Urteilskopf
108 II 15
3. Urteil der II. Zivilabteilung vom 21. Januar 1982 i.S. Fussballclub Zürich gegen Nationalliga des Schweizerischen Fussballverbandes (Berufung)
Regeste
Vereinsrecht; Abgrenzung von Spielregeln und Mitgliedschaftspflichten.
1. Streitigkeiten um die Gültigkeit von Vereinsbeschlüssen sind nicht vermögensrechtlicher Natur und daher stets berufungsfähig (E. 1a).
2. Beschlüsse des Vereinsvorstandes können nur dann gerichtlich angefochten werden, wenn sie in die Mitgliedschaftsrechte der Vereinsmitglieder eingreifen (E. 2).
3. Die Frage, ob ein Vereinsorgan eine Spielregel richtig angewendet habe, ist richterlicher Überprüfung nicht zugänglich, auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Vereinsmitglieder (E. 3).
4. Die Pflicht der in der Nationalliga zusammengeschlossenen Fussballclubs, gegenüber den Zuschauern für Ordnung auf dem Spielfeld zu sorgen, kann nicht nur eine Spielregel darstellen, sondern auch eine mitgliedschaftliche Pflicht, welche die Clubs unabhängig vom Verlauf der einzelnen Spiele als Verbandsmitglieder trifft. Die Frage, ob diese Pflicht verletzt sei und ob deswegen gegenüber dem fehlbaren Verein eine Sanktion ausgesprochen werden müsse, ist richterlicher Überprüfung insoweit nicht zum vornherein entzogen. Im vorliegenden Fall verstiess das Absehen von einer Sanktion nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Vereinsmitglieder (E. 4).
A.- Beim Fussballspiel zwischen dem FC Sion und dem FC Zürich vom 26. April 1980 wurde der dem FC Zürich angehörende Spieler Zappa schon kurz nach Spielbeginn auf dem Platz des Gegnerclubs durch eine Flasche, die aus den Zuschauerreihen geschleudert worden war, am Kopf verletzt. Zappa wurde zufolge der Verletzung vom Spielfeld getragen und in ärztliche Pflege gebracht. Auf Anraten des Arztes musste er auf die Teilnahme an einem drei Tage später stattfindenden Länderkampf zwischen der Schweiz und Irland verzichten.
Diese Verletzung veranlasste den Spielführer des FC Zürich zu einem unverzüglichen Protest beim Schiedsrichter. Im Spiel blieb der FC Sion mit 3:2 Toren siegreich. Am 28. April 1980 verlangte der FC Zürich, dass das Komitee der Nationalliga des Schweizerischen Fussball-Verbandes (SFV) das Spiel in Anwendung von Art. 73 Ziff. 3 lit. i in Verbindung mit Art. 14 des Wettspiel-Reglementes des SFV für den FC Sion 0:3 verloren (forfait) erkläre.
Mit Entscheid vom 14. Mai 1980 wies das nach Art. 30 Abs. 2 des Reglementes für den Spielbetrieb der Nationalliga des SFV endgültig entscheidende Komitee den Protest des FC Zürich ab. Gleichzeitig wurde aber der FC Sion in Anwendung von Art. 37 und 38 des Reglementes für den Spielbetrieb der Nationalliga und von Art. 14 des Wettspiel-Reglementes mit einem Verweis und einer Busse von Fr. 6'000.-- belegt.
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B.- Am 6. Juni 1980 erhob der FC Zürich beim Gerichtspräsidenten III von Bern gegen die Nationalliga des SFV Klage mit folgendem Rechtsbegehren:
"1. Es sei gerichtlich festzustellen, dass der Entscheid des Komitees der Nationalliga vom 14. Mai 1980 in Sachen Protest des Fussballclubs Zürich zum Spiel FC Sion: FC Zürich vom 26. April 1980 die Vereinsstatuten verletzt (Feststellungsklage).
2. Der Entscheid des Komitees der Nationalliga vom 14. Mai 1980 in Sachen Protest FC Zürich gegen das Spiel FC Sion: FC Zürich vom 26. April 1980 sei aufzuheben und die Beklagte aufzufordern, einen mängelfreien Beschluss zu fassen (Gestaltungsklage)."
