104 II 322
Urteilskopf
104 II 322
57. Urteil der I. Zivilabteilung vom 31. Oktober 1978 i.S. Bata Schuh AG gegen Minerva Schuhfabrik AG
Regeste
Modellschutz und unlauterer Wettbewerb.
1. Berufung gegen ein Urteil, das die Behandlung eines von mehreren Klagebegehren scheinbar vorbehält, im Ergebnis aber über alle Begehren entscheidet (E. 1).
2. Art. 23bis MMG. Klage eines schweizerischen Inhabers internationaler Modellhinterlegungen gestützt auf schweizerisches Recht (E. 2).
3. Art. 12 Ziff. 1 und 4 MMG . Neuheit und Schutzfähigkeit von Stiefelmodellen mit schmückender Ausstattung; Begriff des Modells (E. 3).
4. Art. 24 Ziff. 1 MMG. Verletzung von Modellrechten durch Nachahmung einer schmückenden Ausstattung? Begriff der Nachahmung (E. 4).
5. Art. 1 Abs. 1 und 2 lit. d UWG . Eine Nachahmung, die modellrechtlich nicht zu beanstanden ist, verstösst grundsätzlich auch nicht gegen das UWG; anders verhält es sich jedoch, wenn sie auf eine systematische Annäherung hinausläuft (E. 5).
A.- Die Bata Schuh AG, Möhlin, hinterlegte 1975/76 beim Internationalen Amt für gewerbliches Eigentum mehrere Stiefelmodelle aus Plastikmaterial. Dazu gehörten insbesondere die Hinterlegungen Nr. 61'723 mit den Modellen "Panda", "Eskimo" und "Copain", Nr. 62'481 mit "Atlantic", Nr. 62'663 mit "Luchs" und Nr. 63'397 mit "Sheriff". Das Panda-Modell ist mit einem 5 bis 6 cm breiten weichen Kragen ausgestattet, auf dem Panda-Bären in verschiedenen Grössen abgebildet sind. Der Kragen ist mit einem Schnürverschluss ausgerüstet. Das Luchs-Modell zeigt auf der Aussenseite des Schaftes ein eingeprägtes Luchsbild, das kreisförmig eingerahmt ist von den Tiernamen "Luchs-Lynx-Bobcat". Sein Kragen unterscheidet sich von dem des Panda-Modells dadurch, dass sein Äusseres einem Tierfell nachgebildet ist. Die Schaftaussenseite des Sheriff-Modells ist mit einer besonders auffallenden Verzierung von etwa 15 cm Länge sowie einem 3 cm grossen Sheriff-Stern aus Leichtmetall versehen; am obern Rande des Schaftes ist zudem ein halbrundes Läppchen mit der Bezeichnung "Sheriff" angebracht. Alle Modelle sind ausserdem an den bei Lederstiefeln üblichen Nahtstellen mit reliefartigen Linien versehen, die den Eindruck von Verbindungen oder Verstärkungen erwecken.
Die Bata Schuh AG liess Stiefel dieser Art in der Schweiz vertreiben.
B.- Im Dezember 1976 klagte sie gegen die Minerva Schuhfabrik AG, Porrentruy, weil diese praktisch identische Modelle auf den schweizerischen Markt bringe, dadurch ihre Modellschutzrechte verletze und unlauteren Wettbewerb begehe. Ihre Rechtsbegehren lauteten insbesondere auf Feststellung der Verletzung, auf Untersagung des weiteren Vertriebes, auf Zahlung von Schadenersatz und auf Veröffentlichung des Urteils.
Die Beklagte widersetzte sich diesen Begehren und erhob Widerklage auf Feststellung, dass die klägerischen Modellhinterlegungen nichtig seien.
In der Replik machte die Klägerin bezüglich des Sheriff-Modells ferner eine Verletzung von Markenrechten geltend, anerkannte die Widerklage dagegen teilweise, indem sie ihre Rechtsbegehren auf die Modelle "Panda", "Luchs" und "Sheriff" beschränkte. Die Beklagte anerkannte ihrerseits das Begehren, dass die Klägerin aus dem Markenrecht ableitete.
Nach den eingeschränkten Rechtsbegehren beantragte die Klägerin dem Handelsgericht des Kantons Bern insbesondere: 1. festzustellen, dass von der Beklagten vertriebene Stiefelmodelle, die näher angegeben werden, ihre durch die Hinterlegungen Nr. 61'723, 62'663 und 63'397 geschützten Modelle "Panda", "Luchs" und "Sheriff" verletzen und der Vertrieb widerrechtlich hergestellter Stiefel gegen Grundsätze des UWG verstosse (Rechtsbegehren 1 lit. a-d); 2. der Beklagten den weiteren Vertrieb der streitigen Modelle zu untersagen (Rechtsbegehren 2) und sie zu verurteilen, ihr für jedes verkaufte Paar Fr. 5.- Schadenersatz zu bezahlen (Rechtsbegehren 3).
