102 II 161
Urteilskopf
102 II 161
26. Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. Juli 1976 i.S. Otto Naegeli-Stiftung gegen Theodor Naegeli-Stiftung.
Regeste
Namensschutz bei Stiftungen.
1. Zielt eine Klage wegen Verletzung von Namens- oder Persönlichkeitsrechten nicht auf Vermögensleistungen hin, so handelt es sich um eine nicht vermögensrechtliche Zivilstreitigkeit im Sinne von Art. 44 OG (Erw. 1).
2. Stiftungen unterstehen grundsätzlich nur dem Namensrecht nach Art. 29 ZGB, nicht aber den Sondervorschriften des Firmenrechts (Erw. 2).
3. Verhältnis zwischen Art. 29 Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 ZGB (Erw. 3).
4. Auch ein ideelles Interesse einer Stiftung an der Wahrung ihrer Identität kann genügen, einem andern den Gebrauch eines ähnlichen Namens zu verbieten (Erw. 4a).
5. Die Stiftungsorgane sind grundsätzlich auch bei der Wahl des Namens an den testamentarisch geäusserten Willen des Stifters gebunden (Erw. 4b).
6. Anforderungen an die Unterscheidbarkeit der Namen zweier Stiftungen, die beide den Zweck verfolgen, die medizinische Forschung zu fördern (Erw. 4d).
7. Unterscheidbarkeit der Bezeichnungen der von diesen Stiftungen ausgesetzten Forschungspreise (Erw. 5).
A.- Die im Jahre 1957 verstorbene Regina Thürlimann-Rohner hat durch letztwillige Verfügung eine Stiftung errichtet mit dem Zweck, Kranken Hilfe zu leisten und den Kampf gegen die Krankheit zu unterstützen. Die Stiftung wurde nach dem im Jahre 1938 verstorbenen Zürcher Professor Dr. Otto Naegeli, von 1921-1937 Ordinarius für innere Medizin an der Universität Zürich, "Otto Naegeli-Stiftung" benannt und am 12. Februar 1960 im Handelsregister eingetragen. Sie hat ihren Sitz in Zürich und verfolgt ihren Zweck unter anderem durch Ausrichtung des "Otto Naegeli-Preises" zur Förderung der medizinischen Forschung, der mit Fr. 100'000.-- dotiert ist. Der Preis wird ausgerichtet an Forscher, welche ein medizinisches Arbeitsgebiet durch eigene Forschung eröffnen oder erweitern wollen. Die Preisträger werden vom Stiftungsrat nach
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Fühlungnahme mit dem Forschungsrat des Nationalfonds bestimmt. Die Verleihung des Preises erfolgt jeweils in feierlicher Weise anlässlich einer Stiftungsversammlung des Nationalfonds.Der im Jahre 1971 in Basel verstorbene Professor Dr. med. Theodor Naegeli hat durch Testament vom 13. Oktober 1970 eine "Theodor Naegeli-Stiftung" errichtet, der er seinen nach Ausrichtung von Legaten und Tilgung aller Verbindlichkeiten verbleibenden Nachlass zuwandte. Als Zweck der Stiftung bezeichnete er die Förderung der medizinischen Forschung auf dem Gebiete der Thrombo-Embolie oder der Gerontologie bzw. der Geriatrie. Dieser Zweck soll unter anderm durch die alle drei Jahre erfolgende Ausrichtung des "Theodor Naegeli-Preises" für die beste experimentelle oder klinische Arbeit verfolgt werden. Professor Theodor Naegeli war zuletzt Ordinarius für Chirurgie an der Universität Tübingen und Direktor der dortigen Chirurgischen Universitätsklinik. Die Theodor Naegeli-Stiftung ist im Handelsregister des Kantons Basel-Stadt eingetragen.
B.- Nachdem die Otto Naegeli-Stiftung erfolglos versucht hatte, die Theodor Naegeli-Stiftung zur Änderung ihres Namens zu bewegen, erhob sie am 27. Mai 1974 beim Zivilgericht des Kantons Basel-Stadt Klage gegen diese mit folgendem Rechtsbegehren:
"Es seien der Beklagten die Führung des Namens "Theodor Naegeli-Stiftung" sowie die Bezeichnung des von ihr ausgerichteten Preises als "Theodor Naegeli-Preis" zu untersagen; die Beklagte sei demgemäss zur Löschung ihres derzeitigen Namens im Handelsregister innert 30 Tagen nach Rechtskraft des Urteils zu verurteilen."
