BGE 107 II 1 |
1. Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. Januar 1981 i.S. Jochims und Niebuhr gegen Cincera und Informationsgruppe Schweiz (Berufung) |
Regeste |
Verletzung in den persönlichen Verhältnissen (Art. 28 ZGB). |
Sachverhalt |
A.- a) Die "Arbeitsgruppe Kritische Publizistik" (AKP), ein loser Zusammenschluss verschiedener Personen ohne juristische Organisationsform, gab im Oktober 1973 die Schrift "Welttheater für Eidgenossen. Politische Fernseh-Information im Kapitalismus. Eine Analyse der Schweizer Tagesschau" heraus. Zur Arbeitsgruppe gehörten zwölf Personen, darunter Klaus Jochims und Dr. Bernd Dieter Niebuhr. |
b) In Nr. 2 des erwähnten Informationsbulletins vom April 1975 fand sich unter dem Marginale "Kommunistischer Jugendverband der Schweiz (KJVS)" folgender Abschnitt:
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"Der am 7./8. Dezember 1974 in Zürich gegründete Kommunistische Jugendverband der Schweiz (KJVS), (siehe Bulletin Nr. 0) bestellte ein Sekretariat aus den Mitgliedern Jaques Muller (Genf), Marianne Huguenin (Lausanne), Ruedi Herbst (Basel) und René Lechleitner (Zürich). Das Zentralsekretariat befindet sich an der Mutschellenstrasse 10, 8002 Zürich. An dieser Adresse ist Klaus Edlef Jochims (stud. phil. I, BRD) wohnhaft. Auch Dr. Phil. Bernd Dieter Heinrich Niebuhr (BRD) wohnte bis vor kurzem dort. Beide sind bekannt als Mitorganisatoren des Konfliktes am Publizistischen Seminar der Universität Zürich. Sie traten in den letzten Jahren immer wieder bei Aktionen linksextremer Gruppen in Erscheinung.
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Das Zentralkomitee des KJVS besteht aus 27 Mitgliedern: ... (es folgen die Namen der 27 Mitglieder; Jochims und Niebuhr sind nicht darunter) ..."
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Auf Seite 3 und 4 druckte das selbe Informationsbulletin unter dem Titel "Zusammenhänge" und dem Marginale "Mediengewerkschaft und schweizerische Journalisten-Union (SJU)" unter anderem folgenden Abschnitt ab:
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"A. Schaller ist verantwortlich für das Vorwort zur Tagesschau-Analyse der "Arbeitsgruppe Kritische Publizistik". Diese Gruppe verfasste unter dem Titel "Welttheater für Eidgenossen" (politische Fernsehinformation im Kapitalismus) eine Broschüre mit dem offenen erklärten Vorsatz, "einen Beitrag zur Beseitigung kapitalistischer Herrschaft" zu leisten. Diese Gruppe besteht zur Hauptsache aus Mitgliedern marxistischer Zürcher Hochschulgruppen:
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Herausgeber: ... (es folgen verschiedene Namen, darunter auch diejenigen Jochims und Niebuhrs) ..."
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B.- Die Mitglieder der AKP, eingeschlossen Jochims und Niebuhr, fühlten sich durch die erwähnten beiden Artikel des Informationsbulletins in ihren persönlichen Verhältnissen verletzt. Sie leiteten am 2. September 1975 beim Bezirksgericht Zürich gegen Ernst Cincera und die "Informationsgruppe Schweiz" eine Klage ein, mit der sie im wesentlichen beantragten, es sei festzustellen, dass sie durch die fraglichen Publikationen in ihren persönlichen Verhältnissen verletzt worden seien, und die Beklagten seien zu verpflichten, entsprechende Richtigstellungen zu veröffentlichen. |
Das Bezirksgericht Zürich wies die Klage am 10. Mai 1978 ab. Die Kläger legten Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich ein mit dem Antrag auf Gutheissung ihrer Klage. Am 23. November 1979 zogen sämtliche Kläger mit Ausnahme von Jochims und Niebuhr die Berufung in der Sache selber zurück, hielten sie aber bezüglich der Kosten- und Entschädigungsfolgen aufrecht. Das Obergericht des Kantons Zürich nahm davon Vormerk und wies die Berufung der Kläger Jochims und Niebuhr mit Urteil vom 18. Dezember 1979 ab.
