BGE 106 II 32
 
7. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 29. April 1980 i.S. Aequator AG gegen F.J. Köhler (Berufung)
 
Regeste
Unterbrechung der Verjährung während des Prozesses.
 
Sachverhalt


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Am 6. März 1974 verkaufte Küffer, Alleinvertreter der Aequator AG, dem Wirt Köhler eine Kaffeemaschine zum Preis von Fr. 19'500.--. Der mit einer SEV-Sicherheitsmarke versehene, aber nicht sicherheitsgeprüfte Apparat wurde am 3. April 1974 im Restaurant Köhlers installiert. In der Folge musste die Maschine oft repariert werden. Am 28. August 1975 ersuchte der Käufer die Aequator AG um Rücknahme der Maschine und Rückerstattung des Kaufpreises. Am 20. Januar 1976 schrieb er in gleichem Sinn dem Verkäufer Küffer, wobei er sich auf ungenügende Leistungen, zahlreiche Reparaturen und fehlende SEV-Prüfung berief.
Mit seiner im April 1976 beim Bezirksgericht Horgen erhobenen Klage beantragte Köhler, Küffer zu verpflichten, den Kaffeeautomaten zurückzunehmen und den Kaufpreis von Fr. 19'500.-- zurückzuzahlen. Der Beklagte verkündete der Aequator AG den Streit. Mit Urteil vom 17. November 1976 verpflichtete das Bezirksgericht den Beklagten, dem Kläger Zug um Zug gegen unbeschwerte Herausgabe der Kaffeemaschine Fr. 12'025.-- zu zahlen. Auf Berufung der Litisdenunziantin und Anschlussberufung des Klägers bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich am 5. Oktober 1979 das erstinstanzliche Urteil unter Einschluss von 5% Zins seit 1. Februar 1977.
Mit ihrer Berufung beantragt die Aequator AG, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt die Abweisung der Berufung.
 
Aus den Erwägungen:
Unter Berufung auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung nimmt die Vorinstanz an, der Käufer könne sich sowohl auf

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Gewährleistung als auch auf Grundlagenirrtum berufen. Die Aequator AG sieht darin eine Verletzung von Bundesrecht, weil diese Rechtsprechung nie unwidersprochen geblieben sei und in jüngster Zeit überwiegend als unrichtig bezeichnet werde. Das trifft zwar für CAVIN zu (Schweiz. Privatrecht, VII/1, S. 117 ff.); BÜHLER (SJZ 74/1978, S. 1 ff.), GIGER (N. 61 ff. der Vorbemerkungen zu Art. 197-210 OR) und BUCHER (Schweiz. OR, S. 180 ff.) schliessen sich der genannten Rechtsprechung (BGE 98 II 20 E. 3) aber durchaus an (siehe auch: OSER/SCHÖNENBERGER, N. 5 zu Art. 197 OR). Es besteht kein Anlass, auf sie zurückzukommen.
Der Kläger behauptet demgegenüber, sein Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises habe vindikationsähnlichen Charakter und unterliege damit "zumindest" einer zehnjährigen Verjährung. Seine Auffassung kann er aber im vornherein nicht mit dem Hinweis auf VON TUHR/PETER (OR, Bd. I, S. 339, Fussnote 38) und ebensowenig auf die Ausführungen GIGERS zur Wandelung (N. 25 zu Art. 208 OR) stützen, da die Durchführung der Wandelung in Art. 208 OR besonders geregelt ist. Der Anspruch des Klägers beruht vielmehr auf ungerechtfertigter Bereicherung, und zwar sowohl bei Nichtigkeit des Vertrags (BGE 102 II 409 E. 4) als auch bei Unverbindlichkeit wegen Grundlagenirrtums (BGE 87 II 139 E. 7a). Damit gilt die einjährige Verjährungsfrist von Art. 67 OR.
4. Die Frist von Art. 67 Abs. 1 OR war unstreitig gewahrt, als der Kläger im März 1976 die vorliegende Klage einleitete. Damit wurde die Verjährung unterbrochen und sie begann im Verlauf des Prozesses mit jeder gerichtlichen Handlung der Parteien und jeder Verfügung oder Entscheidung des Richters von neuem (Art. 138 Abs. 1 OR). Streitig ist, ob der Kläger auch im kantonalen Berufungsverfahren die Verjährung rechtzeitig unterbrochen hat. Die Aequator AG anerkennt als letzte Unterbrechungshandlung das Schreiben vom 20. April 1978, in dem ihr Anwalt dem Obergericht mitteilte, die aussergerichtlichen