Die Beklagte wollte mit der Widerklage festgestellt wissen, dass die noch streitigen Modellhinterlegungen "Panda" (Nr. 61'723), "Luchs" (Nr. 62'663) und "Sheriff" (Nr. 63'397) der Klägerin nichtig und daher im internationalen Register für das Gebiet der Schweiz zu löschen seien.
Durch Urteil vom 8. Dezember 1977 hielt das Handelsgericht fest, dass die Beklagte die Klage mit Bezug auf die behauptete Verletzung der Marke "Sheriff" anerkannte; es verbot ihr bei Strafe, weitere Stiefel mit dieser Marke zu vertreiben. Es hielt ferner fest, dass die Klägerin teilweise den Abstand erklärte, indem sie die Ungültigkeit der Hinterlegung Nr. 61'723 mit Bezug auf die Modelle "Eskimo" und "Copain" sowie der Hinterlegung Nr. 62'481 ("Atlantic") anerkannte. Das Handelsgericht fand sodann, dass alle übrigen Rechtsbegehren der Klage und Widerklage abzuweisen seien.
C.- Die Klägerin hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, der sich die Beklagte angeschlossen hat.
Jede Partei wiederholt sinngemäss ihre vor dem Handelsgericht noch streitigen Rechtsbegehren, hält daran fest und widersetzt sich den Begehren der Gegenpartei.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die Klägerin ergänzte ihr Schadenersatzbegehren in der Berufung mit dem Antrag, die Sache zur Ermittlung des Schadenbetrages an das Handelsgericht zurückzuweisen. Die Beklagte hält dem entgegen, die Vorinstanz habe das Verfahren vorläufig im Einvernehmen mit den Parteien auf die Grundsatzfrage beschränkt. Bei Abweisung der Berufung werde die Schadenersatzfrage hinfällig, bei Gutheissung könne sie dagegen vom Handelsgericht weiterbehandelt werden. Dem Antrag der Klägerin sei daher nicht zu entsprechen.
Wollte man dieser Auffassung folgen, so läge ein blosses Teilurteil vor, das die Behandlung eines von mehreren Klagebegehren vorbehält, aber nicht in ein besonderes neues Verfahren verweist; damit wären die Anforderungen an einen berufungsfähigen Endentscheid im Sinne von Art. 48 OG nicht erfüllt (BGE 100 II 429, BGE 91 II 59 mit Zitaten).
Das ist indes nicht der Sinn des angefochtenen Urteils. Wie daraus erhellt, haben sich die Parteien in der Hauptverhandlung vom 16. November 1977 damit einverstanden erklärt, dass das Handelsgericht die Schadenersatzfrage separat behandelt und einstweilen nur prüft, ob eine widerrechtliche Handlung nach MMG oder UWG vorliege. Die Vorinstanz hat deshalb die Ermittlung des Schadens vom Beweisverfahren ausgenommen und sich in den Erwägungen mit der Wiedergabe der Parteierklärung begnügt. Durch den Urteilsspruch hat sie jedoch "sämtliche übrigen Rechtsbegehren der Klage und Widerklage", sinngemäss also auch das Schadenersatzbegehren der Klägerin abgewiesen, soweit darüber nach dem Abstand der Parteien noch zu entscheiden war. Das leuchtet auch ein, da das Handelsgericht die Schadenersatzfrage nur vorläufig zurückgestellt, dann aber sowohl eine Verletzung von Modellrechten wie einen unlauteren Wettbewerb verneint hat. Damit war dem Ersatzanspruch der Klägerin die Grundlage entzogen. Die Schadenersatzfrage stellt sich dagegen erneut, falls nach der Berufung eine widerrechtliche Handlung gemäss MMG oder UWG anzunehmen ist.
