BGE 111 II 97 |
23. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. September 1985 i.S. S. gegen die Stiftung C.G. Jung-Institut Zürich und den Regierungsrat des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) |
Regeste |
Stiftungsaufsicht über eine Schule (Art. 84 Abs. 2 ZGB) |
Sachverhalt |
S. reichte bei der Erziehungsdirektion des Kantons Zürich stiftungsrechtliche Aufsichtsbeschwerde ein. Mit Verfügung vom 12. April 1984 hiess die Erziehungsdirektion die Beschwerde teilweise gut, hob den Exmatrikulationsbeschluss auf und lud das C.G. Jung-Institut ein, S. zu den weiteren Diplomprüfungen zuzulassen. |
B.- Das C.G. Jung-Institut erhob gegen diese Verfügung beim Regierungsrat des Kantons Zürich Rekurs, der mit Beschluss vom 6. Februar 1985 gutgeheissen wurde. Die Verfügung der Erziehungsdirektion wurde aufgehoben, soweit darin auf die Aufsichtsbeschwerde eingetreten worden war.
|
C.- Gegen diesen Beschluss des Regierungsrates wendet sich S. mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 29. März 1985 an das Bundesgericht. Sie beantragt, der angefochtene Beschluss des Regierungsrates sei aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
|
Das C.G. Jung-Institut beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die Direktion der Justiz des Kantons Zürich im Auftrage des Regierungsrates sowie das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement stellen ebenfalls Antrag auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
|
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab und bestätigt den angefochtenen Beschluss des Regierungsrates.
|
Aus den Erwägungen: |
Im Rahmen seines Ausbildungsprogrammes bildet das Institut Studierende u.a. für die analytische Arbeit mit Erwachsenen aus. Das Studium richtet sich nach dem sogenannten "Regulativ für das Ausbildungsprogramm". Danach kann das Studium nach mindestens sechs Semestern mit dem Diplom als Analytiker abgeschlossen werden; indessen bietet selbst der erfolgreiche Abschluss des Diplomexamens gemäss ausdrücklicher Vorschrift keine Gewähr für die Verleihung des Diploms. Diesen Entscheid fällt in jedem Fall das gegenwärtig aus neun Mitgliedern bestehende Curatorium (Stiftungsrat) unter Berücksichtigung der Empfehlung der Auswahlkommission. Kommt diese Auswahlkommission zum Schluss, dass ein Kandidat die menschlichen oder fachlichen Voraussetzungen für die Diplomierung noch nicht erreicht hat, empfiehlt sie, den Kandidaten für die Diplomierung zurückzustellen und zu einem späteren Zeitpunkt erneut zu beurteilen. Aus sehr schwerwiegenden Gründen kann das Curatorium dem Kandidaten auch jederzeit ohne Angabe von Gründen die Fortsetzung der Ausbildung verweigern. |
b) Es zeigt sich somit, dass dem Curatorium bei der Verleihung des Diploms und bei der Exmatrikulation von Studenten nach den Bestimmungen des Regulativs ein weites Ermessen zusteht. Vor Bundesgericht ist einzig noch strittig, ob und gegebenenfalls in welchem Umfange sich die Stiftungsaufsicht gemäss Art. 84 Abs. 2 ZGB auch auf derartige Ermessensentscheide erstrecken kann, welche die Prüfungsabnahme und die Schulführung im engern Sinne betreffen.
