114 II 106
Urteilskopf
114 II 106
17. Urteil der I. Zivilabteilung vom 10. Mai 1988 i.S. Deutsche Messe- und Ausstellungs AG gegen Cebit AG (Berufung)
Regeste
Unlauterer Wettbewerb durch Nachahmung eines Handelsnamens.
1. Art. 8 und 10bis PVÜ . Anspruch einer ausländischen Gesellschaft auf Namensschutz im schweizerischen Wettbewerb; Voraussetzungen (E. 2).
2. Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 lit. d aUWG. Zwei Unternehmen stehen auch dann miteinander im Wettbewerb, wenn die Tätigkeit des einen in der Organisation und Veranstaltung einer Handelsmesse für bestimmte Waren besteht und das andere solche Waren vertreibt. Täuschung durch Nachahmung des Handelsnamens (E. 3).
3. Art. 2 Abs. 2 ZGB. Umstände, unter denen eine Verwirkung des Klagerechts durch Zuwarten zu verneinen ist (E. 4).
A.- Die Deutsche Messe- und Ausstellungs AG, Hannover (BRD), veranstaltet jährlich insbesondere die sogenannte Hannover-Messe, in deren Rahmen sie jeweils unter der Bezeichnung "CeBIT" auch eine Sondermesse für Büro- und Informationstechnik abhalten lässt. Die Bezeichnung "CeBIT" steht als Abkürzung für "Centrum der Büro- und Informationstechnik"; sie wird von der Sondermesse, für die auch in der Schweiz geworben wird, seit 1969 als Handelsname verwendet.
Die Cebit AG, Cham, handelt unter anderem mit "Produkten der Büroorganisation und Informationstechnik". Sie führt ihre
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Firma seit Dezember 1980. In ihrer Werbung und im geschäftlichen Verkehr verwendet sie neben der Firma auch den Zusatz "Centrum für Büro- und Informationstechnik".
B.- Die Deutsche Messe- und Ausstellungs AG erblickte in der Verwendung dieser Bezeichnungen unlauteren Wettbewerb und eine Verletzung des Namensrechts. Im Oktober 1983 klagte sie gegen die Cebit AG mit den Begehren: 1. festzustellen, dass die Beklagte durch die Verwendung der Firma "Cebit" in Alleinstellung oder mit dem erwähnten Zusatz widerrechtlich handle und der Klägerin gegenüber unlauteren Wettbewerb begehe; 2. der Beklagten diese Verwendung bei Strafe zu verbieten; 3. sie zu verurteilen, ihre Firma innert 30 Tagen nach Rechtskraft des Urteils zu ändern; 4. die Klägerin zur Veröffentlichung des Urteils zu ermächtigen. Die Beklagte widersetzte sich diesen Begehren.
Das Kantonsgericht und auf Appellation hin am 17. März 1987 auch das Obergericht des Kantons Zug wiesen die Klage ab, weil zwischen dem Dienstleistungsangebot der Klägerin und dem Warenangebot der Beklagten kein Wettbewerbsverhältnis anzunehmen und eine Beeinträchtigung des Namensrechts zu verneinen sei.
C.- Die Klägerin hat gegen das Urteil des Obergerichts Berufung eingelegt, mit der sie an ihren Rechtsbegehren festhält.
Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
Die Berufung wird vom Bundesgericht dahin gutgeheissen, dass das Urteil des Obergerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.
Aus den Erwägungen:
2. Das Obergericht geht zusammen mit den Parteien zu Recht davon aus, dass die Klägerin sich auf die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ) in der Stockholmer Fassung von 1967 berufen kann (SR 0.232.04), die von der Bundesrepublik Deutschland und von der Schweiz 1970 ratifiziert worden ist. Als Angehörige eines Verbandslandes ist die Klägerin in der Schweiz wie eine inländische Gesellschaft zu behandeln (Art. 2 Abs. 1 PVÜ); dies gilt insbesondere für ihren Handelsnamen, unbekümmert darum, dass er in der Schweiz weder eingetragen noch als Warenzeichen hinterlegt ist (Art. 8 PVÜ).
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Sie hat ferner Anspruch auf einen wirksamen Schutz gegen unlauteren Wettbewerb (Art. 10bis PVÜ).