Zur Begründung machte sie geltend, als ältere Stiftung habe sie gegenüber der später errichteten Beklagten gemäss Art. 29 Abs. 2 ZGB Anspruch auf Schutz ihres Namens. Der Name der Beklagten gebe zu Verwechslungen mit ihrem eigenen Namen Anlass und verletze daher ihr Namensrecht. Gleiches gelte auch für die Bezeichnung des durch die Beklagte zur Ausrichtung gelangenden Preises als "Theodor Naegeli-Preis".
Mit Urteil vom 28. Mai 1975 wies das Zivilgericht die Klage ab. Es erachtete die analoge Anwendung firmenrechtlicher Grundsätze - wie sie von der Klägerin verlangt worden war -
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als nicht angezeigt, da die Parteien nicht in einem wirtschaftlichen Wettbewerbsverhältnis zueinander stünden. Der Streit sei vielmehr ausschliesslich auf Grund des Namens- bzw. Stiftungsrechts zu entscheiden. Das Interesse der Klägerin an der Kennzeichnungswirkung ihres Namens sei mit jenem des Stifters der Beklagten am Fortleben seines Namens zu vergleichen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der häufig vorkommende Familienname "Naegeli" von der Klägerin frei gewählt worden sei. Diese habe von Anfang an damit rechnen müssen, dass andere Träger dieses Namens eine Stiftung errichten und diese nach ihrem eigenen Namen benennen könnten. Das Interesse einer natürlichen Person, ihren Namen auf diese Weise über den Tod hinaus weiterleben zu lassen, habe gegenüber einer eventuellen Verwechslungsgefahr grundsätzlich den Vorrang. An die Unterscheidbarkeit der Namen der beiden Stiftungen könnten somit keine höheren Anforderungen gestellt werden, als wenn es sich um die Namen natürlicher Personen handeln würde. Hier wie dort müsse der Vorname zur Unterscheidung genügen. Das müsse auch für die Bezeichnung der Preise gelten, die von den Parteien ausgerichtet würden.
C.- Auf Appellation der Klägerin hin bestätigte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt das zivilgerichtliche Urteil mit Entscheid vom 18. Februar 1976. Es übernahm die tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen der ersten Instanz und verzichtete auf eigene Erwägungen.
D.- Die Klägerin hat gegen dieses Urteil Berufung an das Bundesgericht erhoben. Sie stellt folgende Anträge:
"1. Es sei das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 18. Februar 1976 aufzuheben, die Klage vollumfänglich gutzuheissen und der Beklagten die Führung des Namens "Theodor Naegeli-Stiftung" sowie die Bezeichnung des von ihr ausgerichteten Preises als "Theodor Naegeli-Preis" zu untersagen und die Beklagte demgemäss zur Löschung ihres derzeitigen Namens im Handelsregister innert 30 Tagen nach Rechtskraft des Urteils zu verurteilen;
2. eventuell, im Falle der Abweisung des Antrages 1, sei das Urteil des Appellationsgerichtes des Kantons Basel-Stadt vom 18. Februar 1976 teilweise aufzuheben, die Klage teilweise gutzuheissen und der Beklagten die Bezeichnung des von ihr ausgerichteten Preises als "Theodor Naegeli-Preis" zu untersagen."
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Soweit sich eine Klage wegen Verletzung von Namens- oder Persönlichkeitsrechten auf etwas anderes als Vermögensleistungen bezieht, wie dies hier der Fall ist, handelt es sich um eine nicht vermögensrechtliche Zivilstreitigkeit im Sinne von Art. 44 OG, welche ohne Rücksicht auf allfällige Vermögensinteressen der Berufung an das Bundesgericht unterliegt (BGE 95 II 486 E. 1).
2. Nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung gehört das in Art. 29 ZGB gewährleistete Recht am Namen zu jenen Persönlichkeitsrechten, die gemäss Art. 53 ZGB auch den juristischen Personen zustehen (BGE 95 II 486 E. 3 mit Hinweisen). Im Unterschied zu den juristischen Personen des Obligationenrechts, für die in erster Linie die Sondervorschriften des Firmenrechts und erst in zweiter Linie die Bestimmungen des Zivilgesetzbuches über den Namen gelten, unterstehen die Vereine und Stiftungen grundsätzlich nur dem Namensrecht, denn sie besitzen keine Geschäftsfirma (vgl. BGE 83 II 255; Kommentar HIS, N. 29 zu Art. 944 OR; Kommentar RIEMER, N. 503 des Systematischen Teils; dazu auch BGE 90 II 464). Eine analoge Anwendung des Firmenrechts, wie sie von einzelnen Autoren befürwortet wird (vgl. die Hinweise bei RIEMER, N. 504 Systematischer Teil), hat das Bundesgericht in BGE 83 II 255 in bezug auf Vereine und damit sinngemäss auch für Stiftungen als unnötig abgelehnt mit der Begründung, dass auf Grund des im Zivilgesetzbuch garantierten Namens- und Persönlichkeitsschutzes alle gerechtfertigten Interessen zur Geltung gebracht werden könnten. Diese an sich zutreffende Überlegung schliesst indessen nicht aus, das Firmenrecht dort heranzuziehen, wo es die Ähnlichkeit der Interessen rechtfertigt.