Mit Urteil vom 5. Januar 1981 hiess der Gerichtspräsident die Klage gut und stellte fest, dass der Entscheid des Komitees der Nationalliga die Statuten bzw. Reglemente verletze; er hob diesen Entscheid auf und wies die Sache zur Fällung eines reglementskonformen Entscheids an das Komitee der Nationalliga zurück.
In Gutheissung einer Appellation der Beklagten wies der Appellationshof des Kantons Bern mit Urteil vom 19. Mai 1981 die Klage ohne Prüfung der Begründetheit zurück.
C.- Gegen dieses Urteil erhob der Kläger Berufung an das Bundesgericht mit dem Antrag, es sei die sachliche Zuständigkeit des ordentlichen Zivilrichters für die materielle Behandlung der Prozessangelegenheit festzustellen und das Urteil des Gerichtspräsidenten vollumfänglich zu bestätigen. Für den Fall, dass das Bundesgericht die Sache als vermögensrechtlich qualifizieren sollte, verlangt er, seine Eingabe sei als Nichtigkeitsbeschwerde entgegenzunehmen.
Die Beklagte beantragt, auf die Berufung sei nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab aus folgenden
Erwägungen:
1. a) Gemäss Art. 1 ihrer Statuten ist die Nationalliga eine als Verein verselbständigte Abteilung des Schweizerischen Fussball-Verbandes. Ihre Mitglieder, zu denen auch der Kläger gehört, sind ihrerseits Vereine. Das Komitee der Nationalliga wird von der Generalversammlung gewählt und bildet den Vereinsvorstand. Mit der Klage wird geltend gemacht, der Entscheid des Komitees vom 14. Mai 1980 verstosse im Sinne von
Art. 75 ZGB gegen die Vereinsstatuten beziehungsweise -reglemente. Streitigkeiten um die
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Gültigkeit von Vereinsbeschlüssen sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht vermögensrechtlicher Natur und daher nach
Art. 44 Abs. 1 OG stets berufungsfähig (vgl.
BGE 82 II 296,
BGE 51 II 527). Ist aber die Berufung grundsätzlich zulässig, so fällt der Eventualantrag des Klägers, die Sache sei als Nichtigkeitsbeschwerde entgegenzunehmen, dahin.
b) Die Beklagte begründet ihren Nichteintretensantrag damit, es fehle dem Kläger am Rechtsschutzinteresse. Selbst wenn nämlich das Spiel vom 26. April 1980 in Gutheissung der Klage zugunsten des Klägers "forfait" erklärt würde, hätte dies keine Änderung der Rangierung des Klägers in der Meisterschaft 1980 zur Folge, ganz abgesehen davon, dass der Ausgang jenes Spiels und jener Meisterschaft nur noch von sporthistorischem Interesse sei. Damit vermengt die Beklagte aber das Interesse am Rechtsmittel mit jenem an der Klage. Dass der Kläger durch den Nichteintretensentscheid der Vorinstanz beschwert ist und er deshalb ein Interesse an dessen Anfechtung hat, liegt auf der Hand. Das genügt aber als Voraussetzung für die Berufung. Ob heute noch ein Interesse an der Gutheissung der Klage besteht, ist gegebenenfalls bei der materiellen Behandlung der Berufung zu prüfen.
c) Auf die Berufung ist somit einzutreten. Der Verweis des Klägers auf seine Vorbringen im kantonalen Verfahren ist indessen unbeachtlich (
BGE 104 II 192 E. 1). Das gleiche gilt für seine erst nach Ablauf der Berufungsfrist eingegangene Eingabe vom 9. Dezember 1981.