Der Name "CeBIT" dient der Klägerin als Kurzbezeichnung einer Fachmesse, die von ihr jeweils im Frühjahr als Teil der Hannover-Messe veranstaltet wird und einen bestimmten Wirtschaftszweig betrifft. Die Eigenart der Sondermesse erhellt aus der vollständigen Bezeichnung "CeBIT-Welt-Centrum der Büro- und Informationstechnik", die nach den Akten vor allem in der Werbung verwendet wird. Das Kürzel "CeBIT", das auch in der Schreibweise "CEBIT" und "Cebit" vorkommt, hat daher sowohl für sich allein wie zusammen mit dem Zusatz den Charakter eines Handelsnamens im Sinne von Art. 8 PVÜ; beide sind folglich auf dem Gebiet der Schweiz nach Namens- und Wettbewerbsrecht wie inländische Geschäftsbezeichnungen geschützt, wenn und soweit die Beklagte durch die Übernahme der Bezeichnung die Voraussetzungen des unlauteren Wettbewerbes erfüllt oder die Klägerin in ihrem Namensrecht verletzt hat (BGE 98 II 59 /60 mit Hinweisen). Mangels Eintragung der Bezeichnung in einem schweizerischen Register kann die Klägerin sich dabei gegenüber der Beklagten auf einen prioritätsbegründenden Gebrauch berufen, der nach ihrer Werbung auch für das Gebiet der Schweiz zu bejahen ist. Dagegen versucht sie daraus, dass sie den Namen "Cebit" in der Bundesrepublik als Dienstleistungsmarke hinterlegen liess, zu Recht nichts zu ihren Gunsten abzuleiten, da dies nicht auf eine Gleichbehandlung, sondern auf eine Besserstellung hinausliefe.
3. Nach dem angefochtenen Urteil besteht zwischen den Parteien kein Wettbewerbsverhältnis im Sinne von Art. 1 aUWG, das am 1. März 1988 durch die Novelle vom 19. Dezember 1986 abgelöst worden (AS 1988 S. 223 ff.), vorliegend aber noch anwendbar ist. Das Obergericht ist der Auffassung, dass das Dienstleistungsangebot der Klägerin, bestehend in der Organisation und Veranstaltung einer Messe für Büro- und Informationstechnik, und der Handel der Beklagten mit Erzeugnissen der Bürobranche nicht unmittelbar dem gleichen Bedürfnis dienten. Dass die Klägerin Messebesuchern die Möglichkeit zu Käufen und Geschäftsabschlüssen verschaffe, sei lediglich eine Reflexwirkung ihrer Haupttätigkeit. Ebensowenig lasse sich sagen, dass die Beklagte ihr Warenangebot fördere, indem sie gleichzeitig das Angebot der Klägerin beeinträchtige. Die Klägerin erblickt darin eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 lit. d aUWG, insbesondere weil das Obergericht den Begriff des Wettbewerbsverhältnisses verkenne.
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a) Zwei Unternehmen stehen nur dann miteinander im Wettbewerb, wenn sie mit gleichartigen Waren oder Leistungen gleiche oder ähnliche Bedürfnisse befriedigen und sich wenigstens teilweise an den gleichen Abnehmerkreis wenden (BGE 108 II 329, BGE 98 II 60 mit Hinweisen). Das heisst nicht, dass für die Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses entweder nur Angebote von Waren oder nur Angebote von Leistungen in Frage kommen, wie die Vorinstanz anzunehmen scheint. Das leuchtet namentlich dann nicht ein, wenn die Angebote sich im einen wie im andern Fall auf den gleichen Warenbereich beziehen. Diesfalls ein Wettbewerbsverhältnis von der Art des Angebotes abhängig machen wollen, geht um so weniger an, als Art. 1 Abs. 2 lit. d aUWG irreführende Angaben nicht nur über eigene Waren oder Leistungen, sondern auch über andere Geschäftsverhältnisse genügen lässt, was in der neuen Bestimmung noch deutlicher zum Ausdruck kommt als in der alten. Zu bedenken ist ferner, dass die Anbieter nicht der gleichen Wirtschaftsstufe angehören müssen, es also auch bloss mittelbaren unlauteren Wettbewerb geben kann; der Wettbewerbsbegriff ist deshalb dem Sinn und Zweck des Gesetzes entsprechend, das den lauteren Wettbewerb gewährleisten will, eher weit auszulegen. Wesentlich ist, dass die Angebote das Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Kunden beeinflussen können (BGE 90 II 323; VON BÜREN, Kommentar zum UWG, S. 19 N. 45 ff.; TROLLER, Immaterialgüterrecht II, 3. Aufl. S. 915 ff.).
