertrag von einem der durch Josef Bossart und Fritz Bossardt vertretenen Erben ausdrücklich genehmigt worden wäre. Indes genügt auch konkludentes Verhalten (OSER/SCHÖNENBERGER, N. 4 zu Art. 38 OR; BECKER, N. 4 zu Art. 38 OR; GUHL/MERZ/KUMMER, a.a.O. S. 165; BEGUELIN, a.a.O. S. 3). Indem sich sowohl die heutigen Beklagten (im Prozess gegen Agatha Marbach) wie auch die Kläger (im vorliegenden Verfahren) auf die von Agatha Marbach unterzeichnete Erklärung vom 18. Oktober 1967 berufen haben bzw. noch berufen und aus ihr Rechte zu ihren Gunsten abzuleiten trachteten und noch trachten, haben sie zu erkennen gegeben, dass sie mit dem Inhalt dieser Offerte und deren Annahme durch die Kläger Nr. 19 und 24 ohne Einschränkung einverstanden sind. Das Verhalten der gesetzlichen Erben (der Kläger wie der Beklagten - bei letzteren ist die Haltung im Prozess gegen Agatha Marbach massgebend) lässt sich nicht anders denn als unwiderrufliche Genehmigung der Abtretung gemäss Art. 635 Abs. 1 ZGB auslegen. Wenn die Beklagten behaupten, sie hätten die Erklärung abgelehnt, so richtet sich diese Rüge am angefochtenen Urteil gegen eine verbindliche tatsächliche Feststellung des Obergerichts. Die Beklagten machen aber im übrigen auch nicht geltend, die Genehmigung des Abtretungsvertrages je (namentlich auch nicht vor dem Prozess gegen Agatha Marbach) ausdrücklich verweigert zu haben.
c) Die Beklagten wenden ein, dass für die Abtretung nach
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Art. 635 ZGB die Unterschriften beider Vertragsparteien erforderlich seien; da die Erklärung nur von Agatha Marbach unterzeichnet worden sei, genüge sie der formellen Anforderung der Schriftlichkeit nicht.Abtretungsverträge im Sinne von Art. 635 ZGB bedürfen zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Form. Nach Art. 13 OR muss ein Vertrag, für den die Schriftform gesetzlich vorgesehen ist, die Unterschriften aller Personen tragen, die durch ihn verpflichtet werden sollen. Die Unterschrift des aus dem Vertrag nur Berechtigten ist dagegen nicht erforderlich (OSER/SCHÖNENBERGER, N. 1 zu Art. 13 OR; GUHL/MERZ/KUMMER, a.a.O. S. 122).
Gewiss ist mit der Abtretung des die gesetzliche Quote übersteigenden Teils am Nachlass der Elise Marbach ein Übergang nicht nur von Aktiven, sondern auch von Passiven verbunden. Im Umfange dieser letzteren gingen die Erben gegenüber Agatha Marbach daher auch die sich aus Art. 603 Abs. 1 ZGB ergebende Verpflichtung ein, solidarisch für die Erbschaftsschulden zu haften. Nach dem bei den Akten liegenden Gutachten beträgt der Verkehrswert allein der elf Liegenschaften über eine Million Franken, welchem Betrag Grundpfandbelastungen in der Höhe von nur 28'000 Franken gegenüberstehen. Selbst wenn der Schatzungswert übersetzt sein sollte, wie die Beklagten behaupten, ergäbe sich demnach immer noch ein ganz erheblicher Aktivsaldo, so dass die Erben nicht Gefahr liefen, dass ihr eigenes Vermögen angetastet würde. Bei dieser für sie äusserst günstigen Sachlage war die Unterschrift der Miterben bzw. ihrer Vertreter für das Zustandekommen des Abtretungsvertrages nicht erforderlich.
d) Sodann machen die Beklagten geltend, dass es zur Übernahme der Passiven neben der Zustimmung der Erben auch jener der Drittgläubiger bedurft hätte. Verheiratete Erbinnen hätten überdies nur mit Einwilligung des Ehemannes und (gemäss Art. 177 ZGB) der Vormundschaftsbehörde annehmen dürfen.