2. Nach
Art. 75 ZGB können Vereinsbeschlüsse, die das Gesetz oder die Statuten verletzen, von jedem Vereinsmitglied, das nicht zugestimmt hat, binnen Monatsfrist beim Richter angefochten werden. Mit dieser Bestimmung soll nicht nur dem einzelnen Vereinsmitglied Rechtsschutz gegen die korporative Mehrheit hinsichtlich seiner Mitgliedschaft eingeräumt, sondern - unbesehen von Marginale und Gesetzessystematik - darüber hinaus ganz allgemein für die Rechtmässigkeit des korporativen Lebens gesorgt werden (HEINI, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. II, S. 548/549). Indessen haben Lehre und Rechtsprechung die beiden Rechtsschutzbereiche insofern unterschiedlich gewichtet, als dem Schutz der Mitgliedschaftsrecht zufolge ihrer Personenbezogenheit besondere Bedeutung zukommen soll. Ein Beschluss, der Mitgliedschaftsrechte verletzt, kann daher auch dann richterlich überprüft werden, wenn er nicht von der Vereinsversammlung, dem obersten Organ des Vereins, sondern von einem abschliessend
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zuständigen unteren Vereinsorgan gefasst worden ist, während ein Vorstandsbeschluss, der nicht Mitgliedschaftsrechte betrifft, einer richterlichen Kontrolle entzogen bleibt (HEINI, a.a.O. S. 549; TUOR/SCHNYDER, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 9. Aufl., S. 123). Freilich hat das Bundesgericht in
BGE 76 II 65 bemerkt, es sei nie bezweifelt worden, dass die direkte gerichtliche Anfechtung von Beschlüssen verwaltender Organe des Vereins nicht zulässig sei. Diese Bemerkung geht jedoch zu weit und kann sich nur auf die Anfechtung von Beschlüssen des Vereinsvorstandes beziehen, die entweder nicht letztinstanzlich sind oder nicht in die mitgliedschaftlichen Rechte der Vereinsmitglieder eingreifen. Dass Beschlüsse unterer, aber abschliessend entscheidender Vereinsorgane angefochten werden können, wenn sie Mitgliedschaftsrechte verletzen, hat das Bundesgericht denn auch verschiedentlich angenommen (vgl. z. B.
BGE 85 II 535 und
BGE 70 II 63 ff. bezüglich der Anfechtung eines durch den Vereinsvorstand letztinstanzlich verfügten Ausschlusses,
BGE 52 I 72 ff. bezüglich der Überprüfbarkeit einer vom Vorstand gegen ein Vereinsmitglied ausgefällten Vereinsbusse).
Der Umstand, dass der Beschluss eines der Generalversammlung untergeordneten Organs der Beklagten angefochten wird, steht dem Eintreten auf die Klage daher nicht zum vornherein entgegen.
3. Der vereinsintern nicht weiterziehbare Beschluss des Komitees der Nationalliga vom 14. Mai 1980 verletzt nach Auffassung des Klägers in dem Sinne seine Mitgliedschaftsrechte, dass durch eine falsche Anwendung der Art. 14 und 73 des Wettspiel-Reglementes des SFV beziehungsweise durch den Verzicht auf eine Forfait-Erklärung des Spieles zwischen dem FC Sion und dem Kläger vom 26. April 1980 zugunsten des letzteren unter den in der Nationalliga als Konkurrenten zusammengeschlossenen Fussballvereinen eine rechtsungleiche Behandlung eingetreten sei. Diese rechtsungleiche Behandlung habe für den Kläger wie für jedes andere derart behandelte Mitglied der Nationalliga insofern weittragende Folgen, als nicht nur Erfolg und Misserfolg im Fussballwettkampf, sondern auch spürbare finanzielle Auswirkungen im positiven oder negativen Sinn im Spiele stünden.
