7. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. Januar 1988 i.S. Politische Gemeinde St. Moritz gegen Grundbuchamt Oberengadin und Regierungsrat des Kantons Graubünden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
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Regeste
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Grundbuchliche Verfügung; Ausweis über den Rechtsgrund (Art. 965 Abs. 1 und 3 ZGB).
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Sachverhalt
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BGE 114 II 36 (37):
A.- Mit öffentlich beurkundetem Dienstbarkeitsvertrag vom 27. Oktober 1986 räumte G. C. der Politischen Gemeinde St. Moritz auf drei Parzellen ein unentgeltliches und dauerndes Fusswegrecht zugunsten der Öffentlichkeit ein. Der Vertrag wurde seitens der Gemeinde St. Moritz vom Gemeindepräsidenten sowie dem Aktuar unterzeichnet und sofort zur Eintragung ins Grundbuch St. Moritz angemeldet.
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Da die Gemeinde St. Moritz den vom Grundbuchverwalter verlangten Gemeindebeschluss über den Abschluss des Dienstbarkeitsvertrages nicht nachreichte, wies das Grundbuchamt Oberengadin die Anmeldung am 4. November 1986 ab.
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B.- Die Politische Gemeinde St. Moritz erhob gegen die Abweisung der Anmeldung Beschwerde bei der Regierung des Kantons Graubünden. Diese wies die Beschwerde mit Entscheid vom 24. August 1987 ab.
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C.- Gegen diesen Entscheid wendet sich die Politische Gemeinde St. Moritz mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Sie beantragt, den angefochtenen Entscheid aufzuheben. Es sei festzustellen, dass die Beschwerdeführerin für den Dienstbarkeitsvertrag vom 27. Oktober 1986 sowie für später abgeschlossene oder noch abzuschliessende Verträge über dingliche Rechte an Grundeigentum keinen Protokollauszug über den Beschluss der dafür zuständigen Behörde beizubringen habe. Ferner sei die Abweisung der Grundbuchanmeldung vom 4. November 1986 aufzuheben und das Grundbuchamt Oberengadin sei anzuweisen, den angemeldeten Diensbarkeitsvertrag vom 27. Oktober 1986 sowie alle seither von der Gemeinde St. Moritz abgeschlossenen und in Zukunft abzuschliessenden Verträge über dingliche Rechte an Grundstücken im Grundbuch St. Moritz einzutragen.
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BGE 114 II 36 (38):
Das Grundbuchamt Oberengadin beantragt sinngemäss, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abzuweisen. Die Regierung des Kantons Graubünden und das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement schliessen ebenfalls auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
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Auszug aus den Erwägungen:
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a) Gemäss Art. 17 GBV hat der Grundbuchverwalter die Zuständigkeit zur Vornahme der Anmeldung zu prüfen, wenn diese durch eine Behörde oder einen Beamten erfolgt.
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Diese Bestimmung steht im vorliegenden Fall nicht zur Diskussion. Die strittige Anmeldung zur Eintragung ist nämlich als besondere Bestimmung in den Dienstbarkeitsvertrag aufgenommen worden. Die Anmeldung ging somit vom verfügungsberechtigten Eigentümer aus, der der Beschwerdeführerin zugunsten der Öffentlichkeit ein unentgeltliches Fusswegrecht eingeräumt hat. Für eine zusätzliche Anwendung von Art. 17 GBV betreffend Prüfungspflicht bei einer Anmeldung durch eine Behörde bleibt daher kein Raum.
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b) Gemäss Art. 965 Abs. 1 ZGB dürfen grundbuchliche Verfügungen, wie Eintragung, Änderung und Löschung, in allen Fällen nur aufgrund eines Ausweises über das Verfügungsrecht und den Rechtsgrund erbracht werden. Der Ausweis über den Rechtsgrund wird nach Art. 965 Abs. 3 ZGB durch den Nachweis erbracht, dass die für dessen Gültigkeit erforderliche Form erfüllt ist.
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Im vorliegenden Fall haben die Vertragsparteien am 27. Oktober 1986 einen Dienstbarkeitsvertrag öffentlich beurkunden lassen. Die Anforderungen an die äussere Form des Vertrages sind daher zweifellos erfüllt (Art. 732 ZGB und Art. 19 Abs. 2 GBV). In diesem Dienstbarkeitsvertrag ist der Beschwerdeführerin ein unentgeltliches und dauerndes Fusswegrecht zugunsten der Öffentlichkeit eingeräumt worden. Es handelt sich demnach um einen Vertrag mit Schenkungscharakter. Ein solcher Vertrag kommt jedoch nur dann rechtsgültig zustande, wenn der Beschenkte die Zuwendung annimmt (Art. 244 OR).
