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Urteilskopf

109 II 239


54. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 30. August 1983 i.S. Löwenbräu Zürich AG gegen Gewerbebank Baden (Berufung)

Regeste

Umwandlung von Inhaberaktien in vinkulierte Namenaktien.
1. Art. 8 und 930 ZGB. Art. 978 OR. Der Besitzer von Inhaberaktien hat selbst als Fiduziar die gesetzliche Vermutung für sich, der aus den Aktien Berechtigte zu sein. Beweislast der Gesellschaft, die ihm widerspricht (E. 2).
2. Art. 20 Abs. 2, 686 und 706 OR. Anfechtung von Umtauschbedingungen, die vom Verwaltungsrat der Gesellschaft festgesetzt worden, zum Teil aber nichtig sind (E. 3).

Sachverhalt ab Seite 239

BGE 109 II 239 S. 239

A.- Am 14. Dezember 1979 beschloss die Generalversammlung der Löwenbräu Zürich AG, 8000 Inhaberaktien der Gesellschaft im Nennwert von je Fr. 200.-- in vinkulierte Namenaktien umzuwandeln.
Im Februar 1981 liess die Gesellschaft die Besitzer der Inhaberaktien öffentlich auffordern, ihre Titel umzutauschen; durch "Weisungen an die Banken" gab sie ferner die Modalitäten des Umtausches bekannt. Dazu gehörte insbesondere, dass gemäss Beschluss des Verwaltungsrates sämtliche Aktionäre, "die nachweisbar am 30. November 1979 Eigentümer von Inhaberaktien der Löwenbräu Zürich AG waren", als Eigentümer von Namenaktien B ins Aktienbuch eingetragen werden. Der Nachweis des Altbesitzes galt als erbracht, wenn die Inhaberaktien am 30. November 1979 auf den Namen des Aktionärs, der die Eintragung beantragte,
BGE 109 II 239 S. 240
bei der einreichenden Bank hinterlegt waren. Fiduziarische Eintragungen von Namenaktien waren nicht gestattet. Der Umtausch sollte bis spätestens 30. April 1981 abgeschlossen sein.
Am 10. April 1981 liess die Gewerbebank Baden 4856 Inhaberaktien, die sie bereits am 30. November 1979 besass, zum Umtausch in die gleiche Anzahl Namenaktien B der Löwenbräu Zürich AG übergeben. Die Gesellschaft weigerte sich indes, der Bank neue Namenaktien auszuhändigen und sie als Eigentümerin solcher Aktien ins Aktienbuch einzutragen. Mit Schreiben vom 2. Februar 1982 erklärte sie zudem, dass eine Rückgabe der nicht mehr zirkulationsfähigen Inhabertitel unmöglich geworden sei. Die übergebenen Inhaberaktien hatten damals angeblich einen Kurswert von rund 7 Mio. Franken.

B.- Die Gewerbebank wandte sich daraufhin an den Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirkes Zürich, damit er der Löwenbräu Zürich AG unter Androhung von Strafe befehle, ihr 4856 Aktien B auf ihren Namen auszustellen und herauszugeben (Begehren 1), sie mit den entsprechenden Angaben im Aktienbuch einzutragen und ihr die Eintragung schriftlich zu bestätigen (Begehren 2).
Der Einzelrichter hielt die Begehren für illiquid und trat darauf nicht ein. Auf Rekurs der Klägerin hiess das Obergericht des Kantons Zürich sie am 2. Februar 1983 dagegen gut.
Die Beklagte führte dagegen Nichtigkeitsbeschwerde, die das Kassationsgericht des Kantons Zürich am 6. Juni 1983 abwies.