Eine solche Betrachtungsweise müsste aber dazu führen, dass jeder Fehlentscheid eines Spielrichters in einem einzelnen Wettkampf, der dann schliesslich über Erfolg oder Misserfolg in diesem Wettkampf entscheidet, als rechtsungleiche Behandlung angesehen
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werden könnte und damit unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Mitgliedschaftsrechten richterlicher Überprüfung zugänglich würde. Soweit kann aber das Recht nicht in die Regelung von Spiel und Sport eingreifen, ohne Spiel und Sport am Lebensnerv zu treffen. Die in Rechtsprechung und Lehre vorgenommene Ausscheidung von Bereichen, die bei der Abwicklung von Spiel und Sport rechtlicher Regelung zugänglich oder davon ausgeschlossen bleiben sollen, findet gerade darin ihre Rechtfertigung, dass das Spiel letztlich nicht dadurch sinnlos wird, dass es immer wieder durch den Gang zum Richter unterbrochen wird. Auch wenn ein entsprechender rechtsgeschäftlicher oder korporativer Wille an sich und unbesehen von
Art. 513 OR denkbar wäre und tatsächlich zum Ausdruck gebracht würde, bliebe eines nicht zu verkennen: Die Regeln, die das Spiel in seiner konkreten Ausführung auf dem Spielfeld regeln und insoweit nicht einfach eine bestimmte Spielart abstrakt umschreiben, auf die sich verschiedene Spieler und Spielervereine verpflichten, lassen sich nicht in eine privatrechtliche Rechtsbeziehung einkleiden. So weist KUMMER (Spielregel und Rechtsregel, S. 35 ff.) zu Recht darauf hin, dass sowohl die rechtliche Ausgestaltung wie auch die rechtliche Durchsetzung von konkreten Regeln über das Spielverhalten zu Schwierigkeiten Anlass geben würden. Tatsächlich lässt sich eine rechtzeitige Durchsetzung von Unterlassungspflichten, die für den korrekten Ablauf eines Spieles von grosser Bedeutung sind, kaum vorstellen, wie auch eine Sanktion für "Schlechterfüllung" zu absonderlichen Ergebnissen führen müsste. Für die Einhaltung der Spielregeln auf dem Spielfeld ist vielmehr regelmässig ein Spielrichter vorgesehen, der innerhalb des Spielablaufs endgültig entscheidet und auch grundsätzlich endgültig entscheiden muss, da der Spielverlauf in ein Ganzes einmündet und sich auch das Spielverhalten der einzelnen Spieler immer von neuem gegenseitig bedingt. Und dies gilt dem Grundsatz nach auch dann, wenn dem Spielrichter selber Fehler unterlaufen, die ihren Einfluss auf Erfolg oder Misserfolg im Spiel haben können.
Damit soll indessen nur festgehalten werden, dass es bei Spiel und Sport einen rechtsfreien Raum gibt, in dem nicht jede Unkorrektheit, die ohne weitere auf das Spiel bezogene Sanktion bleibt, einer ungleichen Behandlung von Vereinsmitgliedern gleichkommt (vgl. dazu auch
BGE 103 Ia 410 ff. und
BGE 97 I 488 ff. sowie die Urteile des Kassationsgerichts Zürich in SJZ 53/1957 S. 152 ff. und des Obergerichts Luzern in ZBJV 100/1964 S. 550 ff.). Tatsächlich
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kommt es aber immer wieder vor, dass bestimmte Formen von Fehlverhalten beim Spiel auch ausserhalb des Spieles und unabhängig von dessen Ergebnis vereinsintern besonders geahndet werden. Regelmässig sehen Spielreglemente von Vereinen und Verbänden besondere Sanktionen ausserhalb des Spieles vor, wenn besonders krass oder wiederholt gegen eine Spielregel verstossen worden ist. Es handelt sich hier um Massnahmen, mit denen bezweckt wird, das sportliche Wohlverhalten zu fördern. Dass eine solche vereinsinterne Massregelung den betroffenen Spieler oder den einzelnen Mitgliederverein eines Verbandes auch in seiner Person hart treffen und dass dadurch auch die mitgliedschaftsrechtliche Stellung des Betroffenen im Verein oder Verband berührt werden kann, leuchtet ohne weiteres ein, wenn man an Verweis, Busse, Spielverbot und anderes mehr denkt. Es geht hier um eine mit der Spielregel zwar verknüpfte, aber doch getrennt von ihr bleibende Vereinsstrafe, die der richterlichen Überprüfung durchaus zugänglich sein kann (KUMMER, a.a.O. S. 48 ff.). Eine richterliche Überprüfung von solchen Sanktionen ist auch dort vorzubehalten, wo sich zwar diese "Strafe" auf das Ergebnis eines Spieles oder eines Wettkampfes bezieht, der Tatbestand, an den die Sanktion angeknüpft wird, aber nichts mit einem Spiel, sondern mit allgemeinen Spieler- oder Spielervereinspflichten zu tun hat. So verhält es sich beispielsweise, wenn die verspätete Bezahlung von Mitgliederbeiträgen mit einem Abzug von Wettkampfpunkten geahndet wird (KUMMER, a.a.O. S. 47). Dass der Richter schliesslich auch dort nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, wo mitgliedschaftsrechtliche Beziehungen zwischen Spieler und Verein oder Spielerverein und Dachverband zur Diskussion stehen, bedarf kaum der besonderen Erwähnung.
