101 II 366
Urteilskopf
101 II 366
61. Urteil der I. Zivilabteilung vom 25. November 1975 i.S. Schweizerische Eidgenossenschaft gegen Schad + Frey AG.
Regeste
Berufung.
Zulässigkeit gegen selbständigen Vorentscheid über die sachliche Zuständigkeit nach Art. 49 OG (Erw. 1).
Abgrenzung zwischen zivilrechtlicher und öffentlichrechtlicher Streitigkeit (Erw. 2).
Die Ordnung der Landeskartographie und der Grundbuchvermessung ist öffentlichrechtlicher Natur (Erw. 3).
Das Entgelt, das der Bund für die Benützung seiner Pläne und Karten - im Umfange ihres urheberrechtlichen Schutzes - verlangen kann, ist keine vertragliche Gegenleistung, sondern eine verwaltungsrechtliche Gebühr. Der Streit darüber beurteilt sich daher nach Verwaltungsrecht (Erw. 4).
A.- Auf ein Gesuch, das die Schad + Frey AG im Auftrag des Verkehrsvereins Grindelwald an die Eidgenössische Vermessungsdirektion gerichtet hatte, erteilte die Eidgenössische Landestopographie mit Schreiben vom 17. Juli 1972 "die einmalige Bewilligung zur Reproduktion und Veröffentlichung" des Übersichtsplan 1:10000 Ausschnitt Schynige Platte - Schwarzhorn - Kleine Scheidegg - Mettenberg für die Herstellung einer Wanderkarte 1:25000 "Grindelwald". Sie nannte die "Reproduktions-Bedingungen" und "Gebühren". Ferner legte sie zwei Formulare "Zahlungsmodus für die Lizenzgebühren der Landeskarten -" bei und bat, eines davon durch den Verkehrsverein Grindelwald ausfüllen, unterzeichnen zu lassen und es danach zurückzuschicken.
Die Schad + Frey AG. sandte das Formular nicht zurück. Trotzdem druckte sie eine Vorauflage von 3000 Stück der Wanderkarte. Dafür stellte ihr die Eidgenössische Vermessungsdirektion am 29. März 1973 Rechnung über Fr. 1'114.35, woran sie am 29. Mai 1973 Fr. 430.-- zahlte.
Da die Eidgenössische Landestopographie der Meinung war, die Schad + Frey AG habe neben dem Übersichtsplan auch die Landeskarte 1:50000 verwendet, stellte sie am 6. April 1973 Rechnung über Fr. 342.--.
Für eine weitere Auflage der Wanderkarte von 40000 Stück forderten die Vermessungsdirektion am 29. August 1973 Fr. 14'858.-- und die Landestopographie am 13. August 1973
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Fr. 4'704.--. Die Schad + Frey AG bezahlte nur die genannten Fr. 430.--. Die offenen Forderungen der eidgenössischen Ämter beliefen sich also auf Fr. 20'588.35.
B.- Namens der Schweizerischen Eidgenossenschaft klagte die Eidgenössische Finanzverwaltung am 23. Oktober 1974 vor dem Appellationshof des Kantons Bern gegen die Schad + Frey AG mit den Begehren:
"1. Es sei der Beklagten unter Androhung der Straffolgen von
Art. 403 ZPO bis zur Erfüllung der im Rechtsbegehren 2 genannten
Obligationen gerichtlich zu verbieten, die Wanderkarte
1:25000 "Grindelwald" herzustellen, feilzuhalten, zu verkaufen
oder sonst in Verkehr zu bringen.
2. Die Beklagte sei zu verurteilen, der Klägerin einen Betrag von
Fr. 20'588.35 nebst Verzugszins von 5% seit 26. September 1973
zu bezahlen."
Die Beklagte verlangte, es sei auf die Klage nicht einzutreten, eventuell das Verfahren auf die Frage der sachlichen Zuständigkeit zu beschränken. Gemäss diesem Eventualstandpunkt wurde für die Prozessinstruktion verfügt, worauf der Appellationshof am 11. Juni 1975 die Klage mangels Zuständigkeit zurückwies.
