BGE 114 II 189
 
32. Urteil der I. Zivilabteilung vom 1. Juni 1988 i.S. Y. Corporation Inc. gegen Firma X. (Revision)
 
Regeste
Art. 136 ff. OG.
Daran fehlt es, wenn der Prozess nach einem Rückweisungsentscheid des Bundesgerichts durch einen Vergleich, der keiner richterlichen Genehmigung bedarf, erledigt wird.
 


BGE 114 II 189 (189):

Erwägungen:
Auf Berufung der Beklagten hob das Bundesgericht dieses Urteil am 4. November 1986 auf und wies die Sache zur weiteren Abklärung des Sachverhaltes und zur neuen Beurteilung an das Handelsgericht zurück (BGE 112 II 337 ff.). Ein Revisionsbegehren der Klägerin gegen den Rückweisungsentscheid wies das Bundesgericht am 31. März 1987 ab, soweit es darauf eintrat.
Am 4. Dezember 1987 schlossen die Parteien vor Handelsgericht, nachdem dieses einen weitern Zeugen einvernommen hatte, einen Vergleich. Sie einigten sich dahin, dass die Klägerin ihre Forderung auf einen Teil beschränkte, die Beklagte die Klage in diesem Umfang anerkannte, jede Partei die Gerichtskosten zur Hälfte übernahm und auf eine Prozessentschädigung verzichtete. Am 10. Dezember 1987 wurde der Prozess vom Präsidenten des Handelsgerichts als durch Vergleich erledigt abgeschrieben.
Mit Eingabe vom 10. Februar 1988 ersucht die Klägerin das Bundesgericht erneut um Revision seines Urteils vom 4. November 1986. Sie beantragt, dieses Urteil aufzuheben und die Berufung der

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Beklagten gegen das Urteil des Handelsgerichts vom 30. Oktober 1985 abzuweisen. Sie erblickt in der Zeugenaussage vom 4. Dezember 1987 neue erhebliche Tatsachen im Sinne von Art. 137 lit. b OG. Die Klägerin beantragt, auf das Revisionsgesuch nicht einzutreten oder es jedenfalls abzuweisen.
2. Im Prozess vorgebrachte Begehren sind nur zu beurteilen, wenn sie auf einem hinreichenden Rechtsschutzinteresse gründen. Das gilt auch für die Beurteilung von Rechtsmitteln, selbst von ausserordentlichen. Dabei erschöpft sich das rechtlich geschützte Interesse daran nicht einfach in der sogenannten Beschwer, d.h. darin, dass einzelnen Begehren des Rechtsmittelklägers nicht oder nicht voll entsprochen worden ist (BGE 103 II 158 ff.). Erforderlich ist vielmehr, dass der Entscheid über das Rechtsmittel geeignet ist, dem Kläger den angestrebten materiellrechtlichen Erfolg zu verschaffen. Damit soll Prozessen und Verfahren vorgebeugt werden, die von vornherein oder mit Rechtsmitteln Unerreichbares anstreben, die selbst dann, wenn die vorgebrachte Rechtsauffassung begründet ist, dem Richter nicht erlauben, die Rechtslage entsprechend zu gestalten (GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. S. 205 ff. und 494 ff.; KUMMER, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. Aufl. S. 104 ff.; VOGEL, Grundriss des Zivilprozessrechts, S. 127 f. Rz. 11 ff. und S. 270 f. Rz. 58 ff.; HABSCHEID, Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht, S. 164 Rz. 445, S. 356 Rz. 960 und S. 366/67 Rz. 998; WALDER, Zivilprozessrecht, S. 261 Rz. 8 und S. 467/68 Rz. 17; vgl. auch BGE 110 II 352 ff.).
Ein solches Interesse fehlt einem Revisionsgesuch, wenn rechtliche oder tatsächliche Gründe eine Änderung der Rechtslage, die durch das angefochtene Urteil geschaffen worden ist, ausschliessen (KUMMER, S. 210; LEUCH, N. 3 zu Art. 368 ZPO/BE). Richtet sich das Gesuch nach Beendigung des Prozesses gegen den Rückweisungsentscheid des Bundesgerichts, so wird nämlich mit der Aufhebung dieses Entscheides auch der daraufhin ergangene kantonale Endentscheid beseitigt (Art. 144 Abs. 2 OG). Das Gesuch setzt deshalb voraus, dass der Prozess gestützt auf den Rückweisungsentscheid durch Urteil, d.h. kraft staatlicher Autorität erledigt worden ist, da das Bundesgericht nur auf einen kantonalen Hoheitsakt hin auf die Sache zurückkommen kann. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn der Gesuchsteller sich bloss auf einen Vergleich berufen kann, denn diesfalls wird der Prozess nicht durch Staatsakt, sondern durch übereinstimmende Willenserklärung