C.- Die Beklagte hat gegen den Rekursentscheid des Obergerichts auch Berufung eingelegt mit den Anträgen, die Rechtsbegehren der Klägerin abzuweisen oder die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt den angefochtenen Entscheid.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Die Beklagte geht mit der Vorinstanz davon aus, dass die Klägerin am 30. November 1979 4856 Inhaberaktien der Löwenbräu AG besessen hat. Gleichwohl hält sie an ihren Einwänden fest, dass die Klägerin die Umtauschbedingungen weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht erfülle. Die Klägerin behaupte zwar, an 2576 Aktien eigene Rechte zu haben, also nicht als Beauftragte für Dritte zu handeln; die Rekursinstanz habe
BGE 109 II 239 S. 241
diese von der Gesellschaft bestrittene Behauptung aber nicht geprüft. Von den übrigen 2280 Aktien sage die Klägerin selber, dass sie nicht zu ihrem Eigenbestand gehörten; die Vorinstanz habe fiduziarisches Eigentum angenommen, die Rechtsverhältnisse zwischen der Klägerin und ihren Auftraggebern in der Meinung, es komme darauf im vorliegenden Fall nichts an, jedoch nicht untersucht. Ob die Klägerin diesen Teil der Aktien als Treuhänderin oder bloss als Aufbewahrerin, Nutzniesserin oder Faustpfandgläubigerin besessen habe, sei indes nicht gleichgültig. Selbst fiduziarisches Eigentum gebe ihr nach den Umtauschbedingungen keinen Anspruch darauf, dass die Gesellschaft ihr Aktien auf ihren Namen ausstelle und sie im Aktienbuch eintrage.
a) Dieser Kritik am angefochtenen Urteil ist vorweg entgegenzuhalten, dass die Klägerin nach dem erstinstanzlichen Entscheid, auf den das Obergericht für Einzelheiten des Sachverhalts und die Parteivorbringen vor dem Einzelrichter verweist, gemäss Bestätigungen ihres Verwaltungsrates, ihrer Direktion und der bankengesetzlichen Revisionsstelle vom 12. Januar 1982 am Stichtag 2576 Inhaberaktien der Gesellschaft zu Eigentum besessen hat. Das Obergericht hat diese Bestätigungen offensichtlich anders gewürdigt als der Einzelrichter; das erhellt daraus, dass es dessen Annahme, Zweifel an den behaupteten Eigentumsverhältnissen liessen das Verfahren nicht als liquid erscheinen, ausdrücklich verworfen hat. Es geht gestützt auf die Angaben der Parteien davon aus, die Klägerin habe an einem Teil der Aktien selbständiges, am andern zumindest fiduziarisches Eigentum. Das ist auch nach Auffassung des Kassationsgerichts Ausgangspunkt des vorliegenden Rechtsstreites. Dass das Obergericht eine bestrittene Behauptung der Klägerin ohne Überprüfung als richtig hingenommen und dadurch Art. 8 ZGB verletzt habe (BGE 105 II 145 mit Hinweisen), liesse sich nur sagen, wenn es die Beweislast verkannt hätte. Das trifft nicht zu.
Die Vorinstanz hat es nicht bei den eigenen Angaben der Klägerin, an einem Teil der Inhaberaktien "bloss" fiduziarische Eigentümerin zu sein, bewenden lassen. Sie hält unter Hinweis auf Jäggi (N. 48 ff. zu Art. 978 OR) mit Recht fest, dass die Klägerin als (rechtmässige) Besitzerin der Inhaberaktien so oder anders die gesetzliche Vermutung für sich hat, nicht nur zu deren Vorweisung im Umtauschverfahren legitimiert, sondern auch die aus den Aktien Berechtigte zu sein (vgl. HOMBERGER, N. 9 zu Art. 930 ZGB). Warum diese Vermutung vorliegend nicht gelten, die Beweislast
BGE 109 II 239 S. 242
also umgekehrt und von anderen Voraussetzungen abhängig gemacht werden soll, ist nicht zu ersehen. Es war Sache der Beklagten, die Vermutung zu zerstören, falls sie Anhaltspunkte für täuschende Angaben hatte (JÄGGI, N. 51 zu Art. 978 OR). Solche hat sie nach dem angefochtenen Urteil aber nicht behauptet, geschweige denn mit Beweismitteln, die sie spätestens in der Rekursantwort hätte vorbringen müssen, zu belegen versucht; sie begnügte sich vielmehr mit blossen Bestreitungen, obschon sie noch im kantonalen Beschwerdeverfahren das Recht beanspruchte, das Verhältnis zwischen der Klägerin und deren Auftraggeber überprüfen zu dürfen, bevor sie die Aktien umtausche.
b) Beizupflichten ist der Vorinstanz auch darin, dass der Fiduziar bei Treuhandgeschäften Dritten gegenüber unbeschränkter Inhaber der übertragenen Rechte wird, insbesondere an den ihm anvertrauten Vermögenswerten volles Eigentum erwirbt, gleichviel auf welchem Rechtsgrund die Übertragung beruht. Das entspricht sowohl ständiger Rechtsprechung (BGE 96 II 93 E. 8a und 71 II 100 ff. mit Zitaten) wie der herrschenden Lehre (JÄGGI/GAUCH, N. 188 ff. zu Art. 18 OR und dort angeführtes Schrifttum). Daraus folgt, dass die Klägerin selbst als fiduziarische Eigentümerin von Inhaberaktien sich nicht bloss auf die gesetzliche Vermutung zu ihren Gunsten berufen kann, sondern gegenüber der Gesellschaft grundsätzlich auch Anspruch auf Umtausch der Aktien in Namenpapiere und auf Eintragung ins Aktienbuch hat.