|
3. Gemäss Art. 84 Abs. 2 ZGB hat die Aufsichtsbehörde allgemein dafür zu sorgen, dass das Stiftungsvermögen seinen Zwecken gemäss verwendet wird. Sie hat darüber zu wachen, dass die Organe der Stiftung keine Verfügungen treffen, die der Stiftungsurkunde oder dem Reglement bzw. dem Gesetz widersprechen oder unsittlich sind (BGE 108 II 499 E. 5 mit Hinweisen; RIEMER, N. 48 f. zu Art. 84 ZGB). Die Aufsicht erstreckt sich aber nicht nur auf die Anlage und Verwendung des Stiftungsvermögens im engeren Sinne, sondern in dieser Hinsicht auch auf die generellen Anordnungen der Stiftungsorgane wie den Erlass von Reglementen und Statuten usw. und auf die Verwaltung im allgemeinen. In reinen Ermessensfragen hat sich die Aufsichtsbehörde indessen grösste Zurückhaltung aufzuerlegen. Sie hat nur dann einzugreifen, wenn die Stiftungsorgane bei der Ausführung des Stifterwillens das ihnen zustehende Ermessen überschritten oder missbraucht haben, mit andern Worten, wenn ein Entscheid unhaltbar ist, weil er auf sachfremden Kriterien beruht oder einschlägige Kriterien ausser acht lässt. Greift die Aufsichtsbehörde ohne gesetzliche Grundlage in den Autonomiebereich der Stiftungsorgane ein, so verletzt sie Bundesrecht (BGE 108 II 500 mit Hinweis, BGE 106 II 269 unten; RIEMER, N. 123 zu Art. 84 ZGB). |
a) Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass das C.G. Jung-Institut dem Stiftungszweck entsprechend ein Lehr- und Forschungsinstitut ist und in diesem Rahmen Analytiker ausbildet. Bei solchen Ausbildungsinstituten hat die Art der Schulführung im allgemeinen und die Ausgestaltung der Prüfungsordnung regelmässig unmittelbaren Einfluss auf das Ansehen der betreffenden Ausbildungsstätte und damit auf die Zahl der Studenten. Dadurch wirken sich die Schulführung und die Prüfungsordnung mittelbar auch auf die Vermögensverhältnisse des Instituts bzw. der Stiftung aus. Die Stiftungsaufsicht erstreckt sich daher gemäss Art. 84 Abs. 2 ZGB insofern zweifellos auch auf die Schulführung sowie den Lehrplan und die Prüfungsordnung.
|
Zudem sind durch die Stiftungsaufsicht in einem umfassenden Sinne auch die öffentlichen Interessen wahrzunehmen, indem insbesondere dafür zu sorgen ist, dass die Stiftungsorgane das objektive Recht beachten (BGE 105 II 73). Die Stiftungsorgane können daher auch daraufhin überwacht werden, dass sie durch die Art der Schulführung und die allgemeine Prüfungsgestaltung den Stiftungszweck nicht generell in Frage stellen oder Statuten und Reglemente verletzen. Dem Regierungsrat ist folglich darin beizupflichten, dass bei einer Stiftungsschule hinsichtlich der Schulführung kein genereller Ausschluss der Aufsicht gerechtfertigt ist, wie in VEB 33/1966-1967 Nr. 28 postuliert wird. In bezug auf die Schulführung und die allgemeine Prüfungsgestaltung ist jedoch der Entscheid der Erziehungsdirektion, die diesbezüglich jede Willkür verneint hatte, nicht angefochten worden, so dass die Anordnungen der Stiftungsorgane in dieser Hinsicht nicht weiter zu prüfen sind.
