BGE 114 II 53 |
10. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 1. März 1988 i.S. X. gegen Y. (Berufung) |
Regeste |
Totalunternehmervertrag: Rechtsnatur, Rücktritt des Bestellers. |
Sachverhalt |
Y. wollte ein Haus bauen und kaufte auf ein Zeitungsinserat hin am 3. Juni 1981 von Z. ein Grundstück in O. Z. empfahl Y., den Bau durch X., seinen "Hausarchitekten", ausführen zu lassen. Am 11. Juni 1981 schloss Y. mit X. unter Verwendung des SIA-Formulars 1023 (1977) eine als Werkvertrag betitelte Vereinbarung, in welcher X. als Generalunternehmer mit der schlüsselfertigen Erstellung eines Einfamilienhauses zum Preise von Fr. 445'368.-- beauftragt wurde. Art. 7 des Vertrages legte die Zahlungsfristen für den Bauherrn fest und bestimmte, dieser entscheide erst am 30. Juni über das Raumprogramm und den Haustyp; ferner wurde festgestellt, der Baukubus von 840 m3 sei in Abhängigkeit des Raumprogramms und des Haustyps noch veränderbar, durch eine Veränderung müsste der Pauschalvertrag, das heisst die Summe, neu berechnet werden. |
Nachdem die Vertragsparteien Projektvarianten besprochen hatten, unterbreitete X. am 11. September 1981 ein abgeändertes Projekt mit 1208,3 m3 umbautem Raum und Baukosten von Fr. 621'185.35. Y. erklärte sich ausserstande, dieses Projekt zu finanzieren, und trat in der Folge vom Vertrag zurück. Darauf fanden zwischen Y. und X. Verhandlungen über die Vertragsauflösung und die sich daraus ergebenden Folgen statt. X. erklärte sich mit der Vertragsauflösung unter der Bedingung einverstanden, dass ihm Y. die geleisteten Anzahlungen von insgesamt Fr. 45'000.-- als Schadenersatz im Sinne von Art. 377 OR überlasse.
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Als diese Verhandlungen gescheitert waren, reichte Y. beim Bezirksgericht Höfe Klage gegen X. ein, mit der er im wesentlichen beantragte, es sei festzustellen, dass die Auflösung des Rechtsverhältnisses der Parteien unter den Regeln des Auftragsrechts stehe; ferner sei der Beklagte zur Rückerstattung von Fr. 45'000.-- und zur Zahlung von Fr. 1'700.-- Schadenersatz zu verpflichten.
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Mit Urteil vom 7. Februar 1986 sprach das Bezirksgericht dem Kläger Er. 38000.-- zu. Auf Appellation des Beklagten bestätigte das Kantonsgericht des Kantons Schwyz am 16. Juni 1987 das Urteil des Bezirksgerichts.
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Das Bundesgericht weist die vom Beklagten gegen das Urteil des Kantonsgerichts erhobene Berufung ab.
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Aus den Erwägungen: |
2. a) Der Begriff des Totalunternehmers basiert auf demjenigen des Generalunternehmers. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass er die gesamte Ausführung eines Bauwerkes übernimmt, im Gegensatz zum Teilunternehmer, welcher sich an der Errichtung eines Bauwerkes mit einer spezifischen Leistung beteiligt (GAUCH, Der Werkvertrag, 3. A., S. 52 Rz. 179 und S. 54 Rz. 183 ff.). Davon unterscheidet sich der Totalunternehmer dadurch, dass er auch die Planungsarbeiten, namentlich die Projektierungsarbeiten, für das vom Bauherrn bestellte Bauwerk leistet (GAUCH, Der Werkvertrag, 3. A., S. 56 Rz. 194). |
Die Rechtsnatur des Totalunternehmervertrages ist umstritten. Nach der einen Auffassung qualifiziert er sich als reiner Werkvertrag, und zwar unbesehen darum, ob er auf einem bereits vorhandenen Projekt gründet oder ob das Projekt erst auszuarbeiten ist (GAUCH, Der Werkvertrag, 3. A., S. 57 ff. Rz. 196 ff.; SCHLUEP, Schweiz. Privatrecht, Bd. VII/2, S. 905; SCHUMACHER, Bauen mit einem Generalunternehmer, Baurecht 1983 S. 43 f.; derselbe, Die Haftung des Architekten aus Vertrag, in: Das Architektenrecht, S. 105 ff., S. 109 Rz. 365; SCHNEWLIN, Zur Rechtsnatur des Bauvertrages, insbesondere des Generalunternehmervertrages, ZBGR 61/1980 S. 367 ff.). Nach anderer Meinung soll dagegen ein gemischtes Vertragsverhältnis vorliegen, das sich in eine auftragsrechtliche Planungsphase und eine werkvertragsrechtliche Ausführungsphase gliedert (PEDRAZZINI, Schweiz. Privatrecht, Bd. VII/1, S. 508 f.; MOSIMANN, Der Generalunternehmervertrag im Baugewerbe, Diss. Zürich 1972, S. 82 ff.).