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Vergleichsgespräche seien gescheitert. Der Kläger beruft sich dagegen auf einen weiteren Vergleichsversuch seines Anwalts und seine telefonische Mitteilung vom 19. Mai 1978 an den obergerichtlichen Referenten. Im einen wie im andern Fall wäre bis zur Urteilsfüllung am 5. Oktober 1979 die Verjährung eingetreten. Der Kläger macht demgegenüber geltend, sein Anwalt habe am 19. Februar, 8. März und 15. Juni 1979 telefonisch den Referenten eindringlich zur Prozesserledigung und Urteilsfällung gedrängt, worauf dieser versichert habe, die Urteilsbegründung sei in Bearbeitung.
Während der Richter die Verjährung nur durch eine Verfügung oder Entscheidung unterbrechen kann, genügt dafür "jede gerichtliche Handlung der Parteien" (Art. 138 Abs. 1 OR). Der Wortlaut legt eine weite Auslegung des Begriffs nahe (BGE 21 S. 250; KARL SPIRO, Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und Fatalfristen, Bd. I, S. 346). Für die Unterbrechung ausreichend sind jedenfalls Handlungen, die geeignet sind, den Prozess weiterzutreiben (Urteil der I. Zivilabteilung vom 8. Februar 1972 in Sem. jud. 95/1973, S. 150; BGE 85 II 191 E. 2; vgl. dazu SPIRO, a.a.O., S. 343). Das Bundesgericht hat die unterbrechende Wirkung sowohl für eine Rechtsverzögerungsbeschwerde (BGE 21 S. 249 E. 4) wie auch für Eingaben einer Partei, mit denen die Fortsetzung oder Erledigung des Prozesses verlangt wird, bejaht (nicht veröffentlichtes Urteil der I. Zivilabteilung i.S. Waldburger gegen Hauser vom 1. Juli 1969, E. 1; vgl. auch SJZ 60/1964 S. 345 N. 236 und OSER/SCHÖNENBERGER, N. 2 zu Art. 138 OR). Offengelassen wurde bisher, ob telefonischen Reklamationen einer Partei die gleiche Wirkung zukommt (BGE 75 II 231/2). Die Frage ist in Übereinstimmung mit SPIRO (a.a.O., S. 347) zu verneinen. Zu Recht lässt dieser Autor nur Erklärungen gelten, die zu den Akten oder zu Protokoll gegeben werden; es bedarf förmlicher und für beide Parteien stets leicht und einwandfrei feststellbarer Handlungen. Nur eine schriftliche Reklamation bietet diese Klarheit, während telefonische Vorstellungen, von Beweisschwierigkeiten ganz abgesehen, meist im Unverbindlichen bleiben. Auch wenn sich die angeblichen Gespräche durch die beantragte Zeugeneinvernahme des Referenten nachweisen liessen, könnten sie nicht als Unterbrechungshandlungen anerkannt werden. Während das Gesetz sonst nur bestimmte konkrete Handlungen als solche

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genügen lässt (Art. 135 und 138 OR), würde die These des Klägers zur Berücksichtigung von Umständen führen, die dem Schuldner selbst bei gründlichem Aktenstudium nicht immer erkennbar wären. Das ist sowohl mit der gesetzlichen Regelung wie mit der Interessenlage unvereinbar, würde es den Gläubiger doch wenig Mühe kosten, durch eine förmliche Eingabe eindeutige Verhältnisse zu schaffen.
Demnach hat der Kläger die einjährige Verjährungsfrist letztmals durch die Mitteilung seines Anwalts vom 19. Mai 1978 unterbrochen, und die Verjährung war längst eingetreten, als am 5. Oktober 1979 das angefochtene Urteil erging. Daran ändert nichts, dass die Aequator AG die Verjährung schon am 2. Mai 1979, also gut zwei Wochen zu früh, geltend machte (SPIRO, a.a.O., S. 557). Zu Recht bringt der Kläger auch nicht vor, dass dieses Schreiben die Verjährung erneut unterbrochen habe. Grundsätzlich unterbrechen zwar auch Prozesshandlungen des Schuldners die Verjährung, soweit sie, wie z.B. seine Klageantwort oder Duplik, den Prozess weiterzutreiben geeignet sind (vgl. SPIRO, a.a.O., S. 342), doch kann das unmöglich auch für eine Zuschrift gelten, mit der er - wenn auch verfrüht - die Verjährungseinrede erhebt.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich (I. Zivilkammer) vom 5. Oktober 1979 aufgehoben und die Klage abgewiesen.