3. Die Beklagte macht ferner geltend, das Obergericht verkenne, dass es gar nicht um Rechte aus Inhaberpapieren gehe, weil ihre Generalversammlung mit rechtsgültigem Beschluss vom 14. Dezember 1979, der unangefochten geblieben sei, die Inhaberaktien in Namenpapiere umgewandelt habe. Die Klägerin mache mit ihren Rechtsbegehren denn auch Ansprüche geltend, die nur einem "Namenaktionär" zustehen könnten, nämlich dass ihr Namenaktien ausgestellt werden und sie damit im Aktienbuch einzutragen sei. Die Vorweisung von Inhaberpapieren genüge dafür aber nicht; die Gesellschaft dürfe vom Ansprecher vielmehr zusätzliche Ausweise verlangen. Das Obergericht habe zudem die vom Verwaltungsrat festgesetzten Umtauschbedingungen zu Unrecht als unmassgeblich bezeichnet, da nach § 3 der Statuten der Verwaltungsrat die Übertragung von Namenaktien zu genehmigen habe, die Bedingungen für die Eintragung im Aktienbuch festlege (Abs. 4) und die Genehmigung auch ohne Begründung verweigern dürfe (Abs. 5).
BGE 109 II 239 S. 243
a) Aus diesen Befugnissen ihres Verwaltungsrates kann die Beklagte nichts zu ihren Gunsten ableiten. Sie übersieht, dass die entsprechenden Bestimmungen zur Statutenänderung vom 14. Dezember 1979 gehören und ihre Generalversammlung am gleichen Tag beschlossen hat, alle Inhaberaktien der Gesellschaft in vinkulierte Namenaktien umzuwandeln, die Klägerin die streitigen Wertpapiere aber schon am Stichtag gemäss Ziff. 5 der Umtauschbedingungen, nämlich am 30. November 1979 besessen hat, sie folglich noch früher erworben haben muss. Damit hatte die Klägerin zum vornherein Anspruch auf alle Rechte, die nur gestützt auf die Aktienurkunden geltend gemacht werden konnten und auch nach dem Umwandlungsbeschluss mit den Urkunden verbunden bleiben mussten (BGE 90 II 241, BGE 83 II 305; BÜRGI, N. 98 f. zu Art. 686 OR). Die Argumentation der Beklagten läuft darauf hinaus, den neuen Vinkulierungsvorschriften rückwirkende Kraft beimessen und einem Aktionär wohlerworbene Rechte absprechen zu wollen. Das eine wie das andere ist unzulässig.
Daran scheitert auch der Einwand, die Inhaberpapiere seien (jedenfalls) zur Zeit, als die Klägerin sie zum Umtausch einreichte, infolge des 1979 gefassten Umwandlungsbeschlusses der Gesellschaft Namenpapiere gewesen, weshalb die Klägerin nicht nur die weiteren Bedingungen für den Umtausch, sondern auch die statutarischen Voraussetzungen dafür habe erfüllen müssen. Die Vinkulierungsvorschriften gemäss § 3 Abs. 4 und 5 der Statuten gelten nach ihrem klaren Wortlaut lediglich für "die Übertragung von Namenaktien". Von einer solchen Übertragung kann hier im Ernst aber keine Rede sein, da die Klägerin mit den eingeklagten Ansprüchen bloss die bisherigen Inhaberaktien entsprechend dem Beschluss der Gesellschaft durch eine gleiche Anzahl Namenaktien ersetzt haben und von der Beklagten weiterhin als vollberechtigte Aktionärin behandelt werden will (vgl. BGE 81 II 541).