2. Die Klage stützt sich auf die Modellhinterlegungen beim Internationalen Amt für gewerbliches Eigentum. Das Handelsgericht prüfte die Gültigkeit der Hinterlegungen und deren
BGE 104 II 322 S. 326
Rechtswirkungen gleichwohl nur nach schweizerischem Modellschutzrecht.Das wird von den Parteien mit Recht nicht beanstandet. Art. 23bis MMG stellt auch zugunsten eines schweizerischen Hinterlegers die internationale Hinterlegung einer schweizerischen gleich. Dazu kommt, dass weder die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums (AS 1970 S. 620) noch das Haager Abkommen betreffend die internationale Hinterlegung der gewerblichen Muster oder Modelle (BS 11 S. 1045) einen weitergehenden Schutz vorsehen als das MMG oder ihn von abweichenden Bedingungen abhängig machen (BGE 80 II 357 ff.; TROLLER, Kurzlehrbuch des Immaterialgüterrechts, S. 173).
3. Da die Beklagte geltend macht, die klägerischen Modellhinterlegungen seien nichtig, ist die Widerklage vorweg zu beurteilen. Diese stützt sich auf Art. 12 Ziff. 1 und 4 MMG . Nach diesen Bestimmungen ist eine Hinterlegung ungültig, wenn das Modell zur Zeit der Hinterlegung dem Publikum oder den beteiligten Verkehrskreisen bereits bekannt, also nicht mehr neu gewesen oder wenn der hinterlegte Gegenstand seiner Natur nach kein Modell im Sinne des Gesetzes ist. Gemäss Art. 6 MMG ist nach erfolgter Hinterlegung zu vermuten, dass deren Gegenstand neu ist. Das gilt auch für die internationale Hinterlegung (BGE 80 II 361).
a) Es ist unbestritten, dass einem hinterlegten Modell die Neuheit auch dann abzusprechen ist, wenn der Inhaber selbst es schon vor der Hinterlegung verwendet hat (BGE 61 I 206). Mit solchem Gebrauch hat die Beklagte ihre Einrede der Nichtigkeit bereits im kantonalen Verfahren begründet; sie hielt der Klägerin entgegen, aus den ESGE-Grossistenkatalogen der Jahre 1973/74 ergebe sich, dass sie die streitigen Modelle schon vor deren Hinterlegung hergestellt und vertrieben habe. Die Klägerin hat daraufhin die Einrede teilweise anerkannt, indem sie den beanspruchten Schutz auf die Hinterlegungen Nr. 61'723 vom 2. Oktober 1975, Nr. 62'663 vom 11. März 1976 und Nr. 63'397 vom 8. Juli 1976, d.h. auf die noch streitigen Modelle "Panda", "Luchs" und "Sheriff" beschränkte.
Das Handelsgericht fand, die formelle Neuheit dieser Modelle ergebe sich aus dem Vergleich mit jenen, für welche die Klägerin auf den Schutz verzichtet habe. Die Beklagte wendet dagegen mit Recht ein, dass nach ihren Vorbringen die noch streitigen
BGE 104 II 322 S. 327
Modelle mit den Stiefeln verglichen werden müssen, welche die Klägerin gemäss den Katalogen schon früher hergestellt und vertrieben hat. Dass die Vorinstanz diese selbstverständlich berücksichtigt habe, wie die Klägerin behauptet, ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Unterschiede zwischen Stiefeln der noch streitigen und der fallengelassenen Hinterlegungen besagen aber nichts über den Vergleich mit den früheren Katalogmodellen, zumal auch nicht festgestellt ist, dass diese identisch gewesen seien mit den Gegenständen der fallengelassenen Hinterlegungen. Auf eine Rückweisung gemäss Art. 64 Abs. 1 OG kann indes verzichtet werden, da der Einwand fehlender Neuheit schon aus rechtlichen Gründen nicht standhält.Die Beklagte anerkennt, dass die noch streitigen Modelle durch früher hergestellte jedenfalls insoweit nicht vorweggenommen sind, als sie sich durch eine schmückende Ausstattung des Kragens oder der äussern Schaftseite deutlich von den früheren unterscheiden. Der Kragen des Panda-Modells ist mit Panda-Bildern versehen; derjenige des Luchs-Modells, das zudem ein markantes Luchs-Bild aufweist, ist einem Tierfell nachgebildet, während auf dem Sheriff-Modell nebst der Bezeichnung "Sheriff" und dem Sheriff-Stern eine besonders auffallende Verzierung angebracht ist.
