BGE 125 II 250
 
24. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 19. April 1999 i.S. E.T. und I.T. gegen Obergericht des Kantons Aargau (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
Regeste
Art. 2 lit. a EUeR, Art. 14 Abs. 2 VStrR, § 4 Abs. 3 des deutschen Einkommenssteuergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. April 1997 (EStG, BGBl. I S. 821): Deutsches Rechtshilfeersuchen in einem Fall von Steuerhinterziehung, begangen durch Einreichen von unvollständigen Einnahmen-Überschussrechnungen.
Im Rechtshilfeverfahren ist nach dem schweizerischen Strafrecht zu entscheiden, ob ein der ausländischen Steuerbehörde eingereichtes Schriftstück eine Urkunde ist; nach dem ausländischen Recht beurteilt sich die Bestimmung und Eignung zum Beweis (E. 4a).
Die Einnahmen-Überschussrechnung im Sinne von § 4 Abs. 3 des deutschen EStG ist dann eine Urkunde gemäss Art. 110 Ziff. 5 Abs. 1 StGB, wenn ihr eine nach kaufmännischen Grundsätzen geführte Buchhaltung zugrunde liegt bzw. zugrunde liegen sollte (E. 4b-d).
Andernfalls begründet die Einreichung einer unvollständigen Einnahmen-Überschussrechnung für sich allein noch keine Arglist (E. 5).
 


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Aus den Erwägungen:
2. Nach Art. 2 lit. a des hier massgeblichen Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 (EUeR; SR 0.351.1) kann die Rechtshilfe verweigert werden, wenn sich das Ersuchen auf strafbare Handlungen bezieht, die vom ersuchten Staat als Fiskaldelikte angesehen werden. Art. 3 Abs. 3 IRSG sieht vor, dass Rechtshilfebegehren abzulehnen sind, wenn

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Gegenstand des Verfahrens eine Tat bildet, die auf eine Verkürzung fiskalischer Abgaben gerichtet ist. Jedoch kann einem Ersuchen um Rechtshilfe nach dem dritten Teil des Gesetzes entsprochen werden, wenn das Verfahren einen Abgabebetrug betrifft. Nach der Rechtsprechung besteht im letzteren Fall eine Pflicht zur Rechtshilfeleistung, wenn die übrigen Voraussetzungen dafür erfüllt sind (BGE 117 Ib 53 E. 3 S. 64; BGE 115 Ib 68 E. 3c S. 82; BGE 111 Ib 242 E. 4c S. 248). Das Obergericht hat die dem Rechtshilfeersuchen zugrunde liegenden Tatsachen als Abgabebetrug im Sinne von Art. 3 Abs. 3 IRSG qualifiziert. Da es auch die übrigen Voraussetzungen zur Gewährung der Rechtshilfe als erfüllt ansah, hat es die vom Bezirksamt angeordneten Rechtshilfemassnahmen geschützt. Die Beschwerdeführer machen hauptsächlich geltend, im angefochtenen Entscheid sei ein Abgabebetrug zu Unrecht bejaht worden.
3. a) Gemäss Art. 24 Abs. 1 der Verordnung über internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 24. Februar 1982 (IRSV; SR 351.11) bestimmt sich der Begriff des Abgabebetrugs im Sinne von Art. 3 Abs. 3 IRSG nach Art. 14 Abs. 2 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht vom 22. März 1974 (VStR; SR 313.0). Danach liegt ein Abgabebetrug vor, wenn der Täter durch sein arglistiges Verhalten bewirkt, dass dem Gemeinwesen unrechtmässig und in einem erheblichen Betrag eine Abgabe, ein Beitrag oder eine andere Leistung vorenthalten oder dass es sonst am Vermögen geschädigt wird. Der damit umschriebene Tatbestand ist weiter als jener des Steuerbetrugs gemäss Art. 186 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer vom 14. Dezember 1990 (DBG; SR 642.11), der eine Täuschung der Steuerbehörden durch gefälschte, verfälschte oder inhaltlich unwahre Urkunden wie Geschäftsbücher, Bilanzen, Erfolgsrechnungen, Lohnausweise oder andere Bescheinigungen Dritter voraussetzt.
b) Ein Abgabebetrug muss nicht notwendigerweise durch Verwendung falscher oder gefälschter Urkunden begangen werden, sondern es sind auch andere Fälle arglistiger Täuschung denkbar. Nach der Rechtsprechung sind jedoch immer besondere Machenschaften, Kniffe oder ganze Lügengebäude erforderlich, damit eine arglistige Täuschung anzunehmen ist. Unter Umständen kann allerdings auch blosses Schweigen arglistig sein, wenn der Täuschende den Getäuschten von einer möglichen Überprüfung abhält oder voraussieht, dass dieser mit Rücksicht auf ein besonderes Vertrauensverhältnis von einer Überprüfung absehen wird (BGE 115 Ib 68 E. 3a/bb S. 74 ff.; BGE 111 Ib 242 E. 4b S. 247 f.). Ob eine Tat als Abgabebetrug