3. Wird jemand dadurch in seiner Rechtsstellung beeinträchtigt, dass ein anderer sich seinen Namen anmasst, so steht ihm nach Art. 29 Abs. 2 ZGB ein vom Verschulden unabhängiger Abwehranspruch zu, der entweder auf Unterlassung künftiger oder auf Beseitigung noch andauernder Verletzungen gerichtet ist. Die Rechtsprechung hat die Tragweite dieser Bestimmung in zweierlei Hinsicht über den Gesetzeswortlaut hinaus ausgedehnt. Eine Namensanmassung kann
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danach auch darin bestehen, dass jemand den Namen eines andern unbefugterweise nicht für sich selbst, sondern als Bezeichnung einer Sache, etwa zur Benennung einer Zeitschrift oder eines Gerätes, gebraucht (BGE 80 II 140 E. 1; BGE 87 II 111 E. 4). Als Namensanmassung wird sodann nicht nur die unberechtigte Verwendung des vollen Namens eines andern betrachtet, sondern schon die Übernahme des Hauptbestandteils eines solchen (BGE 83 II 256; BGE 90 II 319 E. 3a; BGE 92 II 279 mit Hinweisen). Gelegentlich wurde sogar die Verwendung eines bloss ähnlichen Namens als Namensanmassung im Sinne von Art. 29 Abs. 2 ZGB bezeichnet, wenn sie geeignet war, Verwirrung zu stiften und die Gefahr von Verwechslungen hervorzurufen (BGE 95 II 487 mit Hinweisen). In andern Entscheidungen hat das Bundesgericht bei Verwendung lediglich ähnlicher, aber zu Verwechslungen Anlass gebender Namen das Vorliegen einer Namensanmassung zwar verneint, jedoch eine Verletzung in den persönlichen Verhältnissen im Sinne von Art. 28 ZGB bejaht (BGE 58 II 316 E. 2; BGE 83 II 260 /261; dazu auch BGE 92 II 309 /310).Eine strenge Abgrenzung des Anwendungsbereiches der Art. 29 Abs. 2 und 28 Abs. 1 ZGB ist indessen nicht erforderlich. Der Namensschutz des Art. 29 ZGB bildet nichts anderes als einen Sonderfall des durch Art. 28 ZGB gewährleisteten allgemeinen Schutzes der Persönlichkeit (BGE 95 II 486 E. 3; GROSSEN, Das Recht der Einzelpersonen, in Schweiz. Privatrecht, II. Band, S. 339). Wird der Begriff der Namensanmassung eng gefasst, so bleibt immer noch der Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des Art. 28 ZGB, um den Anspruch einer Person auf Schutz ihres Namens vor ungerechtfertigter Beeinträchtigung zu wahren. Soweit daher Art. 29 Abs. 2 ZGB als Grundlage für den Abwehranspruch wegfällt, steht dem verletzten Namensträger die Beseitigungs- oder Unterlassungsklage des Art. 28 Abs. 1 ZGB zur Verfügung. Es kann mithin in einem Fall wie dem vorliegenden dahingestellt bleiben, ob eine Beeinträchtigung des Namensrechts als Namensanmassung im Sinne von Art. 29 Abs. 2 ZGB oder als Verletzung in den persönlichen Verhältnissen im Sinne von Art. 28 Abs. 1 ZGB zu betrachten ist. Wesentlich ist einzig, ob sich ein bestimmter Gebrauch eines Namens als unbefugte Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen eines andern erweist. Auch nach Art. 29 Abs. 2 ZGB ist ein Name nur insoweit
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geschützt, als ihn jemand unbefugterweise gebraucht (BGE 95 II 487; GROSSEN, a.a.O. S. 340/341; Kommentar EGGER, N. 20 zu Art. 29 ZGB). Das ergibt sich aus dem Begriff der Namensanmassung (französisch: usurpation), was nichts anderes als unbefugte Verwendung des Namens eines andern bedeutet.