Solche Ausstattungen sollen nach Auffassung der Beklagten modellrechtlich belanglos sein, weil sie sich in flächigen Darstellungen erschöpften und daher höchstens als Muster geschützt werden könnten. Das trifft schon in tatsächlicher Hinsicht nur beschränkt zu, handelt es sich zum Beispiel beim Luchs-Bild und beim Sheriff-Stern doch um plastische Elemente. Die Behauptung der Beklagten geht auch sonst fehl. Gewiss wird in der Praxis zwischen Muster und Modell unterschieden, da ersteres ein zweidimensionales, letzteres dagegen ein dreidimensionales Gebilde ist. Das Gesetz macht jedoch keinen Unterschied, weil es beide als äussere Formgebung definiert und sowohl die Voraussetzungen wie die Wirkungen ihres Schutzes einheitlich regelt. Dass Art. 6 MMG kombinierte Muster/Modell-Hinterlegungen ausschliesst, ändert daran nichts, da es sich dabei lediglich um eine Form- und Ordnungsvorschrift handelt. Die Originalität eines Modells kann daher nicht nur in seiner räumlichen Gestaltung, sondern auch im graphischen Schmuck bestehen, mit dem seine Oberflächen versehen
BGE 104 II 322 S. 328
sind. Diese Lösung ergibt sich aus der einheitlichen Regelung und trägt vor allem dem Umstand Rechnung, dass beide Elemente häufig eng miteinander verbunden oder aufeinander abgestimmt, im Einzelfall folglich kaum zu trennen sind (BGE 87 II 50; TROLLER, Immaterialgüterrecht I S. 536 ff.).Im vorliegenden Fall ist die schmückende Ausstattung der Modelle nicht blosses Beiwerk, sondern bestimmt den für die Beurteilung massgebenden Gesamteindruck auf das kaufende Publikum (BGE 84 II 661). Die zugunsten der Klägerin bestehende Vermutung, die noch streitigen Modelle seien neu, ist daher nicht entkräftet, geschweige denn widerlegt.
b) Mit dem weiteren Einwand, die hinterlegten Stiefelformen seien ihrer Natur nach keine Modelle im Sinne des Gesetzes, versucht die Beklagte deren Schutzfähigkeit zu bestreiten.
Nach Art. 3 MMG erstreckt sich der Modellschutz nicht auf die Herstellungsweise, Nützlichkeitszwecke und technische Wirkungen des nach dem Modell hergestellten Gegenstandes. In diesem Sinne sind vorweg alle Merkmale auszuscheiden, die durch Rücksichten auf den Gebrauchszweck und die Herstellung des Gegenstandes bedingt sind (BGE 95 II 473 /4). Das gilt hier insbesondere von der allgemein üblichen Form und Ausgestaltung, die durch die Morphologie des menschlichen Fusses und den Verwendungszweck des Stiefels weitgehend vorbestimmt sind. Streitig ist, ob solche Überlegungen es zum Beispiel auch rechtfertigen, den Schaft des Stiefels aus einem Stück herzustellen, ihn mittels eines gerillten Randes mit der Sohle zu verbinden, diese unten mit einer Gelenkstütze zu versehen und die Sohlenfläche in eine Rand- und Innenpartie aufzuteilen. Wie es sich damit verhält, ist dem angefochtenen Urteil, abgesehen von einer beiläufigen Bemerkung über die Flächenaufteilung nicht zu entnehmen, obschon es sich um Tatfragen handelt, die vom kantonalen Richter zu beantworten sind (BGE 95 II 475, BGE 87 II 53). Es besteht diesbezüglich auch keine gesetzliche Vermutung, wie das Handelsgericht anzunehmen scheint; Art. 6 MMG bezieht sich nicht auf die Gültigkeit der Hinterlegung schlechthin, sondern nur auf die Neuheit und die Urheberschaft.
Der Modellschutz setzt zudem eine äussere Formgebung voraus, die bei der gewerblichen Herstellung eines Gegenstandes als Vorbild dienen soll (Art. 2 MMG). Letzteres trifft hier unstreitig zu. Umstritten ist dagegen das dem Gesetz zugrunde
BGE 104 II 322 S. 329
liegende ästhetische Erfordernis, die sogenannte materielle Neuheit. Nach der Rechtsprechung braucht die Form nicht das Ergebnis einer schöpferischen Tätigkeit zu sein; sie darf aber auch nicht im Nächstliegenden haften bleiben, sondern muss eine gewisse Originalität und damit ein Mindestmass an geistigem Aufwand erkennen lassen. Die Form muss dem Gegenstand ferner gegeben werden, um den Geschmack, den Sinn für das Schöne anzusprechen (BGE 95 II 472, BGE 92 II 204 mit Hinweisen). Auch die Vorinstanz geht davon aus, schliesst sich dann aber den kritischen Bemerkungen KUMMERS zu BGE 87 II 49 an (ZBJV 99/1963 S. 24), wonach die schlichte Individualität der Formgebung genügt oder der Vergleich mit vorbekannten Formen ein "Anderssein" ergibt, das keinen besonderen qualitativen Schwellenwert mehr übersteigen müsse. TROLLER äussert sich ähnlich (Immaterialgüterrecht I S. 534, Kurzlehrbuch S. 84).Auf das Merkmal einer gewissen Originalität völlig zu verzichten und sich auf die Prüfung der formellen Neuheit zu beschränken, wie die Vorinstanz das getan hat, geht jedenfalls dann nicht an, wenn dem Ansprecher zum vorneherein enge Grenzen gesetzt sind, einem Erzeugnis ein neuartiges Aussehen zu verleihen. Im vorliegenden Fall reicht bei den noch streitigen Modellen die schmückende Ausstattung indes noch aus, um die Originalität zu bejahen. Die Panda-Bilder, der Tierfellkragen, das mit Tiernamen eingerahmte Luchs-Bild, die Verzierung sowie Sheriff-Stern und -Marke geben den Modellen, die damit versehen sind, ein Mindestmass von originellem Charakter und prägen den für die Beurteilung massgebenden Eindruck auf das kaufende Publikum.
