Dass vor der Adoption ein Pflegeverhältnis von mindestens zwei Jahren bestanden haben muss, ist eine zwingende gesetzliche Voraussetzung (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 12. Mai 1971 über die Änderung des Zivilgesetzbuches, Adoption und Art. 321 ZGB, BBl 1971 I/2, S. 1217). Durch das zweijährige Pflegeverhältnis soll
BGE 111 II 230 (232):
der Beweis dafür erbracht werden, dass es nicht nur zu einer bloss oberflächlichen, sondern zu einer dauerhaften seelisch-geistigen Beziehung zwischen Adoptiveltern und Adoptivkind gekommen ist, wie sie in der Regel dem Verhältnis zwischen einem Kind und seinen natürlichen Eltern eigen ist. Es soll das Zusammenleben im Alltag erprobt worden sein; die Beteiligten sollen die Gelegenheit gehabt haben, sich aneinander zu gewöhnen. Diese Funktion kann das vom Gesetz verlangte Pflegeverhältnis naturgemäss nur dann erfüllen, wenn die Adoptiveltern das Kind im eigenen Heim aufnehmen und es persönlich betreuen. Die Adoption eines Unmündigen ist deshalb offensichtlich unstatthaft, wenn die Adoptiveltern das Kind wohl finanziell unterstützt, es aber nur gelegentlich, etwa während der Ferien, zu sich genommen haben (BGE 101 II 9 E. 2). Die Auffassung, dass aus den erwähnten Gründen ein Kind mit seinen künftigen Adoptiveltern in einer eigentlichen Hausgemeinschaft gelebt haben müsse, wird von der Lehre geteilt (vgl. SCHNYDER, Supplement Kindesrecht zu TUOR/SCHNYDER, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 9. Aufl., S. 27; HEGNAUER, N. 29 und 35 zu Art. 264 ZGB und Grundriss des Kindesrechts, 2. Aufl., S. 69; HESS, Die Adoption in rechtlicher und sozialpädagogischer Sicht, S. 14; EICHENBERGER, Die materiellen Voraussetzungen der Adoption Unmündiger nach neuem schweizerischem Adoptionsrecht, Diss. Freiburg, S. 127 ff.).