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zu qualifizieren ist, beurteilt sich allein nach den erwähnten Grundsätzen des schweizerischen Rechts. Dagegen ist unerheblich, ob das fragliche Verhalten nach dem Recht des ersuchenden Staates ebenfalls als Abgabebetrug gilt oder ob es - wie im vorliegenden Fall (vgl. § 370 der deutschen Abgabenordnung) - als Steuerhinterziehung geahndet wird (BGE 115 Ib 68 E. 3c S. 81 f.).
c) In der Lehre wird die Auffassung vertreten, unabhängig davon, ob die den Steuerbehörden eingereichten unrichtigen oder unvollständigen Unterlagen Urkunden im Sinne des Strafrechts seien, sei die Täuschung der Steuerbehörden dann und nur dann arglistig, wenn die unrichtigen oder unvollständigen Unterlagen von Drittpersonen stammen. Verfasse jedoch der Steuerpflichtige selbst ein unrichtiges Dokument (z.B. eine Bilanz), das er den Steuerbehörden einreiche, so sei die Täuschung auch dann nicht arglistig, wenn es sich beim Dokument um eine Urkunde im Sinne von Art. 110 Ziff. 5 StGB handle. Entscheidend sei allein der Umstand, dass die Steuerbehörden Unterlagen, die von Drittpersonen stammen, in der Regel nicht kontrollieren, weshalb der Steuerpflichtige in diesem Fall voraussehe, dass die Steuerbehörde darin enthaltene unrichtige Angaben nicht auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfen werde; bei Unterlagen, die der Steuerpflichtige selbst hergestellt habe, dürfe der Steuerpflichtige jedoch selbst dann darauf zählen, dass sie von der Steuerbehörde kontrolliert werden, wenn es sich dabei um Urkunden im Sinne des Strafrechts handle (ROBERT WALDBURGER, Entraide administrative et judiciaire internationale en matière fiscale, S. 310, in: Les procédures en droit fiscal, Bern 1997, S. 293-316).
Bei dieser Auffassung bleibt ausser Acht, dass Urkunden, das heisst also Dokumente, die bestimmt und geeignet sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen (Art. 110 Ziff. 5 Abs. 1 StGB), gerade wegen ihrer Eignung und Bestimmung zum Beweis ein höheres Vertrauen entgegengebracht wird als anderen Unterlagen. Die erhöhte Glaubwürdigkeit von Urkunden fördert die Bereitschaft der Steuerbehörden, von Kontrollen abzusehen und Urkunden, die der Steuererklärung beigelegt worden sind, nicht weiter auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. Legt der Steuerpflichtige seiner Steuererklärung Urkunden im Sinne des Strafrechts bei, so muss er eher voraussehen, dass die Steuerbehörde die Urkunden nicht weiter überprüfen werde. Demnach handelt arglistig, wer die Steuerbehörden täuscht, indem er seiner Steuererklärung unrichtige oder unvollständige Unterlagen beilegt, die nach Art. 110 Ziff. 5 Abs. 1 StGB als Urkunden gelten. In solchen