C.- Die Klägerin legte Berufung an das Bundesgericht ein. Sie beantragt, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache zur materiellen Beurteilung an den Appellationshof zurückzuweisen. Die Beklagte begehrt die Bestätigung des angefochtenen Entscheides.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Das angefochtene Urteil ist ein selbständiger Vorentscheid des obern kantonalen Gerichtes über die sachliche Zuständigkeit. Die Berufung ist daher zulässig (Art. 49 OG).
2. Der Appellationshof erklärt sich als unzuständig, weil nach seiner u.a. auf ein gemeinsames Gutachten der Professoren A. Troller und H. Huber gestützten Ansicht kein zivilrechtlicher, sondern ein verwaltungsrechtlicher Streit vorliege.
a) Unter einem Zivilrechtsstreit versteht die Rechtsprechung ein kontradiktorisches Verfahren zwischen zwei oder mehreren natürlichen oder juristischen Personen in ihrer Eigenschaft als Trägerinnen privater Rechte oder zwischen solchen Personen und einer nach Bundesrecht die Stellung
BGE 101 II 366 S. 369
einer Partei besitzenden Behörde, das sich vor dem Richter oder einer anderen Spruchbehörde abspielt und auf die endgültige, dauernde Regelung zivilrechtlicher Verhältnisse durch behördlichen Entscheid abzielt (BGE 98 II 149, 170, 275 und dort erwähnte Entscheide). Ob ein zivilrechtlicher oder ein öffentlichrechtlicher Streit bestehe, bestimmt sich also nach seinem Gegenstand. Die Grenze lässt sich, scheinen auch Art. 64 BV und 6 ZGB klare Begriffe vorauszusetzen, nicht nach einheitlichen und durchwegs gültigen Kriterien ziehen; sie ist fliessend und muss, wenn es um die Zuständigkeit des angerufenen Richters geht, jeweilen für das konkrete Rechtsverhältnis ermittelt werden (vgl. KUMMER, Grundriss des Zivilprozessrechts S. 20/21; LEUCH, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 3. Aufl. 1956, N. 1 zu Art. 1).b) Hiefür hat die Lehre verschiedene Methoden entwickelt. Diese unterscheiden danach, ob anwendbare Rechtssätze private Interessen wahrnehmen oder öffentliche Interessen verfolgen (Interessentheorie), unmittelbar die Erfüllung öffentlicher Aufgaben betreffen (Funktionstheorie), das Verhältnis zwischen Staat und Bürger oder zwischen Bürgern unter sich regeln (Subjektionstheorie), zwischen Staat und Bürger eine Unterordnung oder Gleichordnung zum Gegenstand haben (Subjektionstheorie), zwingend oder nachgiebig sind usw. (vgl. DESCHENAUX, in Schweizerisches Privatrecht II S. 15 ff.; HUBER, zu Art. 6 ZGB N. 110 ff., besonders 119 ff.; GRISEL, Droit administratif suisse, S. 44 ff.; GYGI, Verwaltungsrechtspflege und Verwaltungsverfahren im Bund, S. 84). Indessen bietet keine dieser Theorien eine schlechthin und umfassend zutreffende Lösung. Die Lehre neigt daher zur Kombination einzelner Merkmale, indem sie zumeist von der Subjektionstheorie ausgeht (DESCHENAUX, a.a.O. S. 18/19; HUBER, a.a.O. N. 130). Auch die Rechtsprechung hat sich nicht einseitig festgelegt (BGE 96 I 101, 409, 428, 541; BGE 99 Ib 120 E. 2; GRISEL, a.a.O. S. 47 ff.).