b) Die Umtauschbedingungen sind nach den eigenen Angaben der Beklagten von deren Verwaltungsrat festgesetzt und im Februar 1981 mit der Aufforderung an die Besitzer der bisherigen Inhaberaktien, ihre Titel bis spätestens 30. April 1981 einzuliefern, veröffentlicht worden. Auch die in den Weisungen an die Banken enthaltene Erklärung, dass fiduziarische Eintragungen von Namenaktien nicht gestattet seien, beruhte auf einem Beschluss des Verwaltungsrates. Es schadet der Klägerin nicht, dass sie sich erst im vorliegenden Verfahren auf die Unzulässigkeit einer solchen Einschränkung berufen hat, da Verwaltungsratsbeschlüsse
BGE 109 II 239 S. 244
nicht Gegenstand einer Anfechtungsklage gemäss Art. 706 OR sein können (BGE 76 II 61 ff.). Wie es sich verhalten würde, wenn die Einschränkung durch die Generalversammlung der Gesellschaft beschlossen worden wäre, braucht unter diesen Umständen nicht geprüft zu werden.
Dass die Vorinstanz die Umtauschbedingungen teils als gültig, teils als ungültig bezeichnet und erklärt hat, der Verwaltungsrat habe "auf diesem Weg" keine bindenden Rechtsnormen schaffen können, ergibt keinen Widerspruch. Das Obergericht hielt diese Bedingungen bloss insoweit für unbeachtlich, als sie sich mit zwingenden Vorschriften des Aktien- und Wertpapierrechts nicht vertragen (BGE 86 II 86 E. 5, BGE 84 II 555). Die Klägerin hält der Beklagten zudem mit Recht entgegen, im kantonalen Verfahren nicht verlangt zu haben, dass auf Nichtigkeit überhaupt zu erkennen, der Umtausch von Inhaberaktien in Namenaktien samt der damit zusammenhängenden Statutenänderung also rückgängig zu machen sei, wenn die Umtauschbedingungen sich teilweise als nichtig erweisen sollten. Das Obergericht hatte auch daher weder nach Aktienrecht noch nach Art. 20 OR einen Anlass, die Umtauschbedingungen in ihrem vollen Umfang für unverbindlich zu erklären. Dies gilt um so mehr, als Art. 20 Abs. 2 OR nach seinem Sinn und Zweck eine Schutzbestimmung zugunsten der Partei ist, die bei Teilnichtigkeit des Rechtsverhältnisses benachteiligt würde, daran im übrigen aber selber festhält (BGE 107 II 423 E. 3a mit Hinweisen).
c) Nach dem, was tatsächlich feststeht und in rechtlicher Hinsicht gilt, hat das Obergericht nicht bloss den Anspruch der Klägerin auf Ausstellung von Namenaktien, sondern auch deren Begehren um Eintragung im Aktienbuch zu Recht geschützt. Die Beklagte vermengt die beiden Begehren zu Unrecht miteinander. Das erste ergibt sich daraus, dass die Klägerin alle streitigen Inhaberaktien samt den damit verbundenen Rechten eines Aktionärs beizeiten erworben hat, sich folglich nach Treu und Glauben auf die Aufforderung der Beklagten berufen kann, die bisherigen Titel zum Umtausch in Namenaktien einzuliefern; das zweite ist eine Rechtsfolge ihres Anspruchs auf Aushändigung von Namenaktien (BGE 76 II 67/68; BÜRGI, N. 30 und 36 zu Art. 686 OR).

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Sachverhalt

Erwägungen 2 3

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