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Fällen liegt regelmässig ein Steuerbetrug vor. Im Folgenden ist daher zuerst zu prüfen, ob die von den Beschwerdeführern ihren Steuererklärungen beigelegten unvollständigen Einnahmen-Überschussrechnungen Urkunden im Sinne des schweizerischen Strafrechts sind. Sollte es sich bei den Einnahmen-Überschussrechnungen um Urkunden handeln, so haben die Beschwerdeführer, welche unvollständige Einnahmen-Überschussrechnungen eingereicht haben, arglistig gehandelt. In diesem Fall ist die verlangte Rechtshilfe zu gewähren. Handelt es sich aber bei den Einnahmen-Überschussrechnungen nicht um Urkunden, so ist zu prüfen, ob das Verhalten der Beschwerdeführer aus anderen Gründen als arglistig erscheint.
4. a) Im schweizerischen Strafrecht gelten als Urkunden unter anderem Schriften, die bestimmt und geeignet sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen (Art. 110 Ziff. 5 Abs. 1 StGB; BGE 123 IV 132 E. 3; BGE 101 IV 278); die Bestimmung und Eignung zum Beweis kann sich aus Gesetz oder Verkehrsübung ergeben (vgl. BGE 114 IV 32 E. 2). Soweit sich die Bestimmung und die Eignung der Einnahmen-Überschussrechnungen als Beweismittel aus Gesetzesbestimmungen ergeben sollen, sind die deutschen Gesetze massgebend, weil die umstrittenen Einnahmen-Überschussrechnungen für eine Steuerveranlagung in Deutschland verwendet wurden. Aus der Verkehrsübung, bei welcher es sich ebenfalls um diejenige in Deutschland handeln müsste, lässt sich im vorliegenden Fall nichts ableiten, da die deutschen Strafverfolgungsbehörden im Rechtshilfeersuchen keinerlei Ausführungen zur Verkehrsübung in Deutschland machen; sie äussern sich nicht einmal zur Frage, ob die Einnahmen-Überschussrechnungen nach deutschem Strafrecht Urkunden wären.
b) Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 des deutschen Einkommenssteuergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. April 1997 (EStG; BGBl. I S. 821) können Steuerpflichtige, die nicht auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmässig Abschlüsse zu machen, als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen. Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine «Kann-Vorschrift», das heisst der Steuerpflichtige, der die Voraussetzung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG erfüllt, ist nicht verpflichtet, eine Überschussrechnung zu erstellen (LUDWIG SCHMIDT, EStG Einkommenssteuergesetz Kommentar, 17. Aufl., München 1998, § 4 Rz. 4). Gemäss § 60 Abs. 1 der deutschen Einkommenssteuer-Durchführungsverordnung (EStDV)

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sind denn auch nur Steuerpflichtige, deren Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermittelt wird, nicht aber solche, deren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG berechnet wird, gehalten, ihrer Steuererklärung eine Abschrift der Bilanz beizulegen (LUDWIG SCHMIDT, a.a.O., § 25 vor Rz. 1). Weder die deutschen Strafverfolgungsbehörden noch die kantonalen Rechtshilfebehörden machen geltend, die Beschwerdeführer seien buchführungspflichtig. Sie erfüllen deshalb die Voraussetzung von § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG: Sie können, müssen aber nicht ihren Gewinn als Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben angeben. Sie liessen somit die Einnahmen-Überschussrechnungen freiwillig von ihrer Steuerberaterin erstellen und dem Finanzamt einreichen.
c) Auch freiwillig verfasste und dem Finanzamt eingereichte Dokumente können indessen zum Beweis einer Tatsache von rechtlicher Bedeutung bestimmt und geeignet sein und damit unter den Urkundenbegriff des schweizerischen Rechts fallen. Voraussetzung dafür ist, dass derartige Urkunden im deutschen Steuerverfahren zum Beweis bestimmt und geeignet sind.
§ 4 Abs. 3 Satz 1 EStG sieht ausdrücklich vor, dass Steuerpflichtige, die nicht buchführungspflichtig sind, als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen. Die Bestimmung schreibt den Steuerpflichtigen, die diese Art der Gewinnberechnung wählen, jedoch nicht vor, dass sie das Ergebnis ihrer Rechnung mit einer schriftlichen Einnahmen-Überschussrechnung belegen. Eine solche Pflicht trifft nach § 60 Abs. 1 EStDV nur diejenigen Steuerpflichtigen, die zur Buchführung verpflichtet sind. Ist ein Steuerpflichtiger zur Buchführung verpflichtet, muss seine Einnahmen-Überschussrechnung genau diejenigen Angaben enthalten, die seine Buchhaltung enthält. In diesem Fall ist die Einnahmen-Überschussrechnung bestimmt und geeignet, den Inhalt der Buchhaltung zu beweisen. Weil eine nach kaufmännischen Grundsätzen geführte Buchhaltung vollständig sein muss, das heisst, alle Einnahmen und Ausgaben des Steuerpflichtigen darin zumindest betragsmässig aufgeführt sein müssen, ist die Einnahmen-Überschussrechnung besonders auch dazu bestimmt und geeignet, zu beweisen, dass der Steuerpflichtige in der massgeblichen Bemessungsperiode gerade den in der Einnahmen-Überschussrechnung und in der Steuererklärung aufgeführten Gewinn erreicht hat.
Ist der Steuerpflichtige jedoch nicht zur Buchführung verpflichtet und führt er auch nicht freiwillig eine kaufmännischen Grundsätzen