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C.- Gegen diesen Entscheid erheben die Kläger Jochims und Niebuhr Berufung an das Bundesgericht mit dem Antrag auf Gutheissung ihrer Klage und Abänderung des erst- und zweitinstanzlichen Kostendispositivs. Die Beklagten beantragen die Abweisung der Berufung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
Im selben Beitrag wurde erwähnt, die beiden Kläger seien bekannt als Mitorganisatoren des Konflikts am publizistischen Seminar der Universität Zürich und sie seien in den letzten Jahren immer wieder bei Aktionen linksextremer Gruppen in Erscheinung getreten. Die Kläger behaupten nicht, dass dies unwahr sei und dass sie auch dadurch in ihren persönlichen Verhältnissen verletzt worden seien.
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2. Eine Verletzung in den persönlichen Verhältnissen ist im Sinne von Art. 28 ZGB unbefugt, wenn sie auf einem widerrechtlichen Eingriff beruht. Widerrechtlich ist ein Verhalten, das gegen die Gebote der Rechtsordnung verstösst, die dem Schutz des verletzten Rechtsgutes dienen. Art. 28 ZGB schützt nach ständiger Rechtsprechung die Ehre weitergehend als das Strafrecht und umfasst insbesondere auch das berufliche und gesellschaftliche Ansehen einer Person. Ob dieses durch eine Presseäusserung geschmälert worden sei, ist nicht nach dem subjektiven Empfinden des Betroffenen, sondern nach einem objektiven Massstab zu beurteilen. Es ist zu prüfen, ob es vom Standpunkt des Durchschnittslesers aus gesehen als beeinträchtigt erscheint. Dabei spielt der Rahmen der Presseäusserung eine bedeutende Rolle. Der Durchschnittsleser wird z.B. aus Vorwürfen im Zusammenhang mit einer politischen Auseinandersetzung weniger rasch Rückschlüsse ziehen als aus solchen, welche das private oder berufliche Verhalten betreffen (BGE 105 II 163 /164, mit Hinweisen). |
Wohl ist die Bekanntgabe des Wohnsitzes einer Person an sich nicht persönlichkeitsverletzend. Im vorliegenden Fall ist jedoch mit der Vorinstanz zu berücksichtigen, in welchem Zusammenhang diese Bekanntgabe erfolgte. Sie war eingebettet in einen Artikel, der das Marginale trug "Kommunistischer Jugendverband der Schweiz (KJVS)" und ausführte, dieser Verband habe in Zürich an der Mutschellenstrasse 10 ein Sekretariat errichtet, d.h. am selben Ort, an dem der Kläger Jochims wohne und der Kläger Niebuhr bis vor kurzem gewohnt habe, beide bekannt als Mitorganisatoren des Konflikts am publizistischen Seminar der Universität Zürich und in den letzten Jahren immer wieder in Erscheinung getreten bei Aktionen linksextremer Gruppen. Im ursprünglich eingeklagten zweiten Beitrag des selben Informationsblattes wurde auf das Werk "Welttheater der Eidgenossen" hingewiesen und mitgeteilt, dass dessen Herausgeber, darunter auch die beiden Kläger, zur Hauptsache aus Mitgliedern marxistischer zürcherischer Hochschulgruppen bestünden. Bei dieser Sachlage steht ausser Zweifel, dass die Beklagten beabsichtigten, beim Leser den Eindruck zu erwecken, es bestehe zwischen den Klägern und dem KJVS irgend ein Zusammenhang. Wohl umschrieben sie diesen Zusammenhang nicht näher und behaupteten sie insbesondere nicht, die Kläger seien Mitglieder oder gar leitende Funktionäre des KJVS. Der Leser musste der Publikation aber doch entnehmen, die Kläger stünden dem KJVS irgendwie nahe, sie seien mindestens Sympathisanten dieses Verbandes und müssten jedenfalls als Linksextremisten marxistischer Richtung oder (wie die Vorinstanz sagte) "Linksaussen" eingestuft werden. |
b) Kommunistische und extremistische Ansichten und Aktivitäten werden in weiten Kreisen der schweizerischen Bevölkerung missbilligt. Personen mit derartiger Einstellung büssen bei vielen Mitbürgern an Ansehen ein und geraten in Verruf.