3. Das Bundesgesetz über die Erstellung neuer Landeskarten vom 21. Juni 1935 sieht in Art. 1 vor, dass die Erstellung, Veröffentlichung und Unterhaltung neuer Landeskarten Sache des Bundes ist. Diese Regelung beruht auf dem Gedanken, dass es sich bei der Landeskarte schon mit Rücksicht auf die Armee um eine eidgenössische Angelegenheit handle (Botschaft des Bundesrates vom 1. April 1935, BBl 1935 I S. 644).
Sie ist also im öffentlichen Interesse begründet. Dieses war auch dafür massgebend, dass gemäss Art. 2 des Gesetzes "die Urheberrechte, die bei der Bearbeitung und Nachführung der neuen Landeskarten entstehen", an den Bund übergehen (Botschaft des Bundesrates, a.a.O. S. 645). Ist demnach die gesetzliche Ordnung der Landeskartographie öffentlichrechtlicher Art, so gilt das auch für die gestützt darauf vom Bundesrat erlassene Verordnung betr. die Wiedergabe der eidgenössischen Kartenwerke vom 18. Dezember 1953 sowie die gemäss Art. 7 dieser Verordnung vom Eidgenössischen Militärdepartement am 19. Dezember 1953 erlassene Verfügung betr. die Gebühren für die Wiedergabe der eidgenössischen Kartenwerke (AS 1953 S. 1069), die durch die Verfügung betr. Lizenzgebühren für die Wiedergabe der eidgenössischen Kartenwerke vom 27. Dezember 1967 (AS 1968 S. 4) ersetzt wurde. Wie die Ordnung der Landeskartographie ist auch jene über die Grundbuchvermessung öffentlichrechtlicher Natur, nämlich der gestützt auf Art. 42ter BV und Art. 29 SchlT ZGB erlassene Bundesbeschluss über die Kostenanteile in der Grundbuchvermessung vom 27. September 1967, in Kraft seit 1. Januar 1968, sowie die in Ausführung des Art. 950 ZGB und der Art. 38-42 SchlT ZGB am 12. Mai 1971 beschlossene Verordnung über die Grundbuchvermessung. Das ergibt sich nicht nur von der Sache her, sondern insbesondere aus dem ihr zugrundeliegenden Verfassungssatz (vgl. auch die Botschaft des Bundesrates vom 17. Januar 1967, BBl 1967 I S. 313 ff.).
4. Die Klägerin stellt sich im Prozess auf den Standpunkt, die Beklagte habe die Landeskarte und den Übersichtsplan ohne Bewilligung benützt. Sie habe daher nach Art. 42 ff. URG zivilrechtliche Ansprüche auf Unterlassung und Schadenersatz, die vom Appellationshof zu beurteilen seien.
a) Art. 2 des zitierten Bundesgesetzes vom 21. Juni 1935 schafft kein eigenständiges Urheberrecht des Bundes an den Landeskarten. Die Vorschrift kann nur anordnen, dass die von den Beamten und Angestellten erworbenen Urheberrechte von Gesetzes wegen auf den Bund übergehen (vgl. Botschaft des Bundesrates, a.a.O. S. 645; Gutachten Troller/Huber, S. 15 ff.). Etwas anderes bestimmt auch die gestützt auf jene Gesetzesbestimmung erlassene Verordnung vom 18. Dezember 1953 nicht. Sinngemäss muss dasselbe gelten für Art. 9 Abs. 1 der Verordnung des Bundesrates über die Grundbuchvermessung
BGE 101 II 366 S. 371
