Urteilskopf
120 II 276
53. Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. September 1994 i.S. Reding (Berufung)
Regeste
Namensänderung.
Die nachträgliche Eintragung der Partikel "von" vor einen Familiennamen, der in den massgebenden alten Büchern ohne diesen Zusatz eingetragen war und bei der Einführung des eidgenössischen Registers in dieser Form übernommen wurde, ist in jedem Fall unzulässig; ob wichtige Gründe im Sinne von Art. 30 Abs. 1 ZGB dargetan werden können, ist deshalb unerheblich.
Mit Entscheid vom 2. August 1991 wies das Justizdepartement des Kantons Luzern das Gesuch des in Arth SZ heimatberechtigten Martin Kaspar Reding vom 24. Dezember 1990, ihm zu gestatten, den Familiennamen "von Reding" zu führen, ab. Die von Martin Kaspar Reding hiergegen erhobene Verwaltungsbeschwerde wies der Regierungsrat am 22. Februar 1994 ebenfalls ab.
Unter Erneuerung des im kantonalen Verfahren gestellten Rechtsbegehrens hat Martin Kaspar Reding beim Bundesgericht Berufung eingereicht. Das Bundesgericht weist diese ab
aus folgenden Erwägungen:
1. Gemäss
Art. 30 Abs. 1 ZGB kann die Regierung des Wohnsitzkantons einer Person die Änderung des Namens bewilligen, wenn wichtige Gründe vorliegen. Dieser Tatbestand ist erfüllt, wenn das Interesse des Namensträgers an einem neuen Namen dasjenige der Verwaltung und der Allgemeinheit an der Unveränderlichkeit des einmal erworbenen und in die Register eingetragenen Namens sowie an eindeutiger Kennzeichnung und Unterscheidung des einzelnen überwiegt (
BGE 117 II 6 E. 3a S. 9 mit Hinweisen). Der Name soll dem Namensträger das Fortkommen ermöglichen und erleichtern, nicht erschweren; es sollen diesem aus seinem Namen nicht wirkliche Nachteile oder erhebliche Unannehmlichkeiten erwachsen (EGGER, N. 5 zu
Art. 30 ZGB).
Zur Bewilligung einer Namensänderung können moralische, geistige oder seelische Gründe führen (vgl.
BGE 108 II 1 E. 5a S. 4 mit Hinweis). Ein die Änderung des Namens rechtfertigendes persönliches Interesse des Gesuchstellers kann hauptsächlich darin bestehen, nicht des Namens wegen dem Spott ausgesetzt zu sein. Eine Namensänderung fällt also etwa in Betracht, wenn der Name als lächerlich, hässlich oder anstössig erscheint (vgl.
BGE 108 II 247 E. 4c S. 250 mit Hinweisen auf die Literatur) oder immer wieder verstümmelt wird (vgl. PEDRAZZINI/OBERHOLZER, Grundriss des Personenrechts, 4. A., S. 192). Demgegenüber ist eine Namensänderung verweigert worden, die unter Hinweis auf das Interesse einer berühmten
BGE 120 II 276 S. 278
Familie (von Stockalper), das Aussterben zu verhindern, begründet worden war (
BGE 108 II 247 ff.; vgl. die kritische Würdigung dieses Entscheids bei PEDRAZZINI/OBERHOLZER, a.a.O.).
2. a) Der Regierungsrat ist davon ausgegangen, dass im Zeitpunkt der Einführung des eidgenössischen Zivilstandsregisters der Familienname des Berufungsklägers in den massgebenden Kirchenbüchern ohne den Zusatz "von" geführt und somit korrekt übernommen worden sei. Aus der Tatsache, dass ein weit entfernter Vorfahre einmal in den Adelsstand erhoben worden sei, könne der Berufungskläger keinen Rechtsanspruch ableiten, sich "von Reding" zu nennen. Lehre und Rechtsprechung seien sich darüber einig, dass die Beifügung des Namenspartikels "von" auf dem Weg der Namensänderung gegen
Art. 4 BV verstossen würde und deshalb unzulässig sei. Für eine Abwägung der privaten Interessen des Berufungsklägers und den öffentlichen Interessen bestehe damit kein Raum mehr.
b) Demgegenüber macht der Berufungskläger geltend, er habe aufgrund von Art. 30 Abs. 1 ZGB einen Anspruch darauf, dass die von ihm vorgebrachten Gründe detailliert geprüft würden. Indem die Vorinstanz sich mit pauschalen Überlegungen begnügt habe, habe sie gegen Bundesrecht verstossen.
3. a) Wie der Regierungsrat zutreffend bemerkt, lässt sich ein Namensänderungsgesuch der vorliegenden Art, bei dem es allein um den Zusatz "von" geht, nicht ohne weiteres mit den üblichen, meist aus familiären oder gesellschaftlichen Gründen eingereichten Begehren vergleichen. Die Verwendung des erwähnten Zusatzes hing in früheren Zeiten einerseits mit der Adelung zusammen. Die in den Adelsstand erhobene Person erhielt die Befugnis, ihrem Namen die Partikel "von" voranzustellen. Dieser kam so die Bedeutung eines Adelsprädikats zu, und sie wurde dazu verwendet, bei den Trägern des gleichen Namens adelige von nicht adeligen Geschlechtern auseinanderzuhalten (so etwa "Schwerin" und "von Schwerin", "Usedom" und "von Usedom"; dazu GIERKE, Verhandlungen des 25. Deutschen Juristentages, 3. Band, S. 52). Andererseits verwendeten bürgerliche Geschlechter bei ihrem Familiennamen den Zusatz "von", um die Herkunft von einem bestimmten Ort oder Hof zum Ausdruck zu bringen ("von Moos", "von Flüe"). Das "Von" konnte mithin sowohl Adelsbezeichnung als auch Bestandteil eines bürgerlichen Namens sein. In der Schweiz wurden beide Arten in Verbindung mit Familiennamen in die einschlägigen Rödel, Bücher und Register eingetragen.