Die mit der Widerklage erhobene und in der Anschlussberufung wiederholte Einrede, die klägerischen Modellhinterlegungen "Panda", "Luchs" und "Sheriff" seien nichtig, erweist sich somit in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil als unbegründet. Die Berufung der Beklagten ist deshalb abzuweisen.
4. Die Klägerin begründete ihre Rechtsbegehren bereits im kantonalen Verfahren vor allem mit einer Verletzung von Modellrechten gemäss Art. 24 Ziff. 1 MMG. Nach dieser Bestimmung ist die Nachahmung eines hinterlegten Modells widerrechtlich, wenn eine Verschiedenheit nur bei sorgfältiger Vergleichung wahrgenommen werden kann; blosse Farbänderungen
BGE 104 II 322 S. 330
sind dabei ausser acht zu lassen. Damit geht das Modellrecht, wie das Handelsgericht zu Recht annimmt, von einem engern Begriff der Nachahmung aus als das Marken- und Wettbewerbsrecht, da das hinterlegte und das widerrechtlich hergestellte Modell nebeneinander zu halten und gleichzeitig zu betrachten sind, man also nicht auf das blosse Erinnerungsbild abstellen darf. Beizupflichten ist der Vorinstanz auch darin, dass eine Nachahmung nicht schon durch geringfügige Unterschiede, die bei näherer Betrachtung ersichtlich sind, ausgeschlossen wird, weil es nicht auf die Abweichungen, sondern auf die Übereinstimmungen und damit wiederum auf den Gesamteindruck ankommt, den die miteinander zu vergleichenden Modelle insbesondere beim letzten Abnehmer hinterlassen (BGE 83 II 480 E. 3; TROLLER, Immaterialgüterrecht II S. 771). Gestützt auf diese Kriterien gelangte die Vorinstanz zum Schluss, die streitigen Modelle der Parteien unterschieden sich namentlich durch die schmückende Ausstattung ihres Oberteiles, weshalb eine unzulässige Nachahmung zu verneinen sei.Die Klägerin hält eine zergliedernde Betrachtungsweise, wie sie dem angefochtenen Urteil zugrunde liege, für verfehlt und verlangt eine Beurteilung ihrer Stiefel nach deren Gesamteindruck; diesfalls ergebe sich eine ganze Reihe von Nachahmungen, die zusammen als Verletzung ihrer Modellrechte zu werten seien. Dem ist vorweg entgegenzuhalten, dass alle von ihren Rechtsbegehren nicht oder nicht mehr erfassten Modelle vom Vergleich auszunehmen sind. Das gilt insbesondere für jene Modelle, bezüglich deren die Klägerin auf Widerklage hin den Abstand erklärt hat. Massgebend sind die von ihr eingeschränkten Feststellungsbegehren 1 lit. a-c.