4. Die Klägerin macht geltend, die Benennung der Beklagten als "Theodor Naegeli-Stiftung" und des von dieser verliehenen Preises als "Theodor Naegeli-Preis" verletze ihr Namensrecht. Nach dem bisher Ausgeführten läge eine solche Verletzung dann vor, wenn die Verwendung des Namens "Theodor Naegeli" durch die Beklagte als unzulässige Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der Klägerin zu betrachten wäre. Der Entscheid hierüber hängt davon ab, ob der Beklagten am Gebrauch ihres Namens ein höherwertiges Interesse zuerkannt werden muss als der Klägerin an der alleinigen Verwendung des Familiennamens "Naegeli". Es geht mit andern Worten um eine für das Gebiet des Persönlichkeitsrechtes typische, auf einer Interessenabwägung beruhende Abgrenzung der Betätigungsfreiheit des einen vom Schutzbedürfnis eines andern (vgl. dazu allgemein BGE 95 II 492 E. 6; BGE 101 II 197 mit zahlreichen Hinweisen; zum Namensrecht im besondern vgl. z.B. BGE 80 II 145).
a) Das Interesse der Klägerin ist darauf gerichtet, ihrem Namen, den sie lange vor Errichtung der Beklagten gewählt hat, eine möglichst gute Kennzeichnungswirkung zu erhalten. Sie befürchtet, der Name der Beklagten könne zu Verwechslungen mit ihrem eigenen Namen führen und die gleiche Gefahr bestehe bezüglich der von den Parteien ausgerichteten Forschungspreise. Sie begründet ihre Befürchtung vor allem mit dem Hinweis, dass beide Stiftungen unter anderm den Zweck verfolgten, die medizinische Forschung durch Ausrichtung von Preisen zu fördern. Der einzige Unterschied in dieser gemeinsamen Zwecksetzung besteht tatsächlich nur darin, dass sich die Förderungstätigkeit der Beklagten auf das Forschungsgebiet der Thrombo-Embolie oder der Gerontologie bzw. Geriatrie beschränkt, während sich jene der Klägerin auf das ganze Gebiet der medizinischen Forschung erstreckt.
Das klägerische Interesse ist grundsätzlich als schutzwürdig anzuerkennen. Nach der Rechtsprechung liegt eine Beeinträchtigung des Namensrechts einer juristischen Person stets
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dann vor, wenn durch eine spätere Namensschöpfung eine Verwechslungsgefahr geschaffen wird (BGE 80 II 145 ff.; BGE 83 II 256 ff.; BGE 90 II 321 /322 lit. d). Dass Verwechslungen tatsächlich stattgefunden haben, ist nicht erforderlich (BGE 80 II 145 lit. a). Im Unterschied zum Firmenrecht ist das Namensrecht auch nicht an bestimmte räumliche Grenzen gebunden. Da sich die Tätigkeit der Klägerin auf das ganze Gebiet der Schweiz erstreckt, ist der örtliche Schutzbereich ihres Namens daher entsprechend weit (BGE 90 II 466).Freilich ist das Interesse der Klägerin an der Wahrung ihrer Identität ein rein ideelles. Die Klägerin ist in keiner Weise am wirtschaftlichen Wettbewerb beteiligt und deshalb keinerlei Schädigungen ausgesetzt, wie sie durch Verwechslungen innerhalb der Kundschaft eines Wirtschaftsunternehmens eintreten können. Da sie im Unterschied zu andern wohltätigen Institutionen auch keine Sammlungen durchführt, um die zur Finanzierung ihrer Tätigkeit erforderlichen Mittel zu beschaffen, ist sie auf die Unterscheidungskraft ihres Namens im breiten Publikum nicht einmal sonderlich angewiesen. Die wissenschaftlichen Kreise, für welche die Verleihung des Otto Naegeli-Preises einen Anlass von besonderem Interesse darstellt, dürften in der Regel über ein grösseres Unterscheidungsvermögen verfügen als die Durchschnittsbevölkerung. Auch rein ideelle Interessen an der Vermeidung von Verwechslungen können indessen genügen, einem andern den Gebrauch eines ähnlichen Namens verbieten zu lassen (vgl. BGE 80 II 145). Die Klägerin beruft sich in diesem Zusammenhang auf den von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsatz, wonach eine unzulässige Beeinträchtigung des Namensrechts darin bestehen kann, "dass jemand als Namensträger durch Gedankenassoziationen in Beziehungen hineingestellt wird, die er füglich ablehnen darf" (BGE 90 II 466 unten mit Hinweisen). Sie macht geltend, es nicht dulden zu können, dass unter einem verwechselbar ähnlichen Namen andere Preise für Leistungen auf demselben Gebiet an Preisträger ausgerichtet würden, auf deren Auswahl sie keinen Einfluss habe.
b) Diesem Interesse der Klägerin an der Erhaltung der Unterscheidungskraft ihres Namens steht dasjenige der Beklagten gegenüber, den Namen ihres Stifters sowohl als Bezeichnung für die Stiftung selbst wie auch zur Kennzeichnung ihrer Forschungspreise verwenden zu können.