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BGE 114 II 36 (39):
3. Gemäss Art. 36 Ziff. 15 der Verfassung der Gemeinde St. Moritz obliegt der Abschluss von Verträgen über dingliche Rechte an Grundeigentum - unter Vorbehalt der Zuständigkeit der Bürgergemeinde - dem Gemeinderat. Der Gemeindepräsident und der Aktuar können einen Dienstbarkeitsvertrag somit nicht in eigener Kompetenz abschliessen.
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Anderseits vertritt der Gemeindepräsident die Gemeinde nach aussen und führt zusammen mit dem Gemeindeschreiber oder dessen Vertreter die verbindliche Unterschrift für die Gemeinde (Art. 52 der Gemeindeverfassung). Es stellt sich daher die Frage, ob der Gemeindepräsident zusammen mit dem Gemeindeschreiber die Gemeinde auch dann verbindlich verpflichten könne, wenn die Willensbildung im Innenverhältnis nicht korrekt erfolgt ist. Ist dies zu bejahen, so besteht für den Grundbuchverwalter grundsätzlich kein Anlass zu prüfen, ob der Vertrag vom zuständigen Gemeindeorgan genehmigt worden ist. Denn die materielle Richtigkeit der Grundbucheintragung wäre unter dieser Voraussetzung in jedem Fall gewährleistet.
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a) Die Lehre steht vorwiegend auf dem Standpunkt, der Grundbuchverwalter habe bei einem Vertragsschluss durch das Gemeinwesen auch zu prüfen, ob das Rechtsgrundgeschäft vom zuständigen Organ genehmigt worden sei (vgl. HOMBERGER, Zürcher Kommentar, N 43, 46 und 50 zu Art. 965 ZGB, mit Hinweisen). Damit setzt sie sinngemäss voraus, das Gemeinwesen werde nicht verpflichtet, wenn seine Vertreter ohne den entsprechenden Beschluss des zuständigen Gemeinwesens gehandelt haben. Eine nähere Begründung wird jedoch nicht angeführt. SCHWAGER (Die Vertretung des Gemeinwesens beim Abschluss privatrechtlicher Verträge, Diss. Freiburg 1974, S. 258 f. sowie S. 270 ff.) vertritt demgegenüber die Auffassung, jedes Gemeinwesen benötige mindestens ein Vertretungsorgan, dessen Vertretungsmacht in der Regel nicht von der Willensbildung des zuständigen Organs abhängig sei. Demzufolge verlangt dieser Autor für grundbuchliche Vorgänge nur dann den Nachweis des entsprechenden Beschlusses des zuständigen Organs, wenn dem Vertretungsorgan keine umfassende Vertretungsmacht zugekommen ist (a.a.O., S. 276 f.).
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b) Welcher Auffassung zu folgen ist und ob der Gemeindepräsident zusammen mit dem Gemeindeschreiber grundsätzlich eine umfassende Vertretungsmacht im Sinne der Ausführungen von SCHWAGER besessen hätte, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben. Bei der öffentlichen Beurkundung des Dienstbarkeitsvertrages BGE 114 II 36 (40):
waren sich nämlich alle Beteiligten bewusst, dass es zum rechtsgültigen Abschluss des Vertrages eines entsprechenden Beschlusses einer weiteren Behörde bedurfte. Nach den unbestrittenen Feststellungen der kantonalen Behörde machte der Grundbuchverwalter die Anwesenden in seiner Eigenschaft als Urkundsperson auf das Fehlen dieses Beschlusses aufmerksam und wies sie darauf hin, dass es ohne den entsprechenden Nachweis zu einer Abweisung der Anmeldung kommen werde. Die Beurkundung des Vertrages erfolgte überhaupt nur auf ausdrücklichen Wunsch der Gemeindevertreter, damit diese bei einer Abweisung der Anmeldung in den Besitz einer beschwerdefähigen Verfügung gelangten. Unter diesen Umständen hat der Grundbuchverwalter seine Prüfungsbefugnis nicht überschritten, wenn er die Eintragung ohne den Nachweis über den entsprechenden Beschluss der zuständigen Behörde abgewiesen hat. Zwar hat das Bundesgericht wiederholt festgehalten, die Prüfungsbefugnis des Grundbuchverwalters erstrecke sich bezüglich des Rechtsgrundes vor allem auf die Einhaltung der erforderlichen Form (BGE 110 II 131; BGE 107 II 213; vgl. auch BGE 112 II 29 ff. E. 2). Zugleich sind jedoch Vorbehalte für besonders krasse Mängel, so für den Fall der offenkundigen Nichtigkeit des Rechtsgrundausweises gemacht worden. Angesichts der allseitig bekannten erheblichen Mängel beim Vertragsschluss verletzt die Abweisung ohne die entsprechende Ergänzung des Rechtsgrundausweises daher kein Bundesrecht (Art. 966 Abs. 1 ZGB sowie Art. 24 Abs. 1 GBV).
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