Nach diesen Begehren ist das Sheriff-Modell der Klägerin mit dem Sheriff-bzw. späteren US-Marshall-Modell der Beklagten zu vergleichen. Beide weisen eine ähnliche graphische Verzierung von gleicher Grösse auf, lassen in den Aufschriften und in der Gestaltung des Sterns aber auffällige Unterschiede erkennen. Die Bezeichnung ist auf dem Modell der Klägerin markant in halbrundem Schriftzug und auf einem besonderen Läppchen, auf demjenigen der Beklagten dagegen kaum leserlich und im Stern angebracht. Dieser ist zudem sechszackig und eingeprägt, auf dem Modell der Klägerin dagegen fünfzackig und als Metallstück aufgesetzt. Die schmückende Ausstattung der Klägerin wirkt deshalb kräftiger und plastischer, die der Beklagten
BGE 104 II 322 S. 331
eher schwach und flächig. Dem Panda-Modell der Klägerin sind diejenigen gegenüberzustellen, deren Kragen die Beklagte mit der Marke "Robusto" sowie mit Tierabbildungen gekennzeichnet hat. Hiezu gehören stilisierte Bilder insbesondere von Fischen, Enten und Krokodilen, während die Klägerin auf dem Kragen ihres Modells einzig Panda-Bären wiedergibt, die dem Werbebild des World-Wildlife-Fund (WWF) entsprechen. Durch diese unterschiedliche Ausstattung des Kragens heben sich die streitigen Modelle deutlich voneinander ab. Das Luchs-Modell schliesslich ist mit den Stiefeln zu vergleichen, welche die Beklagte mit einem Löwen- oder Tiger-Bild versehen hat. Der einem Tierfell nachgebildete Kragen des Luchs-Modells ist mit einem Schnürverschluss ausgerüstet, während die Beklagte sich auch hier damit begnügt hat, die Kragen ihrer Stiefel mit der Marke "Robusto" und den stilisierten Tierbildern auszustatten. Die Bilder auf der Aussenseite des Schaftes sodann lassen sich nur insofern miteinander in Beziehung bringen, als sie alle Raubtiere darstellen. Gleichwohl lassen sich die Modelle auch nach diesen Kennzeichen klar auseinanderhalten, da dasjenige der Klägerin ein eingeprägtes und mit Tiernamen eingerahmtes Luchs-Bild zeigt, die Stiefel der Beklagten dagegen Löwe oder Tiger in einer blossen Kontrastfarbe wiedergeben.Das Handelsgericht hat sich mit der schmückenden Ausstattung der Modelle eingehend auseinandergesetzt. Es fällt auf, dass die Klägerin sich damit überhaupt nicht, mit anderen Merkmalen, welche angeblich nicht technisch bedingt sind und ihre Modelle kennzeichnen sollen, dagegen ausführlich befasst. Der durch die schmückende Ausstattung geprägte Gesamteindruck wird von den übrigen Elementen jedoch kaum beeinflusst, gleichviel inwieweit diese durch die Herstellung oder den Gebrauch der Erzeugnisse bedingt sind oder das gefällige Aussehen der Modelle mitbestimmen sollen. Werden die zu vergleichenden Stiefel nebeneinander gestellt, so sind die Unterschiede in der äussern Aufmachung schon bei oberflächlicher Prüfung zu ersehen; einer näheren Betrachtung bedarf es einzig bei den Western-Stiefeln, weil sie alle in Lederfarben gehalten sind. Dass einzelne Modelle an den falschen Lieferanten zurückgesandt worden sind, ist modellrechtlich unerheblich. Gewiss ist die Verwechslungsgefahr beim kaufenden Publikum erst recht zu bejahen, wenn ihr schon das fachkundige Verkaufspersonal erliegt. Wenn ein Verkäufer Retourware falsch sortiert, beruht
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sein Irrtum indes bestenfalls auf einem Erinnerungsbild, nicht auf einer zuverlässigen Vergleichung nebeneinander stehender Modelle.Die Auffassung des Handelsgerichtes, eine Verletzung von Modellrechten gemäss Art. 24 Ziff. 1 MMG sei zu verneinen, ist daher nicht zu beanstanden.
5. Die Klägerin macht ferner geltend, dass die Beklagte durch den Vertrieb widerrechtlich hergestellter Modelle unlauteren Wettbewerb begangen habe. Zu diesen Modellen zählt sie nicht nur die Stiefel mit schmückender Ausstattung des Kragens oder der äussern Schaftseite (Ziff. 4 hiervor), sondern auch solche, bezüglich deren sie im kantonalen Verfahren auf Ansprüche aus Modellschutz verzichtet hat, weil sie weder mit Western-Zeichen noch mit Zierbildern versehen sind.