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Die kantonalen Instanzen haben in diesem Zusammenhang hervorgehoben, die Stiftungsorgane seien verpflichtet gewesen, dem Willen des Stifters, die Beklagte "Theodor Naegeli-Stiftung" und den von ihr ausgesetzten Preis "Theodor Naegeli-Preis" zu benennen, Nachachtung zu verschaffen; dem Interesse der Klägerin an der möglichst uneingeschränkten Kennzeichnungswirkung ihres Namens sei daher das Interesse des Stifters der Beklagten am Fortleben seines Namens gegenüberzustellen. Die Klägerin wendet hiegegen ein, die Stiftung sei eine von ihrem Stifter völlig losgelöste, unabhängige Rechtsperson und trete in namensrechtlicher Hinsicht nicht einfach in dessen Rechtsstellung ein. Der Stifter seinerseits könne das Recht auf seinen Namen, das ein nicht abtretbares Persönlichkeitsrecht sei, nicht auf eine von ihm errichtete Stiftung übertragen. Das Interesse des Stifters der Beklagten am Fortleben seines Namens dürfe daher im Namensstreit zwischen den beiden Stiftungen nicht berücksichtigt werden.
Es ist ein Wesensmerkmal der Stiftungen, dass ihnen - im Unterschied zu den Körperschaften - das Selbstbestimmungsrecht fehlt. Ihre Ausgestaltung wird völlig vom Willen des Stifters beherrscht, soweit dieser Wille in der Stiftungsurkunde seinen Ausdruck gefunden hat (vgl. RIEMER, N. 17 ff. und 25 ff. Syst. Teil; TUOR/SCHNYDER, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 9. Aufl. S. 125). Das gilt auch für den Namen. Dessen Angabe in der Stiftungsurkunde ist zwar nicht notwendige Voraussetzung für die Stiftungserrichtung; gemäss Art. 101 lit. b der Verordnung über das Handelsregister bildet der Name jedoch ein Eintragungserfordernis. Fehlt bei Stiftungserrichtungen von Todes wegen die Namensangabe oder bedarf sie einer Ergänzung, so ist die Aufsichtsbehörde für die Füllung einer solchen Lücke zuständig (RIEMER, N. 510 Syst. Teil; vgl. VEB 1946/47 Nr. 45). Hat der Stifter indessen in der Stiftungsurkunde zum Ausdruck gebracht, wie die Stiftung heissen soll, so ist dieser Wille von den Stiftungsorganen zu beachten. Ein Vorbehalt ist lediglich für den Fall anzubringen, dass sich der vom Stifter gewählte Name als rechtlich unzulässig erweisen sollte. Dann ist es ebenfalls Sache der Aufsichtsbehörde, über die definitive Namensgebung zu entscheiden.
Auf Grund dieser Rechtslage waren die Organe der Beklagten in der Namenswahl nicht etwa frei, sondern an den im Testament geäusserten Willen des Stifters gebunden. Das Interesse der Beklagten an der Führung ihres jetzigen Namens
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fällt demnach zwangsläufig mit jenem des Stifters an der Respektierung seines Willens zusammen.In der Bezeichnung einer Stiftung nach dem Namen ihres Stifters ist - entgegen der Auffassung der Klägerin - übrigens nicht eine mit dem Persönlichkeitsrecht unvereinbare Namensübertragung zu erblicken. Das Namensrecht verleiht dem Namensträger nicht nur das Recht, seinen Namen zur Kennzeichnung der eigenen Person zu verwenden, sondern es berechtigt ihn auch, von ihm selber geschaffene Werke und Einrichtungen aller Art nach seinem Namen zu bezeichnen. Es ist dies eine natürliche Folge der im Namensrecht enthaltenen Befugnis, den eigenen Namen "bei allen sich bietenden Gelegenheiten als Mittel der Identifizierung zu verwenden" (GROSSEN, a.a.O. S. 340). Diese Befugnis umfasst, wie allgemein anerkannt ist, auch das Recht, sich durch Errichtung einer Stiftung und deren Benennung nach dem eigenen Namen ein Denkmal zu setzen (vgl. GUTZWILLER, Die Stiftungen, in Schweiz. Privatrecht, II. Band S. 577). Eine solche Namensverwendung ist umso eher als zulässig zu betrachten, als das Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen sogar die Aufnahme eines Personennamens in die Firma einer Aktiengesellschaft oder Genossenschaft gestattet (Art. 950 Abs. 2 OR). Eine Stiftung ist aber gewöhnlich in wesentlich stärkerem Masse die Schöpfung eines Einzelnen als eine solche Körperschaft. Es widerspricht dem persönlichkeitsrechtlichen Charakter des Namensrechts mithin in keiner Weise, wenn ein Stifter der von ihm errichteten Stiftung seinen eigenen Namen verleiht.