4. Mit der Klage wird nun geltend gemacht, das Verhalten eines Spielzuschauers habe dazu geführt, dass der Spielverlauf im Wettkampf FC Sion - FC Zürich vom 26. April 1980 in gröbster Weise gestört worden sei. Der Wettkampf hätte daher entgegen dem Spielergebnis von 3:2 zugunsten des FC Sion in Anwendung der Art. 14 und 73 des Wettspiel-Reglementes des SFV zu dessen Ungunsten 0:3 verloren erklärt werden müssen.
a) Auf begründeten Protest hin ist nach Art. 73 des Wettspiel-Reglementes ein Wettspiel mit 0:3 Toren forfait für jene Mannschaft verloren zu erklären, durch deren Verschulden unter anderem die normale Abwicklung des Spiels beeinträchtigt wird. Das soll gemäss Ziffer 3 lit. i dieser Bestimmung auch dann zutreffen,
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wenn ein Zuschauer anlässlich eines Wettspiels einen Spieler mit einem Wurfgeschoss verletzt. Gestützt auf das bisher Ausgeführte darf nun zur Beantwortung der Frage, ob dem Richter die Kontrolle einer Anwendung von Art. 73 Ziff. 3 lit. i des Wettspiel-Reglementes verwehrt bleiben muss, nicht allein auf die Tatsache abgestellt werden, dass ein Fehlverhalten eines Zuschauers, das seitens des Fussballverbandes einem Fussballverein zugerechnet wird, mit einer Sanktion geahndet wird, die ein tatsächlich erzieltes Spielergebnis zuungunsten des Fehlbaren abändert. Vielmehr gilt es zusätzlich zu prüfen, ob hier eine Spielstrafe für eine Spielregelverletzung oder eine solche für eine Verletzung von mitgliedschaftsrechtlichen Pflichten vorgesehen wird. Trifft letzteres zu, bleibt der Entscheid der Vereinsinstanz der richterlichen Überprüfung nicht von vornherein entzogen, und in diesem Rahmen ist es auch nicht ausgeschlossen, den Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Vereinsmitglieder miteinzubeziehen (dazu KUMMER, a.a.O. S. 61 mit Verweis auf MERZ zu entsprechenden Verhältnissen beim Kartell).
b) Nun hat zwar das Komitee der Nationalliga im Zusammenhang mit dem Protest des Klägers den fraglichen Art. 73 des Wettspiel-Reglementes präzisierend ausgelegt: Vom protestierenden Verein wird ein Nachweis darüber verlangt, dass eine bestimmte Beziehung zwischen dem das Spiel behindernden Zuschauer und dem im Sinne einer Spielstrafe zur Verantwortung zu ziehenden Wettkampfteilnehmer besteht. Und dieser Nachweis geht nicht im Sinne einer Tatsachenvermutung zu Lasten des Platzclubs, solange keine andern Umstände nachgewiesen sind. Damit ist aber noch nichts darüber ausgesagt, ob die hier den Wettkampfvereinen zugedachte Ordnungspflicht als mitgliedschaftliche Pflicht der einzelnen Verbandsmitglieder oder als reine Spielregel angesehen werden muss. Letzteres bejaht die Vorinstanz in Übereinstimmung mit KUMMER, der die Pflicht der Wettkampfvereine, für einen auch seitens der Zuschauer nicht gestörten Spielablauf zu sorgen, den Spielregeln im weiteren Sinne, und zwar den Regeln über die technischen Spielbehelfe, zuordnet (a.a.O. S. 76). Die entgegengesetzte Auffassung vertritt der Gerichtspräsident von Bern, der die Pflicht der Wettkampfvereine, für Ordnung auf dem Spielfeld auch gegenüber Zuschauern zu sorgen, als allgemeine, vom einzelnen Spielverlauf unabhängige, vereinsrechtliche Pflicht ansieht. Es ist in der Tat nicht zu übersehen, dass eine allgemeine Ordnungspflicht gegenüber Zuschauern sich nicht ohne
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weiteres mit Regeln über die technischen Voraussetzungen eines Spiels vergleichen lässt, wie sie etwa in den Anforderungen an die Ausrüstung der Spieler und des Spielfeldes zum Ausdruck kommen. Auf der andern Seite lässt sich nicht leichthin bestreiten, dass die Ordnungspflicht gegenüber dem Publikum eines Wettkampfes auch zum Zweck hat, dass nicht auf den nach Spielregeln verlaufenden Wettkampf von Drittseite unzulässig eingegriffen und damit das Spielergebnis verfälscht wird.