aa) Bei der Abtretung von Erbanteilen unter Miterben ändert sich an der Haftung des Abtretenden für die Nachlassschulden im Aussenverhältnis nichts. Der abtretende Erbe bleibt - gestützt auf Art. 603 Abs. 1 ZGB - solidarisch haftbar. Da sich somit die Stellung des Erbschaftsgläubigers durch eine Abtretung nach Art. 635 ZGB nicht verschlechtert,
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besteht für ihn auch kein Bedürfnis, dass deren Gültigkeit von seiner Zustimmung abhängig gemacht würde. Die fehlende Zustimmung der Erbschaftsgläubiger stellt somit keinen die Gültigkeit der Abtretung hemmenden Mangel dar. Anders verhielte es sich freilich, wenn Agatha Marbach aus der Haftung hätte entlassen werden wollen (TUOR/PICENONI, N. 28 zu Art. 635 ZGB).bb) Zur Gültigkeit der Abtretung bedurfte es auch nicht der Zustimmung der Ehemänner verheirateter Erbinnen. Eine verheiratete Frau kann selbst eine überschuldete Erbschaft ohne Zustimmung ihres Ehemannes annehmen (LEMP, N. 21 und 22 zu Art. 204 ZGB). Umso weniger bedarf es in einem Fall wie dem vorliegenden - mit dem Abtretungsvertrag wird nichts anderes als die Begründung der Erbenqualität unter gleichzeitiger Annahme der Erbschaft vereinbart - einer Zustimmung der Ehemänner. Bei der Abtretung nach Art. 635 ZGB handelt es sich sodann nicht um ein Rechtsgeschäft, mit dem die verheirateten Erbinnen über eingebrachtes Gut verfügen würden, so dass die Einwilligung der Ehemänner auch nicht gestützt auf Art. 203 ZGB verlangt werden könnte (vgl. LEMP, N. 2 zu Art. 203 ZGB).
cc) Auf einem Versehen beruht schliesslich die beklagtische Auffassung, bei den verheirateten Erbinnen hätte auch die Vormundschaftsbehörde zustimmen müssen, handelt es sich doch beim Abtretungsvertrag weder um ein Rechtsgeschäft unter Ehegatten (Art. 177 Abs. 2 ZGB) noch um ein sogenanntes Interzessionsgeschäft (Art. 177 Abs. 3 ZGB). Ein dem Interzessionsverbot unterworfenes Rechtsgeschäft läge nur dann vor, wenn sich die verheirateten Erbinnen gegenüber Dritten zugunsten ihrer Ehemänner verpflichtet hätten. Wenn auch die Erbinnen sich zur solidarischen Haftung für Erbschaftsschulden verpflichtet haben, so werden ihre Ehemänner dadurch in keiner Weise begünstigt.
e) Weiter stellen sich die Beklagten auf den Standpunkt, Agatha Marbach habe die dingliche Berechtigung am Nachlass ihrer Cousine, die mit der Einsetzung zur Alleinerbin begründet worden sei, nicht mit einer Abtretung im Sinne von Art. 635 ZGB zum Teil auf die Kläger übertragen können. Ausserdem hätte die Übertragung der Grundstücke der öffentlichen Beurkundung bedurft.
Die Beklagten übersehen indessen, dass die Zulässigkeit der
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Abtretung von Erbanteilen nicht von der Natur des Anspruches abhängt, der für die Erben durch sie begründet wird. Ob der Abtretungsvertrag unter Miterben einen dinglichen oder obligatorischen Anspruch entstehen lasse, ist übrigens in der Lehre umstritten (vgl. dazu die ausführliche Darstellung der verschiedenen Meinungen durch TUOR/PICENONI, N. 15 ff. zu Art. 635 ZGB; ferner ESCHER, N. 7 und 22 zu Art. 635 ZGB; JOST, Der Erbteilungsprozess im schweizerischen Recht, S. 121; JENNY, Die Abtretung von Erbanteilen nach Art. 635 ZGB, in ZBJV 64/1928, S. 161). Selbst wenn aber angenommen wird, der Miterbe, dem der abgetretene Erbteil zugute kommt, habe auf diesen einen dinglichen Anspruch, ist die öffentliche Beurkundung des Abtretungsvertrages nicht erforderlich. Übertragen werden ja keine Sachen, sondern (bei Bejahung der dinglichen Natur des Anspruches) das Erbrecht als solches bzw. (bei Annahme bloss obligatorischer Wirkung) der Anspruch auf eine Quote des Nachlassvermögens. Dazu bedarf es nicht der Formen, die für den Übergang von Vermögenswerten unter Lebenden allgemein vorgeschrieben sind (ESCHER, N. 14 zu Art. 635 ZGB).f) Ebenso unbehelflich ist das Vorbringen, eine Abtretung im Sinne von Art. 635 ZGB könne nicht vorliegen, weil Agatha Marbach keine Forderung zugestanden habe. Gegenstand der Abtretung sind nämlich hier nicht Forderungen, sondern Erbanteile, deren Abtretung in Art. 635 ZGB ausdrücklich vorgesehen ist.