c) Die Klägerin vertritt die Auffassung, das Interesse des Stifters an der Bezeichnung der Stiftung nach seinem Namen bzw. dasjenige der Beklagten an der Respektierung dieses Stifterwillens habe vor ihrem eigenen Interesse am Schutz ihres Namens vor jeglicher Verwechslung zurückzutreten. Sie beruft sich in diesem Zusammenhang vor allem auf die Grundsätze des Firmenrechts sowie auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Namensschutz auf dem Gebiete des Vereinsrechts.
aa) Gewiss ist die Verwendung des eigenen Namens bei der Firmenbildung nur innert gewisser Schranken gestattet. Die Rücksichtnahme auf die Geschäftsinteressen der Inhaber bereits
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bestehender Firmen und der Schutz des Publikums vor Irreführung gebieten eine Einschränkung der Freiheit zur Aufnahme von Personennamen in neue Firmen. Aber selbst nach firmenrechtlichen Gesichtspunkten kann es einer Person nicht schlechterdings verboten werden, ihren eigenen Namen in die Firma aufzunehmen. Bei der Einzelfirma besteht im Gegenteil sogar die Pflicht des Firmeninhabers, den wesentlichen Teil der Firma aus seinem Familiennamen zu bilden (Art. 945 Abs. 1 OR). Haben zwei Geschäftsinhaber am selben Ort den gleichen Vor- und Familiennamen, so hat sich der jüngere freilich durch Beifügung eines Zusatzes zu seinem Namen deutlich von älteren zu unterscheiden (Art. 946 Abs. 2 OR). Selbst einer neu gegründeten Aktiengesellschaft oder Genossenschaft kann die Aufnahme eines der Wahrheit entsprechenden Familiennamens in die Firma - jedenfalls firmenrechtlich - nicht untersagt werden, auch wenn der gleiche Name bereits Bestandteil der Firma einer in der gleichen Branche tätigen älteren Gesellschaft bildet. Wenn die beklagte Gesellschaft in dem von der Klägerin angeführten Entscheid (BGE 79 II 182 ff.) verpflichtet wurde, den Namen "de Trey" in ihrer Firma wegzulassen, so nicht aus Gründen des Firmenrechts, wie die Klägerin anzunehmen scheint, sondern ausschliesslich in Anwendung der Vorschriften über den unlauteren Wettbewerb (BGE 79 II 189 ff. E. 2). Das Recht zur Verwendung des eigenen Namens bei der Firmenbildung entfällt somit nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung selbst bei Aktiengesellschaften nur, soweit durch den Gebrauch einer solchen Firma die Grenze zum unlauteren Wettbewerb überschritten wird (so auch BGE 88 II 374 E. 3; vgl. zu dieser Frage überdies VON BÜREN, Über die Beschränkungen des Rechtes, den eigenen Namen zu gebrauchen, SJZ 44/1948, S. 65 ff., insbes. S. 70/71).Aus einem Vergleich mit dem Firmenrecht lässt sich somit nichts zu Gunsten der Klägerin ableiten. Andererseits fallen wettbewerbsrechtliche Überlegungen von vornherein ausser Betracht. Der Schutz von Geschäftsinteressen fehlt hier völlig, und auch das Bedürfnis, das breite Publikum vor Verwirrung zu schützen, ist nicht besonders ausgeprägt. Vor allem aber besteht kein wirtschaftliches Wettbewerbsverhältnis zwischen den beiden Parteien. Das Interesse an der Vermeidung von Verwechslungen ist daher erheblich geringer als im wirtschaftlichen
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Konkurrenzkampf. Die Grundsätze über den unlauteren Wettbewerb können in einem Fall wie dem vorliegenden weder direkt noch indirekt herangezogen werden, um die Grenze des Rechtes auf Verwendung des eigenen Namens zu finden.bb) Aber auch aus den in der Berufungsschrift zitierten Bundesgerichtsentscheiden zum Namensrecht der Vereine lässt sich für die hier vorzunehmende Interessenabwägung nichts gewinnen. In keinem dieser Urteile ging es um die Frage der Verwendung von Personennamen zur Benennung einer juristischen Person. Zu beurteilen waren dort vielmehr Vereinsnamen, die zur Hauptsache aus Orts- oder Sachbezeichnungen bestanden. Der für solche Verhältnisse aufgestellte Grundsatz, juristische Personen hätten - angesichts ihrer grossen Freiheit in der Wahl des Namens - besonders darauf zu achten, sich bei dessen Bestimmung von bereits bestehenden Organisationen ähnlicher Art genügend zu unterscheiden (vgl. z.B. BGE 80 II 284 E. 3; BGE 83 II 259 E. 4), kann auf den vorliegenden Fall umso weniger angewendet werden, als die Beklagte bei der Bildung ihres Namens grundsätzlich an den Willen ihres Stifters gebunden war.
