59. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 1. September 1981 i.S. Jankovich gegen AG für Baurationalisierung (Berufung)
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Regeste
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Art. 50 Abs. 1 OG.
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Sachverhalt
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BGE 107 II 381 (381):
In einem Forderungsprozess gegen die AG für Baurationalisierung beantragte Jankovich dem Handelsgericht des Kantons St. Gallen: festzustellen, dass die Beklagte ihm Lizenzgebühren schulde (Begehren 1); die Beklagte zu verpflichten, ihm Fr. 1'260'870.70 nebst 5% Zins seit verschiedenen Verfalldaten zu bezahlen (Begehren 2); ihm einen noch zu beziffernden Schaden wegen Nichteinhaltung des Lizenzvertrages (Begehren 3), eventuell einen solchen aus Nachahmung der Patente zu ersetzen und weitere Nachahmungen zu unterlassen (Begehren 4).
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Das Handelsgericht fand, dass zur Streitfrage eine Expertise einzuholen und Urkunden zu edieren seien; da der Lizenzvertrag nur Mindestumsatzzahlen, nicht aber Mindestvergütungen vorsehe, müssten die geschuldeten Lizenzgebühren aufgrund des effektiven Umsatzes ermittelt werden. Es beschloss am 4. November 1980, in diesem Sinne Beweise zu erheben.
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Der Kläger hat gegen diesen Beschluss Berufung eingelegt, die vom Bundesgericht zugelassen, aber abgewiesen wird.
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BGE 107 II 381 (382): Aus den Erwägungen:
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a) Die zweite dieser Voraussetzungen ist hier erfüllt, weil die angeordnete Expertise sich erübrigt, wenn der Kläger unbekümmert um den effektiven Umsatz einen vertraglichen Anspruch auf Mindestlizenzgebühren hat, deren Betrag als solcher nicht streitig ist.
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Der Kläger hält auch die erste Voraussetzung für gegeben, da eine Zusprechung der Minimallizenzgebühren den Prozess abschliessen würde; er habe nämlich vor Handelsgericht sein Rechtsbegehren im Hauptpunkt auf diese Gebühren beschränkt und fordere sie nur noch eventuell nach dem effektiven Umsatz. Die Berufung bezieht sich auf das Klagebegehren 2; wie es sich mit den Begehren 1 und 3 verhält, an denen der Kläger nach dem angefochtenen Entscheid vor Handelsgericht festgehalten hat, ist weder ihrer Begründung noch den Akten zu entnehmen. Das ergibt sich erst aus seinem Schreiben vom 13. Juli 1981 an den Instruktionsrichter, worin der Kläger erklärte, dass er auf alle weiteren Begehren verzichte, wenn sein Rechtsbegehren 2 gutgeheissen werde. Diesfalls könnte also sofort ein Endentscheid herbeigeführt werden.
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b) Eine andere Frage ist, ob von einem selbständigen Vor- oder Zwischenentscheid im Sinne von Art. 50 OG die Rede sein kann. Das Handelsgericht legt ausführlich dar, weshalb der Kläger keine Minimallizenz, sondern nur eine umsatzabhängige Stücklizenz beanspruchen könne, beschränkt seinen Entscheid aber auf die Beweiserhebung durch Expertise und Edition. Das spricht eher für einen blossen Beweisbeschluss im Sinne von Abs. 4 als für einen urteilsmässigen Vorentscheid gemäss Abs. 3 des Art. 184 ZPO/SG. Was im Berufungsverfahren als selbständiger Vor- oder Zwischenentscheid gilt, muss sich indes aus Bundesrecht ergeben und kann nicht von Zufälligkeiten des kantonalen Rechts oder der Terminologie abhangen, wonach die beiden Begriffe bald einander gegenübergestellt (vgl. STRÄULI/MESSMER, N. 10 zu § 188, N. 4 ff. zu § 189 ZPO), bald einander gleichgesetzt werden (GULDENER, Zivilprozessrecht 3. Aufl. S. 242 f.). Wichtig sind die präjudizielle BGE 107 II 381 (383):
Bedeutung des Entscheides und seine Selbständigkeit gegenüber dem späteren Endentscheid (BIRCHMEIER, Kommentar zum OG S. 179). Beides trifft hier zu; begrifflich können deshalb unter den in Art. 50 OG erwähnten Zwischenentscheiden auch Beweisbeschlüsse wie der angefochtene verstanden werden.