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Ein der Wahrheit entsprechender Hinweis auf eine kommunistische oder extremistische Gesinnung stellt jedoch grundsätzlich keine Verletzung der Persönlichkeitsrechte dar (es sei denn, er werde ohne jeden sachlichen Bezug und nur deshalb getan, um dem Betroffenen zu schaden, was hier jedoch nicht zutrifft und auch nicht behauptet wird). Wer sich öffentlich politisch exponiert, kann nicht dadurch in seinem Ruf geschädigt werden, dass seine politische Einstellung bekanntgegeben wird (BGE 105 II 164 /165). Es ist deshalb im folgenden zu prüfen, ob der Eindruck, den die Beklagten durch ihre Publikation hervorriefen, der Wahrheit entsprach oder nicht, und welche Folgen sich daraus ergeben.
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Soweit der eingeklagte Artikel den Eindruck erweckte, die Kläger seien Linksextremisten marxistischer Richtung, entsprach dieser Eindruck den von der Vorinstanz verbindlich festgestellten Tatsachen. Soweit er jedoch den Eindruck erweckte, die Kläger stünden im besonderen dem KJVS nahe, war dieser Eindruck falsch. Der fragliche Artikel war insoweit ungenau. |
b) Journalistische Ungenauigkeiten können indessen nach der jüngsten Rechtsprechung nur dann eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Betroffenen begründen, wenn sie diesen in einem falschen Licht erscheinen lassen (BGE 105 II 165). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Wenn die Kläger politisch linksextreme Auffassungen vertreten und auf Umsturz tendierende Marxisten sind, wie die Vorinstanz verbindlich feststellt, wird ihr Bild, das sie durch ihre bisherige politische Tätigkeit sich selbst geschaffen haben, nicht spürbar verfälscht, wenn sie zu Unrecht mit dem KJVS in Zusammenhang gebracht werden, weil dieser Verband weitgehend gleichartige Ziele verfolgt wie ein auf Umsturz tendierender Linksextremismus anderer Richtung. Der vorinstanzliche Entscheid, der im wesentlichen zum selben Ergebnis gelangte, bewegt sich demnach im Rahmen der jüngsten bundesgerichtlichen Rechtsprechung und verletzt das Bundesrecht somit nicht.
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b) Die Kläger bringen weiter vor, sie müssten sich eine Verbindung zum KJVS nicht nachsagen lassen, weil dieser Verband den sowjetischen Kommunismus und ein Zusammengehen mit der kommunistischen Partei der Sowjetunion befürworte, was auf sie jedoch nicht zutreffe. Dass der KJVS "moskautreu" oder "moskauhörig" sei, wird im angefochtenen Artikel indessen nicht behauptet. Die politische Ausrichtung dieses Verbandes innerhalb der kommunistischen Bewegung ist auch nicht allgemein bekannt. Es kann daher nicht gesagt werden, die Beklagten hätten die Kläger in ihrem Informationsblatt fälschlicherweise in Verbindung mit der kommunistischen Partei der Sowjetunion gebracht. Abgesehen davon räumen die Kläger selbst ein, dass sie hinsichtlich der Beseitigung der kapitalistischen Gesellschaft ähnliche Ziele verfolgen wie die moskautreuen Kommunisten. Im übrigen muss in diesem Zusammenhang bemerkt werden, dass der weitaus grösste Teil der Bevölkerung bei der Missbilligung marxistischer oder kommunistischer Anschauungen keinen wesentlichen Unterschied macht zwischen den einzelnen Spielarten des Linksextremismus. Wenn derartige extremistische Anschauungen und Aktivitäten in weiten Kreisen verurteilt werden, so deshalb, weil sie allgemein und insgesamt der Grundeinstellung dieser Kreise zuwiderlaufen, unabhängig davon, welche Färbung sie im einzelnen haben. In der Theorie mögen unterschiede bestehen zwischen den Ansichten und Zielen der Marxisten, Leninisten, Stalinisten, Maoisten usw. und demzufolge auch zwischen den Mitgliedern der PdA, Poch, revolutionären marxistischen Liga und wie sie alle heissen. Dem einfachen Bürger und auch jenem, der nicht die Zeit zum eingehenden Studium der marxistischen politischen Literatur findet, sind aber die oft subtilen Unterscheidungen dieser