a) Mit dem Handelsgericht ist vom Grundsatz auszugehen, dass nicht auf dem Umweg über das UWG als widerrechtlich bezeichnet werden darf, was nach den Spezialgesetzen des gewerblichen Rechtsschutzes erlaubt ist. Zu Unrecht rügt daher die Klägerin, die Vorinstanz habe der Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG nicht den weiteren Begriff der Nachahmung zugrunde gelegt; denn damit würde der Richter sich über die vom Gesetz gewollte Beschränkung des Muster- und Modellschutzes hinwegsetzen. Wenn die Form einer Ware nicht oder nicht mehr unter diesem Schutz steht, darf sie grundsätzlich auch aus ästhetischen Gründen nachgeahmt werden. Jedermann darf seiner Ware jene Form geben, die sie am gefälligsten und damit am besten verkäuflich macht. Anders verhält es sich insbesondere, wenn eine Ware eine bestimmte Form oder Ausstattung nur deshalb erhalten hat, damit sie von gleichen oder ähnlichen Erzeugnissen anderen Ursprungs unterschieden werden könne. Unter dieser Voraussetzung ist die Form nicht ästhetisch bedingt, sondern bloss äussere Zutat zur Kennzeichnung der Ware und darf daher von andern Herstellern nicht nachgemacht werden (BGE 103 II 215 E. 3, BGE 95 II 477, BGE 92 II 206 E. 6 mit Hinweisen).
Nach dem angefochtenen Urteil lässt sich nicht sagen, die klägerischen Stiefel-Modelle hätten sich wegen ihrer besonderen Ausstattung im Verkehr durchgesetzt. Das Handelsgericht hält der Klägerin entgegen, sie behaupte selbst nicht, ihre Stiefel hätten eine solche Geltung erreicht, dass das kaufende Publikum aus ihrem Aussehen auf die richtige Herkunft schliesse. Ein
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Anzeichen für die Herkunft könnte zudem einzig im Panda-Bär erblickt werden, der aber nicht auf die Klägerin, sondern auf den WWF hinweise. Dagegen ist nicht aufzukommen mit der Behauptung, die Verkehrsgeltung sei durch die unbestrittenen Retoursendungen bewiesen. Dass im Fachhandel Verwechslungen vorgekommen sind, heisst nicht, auch Käuferkreise hätten Stiefel der streitigen Art ohne weiteres der Klägerin zugerechnet. Der Einwand sodann, die schmückende Ausstattung oder andere Formelemente ihrer Stiefel hätten von Anfang an eine die Herkunft kennzeichnende Funktion gehabt, ist kaum ernst gemeint und durch nichts belegt. Es fällt gegenteils auf, dass die Klägerin ihre Stiefel nicht mit der Firma oder Marke "BATA" versehen hat, um selber Verwechslungen vorzubeugen oder die angeblich beabsichtigte Unterscheidung der Ware im Verkehr zu sichern. Ob sie das Zeichen weggelassen hat, weil sie es nicht mit billigen Massenartikeln in Verbindung bringen wollte, kann offen bleiben. Festzuhalten ist dagegen, dass Käufer solcher Artikel sich erfahrungsgemäss um deren Herkunft überhaupt nicht kümmern (BGE 92 II 209, BGE 87 II 56).Soweit die Klägerin die Verwechslungsgefahr bei Stiefeln ohne schmückende Ausstattung mit andern Elementen, insbesondere mit den reliefartigen Linien, dem Schnürverschluss, der Gelenkstütze, der Sohlenaufteilung oder der losen Innensohle begründen will, geht sie ebenfalls fehl. Solche Merkmale sagen über die Herkunft der Ware nichts aus, weil in dieser Hinsicht alle Erzeugnisse der betreffenden Art, woher sie auch kommen mögen, annähernd gleich aussehen. Deswegen lässt sich nicht sagen, die nachgemachte Ware könne mit der eines bestimmten Mitbewerbers verwechselt werden. Sie kann mit allen Waren dieser Art verwechselt werden, aber verletzt ist keiner der Mitbewerber, weil keiner einen Anspruch darauf hat, Waren dieser Ausgestaltung allein herzustellen.