Was das Verhältnis zwischen einem Handelsunternehmen und dem Veranstalter einer Fachmesse des gleichen Wirtschaftszweiges insbesondere angeht, ist zu beachten, dass auf solchen Messen vor allem Waren des gehobenen Verbrauchs oder Investitionsgüter und Neuheiten angeboten und verkauft werden; es sind Schauveranstaltungen mit Marktcharakter und besonders grosser Werbewirkung und Attraktivität, weil Interessenten sich mit verhältnismässig geringem Aufwand einen umfassenden Überblick über das gesamte Angebot auf einem Markt verschaffen können. Fachmessen wollen zudem nicht nur bestehende Bedürfnisse decken und Neuheiten zeigen, sondern darüber hinaus neue Bedürfnisse wecken und helfen, neue Absatzgebiete zu gewinnen; sie sind Werbung schlechthin, für die Aussteller wie für den Veranstalter. Das gilt insbesondere für berühmte Messen, die mit internationaler Beteiligung, wie die Hannover-Messe, auf den Export ausgerichtet sind (vgl. dazu Der Grosse Brockhaus und Meyers Enzyklopädisches
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Lexikon, je unter dem Stichwort Messe in der Bedeutung von Handels- oder Fachmesse).b) Angesichts dieser vielfältigen wirtschaftlichen Bedeutung von Fachmessen und deren Werbewirkung, welche die Klägerin nach den bei den Akten liegenden Druckschriften und Presseberichten auch für die "CeBIT" beanspruchen kann, lässt sich vorliegend entgegen der Annahme des Obergerichts nicht sagen, das Verhalten der Beklagten sei mangels einer besondern Beziehung zwischen den Angeboten der Parteien wettbewerbsrechtlich unerheblich. Nach dem angefochtenen Urteil bietet die Klägerin den Herstellern und Händlern von Produkten der Büro- und Informationstechnik vor allem die Möglichkeit, ihre Produkte auszustellen und sie dadurch potentiellen Kunden im direkten Vergleich mit Erzeugnissen und Leistungen anderer Aussteller bekannt zu machen, um sie letztlich auch abzusetzen. Ihr Dienstleistungsangebot erschöpft sich somit nicht darin, dass sie den Ausstellern die dazu notwendige Infrastruktur zur Verfügung stellt; sie verschafft ihnen durch ihren Ruf als Fachmesse, ihre Anziehungskraft und umfangreiche Organisation auch eine aussergewöhnliche Reklame, weshalb sie in deren Werbung um neue Kunden und Märkte als Mitbeteiligte anzusehen ist.
Die Vorinstanz räumt denn auch ein, die Klägerin habe selber "ein handfestes Interesse" daran, dass aufgrund der Fachmesse viel verkauft wird, potentielle Käufer sich bei ihr über das Marktangebot informieren und gestützt darauf mit Ausstellern ins Geschäft kommen. Wie sehr die "CeBIT" durch die Reklame und Werbung der Klägerin hier bekannt geworden ist, erhellt aus den vom Kantonsgericht übernommenen Zahlen, wonach die grössten ausländischen Aussteller- und Besucheranteile seit Jahren aus der Schweiz stammen. Damit ist die vom Obergericht vermisste Beziehung zwischen den Angeboten der Parteien einerseits und einem zumindest teilweise gemeinsamen Kundenkreis für das Gebiet der Schweiz anderseits erstellt.