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der Parteien, d.h. durch Vertrag erledigt. Wird ein Streit oder eine Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis mit gegenseitigen Zugeständnissen vertraglich beigelegt, so verzichten die Parteien damit unter Vorbehalt der allgemeinen Bestimmungen über die Willensmängel bei Verträgen jedenfalls sinngemäss auf weitere Rechtsmittel, auch auf eine Revision (BGE 105 II 277 E. 3a mit Zitaten; KUMMER, S. 149/50; LEUCH, N. 2 zu Art. 368 ZPO/BE). Anders verhält es sich nur, wenn das anwendbare Prozessrecht ein bestimmtes Rechtsmittel ausdrücklich auch zur Anfechtung eines gerichtlichen Vergleiches zulässt, was z.B. nach § 293 ZPO/ZH der Fall ist (STRÄULI/MESSMER, N. 9 ff. zu § 293 ZPO/ZH; VOGEL, S. 277 Rz. 100 ff.; WALDER, S. 484 Rz. 74). Nach Art. 136 ff. OG trifft dies dagegen nicht zu (BIRCHMEIER, Handbuch zum OG, S. 499 lit. e). Daran ändert nichts, dass der Prozess im allgemeinen nicht schon durch den Vergleich, sondern erst durch den Abschreibungsbeschluss des Gerichts beendet wird. Vorbehalten bleibt allerdings die Genehmigung des Richters, wo ein Vergleich wegen seines Inhalts einer solchen bedarf, wie z.B. nach Art. 158 Ziff. 5 ZGB. In andern Fällen hat der Richter bloss vom Abschluss des Vergleichs Kenntnis zu nehmen und festzustellen, dass der Prozess deswegen als erledigt anzusehen ist; die Feststellung hat bloss den Charakter einer Beurkundung, nicht die Bedeutung eines Entscheides in der Sache selber (KUMMER, S. 150). Das gilt auch für einen Erledigungsbeschluss gemäss § 188 Abs. 2 ZPO/ZH (HAUSER/HAUSER, Erläuterungen zum Gerichtsverfassungsgesetz des Kantons Zürich, 3. Aufl. S. 113 lit. b), der hier übrigens bloss in einer Verfügung des Präsidenten des Handelsgerichts bestand.
Ein Rechtsschutzinteresse an einer Revision des bundesgerichtlichen Urteils vom 4. November 1986 wäre daher nur zu bejahen, wenn gleichzeitig die materielle Rechtslage geändert, insbesondere der gerichtliche Vergleich aufgehoben werden könnte. Die Gesuchstellerin macht dazu zwar geltend, den Vergleich unter Anfechtungsvorbehalt geschlossen zu haben. Für einen solchen Vorbehalt ist dem Gerichtsprotokoll indes nichts zu entnehmen; er wird von der Beklagten zudem bestritten. Dass der Vergleich innert der Frist von § 295 Abs. 1 ZPO/ZH selbständig angefochten worden wäre, behauptet auch die Gesuchstellerin nicht. Dass schliesslich die angeblich neuen Tatsachen eine Anfechtung des Vergleichs wegen Willensmängeln begründen könnten, erscheint bereits deshalb als ausgeschlossen, weil die fragliche Zeugenaussage

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dem Vergleich vorausging, dieser also in voller Kenntnis der "neuen Tatsachen" geschlossen worden ist. Daraus erhellt, dass die vergleichsweise Beendigung des Prozesses durch eine Revision des bundesgerichtlichen Rückweisungsentscheides nicht beeinflusst würde, weshalb sich auch nicht sagen lässt, das Revisionsbegehren der Klägerin beruhe auf einem rechtlich schutzwürdigen Interesse. Fehlt es aber an dieser Voraussetzung, so ist auf das Begehren nicht einzutreten.