b) Eine andere Frage ist, ob unlauterer Wettbewerb gemäss der in Art. 1 Abs. 1 UWG enthaltenen Generalklausel vorliege. Nach dieser Bestimmung gilt jeder Missbrauch des wirtschaftlichen Wettbewerbs durch täuschende oder andere Mittel, die gegen Treu und Glauben verstossen, als unlauter. Das Gesetz will damit dem Richter die Möglichkeit geben, von den Sonderbestimmungen des Abs. 2 nicht oder nur teilweise erfasste Sachverhalte im Lichte des Grundsatzes von Treu und Glauben allseitig zu würdigen (BGE 102 II 294). Dies rechtfertigt sich
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namentlich in Fällen der Ausbeutung fremder Leistung, wozu Mitbewerber nach der Erfahrung vor allem dann versucht sind, wenn wegen des grossen oder vielfältigen Angebotes allgemein ein harter Konkurrenzkampf besteht. Die Klägerin wirft der Beklagten denn auch vor, sie habe sich jeweilen prompt von ihren Modellen "inspirieren" lassen und diese systematisch nachgeahmt, um aus ihrem Goodwill Nutzen zu ziehen.Die wettbewerbliche Leistung eines Konkurrenten gegen die missbräuchliche Ausnützung durch andere zu schützen, gehört zu den Grundgedanken des Wettbewerbsrechtes (BGE 87 II 56). Die Grenzen dieses Schutzes sind schwierig festzusetzen, weil schon das Spannungsverhältnis zwischen den Spezialgesetzen über den gewerblichen Rechtsschutz und dem Wettbewerbsrecht Unklarheiten schafft. Regel muss aber bleiben, dass spezialrechtlich nicht geschützte Arbeitsergebnisse als solche wettbewerbsrechtlich ebenfalls nicht schützbar sind, mögen sie auch mit Mühe und Kosten errungen worden sein. Die ästhetische Ausgestaltung einer Ware ist in Bereichen, die vom Muster- oder Modellschutz nicht erfasst werden, nicht das Monopol ihres geistigen Urhebers (BGE 95 II 468, BGE 87 II 63).
Besondere Umstände können indes selbst ein Verhalten, das nach Muster- oder Modellrecht nicht zu beanstanden ist, im Sinne von Art. 1 Abs. 1 UWG missbräuchlich machen und daher die Anwendung dieser Bestimmung rechtfertigen. Das ist in BGE 90 II 56 E. 6 zum Beispiel aus den Begleitumständen einer Nachahmung gefolgert worden. Dagegen hat das Bundesgericht mangels tatsächlicher Voraussetzungen bisher offen gelassen, ob das planmässige Heranschleichen an eine fremde Ausstattung als unlauterer Wettbewerb zu werten sei (BGE 95 II 199 und 469). Das ist an sich ebenfalls zu bejahen. Die systematische Häufung raffinierter Nachahmungen "bis an die Grenze des Unzulässigen" ist mit Treu und Glauben ebensowenig zu vereinbaren, wie eine einmalige genaue Nachahmung, wenn sie wie diese darauf angelegt ist, den guten Ruf des Konkurrenzerzeugnisses in schmarotzerischer Weise auszubeuten (KUMMER, ZBJV 107/1971, S. 228; DAVID, Schweiz. Wettbewerbsrecht, S. 392/393).
c) Solche Umstände erblickt die Klägerin darin, dass die Beklagte ihr Sortiment von Anfang an in Anlehnung an die hinterlegten Modelle aufgebaut und damit eine eigentliche Nachahmungspolitik betrieben habe. Dieser Vorwurf ist auf die
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Stiefel mit schmückender Ausstattung von Kragen oder Schaftaussenseite zu beschränken, für die der Modellschutz im Verfahren aufrechterhalten worden ist (Panda, Luchs, Sheriff); die andern Stiefel fallen dabei ausser Betracht, weil ihre Ausstattung wenig typisch ist und ihre Inverkehrsetzung und praktische Bedeutung ungenügend abgeklärt sind.Aus den hievor angestellten Vergleichen ergeben sich allerdings auffallende Ähnlichkeiten zwischen den Stiefeln der Beklagten und den Panda-, Luchs- und Sheriff-Modellen der Klägerin, weshalb diesbezüglich von einer deutlichen "Annäherung", einem "Ablauschen" (KUMMER a.a.O.) gesprochen werden kann. Diese Ähnlichkeiten reichen indes nicht aus; erforderlich ist eine systematische Annäherung. Von einer solchen kann hier noch nicht die Rede sein, da es sich nur um drei Modelle handelt und beide Parteien zahlreiche andere Typen hergestellt und vertrieben haben, für die der Vorwurf nicht zutrifft. Es rechtfertigt sich in diesem Sinn Zurückhaltung, wenn auf Grund von Art. 1 Abs. 1 UWG ein Verhalten, das modellrechtlich nicht zu beanstanden ist und von den besonderen Tatbeständen des Art. 1 Abs. 2 UWG nicht erfasst wird, als systematische Annäherung geahndet werden soll.
6. Liegt somit weder eine Verletzung von Modellrechten noch unlauterer Wettbewerb zum Nachteil der Klägerin vor, so ist deren weiteren Klagebegehren der Boden entzogen, die Berufung der Klägerin folglich in vollem Umfange abzuweisen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung und die Anschlussberufung werden abgewiesen, und das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Bern vom 8. Dezember 1977 wird bestätigt.
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