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entsprechende Buchhaltung, so belegt seine Einnahmen-Überschussrechnung nur (aber immerhin), aus welchen einzelnen Posten der Steuerpflichtige den in seiner Steuererklärung genannten Gewinn zusammengerechnet hat. Wenn der Steuerpflichtige keine kaufmännischen Grundsätzen entsprechende, vollständige Buchhaltung geführt hat, ist bei einer funktionalen Einnahmen-Überschussrechnung weder bestimmt noch geeignet, zu beweisen, dass der Steuerpflichtige genau den in der Steuererklärung aufgeführten Gewinn erzielt hat (vgl. BGE 125 IV 17 E. 2). In diesem Fall beweist seine Einnahmen-Überschussrechnung nicht mehr und nicht weniger, als seine Steuererklärung für sich allein beweisen würde, wenn ihr keine Einnahmen-Überschussrechnung beigelegt wäre. Ist der Steuerpflichtige nicht zur Buchführung verpflichtet und hat er auch nicht freiwillig eine kaufmännischen Grundsätzen entsprechende Buchhaltung geführt, so handelt es sich bei seiner Einnahmen-Überschussrechnung nicht um eine Urkunde im Sinne von Art. 110 Ziff. 5 Abs. 1 des schweizerischen Strafgesetzbuches. Die Einnahmen-Überschussrechnung ist jedoch immer dann eine Urkunde gemäss Art. 110 Ziff. 5 Abs. 1 StGB, wenn der Steuerpflichtige zur Buchführung nach kaufmännischen Grundsätzen verpflichtet ist oder wenn er freiwillig nach kaufmännischen Grundsätzen eine Buchhaltung führt.
d) Die Beschwerdeführer haben gemäss der Darstellung im Rechtshilfeersuchen ihren Steuererklärungen unvollständige Einnahmen-Überschussrechnungen beigelegt. Sie waren nicht zur Buchführung verpflichtet und haben keine Buchhaltung nach kaufmännischen Grundsätzen geführt. Die Einnahmen-Überschussrechnungen beweisen deshalb nur, dass die Beschwerdeführer den Gewinn, den sie in ihren Steuererklärungen genannt haben, auf Grund der in den Einnahmen-Überschussrechnungen aufgeführten einzelnen Rechnungsposten berechnet haben. Sie beweisen jedoch nicht, dass die Beschwerdeführer keine weiteren Einnahmen entgegengenommen (oder Ausgaben gemacht) hätten, die in den Einnahmen-Überschussrechnungen nicht aufgeführt und in die Berechnung des Gewinns, wie er in den Steuererklärungen ausgewiesen wurde, nicht einbezogen worden wären. Die von den Beschwerdeführern ihren Steuererklärungen beigelegten Einnahmen-Überschussrechnungen beweisen bloss, dass die Beschwerdeführer behaupten, den in den Steuererklärungen aufgeführten Gewinn erzielt zu haben. Bei den von den Beschwerdeführern eingereichten Einnahmen-Überschussrechnungen handelt es sich somit um keine Urkunden im