|
b) Wenn der Stiftungszweck wie im vorliegenden Fall in der Stiftungsurkunde und in sonstigen Anordnungen des Stifters nur sehr allgemein umschrieben ist, so ist es der Stiftungsaufsicht verwehrt, sich in konkrete Einzelanordnungen der zuständigen Stiftungsorgane einzumischen. Dies gilt jedenfalls so lange, als sich diese Einzelanordnungen nicht in einem offensichtlichen Widerspruch zu den Stiftungsstatuten befinden, offenbar dem Gesetz widersprechen oder in sachlich nicht gerechtfertigter und damit willkürlicher Weise den weitgesteckten Rahmen der Ermessensautonomie sprengen. Dieser Rahmen gilt auch unabhängig davon, ob die Stiftung in den letzten Jahren allenfalls ihre Tätigkeit wesentlich erweitert hat, ohne ihre Zweckbestimmung in der Stiftungsurkunde zu ändern, wie die Beschwerdeführerin geltend macht. Solange sich die Einzelanordnungen der Stiftungsorgane im Rahmen des geltenden Stiftungszweckes halten, bleibt es der Aufsichtsbehörde verwehrt, diese auf ihre Angemessenheit zu überprüfen. |
Ist die Stiftung Trägerin einer Ausbildungsstätte, so ist bei der Ausübung der Stiftungsaufsicht um so grössere Zurückhaltung am Platz, als die Beziehungen der Stiftung zu den Destinatären weitgehend auf einem privatrechtlichen Unterrichtsvertrag beruhen, worin die Schüler auch die Studiums- und Prüfungsgestaltung anerkennen. Soweit die Ansprüche der Beschwerdeführerin vertraglicher Natur sind, müsste sie daher den zivilprozessualen Weg beschreiten. Für den vorliegenden Fall gilt dies um so mehr, als die Verhältnisse zwischen der Beschwerdeführerin und dem Institut sehr komplex sind und deren Ansprüche nicht zum vornherein als ausgewiesen erscheinen. In Fällen, wo über die geltend gemachten Ansprüche der Destinatäre ernsthafte Zweifel bestehen, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts eine konkurrierende Zuständigkeit von Richter und Aufsichtsbehörde ausgeschlossen und der Entscheid dem Zivilrichter zu überlassen (BGE 108 II 500 E. 6).
|
c) Zu beachten ist auch, dass anders organisierte - z.B. durch einen Verein getragene oder in die Form einer AG gekleidete - private Schulen nicht einer ähnlichen öffentlichen Aufsicht unterstehen. Es ist daher nicht einzusehen, weshalb im Bereich der konkreten Anwendung von Prüfungsreglementen auf einzelne Studierende eine staatliche Aufsicht über Stiftungsschulen gerechtfertigt sein soll, über anders organisierte private Schulen hingegen nicht. Dabei vermag auch der Hinweis der Beschwerdeführerin, das C.G. Jung-Institut befinde sich in einer Konkurrenzsituation zur öffentlichen Universität und es bestehe ein allgemeines öffentliches Interesse an den Geschehnissen an diesem Institut, nicht zu bewirken, dass die Aufsichtsbehörden Entscheide der Stiftungsorgane über den Ausschluss einzelner Absolventen von den Abschlussprüfungen zu überprüfen haben. Ebensowenig kann die Beschwerdeführerin etwas für ihren Standpunkt ableiten, indem sie eine solche Überprüfungspflicht auf die kantonalrechtliche Aufsicht über höhere öffentliche Lehranstalten abstützen will. Denn dies lässt den angefochtenen Entscheid des Regierungsrates, der sich zutreffenderweise ausschliesslich auf Bundesrecht stützt, nicht als bundesrechtswidrig erscheinen. |
d) Hinsichtlich der noch allein streitigen Frage, ob die Beschwerdeführerin auf willkürliche Weise exmatrikuliert worden sei, steht nun ganz offensichtlich kein konkretes öffentliches Interesse auf dem Spiel. Es geht auch nicht um ein Vorkommnis, das den Statuten, dem Stiftungszweck oder andern Anordnungen des Stifters entgegensteht. Wie die Beschwerdeführerin selbst darlegt, wurde sie aus persönlichen Gründen ausgeschlossen, die sie nach der Ansicht des Curatoriums als Jungsche Analytikerin ungeeignet erscheinen lassen. Derartige, mit der besonderen Art der Ausbildung zur Analytikerin eng zusammenhängende Kriterien der Persönlichkeitsbeurteilung lassen sich schlechterdings nicht zum Gegenstand einer Aufsichtsbeschwerde machen. Die Frage, ob in der Persönlichkeitsstruktur der Beschwerdeführerin genügend schwerwiegende Gründe liegen, um diese nicht zu den weiteren Diplomprüfungen zuzulassen und vom Institut auszuschliessen, entzieht sich der Prüfung der stiftungsrechtlichen Aufsichtsbehörden. Diese wären, wie gerade der vorliegende Fall zeigt, zu einer solchen Beurteilung fachlich auch kaum in der Lage.
|