einzelnen Richtungen im Detail und in ihren konkreten Auswirkungen vielfach nicht bekannt. Er sieht alle jene, die derartigen extremen Ideen huldigen, unter dem gleichen Hut und missbilligt ihre Haltung wegen der linksextremen Grundeinstellung als solcher, unabhängig davon, welcher Spielart des Linksextremismus diese Grundeinstellung zuzurechnen sei. Bezüglich des gesellschaftlichen Ansehens ist es deshalb ohne wesentliche Bedeutung, ob jemand, der linksextreme marxistische Auffassungen vertritt, dem sowjetischen, dem chinesischen oder irgendeinem anderen Kommunismus nahesteht. Auch für potentielle Arbeitgeber der Kläger, die das von den Beklagten herausgegebene Informationsbulletin abonniert haben, dürfte es kaum eine Rolle spielen, welcher Richtung des Linksextremismus die Kläger huldigen. |
c) Zur Hauptsache stützen die Kläger ihre Berufungsbegründung auf folgende Argumentation: Auch die Mehrheit der Gewerkschaften und die sozialdemokratische Partei der Schweiz bezweckten die Abschaffung der kapitalistischen Produktionsweise und die Beseitigung der Herrschaft des Kapitals durch eine Überführung der Produktionsmittel aus dem monopolistischen Privatbesitz in den Besitz des Volkes und die Ersetzung der kapitalistischen Wirtschaftsordnung durch eine Gemeinwirtschaft auf demokratischer Grundlage; die Mitglieder dieser Gewerkschaften und der sozialdemokratischen Partei müssten sich aber deswegen nicht gefallen lassen, in denselben Topf geworfen zu werden mit jenen Leuten, welche sich den Zielen des KJVS verschrieben hätten.
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Diesen Ausführungen kann grundsätzlich beigepflichtet werden. Entscheidend ist jedoch, wie die Kläger selbst darlegen, ob jemand mit demokratischen und rechtsstaatlichen oder mit totalitären und diktatorischen Mitteln eine Systemänderung herbeizuführen versucht. Anhänger der ersten Richtung müssen sich den Vorwurf nicht gefallen lassen, sie seien Anhänger der zweiten Richtung. Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz indessen verbindlich festgestellt, dass die Kläger linksextreme marxistische Auffassungen vertreten "und zwar nicht im sinne einer gemässigten, nicht auf Umsturz ausgehenden schweizerischen Sozialdemokratie, sondern sie haben sich radikaleren Zielen verschrieben". Die Kläger gehören also nicht wie die Mitglieder vieler Gewerkschaften und der sozialdemokratischen Partei zu jenen, welche auf demokratische und rechtsstaatliche Weise eine Änderung unserer Wirtschaftsordnung herbeizuführen versuchen, sondern zu jenen, die sich "radikaleren Zielen verschrieben" haben, d.h. die mit undemokratischen Mitteln auf Umsturz und Revolution ausgehen (der Kläger Niebuhr war denn auch in der AZ vom 11. August 1972 als spiritus rector der Studentenkommission der "revolutionären Aufbauorganisation Zürich" bezeichnet worden). Bei dieser Sachlage hilft den Klägern der Vergleich mit den Gewerkschaften und den Mitgliedern der sozialdemokratischen Partei nicht. Ihr Verhalten wurde nicht deshalb missbilligt und angeprangert, weil sie keiner Partei bzw. der sozialdemokratischen Partei angehören, sondern weil sie weit radikalere Auffassungen vertreten, nach denen der Einsatz undemokratischer Mittel zur Herbeiführung einer Systemänderung zumindest nicht ausgeschlossen ist. |
d) Zusammenfassend ergibt sich also, dass die Kläger sich durch ihr bisheriges eigenes Verhalten selbst als linksextreme Marxisten nicht einer gemässigten, sondern einer radikalen Richtung geoffenbart haben. Wenn die eingeklagte Presseäusserung den an sich unrichtigen Eindruck erweckte, sie stünden in einer gewissen Verbindung zum KJVS oder seien zumindest dessen Sympathisanten, liess sie sie demnach in der Sicht des Durchschnittslesers nicht in einem falschen Licht erscheinen. Die Berufung erweist sich mithin als unbegründet, so dass sie abzuweisen ist.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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