c) Angesichts dieser Grenzsituation hat das Komitee der Nationalliga auf die vom Kläger verlangte Spielstrafe gemäss Art. 73 Ziff. 3 lit. i des Wettspiels-Reglementes verzichtet und gestützt auf Art. 37 und 38 des Reglementes für den Spielbetrieb der Nationalliga und auf Art. 14 des Wettspiel-Reglementes dem Platzclub FC Sion bloss einen Verweis und eine Busse auferlegt. Derartige Vereinsstrafen sind nach dem Gesagten einer richterlichen Überprüfung nicht von vornherein entzogen. Sie wurden indessen im konkreten Fall vom Betroffenen nicht in Frage gestellt. Der Kläger ist durch sie nicht berührt. Er macht vielmehr geltend, seine mitgliedschaftsrechtliche Stellung im Rahmen der Nationalliga sei dadurch verletzt worden, dass das Komitee der Nationalliga in rechtsungleicher Weise eine Spielstrafe nicht ausgesprochen habe, die im Zusammenhang mit einer mitgliedschaftsrechtlichen und nicht bloss spielregelmässigen Pflichtverletzung hätte ausgesprochen werden müssen. Der Prüfung dieser Frage hätte sich die Vorinstanz nicht grundsätzlich entziehen dürfen. Von einer Rückweisung der Sache kann indessen abgesehen werden, da jeder Nachweis fehlt, dass das Komitee der Nationalliga in gleichgelagerten Fällen einen andern Massstab zur Anwendung gebracht hat, der einer ungleichen Behandlung verschiedener Wettkampfvereine innerhalb der Nationalliga gleichkäme. Der Hinweis des Klägers darauf, dass das Komitee der Nationalliga beabsichtige, Vorfälle wie jenen vom 26. April 1980 in Sion auch in Zukunft in gleicher Weise zu "regeln", deutet vielmehr in die entgegengesetzte Richtung.
Ist aber ein Verstoss gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Vereinsmitglieder nicht dargetan, so ist die Klage zum vornherein abzuweisen, ohne dass die Reglementskonformität des angefochtenen Beschlusses geprüft werden müsste. Ein anderweitiger Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte des Klägers ist nicht behauptet worden; ein Vorstandsbeschluss, der nicht Mitgliedschaftsrechte betrifft, ist aber nach dem in Erwägung 2 Gesagten der
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richterlichen Kontrolle entzogen. Unter diesen Umständen kann dahingestellt bleiben, ob der Richter überhaupt befugt wäre, über die blosse Aufhebung des angefochtenen Vereinsbeschlusses hinaus einen Verein dazu zu verhalten, gegenüber einem nicht am Prozess beteiligten Vereinsmitglied eine Sanktion, zumal eine Spielstrafe, auszusprechen, wie dies der Kläger sinngemäss verlangt. Ebensowenig braucht entschieden zu werden, ob der Kläger heute noch ein Interesse an einer solchen Sanktion hat.
d) Die Berufung erweist sich somit als unbegründet. Indessen kann das Urteil der Vorinstanz insoweit nicht bestätigt werden, als die Klage zurückgewiesen statt abgewiesen worden ist.