vom 12. Mai 1971, wonach die Urheberrechte an den Vermessungswerken dem Bund, den betreffenden Kantonen und den Gemeinden zustehen. Dabei kann offen bleiben, ob nach den im Ingress der Verordnung genannten Grundlagen eine solche Vorschrift erlassen werden darf. Jedenfalls kommen dem Bund auf beiden Gebieten keine originären, sondern kraft öffentlichrechtlicher Gesetzgebung zwangsweise übertragene Urheberrechte zu.b) Ob und inwieweit Urheberrechte an Karten und Vermessungswerken zugunsten des Bundes bestehen, ist auf Grund der Vorschriften des URG, also nach Privatrecht zu bestimmen. Denkbar wäre auch, dass der Bund die Verletzung solcher Rechte nach Art. 42 ff. URG, also zivilrechtlich verfolgte. Aber darum geht es hier nicht. Die Klägerin hat schon vor Einleitung des Prozesses sich nicht gegen die Verwendung von Karten und Plänen durch die Beklagte aus Urheberrecht verwahrt, sondern dafür nach ihren Tarifansätzen Rechnung gestellt. Sie verlangt auch mit den Klagebegehren weder die absolute Untersagung urheberrechtswidriger Benützung geschützter Werke noch Schadenersatz aus Urheberrechtsverletzung, sondern sie begehrt bloss ein Herstellungs- und Vertriebsverbot für die Wanderkarte "Grindelwald" bis zur Erfüllung nachgenannter "Obligationen" und fordert unter diesem Titel auf den Rappen die ausstehenden Gebührenbeträge. Das Unterlassungsbegehren hat keine selbständige Bedeutung, sondern hängt mit dem Leistungsbegehren funktionell zusammen. Die Klägerin will also im vorliegenden Verfahren tarifarische Ansprüche für die tatsächliche Benützung von eidgenössischen Plan- und Kartenwerken durchsetzen, nicht aber zivilrechtliche Verhältnisse durch den Richter dauernd regeln lassen. Daher kann offen bleiben, ob Art. 9 der Verordnung vom 18. Dezember 1953, wonach Widerhandlungen gegen die darin enthaltenen Vorschriften zivil- und strafrechtlich nach Art. 42-61 URG verfolgt werden, gültig sei.
c) Wenn und soweit Urheberrechte an Karten- und Vermessungswerken bestehen, kann der Bund darüber die Benützungsbedingungen mit Dritten nicht privatrechtlich vereinbaren. Die Verordnungen des Bundesrates vom 18. Dezember 1953 und des EMD vom 12. Mai 1971 sehen vor, dass die zuständigen Departemente oder Dienstabteilungen einseitig die Benützung bewilligen und hiefür Grundsätze und Gebühren
BGE 101 II 366 S. 372
festlegen. Der Bund tritt demnach den Privaten obrigkeitlich gegenüber. Das Recht, Pläne und Karten im Umfange eines allfälligen urheberrechtlichen Schutzes zu benützen, beruht nicht auf einer privatrechtlichen Verfügung, sondern auf einer verwaltungsrechtlichen Erlaubnis mit privatrechtsgestaltender Wirkung und demnach ist auch das zu erbringende Entgelt keine vertragliche Gegenleistung, sondern eine verwaltungsrechtliche Gebühr (vgl. Gutachten Troller/Huber, S. 22/23, 46/47). Ob und inwieweit die Klägerin eine Bewilligung erteilte und welche Gebühr sie gegebenenfalls erheben durfte, beurteilt sich somit nach Verwaltungsrecht. Dabei kann die Verwaltungsgerichtsbehörde die zivilrechtliche Vorfrage beurteilen, ob und inwiefern an Kartenwerken Urheberrechte bestehen (KUMMER, a.a.O. S. 22; LEUCH, a.a.O.).
5. Die Klägerin ist in Übereinstimmung mit dem Appellationshof auf den Verwaltungsweg zu verweisen. Die direkte verwaltungsrechtliche Klage nach Art. 116 OG steht ihr allerdings nicht offen. Aber sie hat die Möglichkeit, gegenüber der Beklagten auf Grund der Tarife für die Benützung von Karten und Plänen eine Verfügung zu erlassen (Art. 5 VwG), welche die Beklagte auf dem Rechtsmittelweg anfechten kann (BGE 101 Ib 72 ff.).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationshofes des Kantons Bern, I. Zivilkammer, vom 11. Juni 1975 bestätigt.
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