cc) Die Klägerin macht ferner geltend, der Name einer Stiftung verdiene umso stärkeren Schutz, je bekannter diese sei; hinsichtlich des Schutzumfanges des Stiftungsnamens seien die gleichen Überlegungen anzustellen, wie sie im Marken- und Wettbewerbsrecht geläufig seien. Dieser Gesichtspunkt mag gewiss auch bei Stiftungen seine Bedeutung haben, soweit Namen aus Sachbegriffen gebildet werden (vgl. z.B. betreffend Vereinsnamen BGE 83 II 258 ff. E. 4 und BGE 90 II 464 ff.). Diesfalls kann die Zulässigkeit des Namens einer jüngeren Stiftung tatsächlich davon abhängen, welchen Bekanntheitsgrad die ältere erlangt hat. Im vorliegenden Fall hat indessen die Beklagte keinen Sachbegriff aus dem allgemeinen Sprachschatz gewählt, sondern den Vor- und Familiennamen ihres Stifters. Ihr Interesse am Gebrauch dieses Namens leitet sich unmittelbar aus dem Persönlichkeitsrecht des Stifters an seinem Namen ab und ist deshalb von grösserem Gewicht als jenes, das sie an der Aufnahme einer Sachbezeichnung in ihrem Namen hätte.
dd) Zugestimmt werden kann hingegen der klägerischen Auffassung, dass grundsätzlich dann höhere Anforderungen
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an die Unterscheidbarkeit der Namen zweier Stiftungen gestellt werden müssen, wenn beide auf demselben Gebiet tätig sind, wie dies hier in örtlicher und sachlicher Hinsicht der Fall ist. Dem Zivilgericht des Kantons Basel-Stadt kann daher nicht gefolgt werden, wenn es in seinem von der Vorinstanz übernommenen Urteil ausführte, das Interesse einer Person, ihren Namen über den Tod hinaus in demjenigen einer Stiftung weiterleben zu lassen, sei grundsätzlich über eine allfällige Verwechslungsgefahr zu stellen. Bei einer erheblichen Verwechslungsgefahr ist es der jüngeren Stiftung vielmehr zuzumuten, einen unterscheidungskräftigen Zusatz in ihren Namen aufzunehmen. Ihr - wie es die Klägerin verlangt - die Führung des Stifternamens gänzlich zu verbieten, ginge jedoch auch in einem solchen Fall zu weit.d) Eine erhebliche Verwechslungsgefahr wäre zu bejahen, wenn der zur Bezeichnung der jüngeren Stiftung dienende Stiftername aus dem gleichen Vor- und Familiennamen bestünde wie der Name der bereits vorhandenen Stiftung. Das trifft jedoch hier nicht zu, da die Bezeichnungen der beiden Parteien lediglich mit Bezug auf den Familiennamen übereinstimmen. Ein solcher Unterschied muss - wie die Vorinstanzen zutreffend entschieden haben - unter Umständen, wie sie hier gegeben sind, genügen. Zwar verfolgen beide Parteien den Zweck, die medizinische Forschung zu fördern. Auch wenn sie diesen zudem gleicherweise durch Ausrichtung von Preisen wahrnehmen, so beschränkt sich das eigentliche Interesse für ihre Tätigkeit doch auf einen zahlenmässig begrenzten Personenkreis. Es sind in erster Linie die Ärzte und andere an der medizinischen Forschung interessierte Fachleute, die mit entsprechender Aufmerksamkeit verfolgen, an wen die Preise verliehen werden. Bei diesem Personenkreis kann aber ein besseres Unterscheidungsvermögen vorausgesetzt werden als beim breiten Publikum. Es drängt sich deshalb nicht auf, die Beklagte zu verpflichten, einen unterscheidungskräftigen Zusatz in ihren Namen aufzunehmen.