g) Eine Verletzung von Bundesrecht glauben die Beklagten schliesslich darin erblicken zu können, dass das Obergericht die Rechtsprechung zu den Bestimmungen über die Abtretung von Forderungen (Art. 164 ff. OR) herangezogen hat. Auch diese Rüge ist unbegründet. Sowohl Abtretungsverträge nach Art. 635 ZGB wie solche gemäss Art. 164 ff. OR bedürfen zur Gültigkeit der einfachen Schriftlichkeit. Da dieses Formerfordernis bei beiden Verträgen gleich zu beurteilen ist, hat die Vorinstanz durch die Mitberücksichtigung der Rechtsprechung zum Erfordernis der Schriftlichkeit bei der Zession kein Bundesrecht verletzt.
h) Zusammengefasst ergibt sich, dass der Vorinstanz keine Verletzung von Bundesrecht zur Last gelegt werden kann, wenn sie davon ausging, es liege in der von Agatha Marbach am 18. Oktober 1967 unterzeichneten Erklärung eine Abtretung
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von Erbanteilen im Sinne von Art. 635 Abs. 1 ZGB vor, die durch die Miterben angenommen worden sei. ...
8. Der Anspruch aus einer Verfügung von Todes wegen kann - beispielsweise durch einen Abtretungsvertrag - dahinfallen, ohne dass ein richterliches Urteil notwendig wäre. Eine Ungültigkeits- oder Herabsetzungsklage wäre in einem solchen Fall zwecklos und mangels rechtlichen Interesses gar nicht zuzulassen.
Schon die Erklärung von Agatha Marbach für sich allein bewirkte somit, dass das Testament der Elise Marbach seine Wirkung verlor. Die Beklagten können demnach aus der Tatsache, dass die Kläger das Testament nicht angefochten haben, nichts zu ihren Gunsten ableiten. Insbesondere können sie nicht geltend machen, weil die Kläger die Anfechtung des Testamentes unterlassen hätten, sei dieses ihnen, den Klägern, gegenüber wirksam geworden und sei ihre Erbenqualität damit endgültig erloschen.
Hatte andererseits die Verzichtserklärung vom 18. Oktober 1967 allen gesetzlichen Erben gegenüber Gültigkeit erlangt, war Agatha Marbach nicht mehr befugt, am 3. Dezember 1970 vergleichsweise nur den Beklagten eine Nachlassquote abzutreten. Der zwischen den Beklagten und Agatha Marbach geschlossene Vergleich war demnach für die Rechtsstellung der Kläger bedeutungslos und vermochte ihre Rechte nicht zu schmälern. Es kann ihnen mithin heute nicht die Einrede der abgeurteilten Sache entgegengehalten werden. Da auch ihnen am Nachlass der Elise Marbach Rechte zustehen, sind sie - entgegen der Ansicht der Beklagten - zur vorliegenden Klage legitimiert. Die Aktivlegitimation müsste übrigens allein schon deshalb bejaht werden, weil die Kläger ein rechtlich erhebliches Interesse an der Feststellung ihrer Erbenqualität besitzen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist, und das Urteil des Obergerichts (I. Kammer) des Kantons Luzern vom 30. September 1974 wird bestätigt.
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