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b) Keiner weiteren Erörterung bedarf, dass die Ausführung des Bauwerkes, die Generalunternehmerkomponente des Totalunternehmervertrages, dem Recht des Werkvertrages untersteht. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 107 II 50 ff., BGE 97 II 68 E. 1) und ist auch in der Lehre unbestritten.
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Zu prüfen ist demgegenüber, ob in bezug auf die der Ausführung des Werkes vorangehende Planungsphase, die eigentliche Architektenarbeit, andere Regeln zur Anwendung gelangen, namentlich diejenigen über den Auftrag.
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Die frühere Rechtsprechung des Bundesgerichts unterstellte die separate Herstellung von Skizzen, Bauprojekten, Ausführungs- und Detailplänen vollumfänglich und den Gesamtvertrag des Architekten mindestens hilfsweise dem Werkvertragsrecht (BGE 63 II 176ff.). Im Jahre 1972 hat das Gericht erstmals seine Rechtsprechung geändert und den Architektenvertrag in jedem Falle vorbehaltlos den Regeln des einfachen Auftrages unterstellt (BGE 98 II 310 E. 3). Dem lag die Auffassung zugrunde, dass Projekte und Pläne der Architekten Ergebnisse geistiger Arbeit seien und daher nur Gegenstand eines Auftrages sein könnten; der Werkvertrag beschränke sich auf die Herstellung körperlicher Werke. Bereits im Jahre 1983 ist indes das Gericht auf seine frühere Praxis zurückgekommen (BGE BGE 109 II 464 ff.). Es erkannte, dass die selbständige Erstellung von Ausführungsplänen und Kostenvoranschlägen, allenfalls sogar die Ausarbeitung eines Bauprojektes, durchaus Inhalt eines Werkvertrages sein könne. Andere Aufgaben wie Arbeitsvergebung und Bauaufsicht seien dagegen als Auftrag zu erfassen. Dies führe dazu, dass der Gesamtvertrag des Architekten als gemischter Vertrag zu beurteilen sei, welcher erlaube, je nach den konkreten Umständen eine sachgerechte Lösung nach Massgabe des Auftrags- oder des Werkvertragsrechts zu finden. An dieser Praxis hat das Bundesgericht seither festgehalten. Entgegen Meinungsäusserungen in der Literatur (GAUCH, Baurecht, 1986, S. 61; derselbe in: Das Architektenrecht, S. 16; DESSEMONTET, ZSR 106/1987, II, S. 124; MERZ, ZBJV 123/1987, S. 228) wurde mit BGE 111 II 72 Nr. 17 die Rechtsprechung nicht erneut im Sinne einer ausschliesslichen Anwendung des Auftragsrechts geändert. In der Erwägung 2a und b dieses Urteils (veröffentlicht in Pra 74, 1985, S. 519/20) wurde darauf hingewiesen, dass vor allem Sorgfalts- und Beratungspflichten des Architekten zu beurteilen seien, der die Arbeiten der beteiligten Fachleute zu koordinieren hatte. Zudem habe auch ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Architekten bestanden. In diesem Zusammenhang gewürdigt, kann die Feststellung, es komme Auftragsrecht zur Anwendung. nicht in eine - im übrigen offensichtlich nicht beabsichtigte - Praxisänderung in bezug auf die rechtliche Qualifikation des Gesamtvertrages des Architekten umgedeutet werden. |
Für eine ausführlichere Erörterung dieses Themas besteht hier indes kein Anlass, da sich die Frage nach der Qualifikation des Gesamtvertrages des Architekten im vorliegenden Verfahren nicht stellt. Entscheidend ist jedoch, dass mit der Anerkennung des Geist-Werkvertrages durch die jüngere bundesgerichtliche Rechtsprechung die selbständige Ausführung von Projektierungsarbeiten, welche in einem zu realisierenden Projekt ihren Niederschlag finden, den Bestimmungen der Art. 363 ff. OR über den Werkvertrag zu unterstellen ist. Auf diese Auffassung, die im Schrifttum mehrheitlich Zustimmung gefunden hat (vgl. die Nachweise bei DESSEMONTET, a.a.O., S. 125 Fn. 153), ist auch in Würdigung der weiterhin daran geübten Kritik (DESSEMONTET, a.a.O., S. 125 Fn. 152) nicht zurückzukommen.
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c) Unterstehen demnach sowohl die Planung wie die Ausführung des Bauwerkes den Regeln über den Werkvertrag, so hat das zwangsläufig auch für den diese Leistungen gesamthaft umfassenden Totalunternehmervertrag zu gelten (GAUCH, Der Werkvertrag, 3. A., S. 57 Rz. 196 ff.). Für die Anwendung auftragsrechtlicher Vorschriften bleibt somit kein Raum mehr. Das gilt auch für die Frage der Vertragsauflösung durch den Bauherrn. Diesbezüglich sind unabhängig vom Zeitpunkt die Regeln des Werkvertrages anwendbar. |