b) Bezeichnungen, die auf den Adel als Stand hinweisen, verstossen nach schweizerischer Rechtsauffassung gegen den in
Art. 4 BV verankerten Gleichheitsgrundsatz (
BGE 102 Ib 245 E. 2 S. 247) und dürfen in die Zivilstandsregister, deren Bestimmung sie fremd sind, nicht eingetragen werden (vgl.
Art. 39 ZStV [SR 211.112.1]). Soweit es sich bei der Partikel "von" um einen Adelstitel handelt, müsste sie folgerichtig aus den Registern verbannt werden, im Gegensatz zum bürgerlichen, Bestandteil des Namens bildenden "Von" (dazu WALTER GAUTSCHI, Die Rechtswirkungen der Eintragung in die Zivilstandsregister, Diss. Basel 1911, S. 155; HANS RUDOLF KOLLBRUNNER, Die Namensänderung nach
Art. 30 ZGB, Diss. Bern 1933, S. 23; GÖTZ, Die Beurkundung des Personenstandes, in: Schweizerisches Privatrecht, II. Band, S. 400). Bei den alten Einträgen hätte sich jedoch nur mit unverhältnismässigem Aufwand ermitteln lassen, ob im einzelnen Fall ein adeliges oder ein bürgerliches "Von" vorliegt. In Anbetracht der grosszügigen altrechtlichen Praxis, Familiennamen mit dem Zusatz "von" in die einschlägigen Bücher und Register einzutragen, erschien es als sachgerecht, die Partikel generell in das Zivilstandsregister zu übernehmen, wobei sie einheitlich als Bestandteil des Namens betrachtet werden (vgl.
BGE 102 Ib 245 E. 2 S. 247; GROSSEN, Das Recht der Einzelpersonen, in: Schweizerisches Privatrecht, II. Band, S. 337; vgl. auch den in BBl 1910 I S. 301, Ziff. 7, veröffentlichten Standpunkt des Bundesrates).
c) Anders verhält es sich indessen da, wo auf dem Weg der Namensänderung die Partikel "von" dem Familiennamen neu beigefügt werden soll. Es geht in Anbetracht des in
Art. 4 BV verankerten Gleichheitsgebotes und des für Adelstitel daraus abgeleiteten Eintragungsverbots nicht an, die erwähnte grosszügige Praxis bei der Übertragung der altrechtlichen Aufzeichnungen in das eidgenössische Zivilstandsregister auf diesen Fall auszudehnen und die - wie anscheinend hier - eindeutig auf einer Adelung beruhende Partikel "von" nachträglich einzutragen. Wie bereits erwähnt, wäre im übrigen eine Abklärung des Ursprungs eines solchen Zusatzes in der Regel mit einem unangemessenen Aufwand verbunden, und es könnte auch dann der Eindruck, es handle sich um ein Adelsprädikat, nicht ganz vermieden werden. Ein nachträgliches Hinzufügen der Partikel ist deshalb als generell unzulässig zu betrachten (vgl. auch BBl 1910 I a.a.O.). Dies hat zur Folge, dass die bei der Beurteilung eines Begehrens um Namensänderung sonst erforderliche Gegenüberstellung der konkreten Interessen des Namensträgers und derjenigen
BGE 120 II 276 S. 280
der Verwaltung sowie der Allgemeinheit in einem Fall der vorliegenden Art von vornherein dahinfällt.
4. Nach den Ausführungen des Regierungsrates hat der Berufungskläger selbst nicht in Abrede gestellt, dass seine Familie in den massgebenden alten Kirchenbüchern ohne den Zusatz "von" eingetragen war. In den von ihm ins Recht gelegten genealogischen Gutachten werde denn auch festgehalten, dass die in Arth SZ heimatberechtigten Redings in ihrer Mehrheit darauf verzichtet hätten, den ihnen zustehenden Adelstitel zu führen.
Die bis zur Einführung der neuen, von weltlichen Beamten zu führenden Register gültigen kirchlichen Rödel (Kirchen- und Pfarrbücher) waren beim Wechsel als massgebende Unterlagen anerkannt. Nach deren letzter Fassung bestimmte sich der in die neuen Register zu übertragende Name. Wie lange jene schon gegolten hatte und aus welchen Gründen eine ältere Schreibweise allenfalls geändert worden war, war unerheblich (dazu
BGE 81 II 249 E. 6 S. 256 f.). Das Vorbringen des Berufungsklägers, richtig sei einzig und allein der Name "von Reding", stösst damit ins Leere.
5. Die beantragte Namensänderung ist nach dem Gesagten schon aus grundsätzlichen Überlegungen ausgeschlossen. Ob angesichts der vom Berufungskläger geltend gemachten persönlichen Interessen wichtige Gründe im Sinne von
Art. 30 Abs. 1 ZGB dargetan wären, braucht unter diesen Umständen nicht erörtert zu werden.