Daran ändert nichts, dass die Klägerin die ausgestellten Erzeugnisse der Büro- und Informationstechnik nicht selber vertreibt und hier keine Sondermessen veranstaltet. Festzuhalten ist vielmehr, dass die Beklagte Ende 1980, als sie ihren Zweck und ihre Firma ändern liess, nicht nur die Kurzbezeichnung der deutschen Fachmesse, sondern in ihrer Werbung und im geschäftlichen Verkehr auch deren Zusatz fast wörtlich übernommen hat. Das braucht sich die Klägerin auch nach schweizerischem Recht nicht gefallen
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zu lassen; es handelt sich jedenfalls um irreführende Angaben im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. d aUWG. Die Vorinstanz verkennt den Begriff des unlauteren Wettbewerbs, wenn sie unbekümmert darum, dass die Beklagte für die gleichen Produkte wirbt wie die Klägerin mit ihrer Sondermesse, und dass sie sich dabei deren Bezeichnung fast vollständig und unverkennbar anmasst, die Möglichkeit einer wettbewerbswidrigen Beeinflussung verneint. Dies gilt um so mehr, als es der Beklagten mit der Annahme der neuen Firma offensichtlich auch darum ging, vom Ruf und der Werbung einer berühmten Fachmesse zu profitieren.Art. 1 Abs. 2 lit. d aUWG setzt nicht voraus, dass tatsächlich Täuschungen oder Verwechslungen vorgekommen und nachgewiesen seien; der irreführende Eindruck einer engen Verbindung zwischen den beiden Gesellschaften genügt (BGE 109 II 489 E. 5 mit Hinweisen). Es hilft der Beklagten daher auch nicht, dass die Klägerin sich mit der Werbung für ihre Sondermesse vor allem an ein Fachpublikum wendet, wie die Vorinstanz annimmt. Selbst für Fachleute ist der Schluss auf eine Verbindung der beiden Unternehmen nicht von der Hand zu weisen; er liegt jedenfalls näher als die Annahme einer bloss irreführenden und damit unzulässigen Nachmachung oder Nachahmung des Handelsnamens. Die Klägerin wirft der Beklagten daher mit Recht ein wettbewerbswidriges Verhalten vor; sie hat Anspruch darauf, dass die Beklagte von täuschenden Angaben in der Firma und im Geschäftsverkehr absieht.
c) Bei diesem Ergebnis kann offenbleiben, ob das Verhalten der Beklagten auch nach Namensrecht zu beanstanden wäre. Zu bemerken ist immerhin, dass die Bezeichnung "CeBIT", insbesondere in Verbindung mit dem ebenfalls streitigen Zusatz, wegen der jährlichen Werbung, wie deren Wirkungen zeigen, auch in der Schweiz zu einem Individualzeichen für die gleichnamige Sondermesse der Klägerin geworden ist (BGE 98 II 67 und BGE 97 II 159 E. 3).
4. Die Beklagte macht geltend, die Klägerin habe ihr Klagerecht jedenfalls verwirkt, wenn ein Anspruch begründet sein sollte. Eine Verwirkung des Klagerechts wegen verspäteter Rechtsausübung ist nach ständiger Rechtsprechung nicht leichthin anzunehmen; sie setzt insbesondere voraus, dass der Berechtigte die Verletzung seines Rechts während längerer Zeit widerspruchslos hinnimmt (BGE 109 II 340 mit Hinweisen). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Die Klägerin ist bereits 1981, als sie von der streitigen Schweizer Firma Kenntnis erhielt, in Deutschland gegen
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die Beklagte gerichtlich vorgegangen; sie war somit von Anfang an nicht gewillt, sich mit der Nachmachung abzufinden. Nach dem Entscheid zu ihren Gunsten in Deutschland bemühte sie sich im Frühjahr 1983 vergeblich, die Beklagte zu einer freiwilligen Änderung ihrer Firma zu bewegen, deren Verwendung sie auch in der Schweiz für wettbewerbswidrig hielt. Im Herbst 1983 sodann reichte sie deswegen beim Kantonsgericht Zug Klage ein. Von einem Dulden oder gar einer Verwirkung durch Zeitablauf kann daher keine Rede sein.Bleibt es aber dabei, dass die Klägerin rechtzeitig geklagt hat, so ist das angefochtene Urteil aus den vorstehenden Erwägungen zum Feststellungsbegehren der Klägerin aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese sich zu den weitern Klagebegehren ebenfalls äussert. Das Obergericht hat dabei davon auszugehen, dass der Unterlassungsanspruch der Klägerin aus unlauterem Wettbewerb begründet ist.