Soweit gewisse Verwechslungen dennoch vorkommen sollten, könnte darin auf keinen Fall eine besonders schwere Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin erblickt werden. Wohl hat diese, wie sie vorbringt, keinen Einfluss auf die Auswahl der Preisträger der Beklagten. Sie macht jedoch mit Recht nicht geltend, es sei zu befürchten, dass
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deren Preise an fachlich nicht genügend ausgewiesene Forscher ausgerichtet würden. Sollte daher die Beklagte im Zusammenhang mit der Ausrichtung ihrer Forschungspreise je mit der Klägerin verwechselt werden, so würde deren Ansehen dadurch aller Voraussicht nach nicht schwer beeinträchtigt. Es ist auch kaum denkbar, dass jemand auf die Idee kommen könnte, die beiden Stiftungen seien irgendwie miteinander verbunden. Die in BGE 90 II 466 beschriebene Gefahr, durch Gedankenassoziationen in Beziehungen hineingestellt zu werden, die man füglich ablehnen darf, besteht deshalb für die Klägerin nicht.
5. Die Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen führt somit zum Schluss, dass diejenigen der Beklagten höher bewertet werden müssen als jene der Klägerin und dass deshalb die Verwendung des Namens "Theodor Naegeli-Stiftung" durch die Beklagte nicht als unbefugte Beeinträchtigung des Namensrechts der Klägerin betrachtet werden kann. Das gleiche gilt auch für die Bezeichnung des von der Beklagten ausgerichteten Preises als "Theodor Naegeli-Preis". Die Interessenlage ist hier kaum verschieden. Schon bei der Prüfung der Zulässigkeit des Namens der Beklagten wurde berücksichtigt, dass die Interessen der Parteien vor allem im Hinblick auf die Preisverleihung kollidieren. Ist es aber zulässig, dass die Beklagte bei Ausrichtung des von ihr ausgesetzten Preises unter dem Namen "Theodor Naegeli-Stiftung" an die Öffentlichkeit tritt, so kann es auch nicht rechtswidrig sein, wenn sie diesen Preis nach ihrem Namen benennt. Das Interesse der Beklagten am Gebrauch ihres Namens ist bei der Erfüllung dieser Aufgabe am ausgeprägtesten. Ihr die Bezeichnung des Preises als "Theodor Naegeli-Preis" untersagen zu wollen, würde deshalb darauf hinauslaufen, die Beklagte der für sie wichtigsten Möglichkeit der Namensverwendung zu berauben. Eine derart einschneidende Beschränkung des Namensrechts der Beklagten lässt sich nach dem Ausgeführten nicht rechtfertigen.
Soweit die Klägerin einen Vergleich mit dem Markenrecht anstellt, um ihre gegenteilige Auffassung zu begründen, kann ihr von vornherein nicht gefolgt werden. Wenn die Verwechselbarkeit von Marken nach einem strengeren Massstab beurteilt wird als jene von Firmen, so geschieht dies mit Rücksicht auf die Besonderheiten des Markengebrauchs
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(vgl. TROLLER, Immaterialgüterrecht, 2. Aufl. S. 292-294). Die Marke verliert als Warenzeichen im wirtschaftlichen Wettbewerb die enge Beziehung zur Person, von der sie stammt. Daher kann sie leichter verwechselt werden als die Firma im gewöhnlichen Geschäftsverkehr. Bei der Verleihung eines Forschungspreises bleibt jedoch durchaus erkennbar, von welcher Institution der Preis ausgerichtet wird. Er lässt sich deshalb nicht mit einer Ware vergleichen, mit der Handel getrieben wird.Eine Verwechslungsgefahr könnte allenfalls dann entstehen, wenn die Beklagte dazu überginge, den von ihr ausgerichteten Preis in abgekürzter Weise als "Naegeli-Preis" zu bezeichnen. Hiefür fehlen jedoch Anhaltspunkte. Die Klägerin macht in dieser Hinsicht lediglich geltend, ihr eigener Preis sei auch als "Naegeli-Preis" bekannt geworden. Eine solche abgekürzte Namensbezeichnung scheint, nach den bei den Akten befindlichen Unterlagen zu schliessen, bis heute immerhin nicht üblich geworden zu sein. Die Klägerin hat es im übrigen weitgehend selber in der Hand, der Gefahr von Verwechslungen mit dem Preis der Beklagten dadurch vorzubeugen, dass sie inskünftig auf die nicht abgekürzte Benennung ihres Preises grosses Gewicht legt.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 18. Februar 1976 bestätigt.
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