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Nach der bundesrätlichen Botschaft vom 9. Februar 1943 will Art. 50 OG einen Vorentscheid des Bundesgerichts über die Anspruchsgrundlage ermöglichen, bevor es zu einem langen und teuren Beweisverfahren über die Höhe des Anspruchs kommt, das sich als völlig unnütz erweist, wenn das Bundesgericht den Anspruch als solchen verneint. Die Grenze der weiterziehbaren Zwischenentscheide musste freilich eng gezogen werden, um Missbräuche vermeiden zu können. Deshalb wurde die Berufung nur ausnahmsweise zugelassen, wenn die gegenteilige Beantwortung der im Entscheid beurteilten Frage den Endentscheid ergibt und damit ein bedeutender Aufwand an Zeit und Kosten erspart werden kann (BBl 1943 S. 122 ff.). Diese Grundgedanken des Art. 50 OG und nicht die äussere Form oder die Bezeichnung des angefochtenen Entscheides müssen daher massgebend sein.
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Die Rechtsprechung stimmt damit überein. Sie hat sich mit wenigen Ausnahmen immer nur mit den besonderen Voraussetzungen der Bestimmung, nicht aber mit dem Begriff des Vor- und Zwischenentscheides befasst. Dabei wurde bezweifelt, ob es überhaupt einer ausdrücklichen, urteilsmässigen Beantwortung der Vorfrage im Dispositiv bedürfe (BGE 78 II 398). Nach anfänglichem Zögern (BGE 81 II 398) wurden sodann auch blosse Rückweisungsentscheide der obern kantonalen Instanz als berufungsfähig anerkannt, zumindest wenn diese "im Sinne der Erwägungen" entschied (BGE 91 II 204). Später wurden Rückweisungsentscheide ohne Bedenken nach Art. 50 OG behandelt, schliesslich sogar im Scheidungsprozess (BGE 105 II 221, BGE 103 II 157, BGE 101 II 173). Ob sich die Berufung aber gegen einen kantonalen Entscheid richtet, der das Beweisverfahren durch Rückweisung der ersten Instanz überträgt, oder ob wie vorliegend eine einzige kantonale Instanz gegeben ist, die den Beweis selbst erheben muss, kann keinen Unterschied machen.
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In BGE 85 II 51 sind prozessleitende Beschlüsse freilich von der Berufungsfähigkeit ausgenommen worden, weil der kantonale Richter jederzeit auf sie zurückkommen könne. Dies dürfte nach Art. 220 ZPO/SG im vorliegenden Fall auch die Vorinstanz tun, während ein eigentlicher Vor- oder Teilentscheid für sie unabänderlich BGE 107 II 381 (384):
wäre (LUTZ, N. 3 zu Art. 220 ZPO). Das kann jedoch ebenfalls nicht entscheidend sein und ist in der Rechtsprechung zur Berufungsfähigkeit von Rückweisungsentscheiden denn auch oft übergangen worden. Es folgt schon aus Bundesrecht, dass die Erwägungen des Berufungsentscheides gemäss Art. 50 OG den kantonalen Richter im weiteren Verfahren binden müssen (Art. 66 Abs. 1 OG). Auch das Handelsgericht hält seine Erwägungen zur Vertragsauslegung offenbar für abschliessend, weshalb es seinen Entscheid urteilsmässig (Art. 185 ZPO), nicht nur als Beweisbeschluss begründet hat (Art. 186 ZPO); es macht dazu jedenfalls keinen Vorbehalt für den Endentscheid, wie ihn der kantonale Richter im Falle angebracht hat, der BGE 85 II 50 ff. zugrunde liegt.
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Auf die Berufung ist daher einzutreten.
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