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Sinne von Art. 110 Ziff. 5 StGB. Die Beschwerdeführer haben insoweit nicht arglistig gehandelt, als sie nicht inhaltlich falsche Urkunden den deutschen Steuerbehörden eingereicht haben. Auch an dieser Stelle sei jedoch darauf hingewiesen, dass das Verhalten der Beschwerdeführer ohne weiteres als arglistig beurteilt werden müsste, wenn sie nach gesetzlicher Vorschrift oder freiwillig eine Buchhaltung nach kaufmännischen Grundsätzen geführt hätten.
5. a) Wer seiner Steuererklärung unrichtige oder unvollständige Unterlagen beilegt, handelt unter Umständen auch dann arglistig, wenn es sich bei den Beilagen nicht um Urkunden im Sinne des Strafrechts handelt. Nach der oben in Erwägung 3b dargelegten Rechtsprechung sind jedoch immer besondere Machenschaften erforderlich, damit eine arglistige Täuschung anzunehmen ist. Als besondere Machenschaften (machinations) gelten Erfindungen und Vorkehrungen sowie das Ausnützen von Begebenheiten, die allein oder gestützt durch Lügen oder Kniffe (manoeuvres frauduleuses) geeignet sind, das Opfer irrezuführen oder es in seinem Irrtum zu bestärken (vgl. BGE 122 IV 197 E. 3d mit Hinweisen). Selbst blosses Schweigen kann arglistig sein, wenn der Täuschende den Getäuschten von einer möglichen Überprüfung abhält oder voraussieht, dass dieser mit Rücksicht auf ein besonderes Vertrauensverhältnis von einer Überprüfung absehen wird.
b) Liegt dem Rechtshilfeersuchen der Verdacht zugrunde, der Beschuldigte habe sich eines Abgabebetrugs schuldig gemacht, so haben sich die schweizerischen Behörden beim Entscheid über die Frage, ob die Täuschung, welche dem Beschuldigten vorgeworfen wird, arglistig sei, allein an die Darstellung des Sachverhalts im Rechtshilfebegehren zu halten, soweit diese nicht offensichtliche Fehler, Lücken oder Widersprüche enthält. Einerseits haben sich die schweizerischen Behörden grundsätzlich nicht darüber auszusprechen, ob die darin angeführten Tatsachen zutreffen oder nicht. Anderseits verlangt die Rechtsprechung, dass hinreichende Verdachtsmomente für den im Rechtshilfeersuchen enthaltenen Sachverhalt bestehen. Damit soll verhindert werden, dass sich die ersuchende Behörde unter dem Deckmantel eines von ihr ohne Vorhandensein von Verdachtsmomenten lediglich behaupteten Abgabebetrugs Beweise verschafft, die zur Ahndung anderer Fiskaldelikte dienen sollen, für welche die Schweiz gemäss Art. 3 Abs. 3 IRSG keine Rechtshilfe gewährt (BGE 116 Ib 96 E. 4c S. 103; BGE 115 Ib 68 E. 3b/bb S. 78). Demnach ist es Sache der um Rechtshilfe ersuchenden ausländischen Behörde, in ihrem Ersuchen die Umstände

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darzulegen, aus welchen sich ergeben soll, dass der Beschuldigte arglistig gehandelt hat.
c) Im vorliegenden Fall enthält das Rechtshilfeersuchen keinen Hinweis darauf, dass die Beschwerdeführer besondere Machenschaften angewandt hätten, um das Finanzamt über die Höhe ihrer Einkünfte zu täuschen. Sie haben sich vielmehr darauf beschränkt, in den Einnahmen-Überschussrechnungen ihre Einkünfte nicht vollständig aufzuführen. Weil die Beschwerdeführer weder aus gesetzlicher Pflicht noch freiwillig eine Buchhaltung nach kaufmännischen Grundsätzen geführt haben und gegenüber dem Finanzamt auch nicht den Anschein erweckt haben, sie würden eine kaufmännischen Grundsätzen entsprechende Buchhaltung führen, musste das Finanzamt von vornherein annehmen, dass möglicherweise nicht alle Angaben der Beschwerdeführer der Wahrheit entsprechen. Die Beschwerdeführer haben daher nicht arglistig gehandelt. Hätten sie die ihnen vorgeworfenen Handlungen oder Unterlassungen in der Schweiz begangen, hätten sie sich zwar der Steuerhinterziehung nach schweizerischem Recht, nicht aber des Steuerbetrugs gemäss Art. 14 Abs. 2 VStrR schuldig gemacht. Nach Art. 2 lit. a EUeR und Art. 3 Abs. 3 IRSG in Verbindung mit Art. 24 Abs. 1 IRSV ist deshalb die verlangte Rechtshilfe nicht zulässig.